Info-Verteiler
Imperialistischer Interventionskrieg
gegen den Kongo
Wenn Elefanten tanzen, wird das Gras zertrampelt; wenn Elefanten kämpfen, ist es immer noch das Gras, das zertrampelt wird – Afrikanisches Sprichwort1
Der erste Angriff Europas auf das Herz Afrikas
Der Kongo wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von König Leopold II. von Belgien “erworben”. Leopold suchte sich ein paar Geldgeber und schickte den Abenteurer Henry Morton Stanley, der sich einen Namen gemacht hatte, indem er den in Afrika verschollenen englischen Missionar David Living­stone aufgespürt hatte, los, ihm den letzten weißen Flecken Afrikas auf europäischen Landkarten zu erobern. Ausgerüstet mit neuester Waffentechnologie (dem Stahlboot “Ad­vance” und einem Maschinengewehr – und, wie wir annehmen können, nicht ganz allein) begann Stanley seinen Eroberungsfeldzug.
Nach Stanleys Beispiel bedienten sich die Belgier jedes afrikanischen Häuptlings oder arabischen Abenteurers, der bereit war, unter ihnen zu dienen. Bald schon sorgte die “Force Pub­lique”, eine Söldnerarmee aus unterschiedlichen Nationalitäten, allerorten für eine brutale Unterdrückung jeden Widerstandes gegenüber den neuen Kolonialherren.
Rücksichtslos plünderten die beteiligten Kon­zessionsge­sell­schaf­ten den “Kongo-Freistaat” aus. Ein belgischer Geograf, der die Schreckensherrschaft im Kongo selbst studiert hatte, berichtet: “In den Gummigebieten wurde die Steuer statt in Arbeitsleistung in einer bestimmten Menge von Gummi erhoben. Wenn die geforderte Menge nicht der Zahlstelle abgeliefert wurde, wandte man verschiedene Methoden des Zwangs an. So wurden Häuptlinge verhaftet und festgehalten, bis der Stamm die Quote an Gummi ablieferte. Es wurden Geiseln genommen, Frauen und Kinder eingesperrt, und diejenigen, die weniger als die festgesetzte Menge auf den Posten ablieferten, wurden mit der Chicotte (einer Peitsche) mißhandelt. Von Zeit zu Zeit führte man Strafexpeditionen durch, um ein Exempel zu statuieren. Dörfer wurden niedergebrannt … und die rohesten Leidenschaften kamen zum Vorschein.” Im Jahr 1908 wurde der Kongo umverteilt: dem königlichen Privatbesitz entzogen, mutierte er zur offiziellen belgischen Kolonie.2
Die kurze Freiheit vom Kolonialismus
“Unsere Geschichte waren achtzig Jahre kolonialer Herrschaft; unsere Wunden sind immer noch zu frisch und schmerzhaft, um sie aus unserem Gedächtnis streichen zu können. Wir haben ermüdende Arbeit erlebt im Austausch für ein Gehalt, das es uns nicht ermöglicht hat, unseren Hunger zu stillen, uns zu bekleiden und anständig wohnen zu können, um unsere Kinder wie geliebte Wesen großziehen zu können.
Wir haben Witze, Beleidigungen, Schläge erlebt, die wir morgens, mittags und abends ertragen mußten, weil wir ‘Neger’ waren. Wer wird vergessen, daß gegenüber einem Neger die Du-Form verwendet wurde, aber nicht wie gegenüber einem Freund, sondern weil die Sie-Form den Weißen gegenüber vorbehalten war.
Wir haben erlebt, daß unsere Länder geplündert wurden im Namen von angeblich legalen Gesetzen, die nur das Recht des Stärkeren anerkannt haben. Wir haben die Leiden derjenigen erlebt, die aus politischen oder religiösen Gründen verbannt wurden; exiliert in ihren eigenen Ländern, ihr Ende war wahrlich schlimmer als selbst der Tod.
Wir haben erlebt, daß es in den Städten prächtige Häuser für die Weißen gab und wackelige Strohhütten für die Neger, daß ein Neger zu Kinos oder Restaurants oder Geschäften, die ‘Europäern’ vorbehalten waren, keinen Zutritt hatte, daß ein Neger im Schiffsrumpf der Flußdampfer zu Füßen des Weißen in seiner Erste-Klasse-Kabine reiste.
Wer wird schließlich die Salven vergessen, unter denen so viele unserer Brüder umkamen oder die Gefängnisse, in die alle brutal geworfen wurden, die sich nicht länger dem Regime der Unterdrückung und Ausbeutung, das die Kolonialisten zu einem Werkzeug ihrer Vorherrschaft gemacht hatten, unterordnen wollten?”3
Erst zu Beginn der 60er Jahre wurden viele der afrikanischen Kolonien offiziell in die “Unabhängigkeit entlassen”, der Kongo im Juni 1960. Bereits 1961 lassen die belgische und US-amerikanische Regierung Patrice Lumumba, den ersten Premierminister des Kongo, ermorden. 1964 beginnt ein Aufstand gegen die Versuche der belgischen und US-amerikanischen Hochfinanz, die unermeßlichen kongolesischen Reichtümer (vor allem Bodenschätze jeder Art – von Diamanten bis Erdöl) weiter unter ihrer Kontrolle zu behalten. Einer der Rebellenführer ist Laurent Desíré Kabila. 1965 trifft er Che Guevara, der mit einigen Kubanern den kongolesischen Rebellen zu Hilfe gekommen ist. Che notiert in seinem Tagebuch: “Ohne jeden Zweifel ist Kabila der einzige von den kongolesischen Führern, der zugleich einen klaren Verstand und eine entwickelte analytische Fähigkeit besitzt, eine Führerpersönlichkeit. Er überzeugt durch seine Gegenwart (…) Er ist geschickt im Umgang mit der Bevölkerung; alles in allem ist er ein Führer, der die Massen zu mobilisieren vermag.” (William Galvez, Le rêve africain du Che, EPO, 1998, p.35)
Dank der Intervention belgischer Fallschirmjäger und US-amerikanischer Soldaten wird 1967-68 Mobutu, der von Washington an die Macht gebrachte Diktator, die Revolte im Blut ersticken. Inzwischen gründet Kabila 1967 eine marxistisch-leninistische Partei, die Partei der Volksrevolution (Parti de la Révolution Populaire – PRP). Er zieht sich mit einigen Getreuen in den Maquis in der Region von Fizi-Baraka im Osten des Kongo zurück.
Kabila ist der einzige bedeutende Überlebende des Kampfes der 60er Jahre, der sich nie von Mobutu hat kaufen lassen. Im Jahre 1991 weigert er sich, an der von Mobutu eingesetzten “Souveränen Nationalkonferenz” teilzunehmen: “Sie ist nichts anderes als eine Operation der Wiedervereinnahmung, die von den Westmächten unterstützt oder sogar initiiert wird, um das Regime zu zwingen, sich zu wandeln und dabei jede revolutionäre Veränderung zu vermeiden.” (Colette Braeckman, L’enjeu congolais, Fayard, 1999, p.107)
In dieser sehr schwierigen Periode arbeitet Kabila unter dem Deckmantel des Geschäftsmanns, was ihm erlaubt, in ganz Afrika herumzureisen. Das verschafft ihm Kontakte zu Akteuren wie Museveni (Uganda), Nyerere (Tansania) und anderen. Dank dieser Kontakte gelangt er 1996 an die Spitze der “Allianz der Demokratischen Kräfte für die Befreiung” (AFDL).4
Exkurs: Wenn Elefanten einander umarmen …
Wenn Jahr für Jahr Millionen Afrikaner an Malaria sterben, weil sie nicht einmal wenige Pfennige für das Chinin der Chinchona­pflanze, die in Afrika wild wächst, bezahlen können, wird betont, daß die Abwertung des (afrikanischen Franc) CFA im Ineresse der Afrikaner geschah – eine Währungsabwertung, die wahrlich in die Geschichte eingehen sollte als der größte Raub Frankreichs in diesem Jahrhundert, begangen mit deutscher Kumpanei.
Anfang 1993 wurde der CFA um 100% abgewertet. Ausgangspunkt war der feste Wechselkurs des französischen Franc und der Deutschen Mark im Vorfeld der europäischen Währungsunion. Es war ein Gebot der Politik, diesen Wechselkurs beizubehalten, um die gemeinsame europäische Währung auf den Weg zu bringen, die eine der wichtigsten Waffen werden sollte im Arsenal der Europäischen Union in ihrer Rivalität mit den Vereinigten Staaten. Jedoch nahmen unvorhergesehene Dinge Einfluß in Form des Falls der Berliner Mauer. Um den DDR-Bürgern die Aussicht auf die Vereinigung schmackhaft zu machen, wurde es politische Notwendigkeit, die plötzlich wertlose Ost-Mark gegen die Deutsche Mark einzutauschen. Aus Angst vor galoppierender Inflation als Folge der so gesteigerten Geldmenge erhöhte die Bundesbank die Zinsen auf ein nicht dagewesenes Niveau. Die Länder des europäischen Finanzsystems mußten nun selbst die Zinsen erhöhen, oder das System der stabilen Wechselkurse verlassen, denn sonst wäre eine Welle der Spekulation gegen ihre Währungen losgerollt. Dennoch mußten das Britische Pfund und die Italienische Lira das System 1992 verlassen.
Die europäische Währungsunion als unabdingbare Voraussetzung für die Rivalität zwische Europa und den USA wäre ohne Frankreich unmöglich gewesen. Deshalb mußte auch Frankreich die Zinsen erhöhen, obwohl es gerade die niedrigste Inflationsrate der Nachkriegszeit hatte und obwohl dies die schwerste Rezession des Landes seit 1930 nach sich zog. Um seine Wirtschaft wiederzubeleben, ließ Frankreich sich auf das Glücksspiel niedrigerer Zinsen ein, was eine Welle der Spekulation gegen den Franc auslöste. Binnen eines Tages gab die französischen Zentralbank mehr als 100 Milliarden Mark aus, um den Wechselkurs zwischen Franc und Mark zu halten. Der Handel in Franc mußte ausgesetzt werden. Um ihre Verluste zu verschieben, zögerte die Französische Zentralbank keine Sekunde, einen Griff in die Dollarreserven afrikanischer Länder zu tun, die sie als Sicherheit gegen den CFA-Franc hielt.
Diese Währung war in einer Reihe “ehemaliger” französischer Kolonien verbreitet und war frei konvertibel zum französischen Franc. Als Gegenleistung deponierten die afrikanischen Länder ihre Dollarreserven bei der französischen Zentralbank und gaben CFA-Francs streng im Rahmen ihrer Dollarreserven aus. Da Frankreich wegen seiner Verflechtung mit Deutschland und der Rivalität mit den USA nun plötzlich über zu wenig Dollarreserven verfügte, hob es einseitig die Konvertabilität des CFA-Franc auf und setzte eine hundertprozentige Abwertung der dortigen Währungen mittels ihrer gekauften Schergen, die herrschende Klasse genannt werden, durch. Dies bedeutete de facto eine Enteignung der Dollarreseven dieser Länder; unnötig zu sagen, daß dies den ohnehin grauenhaften Lebensstandard in den freien Fall brachte und Menschen an Hunger und aus Mangel an grundlegender medizinischer Versorgung starben. Jene, die “Deutschland den Deutschen” fordern und dafür eintreten, “kriminelle Afrikaner” abzuschieben, würden gut daran tun, über diesen kriminellen Beitrag für Deutschlands Wohlstand und Europas Stärke gegen die USA nachzudenken.
Während diese idyllischen Ereignisse sich in Westafrika abspielten, kündigte sich in der östlichen Einflußsphäre Frankreichs der schlimmste Genozid an, den die Welt seit dem Zweiten Weltkrieg gesehen hat. Das Land hieß Ruanda und es verschwand weder von den Bildschirmen, noch von den Titelseiten im zivilisierten Westen für den Zeitraum weniger blutgetränkter Wochen im Jahr 1994, als mehr als eine halbe Million Menschen ihr Leben verloren.
Die angeblich unsterbliche Feindschaft zwischen den sogenannten Hutus und Tutsis hat sehr wenig mit einer ewigen Feindschaft zu tun. Im Gegenteil: Es hat zu tun mit den kolonialen Strategien der Deutschen und Belgier, die eine loyale Klasse unter der lokalen Elite schufen, welche sich auf die Diskriminierung von Minderheiten stützte. Als Frankreich die Region als neokoloniale Macht zu beherrschen begann, veranlaßte es in seinem unendlichen Glauben an “Demokratie” eine umgekehrte Diskriminierung. Diesmal geschah es gegen die Minderheit durch die Mehrheit, gegründet auf dieselbe ethnisierte Identität, damit Frankreich sich leichter festsetzen konnte. Diese Diskriminierung, kombiniert mit einer Politik der systematischen Vertreibung der Tutsi auf den Rat der französischen Experten hin, um “Bevölkerungsdruck zu lindern”, ließ eine Tutsi-Diaspora in den Nachbarländern Uganda und Tansania entstehen. Dies wiederum führte dazu, daß ein bewaffneter Widerstand gegen den Ruandi­schen Staat entstand. Im Kontext mit dem Ende des Kalten Krieges wurden diese Gruppen durch die USA und ihre afrikanischen Verbündeten bewaffnet und als Stellvertreterarmee in der Region gegen Frankreich ausgebildet. Ihre Funktion war die einer Stellvertreter-Regierung von Ruandern in einer wiederentfachten innerimperia­lis­tischen Rivalität in Afrika. Die Politik des Völkermordes der Hutu-Regierung war den Franzosen nicht nur bestens bekannt, sondern wurde von ihnen auch unterstützt und angeheizt, um die Tutsi zu vernichten, die Frankreich als Stellvertreter der USA sah. Frankreich ging sogar soweit, Seite an Seite mit der ruandischen Armee und den Paramilitärs (In­te­ra­hamwe) die vorrückenden Tutsi unter dem Deckmantel der humanitären Hilfe zu bekämpfen, ja es bot sogar jenen politisches Asyl an, die den Genozid planten und durchführten.
Dennoch können weder Deutschland noch Belgien noch die imperialistische Welt mit dem Finger auf Frankreich zeigen und sich um ihre Verantwortung herumdrücken. Deutschland ist verantwortlich dafür, das verhaßte System rassischer Diskriminierung in der einheimischen Bevölkerung eingeführt zu haben, das wenige Jahrzehnte später mit all seinen Schrecken in Deutschland selbst hervortrat, sosehr es Herrn Schröder auch mißfallen mag, darüber nachzudenken. Belgien und Frankreich sind verantwortlich dafür, es systematisiert zu haben. Die gesamte imperialistische Welt ist schuld daran, potentielle und aktuelle Konflikte selbst geschaffen zu haben bis hin zu dieser Rivalität untereinander, die unerbittlich zu diesem entsetzlichen Völkermord führte. Folglich ist die extreme Brutalität und Gewalt dieser Auseinandersetzug zwischen den vermeintlich “rückständigen afrikanischen Stämmen” nichts als das wahre Gesicht des Verhältnisses zwischen den imperialistischen Mächten umd dem Rest der Welt.
Solche “erfreulichen Fabeln” sind sicherlich nicht bloß auf Ruanda beschränkt. Die gesamte Region des südlichen Afrika, das ehemalige Zaire, das Kongo und Angola sind zu einem riesigen Schlachtfeld innerimperialistischer Rivalitäten geworden und Ausdruck dafür, daß der Griff nach Afrika wieder auf die Tagesordnung zurückgekehrt ist.5
Die kurze Freiheit vom Imperialismus
Die Revolte, die im Herbst 1996 im Osten des Kongo ausbricht, erfährt bedeutende militärische Unterstützung durch die Nachbarländer Uganda, Ruanda und Angola, von denen jedes seine eigenen Vorstellungen hat.
Überall, wo er hinkommt, begeistert Kabila, der Sprecher der AFDL, die Bevölkerung durch seine Reden. Der Fall von Kisangani Mitte März 1997 stellt einen wichtigen Sieg dar. Die Aufständischen unter Führung von Kabila ergreifen wieder die Symbole des Kampfes von Lumumba. Sie befinden sich in dieser Stadt, die eine wichtige Rolle während des Kampfes für die Unabhängigkeit in den 60er Jahren gespielt hat. Tausende von begeisterten Jugendlichen schließen sich den Truppen Kabilas an. Die Befreiung des Kongo ist eine kongolesische Angelegenheit geworden.
Die Soldaten Mobutus fliehen, meist von der Bevölkerung verfolgt. Als Kabila in Kinshasa einzieht, wird er von 47.000 Kongolesen begleitet, die sich ihm auf dem langen Marsch auf die Hauptstadt angeschlossen haben. Inzwischen arbeiten Washington, Paris und Brüssel an einem Kompromiß zwischen Kabila und Mobutu, um die Kontrolle des Landes zu behalten. Am 8. April 1997 erhält Kabila einen Telefonanruf des gegenwärtigen südafrikanischen Präsidenten Mbeki, der in Anwesenheit von Mandela mit Mobutu verhandelt, und zwar unter den wachsamen Augen der USA.
Kabila erzählt: “Er sagte mir, sie seien gerade bei der Zusammenstellung einer aus Mobutisten, der Allianz und der Opposition gebildeten Übergangsregierung. Ich habe geantwortet, daß unsere Vertreter bereit stehen, um über den Abgang Mobutus und seiner Anhänger zu verhandeln, und daß Gespräche über die Übergangsregierung stattfinden sollten, nachdem sie die Macht aufgegeben hätten, und nicht vorher. Es wird eine Regierung ohne Mobutisten sein.” (Le Peuple, 9. April 1997)
Eine Woche später erläutert Mbeki in heller Aufregung einem Berater von Mobutu: “Kabila beginnt seit seinen letzten Siegen in Lu­bum­ba­shi Oberwasser zu bekommen. Er wird immer arroganter und fordernder. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr verlieren wir die Kontrolle über Kabila.” (N’Gbanda, p.288)
Im Mai 1997 kommt Kabila in Kinshasa an. Er weiß, daß er von Seiten des Westens nicht viel Unterstützung erwarten darf. Die große Konferenz der “Freunde des Kongo” im Dezember 1997 ist ein Schlag ins Wasser. Die westlichen Länder sind nur dann bereit, ihre Brieftaschen zu öffnen, wenn der Kongo seine Beziehungen zum Internationalen Währungsfonds normalisiert: Das heißt: Regelung der ungeheuren Schulden von 645 Mrd. FB (= 32,25 Mrd DM), was dem 18,75 fachen des jährlichen Haushalts aller kongolesischen Behörden entspricht.6
Während Kabilas erstem Amtsjahr erfreuten sich die Menschen im Kongo einer kurzen Verschnaufpause. Sie konnten dreimal täglich essen, weil die Preise der Grundnahrungsmittel drastisch fielen, Straßen und Brücken wurden repariert, der öffentliche Transport wieder hergestellt, die Elektrizität kam in die Vorstädte von Kinshasa und die Menschen, die von Mobutus schlecht bezahlten Truppen für Lösegeldforderungen gefangen gehalten wurden, wurden befreit (67 Mitglieder der neuen Armee, die sich diese Praxis zu eigen machten, wurden festgenommen und in Haft gesteckt). Die neue Währung, der kongolesische Franc, wurde ausgegeben, und die Inflationsrate fiel von 8.828% 1993 auf 6% im Jahr 1997. Veruntreuer wurden ins Gefängnis geworfen. Die Korruption wurde ernsthaft bekämpft. All das wurde ohne jegliche Hilfe seitens des IWF und der Weltbank erreicht, die ihre finanzielle Unterstützung davon abhängig machten, daß der Kongo seine Beziehungen zu den Institutionen von Bretton Woods normalisiere und zusage, alle Schulden des alten Regimes zu begleichen.
Die neue Regierung nahm sich ein ambitioniertes Dreijahresprogramm des nationalen Wiederaufbaus vor und während des dritten Treffens von Comesa (‘common market community of central and southern African countries’ – gemeinsamer Markt der zentral- und südafrikanischen Länder), das am 29.6.1998 in Kinshasa abgehalten wurde, hob Kabila klar hervor, welche Rolle der Kongo innerhalb des gemeinsamen Marktes und in Afrika insgesamt spielen werde.
Er erklärte, daß “mehr als 40 Jahre afrikanischer Unabhängigkeit der Welt ein trauriges Spektakel eines Kontinents gezeigt haben, der mit Komplizenschaft seiner eigenen Söhne und Töchter geplündert und erniedrigt wurde”. Er drückte den Wunsch aus, “Afrika das 21. Jahrhundert in totaler Unabhängigkeit von ausländischer Einmischung betreten zu sehen” und erklärte, daß der Kampf um die Unabhängigkeit und Souveränität des Kongo im Interesse von ganz Afrika geführt werde.
“Unser Land”, sagte er, “ist dazu berufen, den Frieden zu exportieren, und dem Rest von Afrika Entwicklung und Sicherheit zu bringen. Ein schwacher Kongo bedeutet ein in seinem Innersten verwundbares Afrika, ein Afrika ohne Herz.” Dann wurden die Einsätze erhöht! Die USA, denen lange unterstellt worden war, Uganda und Ruanda als Front zu verwenden, um einen ‘unnachgiebigen’ Mobutu los zu werden, brandmarkten Kabila als ‘losgerissene Kanone, die zurückgehalten werden muß‘. Aber wie Colette Braeckman, eine Expertin in kongolesischen Angelegenheiten, die für die belgische Tageszeitung Le Soir arbeitet, in ihrem Buch “L’enjeu Congolais – l’Afrique Centrale après Mobutu” schrieb, “konnte diese plötzliche Animosität gegen Kabila nur durch die Tatsache erklärt werden, daß seine nationalistische Haltung mit ihren (den amerikanischen etc.) ökonomischen Interessen im Kongo kollidierte oder sie frustrierte … Kabila widersetzte sich allen Formen von Investments, die nicht den Interessen der Kongolesen entsprachen.”
Auf politischer Ebene versprach die neue Regierung freie und faire Wahlen, liberalisierte aber nicht politische Aktivitäten, ehe eine Nationalversammlung zusammentrat, die beauftragt war, die Spielregeln in einer neuen Verfassung festzulegen. Am Tag, als er als Präsident angelobt wurde, legte Kabila einen präzisen Kalender des demokratischen Prozesses vor, der in den allgemeinen Wahlen im April 1999 seinen Höhepunkt finden sollte. Und das Volk schenkte ihm Glauben. Eine Schlagzeile auf der Titelseite von “Focus on Africa”, produziert von Bush House, lautete: “Die Menschen in Kinshasa feiern, aber wie lange?” Als wüßten sie, was folgen würde.7
Neuer Interventionskrieg
Der befreite Kongo ist Opfer eines durchaus realen Boykotts. Ed Marek, ehemaliger Mitarbeiter der US-Geheimdienste, stellt fest: “Die Sanktionen, die über die Demokratische Republik Kongo durch die von den USA kontrollierte internationale Gemeinschaft verhängt wurden, haben das Land effektiv von jeder Hoffnung auf wirtschaftliche Entwicklung abgeschnitten.” (NCN, 24. Juli 1998). Nur Tage nach diesem Statement überziehen die Imperialisten und ihre afrikanischen Lakaien den Kongo abermals mit Krieg. Während sich Ende Juli Kabila in Kuba befindet, arbeiten ruandische Militärs an einem Staatsstreich.
Kabila wittert die Gefahr und, zurück in Kinshasa, durchkreuzt er das hinterhältige Spiel. (Agence de presse D.I.A. Internationale, 5. August 1998) Er fordert die ruandischen Soldaten auf, den Kongo unverzüglich zu verlassen. Am 2. August verbreiten die ruandischen Militärs Panik und versuchen, Kabila zu ermorden. Am 3.8. haben die kabilatreuen Truppen die Lage unter Kontrolle. In demselben Augenblick bricht im Osten des Kongo eine Revolte aus. Am folgenden Tag landen 500 Soldaten der ruandischen Armee 2.500 km weiter an der westlichen Spitze des Kongo in der Nähe der Militärbasis von Kitona.
Sehr schnell wird offenkundig, daß die Vereinigten Staaten das Gehirn dieser Operation sind. Zweihundert schwarze US-Soldaten werden im Kivu eingesetzt und betreiben das Kommunikationssystem der Rebellen. Der Einfall in Kitona wird von zwei vor der Kongomündung ankernden US-Kriegsschiffen koordiniert. (Colette Braeckman, L’enjeu congolais, Fayard, 1999, pp.353 und 402-404)
Für Washington ist der Einsatz beträchtlich. Der Boden des Kongo ist reich an Mineralien und Rohstoffen, von denen einige von unabsehbarer Bedeutung für die Spitzentech­no­lo­gi­en sind: Gold, Diamanten, Kupfer, Mangan, Zink, Tungs­ten, Bauxit (Aluminium), Tantal etc.
Das in den besetzten Gebieten gestohlene kongolesische Coltane, trägt bei uns zur Verbreitung der Handys bei, in denen es verwendet wird. Ferner gibt es drei große Erdölvorkommen, von denen vorerst nur eins ausgebeutet wird. Und sein landwirtschaftliches Potential könnte den Kongo zur Kornkammer von ganz Zentralafrika machen.
Bisher hat der Krieg und seine Folgen 2,3 Millionen Opfer gefordert, andere Quellen sprechen bereits von mehr als 3,5 Millionen Toten. Aber für die US-Strategie ist das keineswegs ein Grund, den Rückzug der ausländischen Truppen aus dem Kongo zu fordern. 1998 erwarteten die Vereinigten Staaten wahrscheinlich einen schnellen Sturz der Regierung Kabila. Der Krieg wird jedoch von langer Dauer sein.
Im August 1998 marschieren die Rebellen, von Kitona im äußersten Westen aus, auf Kinshasa. Sie bemächtigen sich des Elektrizitätswerkes von Inga und pressen die Hauptstadt in einen Schraubstock. Kabila überzeugt die Bevölkerung, daß es sich nicht um eine wirkliche Rebellion, sondern um eine Aggression durch zwei Nachbarländer handelt. In einer Fernsehrede, die legendär geworden ist, bereitet er sein Volk auf einen Volkskrieg von langer Dauer vor.
Er überzeugt auch Zimbabwe und Angola von der Notwendigkeit, an seiner Seite in diesem Krieg zu kämpfen, der darauf abzielt, das Unabhängigkeitsprojekt in Zentralafrika im Keime zu ersticken. Mugabe, der Präsident von Zimbabwe, bekommt so die Gelegenheit, sich für die Erniedrigung zu rächen, die ihm 1990 zugefügt wurde, als die Maßnahmen des IWF sein vorbildliches Gesundheits- und Bildungssystem zerrütteten. Dos Santos, der angolanische Präsident, hofft seinerseits, sich ein für alle Mal der Unita, entledigen zu können, einer Armee, die von der CIA und Südafrika geschaffen wurde und die wohlwollende Unterstützung Mobutus genoß.
Die Einkreisung und der Angriff auf Kinshasa scheitern dank des heldenhaften Eingreifens der von der einfachen Bevölkerung bewohnten Viertel, die den Rebellen sozusagen mit nackten Händen entgegentreten.
Seither wird der Krieg an zwei Fronten geführt, einer diplomatischen und einer militärischen. Die neue kongolesische Armee verbucht im Felde zwei Siege. Doch Druck auf Kabila soll ihn zwingen, einen Dialog mit der sogenannten “demokratischen Opposition” und den Rebellen einzuleiten. Aber die Haltung Kabilas ist klar: Gespräche können erst dann beginnen, wenn sich Ruanda und Uganda zurückziehen.
Das im August 1999 in Lusaka unterzeichnete Abkommen mißachtet das Recht des Kongo, seine Unabhängigkeit zu verteidigen, und erkennt den Rebellen, die in der Bevölkerung keinerlei Unterstützung genießen, eine zentrale Rolle zu. Im November 2000 erzielt Kabila eine wichtige Anpassung des Abkommens von Lusaka.
Kabila gelingt es auch, den Frieden nach Burundi zu bringen, indem er ein Treffen zwischen Präsident Buyoya und dem Chef der burundischen Rebellen zustande bringt. Verhandlungen zwischen kongolesischen und burundischen Militärs sind in Nairobi mit dem Ziel vorgesehen, einen Waffenstillstand herbeizuführen und dem burundischen Militär den Rückzug aus dem Kongo zu ermöglichen.8
Ein äußerst mysteriöser Tod
Allerlei Legenden ranken sich um die Ermordung Kabilas am 16.1.2001. Was auch immer die Wahrheit sein mag, fest steht, daß sein Tod dem Westen sehr gelegen kam. Sein Sohn und Nachfolger Joseph Kabila trat schon wenige Tage nach der Machtübernahme seine erste Auslandsreise an, die ihn pflichtgemäß zunächst nach Washington und dann nach Paris und Brüssel führte. Seine ersten Reden fanden ihren Beifall in den westlichen Medien, es nimmt kaum Wunder, versprach er darin doch die Öffnung des Landes Richtung Westen, die Rücknahme der protektionistischen Wirt­schafts­maßnahmen und eine generelle Liberalisierung.9
Warum regierte Kabila nur 44 Monate lang. Wurde zu einer Person, mit der man “keine Geschäfte machen kann”? Der Kongo ist immer noch ein sehr reiches Land, und um zu diesem Reichtum Zugang zu erlangen, braucht man in Kinshasa eine Führung, die man gemäß den eigenen Interessen fernsteuern kann. Als Kabilas Rebellion eine Stadt nach der anderen von Mobutus schlecht entlohnten Streitkräften eroberte, wurden die Erwartungen der westlichen Regierungen und der Multis klar in einem Artikel der Times vom 22.4.1997 ausgedrückt:
“Die multinationalen Bergbaufirmen haben mit Laurent Kabila, dem Rebellenführer in Zaire, Verträge über Milliarden Dollar abgeschlossen, um fortzufahren mit dem, was unter ‘der zweiten Aufteilung um Afrika’ subsumiert werden kann. Giganten unter den Bergbaufirmen, wie De Beers und American Mineral Fields, haben mit (Kabilas Rebellenkräften) Verträge unterzeichnet, die mindestens drei Milliarden Dollar pro Jahr wert sind, um die Kupfer-, Kobalt-, Gold-, Zink- und Diamantenvorräte Zaires zu erschließen, womit die anerkannte Regierung (von Mobutu) aus dem Blickfeld verschwindet.
Firmenvertreter sagten, sie seien glücklich (sic), Geschäfte mit den Rebellen zu machen, die alle mineralischen Ressourcen Zaires kontrollieren, denn diese fragen nicht nach Schmiergeldern.
De Beers hat auch seine Beziehungen mit dem rasch zerbröckelnden Regime von Präsident Mobutu aufgegeben und mit den Rebellen (Verträge) unterschrieben, um in das Diamantengeschäft mit einem Wert von 500 Millionen Dollar jährlich zu kommen.
Die unübliche Allianz zwischen dem Big Business und Revolutionären, von denen viele in ihrer Jugend bei den chinesischen Maoisten und Marxisten ausgebildet worden sind, wurde von den westlichen Regierungen akzeptiert, die Herrn Kabila als einen Mann betrachten, der Zaire aus den drei Jahrzehnten der Korruption und steigenden Armut führen wird.
Diese Woche unterschrieb American Mineral Fields drei Verträge im Wert von 885 Millionen Dollar, die der Bergbaugesellschaft den Zugang zu den gewaltigen Metallreserven der Provinz Katanga verschaffen werden. Andere Multinationale wurden ersucht, den Rebellen Satellitentelefone zur Verfügung zu stellen, die argumentiert haben, daß sie ohne solche nicht international über Abbaurechte verhandeln könnten …
Kenneth MacLeod, der Präsident der International Panorama Resource Corporation of Vancouver (Kanada), sagte: ‘Wir werden im gegenwärtigen Streit gewinnen, indem wir unsere Anwesenheit und unseren Landbesitz in dem Land vergrößern.‘
Ein anderer Bergbau-Magnat aus Johannesburg gab der zweiten Aufteilung eine historische Dimension: ‘Cecil Rhodes muß sich angesichts dieser – von ihm vermißten – Gelegenheiten im Grab umdrehen‘.”
Aber Kabila hat den Appetit der westlichen Regierungen und der Multinationalen auf eine “zweite Aufteilung Afrikas” frustriert. Sobald er in Kinshasa ankam, begann Kabila, die Bestrebungen seines Volkes klar zu artikulieren und faßte sie so zusammen, daß es sein Geschick politisch und ökonomisch in die eigenen Hände nehmen möchte. Das wurde von seinen Sponsoren als eine verdeckte Unabhängigkeitserklärung begriffen. Kabilas nationale Haltung prallte mit ihren Interessen zusammen, als er schließlich all die Verträge, die er als Aufständischer mit amerikanischen und südafrikanischen Bergbaufirmen abgeschlossen hatte, überprüfte, verlangte, daß sie im voraus für Jahrzehnte von zukünftigen Profiten zahlen sollten und später alle Minen verstaatlichte. (…)
Daher wurde die Demokratische Republik Kongo vier Jahre lang von Kabilas früheren Alliierten verwüstet, die sich in Aggressoren verwandelten und einen Bestrafungskrieg vom Zaun brachen; den die westlichen Medien den ‘ersten afrikanischen Weltkrieg’ getauft haben, in dem Simbabwe, Namibia und Angola die Regierung des ermordeten Präsidenten Laurent Désiré Kabila in Kinshasa unterstützten – die nun von seinem Sohn, Major General Joseph Kabila geführt wird – gegen kongolesische Rebellenkräfte, die von Ruanda, Uganda, Burundi und Elementen aus der angolanischen Rebellenbewegung Unita unterstützt werden.
Als das kongolesische Volk am 2. August 2002 dem Tag des Kriegsausbruchs (vor fast fünf Jahren) gedachte, war es sehr frustrierend feststellen zu müssen, daß die selben Medien nicht von ihrer ‘verzerrten Wahrnehmung’ bezüglich des Krieges Abstand nehmen, trotz der Tatsache, daß – wie die Zeit gezeigt und die Vorfälle bewiesen haben – dieser Krieg eine Aggression gegen die Demokratische Republik Kongo und dessen Völker ist, geführt von einer Koalition von Ruanda, Uganda und Burundi, logistisch unterstützt und finanziert von wohlbekannten imperalistischen Mächten und multinationalen Konzernen, unter Komplizenschaft der sogenannten kongolesischen ‘Rebellen‘. Sie plündern systematisch die Fauna und Flora des Kongo, die natürlichen und mineralischen Ressourcen und zerstören oder plündern, was an Infrastruktur im Kongo übrig geblieben ist, und verschaffen die Sachen in ihre eigenen Länder.
Es ist für jederman schwer zu glauben, daß Uganda, Ruanda und Burundi, drei kleine und arme Länder, die nur Kaffee, Teeblätter und Bananen produzieren, es sich leisten können, in ein so großes Land wie den Kongo einzufallen, das so reich an Mineralien ist und das seine 60 Millionen EinwohnerInnen mobilisieren kann, um sie wieder raus zu werfen. Es ist auch wohlbekannt, daß diese drei Länder völlig von Krediten des IWF/der Weltbank abhängen, um ihre nationalen Budgets erstellen zu können. Man fragt sich, wie sie es schaffen konnten, den Krieg nunmher nahezu drei Jahre lang zu führen. Sie haben sich das zugetraut, weil sie die Reichtümer des Kongo plündern und sich der Rückendeckung äußerer Kräfte erfreuen.
Laut Wayne Madsen, einem amerikanischen recherchierenden Journalisten und Spezialisten für Geheimdienste, Autor von “Genocide and Covert Operations in Africa 1993 – 1999”, ist das US-Militär verdeckt in den Krieg im Kongo verwickelt. Madsen erklärte am 17.5. vor dem US-Unterkomitee für Internationale Operationen und Menschenrechte, daß die USA “Private Military Contractors (PMCs)” einsetzen. Madsen sagte, die amerikanischen Firmen, darunter eine mit Verbindungen zum ehemaligen Präsidenten George Bush sen., schüren den Konflikt im Kongo aus finanziellen Zielen.
Die britischen Medien haben unablässig Mugabe wegen dessen Landreform dämonisiert, die Großbritannien vor 20 Jahren finanzieren hätte sollen, und haben die Intervention von Simbabwe im Kongo als den Grund für die Zerstörung und den Beinahe-Kollaps der simbabwischen Ökonomie bezeichnet. Die Labour-Regierung hat sogar gedroht, keine Ersatzteile für Hawk-Jets an Simbabwe zu liefern, weil sie Simbabwe ankreidet, daß es sich in ein unnötiges und teures Abenteuer im Kongo gestürzt habe.
Was ist mit den britischen Firmen wie Knight Aviations, die für Uganda Soldaten und Militärausrüstung in den Kongo und vom Kongo heraus transportiert, wie der Guardian enthüllte?
Jedenfalls wurde über Ugandas Ökonomie nichts Derartiges gesagt. Tatsächlich prahlte Ugandas Präsident Yoweri Museveni in New York während der Sondersitzung der UNO zum Kongo vom 24. – 26.1. letzten Jahres, daß der Krieg im Kongo seine Ökonomie nicht negativ beeinflußt habe. Nun enthüllte die französische Tageszeitung Libération am 25.1. letzten Jahres, daß 55% von Ugandas Militärausgaben von Geldern finanziert werden, die als “Entwicklungshilfe” aus dem Ausland kommen.
Die Anwesenheit von Truppen aus Ruanda, Uganda und Burundi im Kongo unter dem Vorwand, extremistische Hutu-Milizen (Interahamwe) zu unterdrücken, die für den Völkermord 1994 in Ruanda verantwortlich sind, ist ein Alibi, wie die Zeit gezeigt hat. Aber das ist das von den westlichen Medien immer wiederholte Mantra.
Wie der Independent in einem Feature letzten Jänner schrieb: “Ruanda ist die treibende Kraft hinter dem Kampf (im Kongo). Seine Tutsi-Führerschaft möchte die Täter des Völkermords, die eine Million Tutsi umgebracht haben, aufstöbern und töten. Insgeheim von der CIA finanziert, weisen die militärischen Operationen Ruandas (im Kongo) weit über diese Ziele hinaus. Ruanda hat 30.000 Soldaten im Kongo.”
Colette Brackman sagte, die Medien folgen oft den Vorgaben ihrer Regierungen, wenn sie sich dafür entscheiden, diesen Krieg zu verschweigen.
“Als diese Krise ausbrach”, sagte sie, “hatte man den bösen Jungen Kabila. Es ist einfach, sich anzusehen, in wie vielen Geschichten er dämonisiert wurde – in einigen aus gutem Grund, in einigen aus schlechtem Grund, aber alle waren übertrieben. Und weil Kabila nicht anbiß … der Rest ist Geschichte! Es ist nicht überraschend, daß Kabilas Kopf 30 Millionen Dollar kostet, finanziert von amerikanischen Agenturen, laut der belgischen Wochenzeitung Solidaire in ihrer Ausgabe vom 9.5.2001.
Als Kabila nach Belgien kam, hatten wir ein Briefing beim Außenminister, der sagte, daß (Belgien) ihm keine Behandlung mit rotem Teppich zukommen lassen könne, also waren die Medien beeinflußt genug, um ihn zu dämonisieren, und ich frage mich, ob das in anderen Ländern genauso läuft.
Ich frage mich, wer das aufbrachte, es war nicht nur die Presse. Die politischen Führer sagen üblicherweise, der ist ein guter Junge, der ein schlechter. Zur Zeit ist Joseph Kabila ein guter Junge, aber möglicherweise wird er morgen ein schlechter sein”, sagte Colette Braeckman.
“Die Weltgemeinschaft”, fuhr sie fort, “wollte Kabila aus so vielen Gründen loswerden, auch aus ökonomischen Interessen. Natürlich haben sich die imperialistischen Medien auf die Seite der ökonomischen Interessen geschlagen. Beweise? Jedesmal, wenn Ruanda, Burundi und Uganda die Einnahme eines größeren kongolesischen Ortes meldeten, haben sich die Medien (vor allem die Financial Times) beeilt, genau deren ökonomische Wichtigkeit herauszustreichen”. “Und die Leute haben ihre Augen verschlossen davor, was tatsächlich vor sich geht …” fügte sie hinzu.
Was geschieht also? Sowohl Amnesty International als auch das International Rescue Committee (USA) haben einen Völkermord an über 3,5 Millionen Kongolesen durch die Invasionstruppen bestätigt. Oft werden Menschen lebendig verbrannt, erschossen oder mit Macheten erschlagen, ihre Körper in Flüsse oder in Latrinen geworfen. Das ist schlimmer als das, was im Kosovo oder selbst in Ruanda geschehen ist, oder? Warum wird darüber nicht berichtet? Deswegen, weil die Hintermänner es schafften, die Geschichte zu unterdrücken und die Täter vor ihrer Verantwortung zu schützen?
Kann ein Völkermord verurteilt werden (der Völkermord von 1994 durch Hutu-Extremisten, bekannt als Interahamwe, das heißt diejenigen, die gemeinsam morden) und ein anderer vergeben werden (der der Koalition von Ruanda, Uganda und Burundi, die den halben Kongo besetzt halten)?
Nach intensiven Nachforschungen in der Angelegenheit und seiner Rückkehr von der Region der Großen Seen deckte der BBC-Reporter Nick Gordon auf, daß unter der “Manpower Operation 2000” 1.500 ruandische Hutus und gefangen genommene Kongolesen im ruandischen Bezirk Bugesera bei lebendigem Leib verbrannt worden sind, seltsamerweise neben einem Militärlager, das von den Amerikanern besetzt ist.
“Es ist unmöglich zu sagen, daß die Amerikaner in dieser Basis weder die Verzweiflungsschreie der Opfer gehört haben, noch daß sie nicht wüßten, was geschehen ist”, sagte Gordon.
Trotz der Lasten des Krieges ist die Moral der Menschen im Kongo hoch, und sie lassen sich auch jetzt nicht demütigen. Sie wissen, daß es nur eine Demokratische Republik Kongo gibt, und daß diese nicht geteilt werden kann. Über die nationale Souveränität und territoriale Integrität des Kongo kann nicht verhandelt werden!
Die zum Regime loyalen Mai-Mai-Krieger im Osten haben den Widerstand in das Herz der von den Aufständischen kontrollierten Gebiete getragen, in denen die kongolesische Fahne immer noch in vielen Dörfern weht. Die Aggressoren kontrollieren nur die wichtigen Dörfer, Städte und Straßenkreuzungen, aber sie kommen nicht ins Innere, weil sie wissen, welches Schicksal sie dort erwartet. Überraschenderweise sind auch die Mai-Mai Opfer einer Negativkampagne sowohl der westlichen Medien als auch von MONUC, der UN-Mission in der Demokratischen Republik Kongo. Sie werden als ‘negative Kräfte’ beschrieben und in die selbe Schublade gesteckt wie die Interahamwe.
Eine Schlagzeile im Daily Telegraph vom 9.8. lautete: “Terrorregime der ‘magic water militia‘“, und beschuldigte die Mai-Mai der Greueltaten an Ruandern, Ugandern und Burundiern, den wahren Tätern der Massaker und des Völkermords im Kongo.
Nein! Nein! Nein! Die Mai-Mai sind echte Kongolesen, die gegen die Besatzung kämpfen. Sie haben einen Kenianer, einen Schweden und 27 Thailänder über zwei Monate lang gefangen gehalten, nachdem sie sie mit blutigen Händen erwischt hatten, während sie für eine ugandisch-thailändische Holzfirma, genannt DARA-Forest, Holz geschlägert hatten – ein weiterer Beweis, daß Multinationale sehr stark an der Ausplünderung des Kongo beteiligt sind. Darüber wurde natürlich nicht berichtet.
Zur Ermordung von Laurent Désiré Kabila schrieb Michela Wrong, ehemalige Korrespondentin für Reuters, BBC und die Financial Times und Autorin von “In the Footsteps of Mr. Kurtz, Living on the Brink of Disaster in the Congo”, in der Financial Times: “Laurent Kabila … entfremdete die westlichen Mächte und die afrikanischen Allliierten in den dreieinhalb Jahren seiner Herrschaft … Er war als Befreier willkommen, als seine Rebellenstreitkräfte 1997 in Kinshasa einmarschierten, Mobutu Sese Seko stürzten, aber Diplomaten und Staatsoberhäupter sahen ihn bald als einen Mann, mit dem man ‘nicht ins Geschäft kommen kann‘, das ist ein Schlüsselfaktor für die wachsende Instabilität in Zentralafrika … Die Weltbank und der IWF fanden ihn so hinderlich, daß Gespräche über Hilfestellungen abgebrochen wurden.”
Wie oben beschrieben, haben die ersten Jahre, in denen Kabila an der Macht war, bewiesen, daß eine Nation, die alles hat, es nicht nötig hat, die ganze Zeit von (ausländischer) Hilfe zu leben. Sein Tod hat die Demokratische Republik Kongo und ihre Völker eines großen Wertes beraubt, wie es Axel Duval Smith zusammenfaßte, als er das Begräbnis von Kabila am 24.1.2001 für den Independent beschrieb:
“Eine Nation, die sehr wenig hat, schien gestern, einmal mehr, alles verloren zu haben. Als das Tor zum Mausoleum geschlossen wurde nach der dreieinhalbjährigen Amtszeit von Kabila, der letzte Woche ermordet wurde, begann für den Kongo eine neue Phase der Angst und Unsicherheit … Als dann der Sarg, bedeckt mit der kongolesischen Fahne, blau mit den gelben Sternen, in das Mausoleum beim Palast der Nation geführt wurde, rannten Tausende mit. Es war, als hielten sie weiter an der Person fest, die – wenn auch durch einen Krieg – der Nation eine Identität verschafft hatte.”10
Der gesamte afrikanische Kontinent ist zu einem Feld voller Asche und Ruinen geworden. Ausgenommen jene Plätze, die den multinalitionalen Konzernen dazu dienen, unseren Völkern die Lebenskraft und Ressourcen zu entziehen. Die Negation unserer Existenz allerdings zieht so sicher wie ein Naturgesetz die Negation der Negation nach sich und wir werden bis zum letzten Blutstropfen kämpfen.11
Anmerkungen
1 www.humanrights.de\caravan\strike\ strikemag\1806afrika.htm – “Inner-Imperialistische Allianzen und Rivalitäten im frankophonen Afrika”
2 www.infolinks.de\dir-ml\99\09\ 990924c9312d70.htm – “Kontinent in Ketten”. KStA Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger vom 24.09.1999
3 “Zaire and the african revolution”. L. B. Ekpebu. Ibadan Press, Nigeria 1989, zitiert aus: Thomas Kanza, “The Rise And Fall Of Patrice Lumumba”, Cambridge, Mass. Schenkman Publishing Co. 1977. pp. 377-8: “Die Rede von Premierminister Patrice Lumumba am Unabhängigkeitstag” – Übers. Info-Verteiler
4 “Solidaire” – Wochenzeitung der Partei der Arbeit Belgiens (PTB) Nr. 4 vom 24. Jan. 2001: “1939-2001: Kabila – Ein Leben im Zeichen der Befreiung Afrikas. Eine Dokumentation von J. Alves, D. Malasi, C. Callewaert und T. Busselen”
5 www.humanrights.de\caravan\strike\strikemag\ 1806afrika.htm – “Inner-Imperialistische Allianzen und Rivalitäten im frankophonen Afrika”
6 www.wpb.be\press\LebenKabila.htm – Aus: Solidaire – Wochenzeitung der Partei der Arbeit Belgiens (PTB) Nr. 4 vom 24. Jan. 2001: “1939-2001: Kabila – Ein Leben im Zeichen der Befreiung Afrikas” Eine Dokumentation von J. Alves, D. Malasi, C. Callewaert und T. Busselen
7 www.Lalkar.org: “Die Berichterstattung der westlichen Medien über die Invasion im Kongo: In den Fußstapfen der westlichen Interessen?” von Lokongo Bafalikike – Übers.: Info-Verteiler
8 Solidaire
9 Antiimperialistische Koordination, 12.5.2001 – “Der Kongo, der erste afrikanische Weltkrieg und seine Hintergründe” von Nadja Berger
10 www.Lalkar.org
11 “Inner-Imperialistische Allianzen und Rivalitäten im frankophonen Afrika”