Zusammengestellt von Infoverteiler; Quellen siehe Anmerkungen
Eure Krise zahlt ihr selbst
Was die vielgepriesene „EU-Solidarität“ betrifft, so hat sich am Fall Griechenlands rasch gezeigt, was davon zu halten ist. Politische Unterstützung aus Deutschland heißt laut Regierungssprecher Ulrich Wilhelm: „dass wir deutlich machen, dass Griechenland auf dem richtigen Weg ist“.
Wir beginnen somit mit einigen Richtigstellungen zu den Berichten, die wir täglich in der Presse, im Radio und Fernsehen vorgesetzt bekommen:1
Die GriechInnen seien faul (außer beim Streiken), überbezahlt, SteuerhinterzieherInnen und erhalten mehr an Pension als im aktiven Arbeitsleben. Kein Wunder, dass der griechische Staat pleite ist.
Was die Steuern betrifft, so hat die Steuerhinterziehung zu einer Verschärfung der sozialen Ungleichheit geführt. Geschätzt wird, dass 25% der Steuern nicht abgeführt werden. Aber Steuerhinterziehung können sich die wenigsten leisten, vor allem nicht: Angestellte (deren Lohnsteuer einbehalten wird), Arme, StudentInnen etc. Die Frage stellt sich, wie hoch der Prozentsatz an hinterzogenen Steuern anderswo, beispielsweise in Österreich ist – abgesehen davon, dass Unternehmen und Stiftungen sowieso kaum mehr steuerpflichtig sind und der Spitzensteuersatz seit Jahren herabgesetzt wird.
Auch der Vorwurf, die GriechInnen würden über ihre Verhältnisse leben, stimmt nicht. Die Lohnstückkosten sind nicht übermäßig gestiegen, die Lohnkostenzuwächse liegen hinter denen Italiens, Portugals oder Spaniens. Einzig Deutschland schert aus, denn hier wurden die Lohnstückkosten rigide gesenkt, natürlich auf Kosten der arbeitenden Menschen (Hartz IV mit der Verpflichtung zu dumping-Zwangsarbeit, …).
Die privaten Investitionen der GriechInnen sind zu einem großen Teil in den (Aus-)Bau von Wohnhäusern geflossen, die Häuserpreise sind zwischen 1993 und 2006 um 214% gestiegen, eine ähnliche Entwicklung wie in den USA, GB, Irland, Spanien etc.
Was das Wirtschaftswachstum betrifft, so lag es seit dem Eintritt Griechenlands in die Währungsunion bei ca. 3,5% jährlich und damit über dem der zentraleuropäischen Staaten. Gleichzeitig erhöhte sich das Staatsdefizit von 4,4% im Jahr 2001 auf zuletzt 12,7%.
Richtig ist, dass Griechenland ein Exportproblem hat, und zwar nicht nur in Europa. Ca. 50% des Exports gehen in Länder des Balkans, die Türkei und nach Nordafrika. Die jeweiligen Währungen haben gegenüber dem Euro abgewertet und das hat zu sinkenden Exporteinnahmen geführt. Bezüglich des Euro-Raums stellt vor allem Deutschland ein Problem dar, weil das dortige Lohndumping deutsche Exporte und damit griechische Importe aus Deutschland verbilligt und so als übermächtige Konkurrenz auftritt.
Wenn nun von Griechenland gefordert wird, das „Budget in Ordnung zu bringen“, so ist das kontraproduktiv. Damit stürzt der Staat die Wirtschaft in noch größere Probleme. Eigentlich sollte jetzt eine „fiskalische Expansion“ vorgenommen werden, anstatt zu sparen. Die unabhängige Evaluationsstelle des IWF hatte schon 2003 festgestellt, dass das Sparen in einer Krise, das der IWF vielen Ländern als Kondition bei seiner Kreditvergabe diktiert hatte, deren Rezession oft noch verstärkte. Und dass solche Programme vor allem die Finanzmärkte beruhigen und damit die Zinsaufschläge vermindern sollten.
Sparpakete2
Innerhalb weniger Wochen hat die griechische Regierung drei Sparpakete durchgeboxt. Die Maßnahmen wurden im Schnellverfahren im Parlament durchgedrückt, die 21 kommunistischen Abgeordneten verließen unter Protest den Sitzungssaal:
Mehrwertsteuer wird um 2% erhöht (von 19% auf 21%), Steuern auf Tabak, Spirituosen und Treibstoff werden bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen erhöht (um rund 20%), d.h. Benzin wird bis zu 8 Cent/Liter teurer.
Renten werden eingefroren, Nettogehälter um 10% gekürzt, Weihnachts-, Oster- und Urlaubsgeld werden jeweils um 30% gekürzt. Im öffentlichen Dienst gibt es einen Einstellungsstop.
Dazu bemerkt ein „Ökonom“: Damit wird das Defizit um 4% gesenkt, was aber immer noch zu wenig ist, sprich es lauert das nächste Sparpaket.
Streiks
11.3.2010 Generalstreik: Luftraum gesperrt, weil die Fluglotsen streiken. Sämtliche Flüge von und nach Griechenland sind gestrichen, auch die Fähren und Eisenbahnen werden bestreikt.
Keine Nachrichten in Radio und Fernsehen wegen des Streiks der JournalistInnen, die meisten Behörden bleiben geschlossen, ebenso Schulen und Universitäten, in den Krankenhäusern gibt es nur Notdienst. Geschäfte, Supermärkte und Taxis arbeiten aber.
Banken und Luxus-Einkaufszentren wurden angegriffen. Die Redaktion, über die das Sparpaket-Gesetz veröffentlicht wird (erst dann tritt es in Kraft), sollte blockiert/besetzt werden. Vor dem Parlament Zusammenstöße mit Polizei-Sondereinheiten. Ein Gewerkschaftsbonze wird von jugendlichen DemonstrantInnen mit Kaffeebechern und Faustschlägen attackiert. In Ioannina zerstören 700 DemonstrantInnen Überwachungskameras. In Thessaloniki werden Barrikaden gegen die Bullen errichtet. Alle rechnen mit einer weiteren Eskalation.
Wenn der Rentner zwei Mal klingelt3
Was ist bloß los mit den Griechen, könnte man sich angesichts der weit hinter den Hoffnungen und Erwartungen zurückbleibenden Proteste fragen. Drastische Steuererhöhungen, Lohnkürzungen, die an die Substanz gehen, Anhebung des Renteneintrittsalters und Umbau des Rentensystems vom Umlage- auf kapitalgestützte Verfahren, da sollte man doch meinen, dass die streikerfahrenen und aufmüpfigen Griechen auf die Barrikaden gehen. Doch von denen ist weit und breit nichts zu sehen.
So lautete die Einleitung zur bereits Ende Februar fertiggestellten Version dieses Artikels. Wenige Tage später war der Beitrag zwar nicht Makulatur; die jüngsten Entwicklungen deuten jedoch an, dass es in nicht allzu ferner Zukunft doch zu den von den einen erhofften und den anderen befürchteten „sozialen Unruhen“ kommt.
Die sehen laut einer Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Public Issue Anfang März in Griechenland durchführte, auch mehr als 60 Prozent der Griechen auf ihr Land zukommen. Kurz zuvor war von der griechischen Regierung bereits das dritte „Sparpaket“ beschlossen worden, mit dem die hohen Staatsschulden abgebaut werden sollen.
Die fast ausschließlich die Lohnabhängigen treffenden Einsparungen beinhalten die Verlängerung der Lebensarbeitszeit um durchschnittlich zwei Jahre sowie die Erhöhung der Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte auf 21 Prozent im Hauptsteuersatz und um einen Prozentpunkt auf zehn Prozent für Lebensmittel. Den Staatsangestellten werden die Lohnzuzahlungen um zwölf, Weihnachts-, Urlaubs-, und Ostergeld um 30 Prozent gekürzt. Außerdem werden verschiedene Konsumsteuern, darunter die Mineralölsteuer, kräftig angehoben.
Eine Welle von Streiks und Protesten geht über das Land
Waren die Reaktionen der Gewerkschaften bis Ende Februar eher verhalten – einem Streik der kommunistisch orientierten Gewerkschaftsfront PAME im Dezember waren ein Streik des öffentlichen Dienstes am 10. und ein Generalstreik am 24. Februar gefolgt –, so wurde das Land direkt nach Bekanntwerden des dritten Maßnahmenpaketes von einer enormen Welle an Streiks und Protesten überrollt.
Auf die TaxifahrerInnen folgten die ZöllnerInnen; die bei der Privatisierung der staatlichen Fluglinie Entlassenen blockierten für Tage das Gebäude der Staatsbuchhaltung. Überhaupt wurden mehrere Regierungsgebäude von ArbeiterInnen symbolisch besetzt. Während das Paket am 4. März in der zuständigen Parlamentskommission diskutiert wurde, demonstrierten in den Straßen der Hauptstadt Zehntausende Lohnabhängige, am 5. März, Tag der Verabschiedung der Maßnahmen im Parlament, wurden weite Wirtschaftsbereiche des Landes bestreikt. Gleichzeitig riefen die Gewerkschaftsdachverbände GSEE (private Wirtschaft) und ADEDY (öffentlicher Dienst) zum Generalstreik am 11. März auf.
Wenn der Widerstand trotzdem bisher immer noch hinter dem Geforderten zurückbleibt, so hat dies eine ganze Reihe von Gründen. 12,7 Prozent Bruttoinlandsprodukt (BIP) Haushaltsdefizit und über 120 Prozent BIP Staatsverschuldung sind ein reales Problem. PolitikerInnen und Medien arbeiten mit einem aus vollen Rohren täglich abgeschossenen Propagandabombardement daran, die „Sparmaßnahmen“ als „nationale Rettung“ zu verkaufen, für die „alle Opfer bringen müssen“.
Dabei wird weitgehend verschleiert, wie ungleich die Lasten verteilt werden. So sammelte der neue Ministerpräsident bereits zu Beginn des Sparprogramms höchst öffentlichkeitswirksam mit einer einmaligen Sondersteuer etwa eine Milliarde Euro bei den griechischen Unternehmen ein, die in Scheibchen von maximal 400 Euro an die sozial schwächsten Mitglieder der Gesellschaft verteilt wurden. Dass den gleichen Menschen dafür die etwa gleich hohe jährliche Zuzahlung zu den Heizkosten gestrichen wurde, verschwiegen die meisten Medien, ebenso, wie man den Zusatz „der Kapitalsteuersatz bleibt unverändert“ nach jeder Ankündigung der neuesten „Sparmaßnahmen“ quasi im Kleingedruckten suchen muss. Auch die Kirche, eine der reichsten, wenn nicht die reichste Institution des Landes, wird von der regierenden sozialdemokratischen PASOK nicht angetastet.
Zusätzlich leidet Griechenland unter dem gleichen Problem, das auch in Deutschland den Widerstand gegen Hartz IV in engen Grenzen gehalten hat. Ebenso wie in Deutschland stellen die Sozialdemokraten die größte Kraft in vielen Gewerkschaftsorganisationen. Ebenso wie in Deutschland werden die heftigsten Angriffe gegen die Errungenschaften der Lohnabhängigen von einer sozialdemokratischen Regierung vorgenommen.
Die griechischen Gewerkschaften setzen sich wie fast alle Organisationen des Landes aus parteigebundenen Fraktionen zusammen. Im industriearmen Griechenland ist die gewerkschaftliche Organisierung darüber hinaus auf einige Wirtschaftsbereiche beschränkt. Während im öffentlichen Dienst über 90 Prozent der Angestellten Gewerkschaftsmitglied sind, erreichen in der privaten Wirtschaft vor allem die ehemaligen großen „Staatsbetriebe von öffentlichem Interesse“, also Strom- und Wasserwerke, Telekommunikation und öffentlicher Nahverkehr sowie die ehemaligen Staatsbanken eine gute Organisierung. Daneben verfügen verschiedene Industriezweige und das Baugewerbe über schlagkräftige Gewerkschaften.
Dagegen sind im Einzelhandel beispielsweise 96 Prozent der Unternehmen Familienbetriebe ohne jegliche Gewerkschaftsbindung. Die starke Ausrichtung auf den öffentlichen Sektor und die mittlerweile privatisierten ehemaligen Staatsbetriebe hat ihr Übriges zur Sozialdemokratisierung der Gewerkschaften getan. In 20 Jahren PASOK-Regierung von 1981 bis 2004, nur Anfang der 1990er durch eine kurze Pause unterbrochen, waren Parteibuch oder zumindest der Mitgliedsausweis in der parteinahen Gewerkschaftsfraktion die Voraussetzung für einen Job oder eine Beförderung im Staatsdienst.
Die der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) nahestehende Gewerkschaftsfront PAME ist die einzige Gewerkschaftsorganisation, die quasi vom Wahlabend an Widerstand gegen den von der KKE vorausgesagten „Sturm volksfeindlicher Maßnahmen“ leistete. Mit den in ihr organisierten zahlreichen Basisgewerkschaften und einer ganzen Reihe Branchengewerkschaften, darunter so wichtige wie die BauarbeiterInnen und die ArbeiterInnen in der Lebensmittelindustrie, gelang es der PAME bereits am 17. Dezember vergangenen Jahres, weite Teile der Produktion für einen Tag lahmzulegen.
Zersplitterung und individuelle Lösung
Die Gewerkschaftsdachverbände hatten bis dahin jeden Antrag der PAME auf einen Generalstreik abgelehnt. Der Gewerkschaftsdachverband in der privaten Wirtschaft GSEE hatte sogar alle nicht in der PAME-Organisierten vor einer Teilnahme am Streik gewarnt. Trotzdem schloss sich am 17. Dezember eine ganze Reihe nicht zur PAME gehörender Basisgewerkschaften dem Streik an.
Neben der Teilnahme an den im Folgenden unter dem Druck der Basis ausgerufenen Streiks der beiden Dachverbände organisiert die PAME seit Monaten eine Kette von Protesten. Von den anderen linken Gewerkschaftskräften wird ihr jedoch vorgeworfen, bei allen Aktionen im Alleingang zu handeln. So beteiligt sich die PAME zwar an allen von den Dachverbänden ausgerufenen Streiks, mobilisiert aber grundsätzlich zu getrennten Streikdemonstrationen, auf denen sie die Haltung der sozialpartnerschaftlich orientierten Gewerkschaftsdachverbände, aber auch deren „Steigbügelhalter“ bei der Linken scharf kritisiert.
Auch die gewerkschaftlichen Kräfte der zahlreichen meist außerparlamentarischen linken Organisationen setzen sich in der Regel mit getrennten Kundgebungen von den Dachverbänden ab, mit denen sie sich im Anschluss allerdings zur gemeinsamen Demonstration vereinen. Ihre Kundgebungen haben in letzter Zeit an Stärke zugenommen, da vermehrt entstehende parteiunabhängige Basisorganisationen quasi den „dritten Weg“ zwischen den sozialdemokratischen Dachverbänden und der KKE-dominierten PAME suchen.
Zwar müssen sich auch die außerparlamentarischen Linken den Vorwurf gefallen lassen, sie versuchten Unabhängige für ihre Parteiziele zu vereinnahmen; außer der KKE ist aber keine linke Partei stark genug, dies in der Praxis auch durchzusetzen. Auch die zweitgrößte Kraft im linken Spektrum, das aus der Linksallianz Synaspismos und etwa einem Dutzend kleiner Organisationen bestehende Bündnis SYRIZA, verfügt über keinen nennenswerten gewerkschaftlichen Einfluss. SYRIZA hat zudem mit internen Auseinandersetzungen auch in der Frage der Haltung zu den Gewerkschaftsdachverbänden zu kämpfen.
Die Hoffnung stirbt zuletzt: Es genügt ein Funke ...
Neben diesen mehr oder weniger bekannten Problemen, die aus den Differenzen im linken Lager herrühren, haben auch andere Faktoren negative Auswirkungen auf den Widerstand. So sind alle bisherigen harten Streiks seit Amtsübernahme der PASOK auf ebenso hartes Aussitzen seitens der Regierung gestoßen.
Während die Bauern und Bäuerinnen bei ihren geradezu traditionellen Straßenblockaden in den vergangenen Jahren immer Zusagen auf finanzielle Hilfe erkämpfen konnten, zogen sie diesmal nach drei Wochen Blockade ohne einen Cent Unterstützung wieder ab. Den ZöllnerInnen wurde ihr erster Streik nach einer Woche auf Klage der Regierung durch die Gerichte verboten. Immerhin hatten sie durch Unterbindung der Benzinimporte zuvor gezeigt, dass man die Wirtschaft durch punktuelle Aktionen empfindlich treffen kann.
Weiterer „Streikbrecher“ ist die „individuelle Lösung“. Viele, die aus Familienbesitz über ein Grundstück oder eine Immobilie neben dem Eigenheim – in Griechenland wird Erspartes traditionell in Grundbesitz angelegt – verfügen, versuchen derzeit, sich mit dem Verkauf des Grundbesitzes für die nächsten Jahre Luft zu verschaffen. Auch die Schattenwirtschaft im Dienstleistungsgewerbe hat zugelegt.
Dazu kommt ein wichtiger psychologischer Faktor: Noch sind alle Maßnahmen zwar beschlossen, aber eben zum großen Teil noch nicht umgesetzt, nicht spürbar. Und die Hoffnung, man selbst werde vielleicht doch nicht so betroffen sein, stirbt vor allem bei den nicht im öffentlichen Dienst Angestellten zuletzt. Das neue Steuergesetz wird erst bei der Steuererklärung im nächsten Jahr durchschlagen, die Lohnkürzungen in den nächsten Monaten; nur die Verbrauchssteuererhöhungen ziehen den Menschen schon jetzt die sauer verdienten Euro aus den Taschen.
Allerdings ist das anfänglich suggerierte Einverständnis der Bevölkerung mit den „Sparmaßnahmen zur Rettung der Nation“ bereits deutlich zurückgegangen. Hatten Mitte Februar noch fast 70 Prozent der Befragten bei Meinungsumfragen „harte Sparmaßnahmen“ für notwendig gehalten, so sprachen sich Anfang März bereits über 80 Prozent gegen weitere Lohnkürzungen, Steuererhöhungen und Einschnitte bei der Rente aus.
Die Anfang März im dritten „Sparpaket“ beschlossene Mehrwertsteuererhöhung und die Beschneidung bei Weihnachts-, Oster- und Urlaubsgeld haben den sozialen Sprengstoff geliefert, der wohl bei vielen die Hoffnung auf weitgehendes Verschontbleiben von den Angriffen zunichte gemacht hat. Die Zukunft steht wieder offen, alles ist möglich. „Auch damals, 1973, hätte noch fünf Tage vor der Besetzung des Polytechnikums4niemand die folgenden Entwicklungen für möglich gehalten“, sagte vor kurzem ein damals Beteiligter. Und fügte hinzu: „Es genügt ein Funke ...“
Vielleicht kann sich dabei die Zersplitterung der Linken wenigstens in einem Aspekt auch als Gutes erweisen. Es herrscht hier zumindest kein Mangel an Alternativen, die von den verschiedenen Parteien vertreten werden. Die Bündelung des Widerstands wäre zwar wünschenswert, aber wenn das nicht möglich ist, muss man eben „getrennt marschieren, vereint schlagen“. So schlecht stehen die Aussichten für die „Barrikaden“ also nicht.
Die Linke im Ausland könnte ihrerseits durch aktive Solidarität (man könnte es auch Vertretung des Eigeninteresses nennen, denn ihnen drohen die gleichen Angriffe, wenn sie nicht schon betroffen sind) ihren Teil dazu beitragen, dass die derzeitigen Angriffe auf die Rechte und Errungenschaften der Arbeiterklasse erfolgreich abgewehrt und vielleicht sogar neue erkämpft werden können.
Wie kommentiert die Linke die Situation? Wir haben einige Statements der KOE (Kommunistische Organisation von Griechenland) übersetzt, die Teil des Bündnisses SYRIZA (Koalition der radikalen Linken) ist.5
Nieder mit dem EU-Stabilitätspakt!
Europäische ArbeiterInnen, vereinigt euch in Solidarität und im Widerstand!
Die Kommunistische Organisation von Griechenland (KOE) grüßt die griechischen ArbeiterInnen und Angestellten, die gestern, Mittwoch, 10. Februar 2010 eine widerhallende Antwort auf die Angriffe durch die EU und die griechische „sozialistische“ Regierung auf ihre Arbeits- und Lebensbedingungen gegeben haben. Der Erfolg des Streiks (mit einer Teilnahme von nahezu 100% in vielen öffentlichen Sektoren) ist auch eine Antwort auf die schwarze Propaganda der mainstream-Medien, die behaupten, das griechische Volk unterstütze die neoliberale Politik des Blocks der „Sozialisten“, der Rechten, der extremen Rechten, der Kapitalisten und Banker. Die Arbeitenden in Griechenland haben keine andere Wahl als sich zu erheben und um ihr Leben und die Zukunft unserer Kinder zu kämpfen, bis die Regierung gezwungen ist zurückzutreten. Der landesweite Generalstreik, der unter dem Druck der ArbeiterInnen für den 24. Februar sowohl für den privaten als auch den öffentlichen Sektor ausgerufen worden ist, wird ein Meilenstein in diesem Kampf werden. Wir werden nicht für ihre Krise zahlen! Wir rufen alle ArbeiterInnen in ganz Europa auf, sich dem Kampf gegen den EU-Stabilitätspakt anzuschließen!
Generalstreik am 24. Februar in Griechenland: Die stärkere Antwort des Volkes gegen die EU und die Regierung
Der Generalstreik vom 24. Februar und die großen Demonstrationen in Athen, Thessaloniki, Patras und dutzenden Städten in ganz Griechenland waren eine starke Artikulation des Widerstands gegen die EU, die PASOK-Regierung (und ihre reaktionären, volksfeindlichen Verbündeten der Rechten und der extremen Rechten) und gegen die mainstream-Medien, die mit ihrer schwarzen Propaganda der Unterstützung der destruktiven, mittelalterlichen neoliberalen Politik, die durch den EU-Stabilitätspakt aufgezwungen wird, fortfahren.
Die massenhafte Teilnahme am Streik und an den Demonstrationen, trotz der bürgerlichen Kampagne, die den totalen Angriff auf das Volk als „unvermeidlich“ bezeichnet, haben bewiesen, dass die arbeitenden Menschen und die Jugend sich in einem Prozess befinden, in dem sie erkennen, dass die EU- und die Regierungsprojekte umgestoßen werden können, und in dem die Erwartungen für die bessere Organisierung und Entwicklung des Volkswiderstands steigen. Die Tatsache, dass die Führer der beiden Gewerkschaftskonföderationen (GSEE für den privaten und ADEDY für den öffentlichen Sektor) dazu gezwungen waren, diesen Generalstreik unter dem zornigen Druck der ArbeiterInnen auszurufen, zeigt diese graduelle Veränderung des Massenbewusstseins, und den Willen der Arbeitenden, gegen die EU-Regierungsmaßnahmen zu kämpfen.
Eine neue Generation militanter Streikender tritt auf und gibt den Kämpfen einen neuen Ton. Diese neue Generation von ArbeiterInnen und Angestellten, schlecht entlohnt unter äußerst flexibilisierten und repressiven Bedingungen arbeitend, verlangt nach einer Veränderung des Kurses der Gewerkschaftsbewegung, die immer noch an der chronischen Schwäche leidet, die ihre kapitulationistischen und pro-bürgerlichen Führer provozieren. Immer mehr Menschen unterstützen die Forderung, gegen den EU-Stabilitätspakt zu kämpfen, der die Essenz der gegenwärtigen reaktionären Angriffe verkörpert.
Nun, da der erste Generalstreik ein Erfolg wurde, ist das Wichtigste die Fortführung des Kampfes. Wir müssen an diesem Punkt unterstreichen, dass das Konzept einer souveränen Regierung, die vom Volk gewählt wurde, zumindest so weit es Griechenland betrifft, in der Realität abgeschafft wurde. Die parlamentarische Demokratie enthüllt sich als eine Parodie. Griechenland wird von der EU-Ecofin regiert. Zum ersten Mal wurden die Paragraphen des Lissaboner Vertrags aktiviert, die die Arbeitenden unseres Landes und den Reichtum, den sie schaffen, unter die Besatzung von Brüssel stellen. Und während die letzten Reste nationaler Souveränität zerrissen werden, warten die Banken, die Börsenhaie, die Arbeitgeber und die Kartelle ungeduldig auf die strukturellen „Reformen“, die Griechenland von der Europäischen Kommission aufgezwungen wurden.
Demonstrationen gegen den EU-Stabilitätspakt
(5.3.2010) Die Kommunistische Organisation von Griechenland (KOE) grüßt alle kämpferischen Massendemonstrationen, die gestern abend und heute morgen im ganzen Land gegen die neuen von der PASOK-Regierung angenommenen Maßnahmen stattgefunden haben. Diese Demonstrationen müssen zum Ausgangspunkt eines großen Aufstands aller ArbeiterInnen und des gesamten Volkes werden, der die Regierung dazu zwingt, für ihre Anstrengungen, die barbarischen Maßnahmen, die von Brüssel auferlegt wurden, zu zahlen. Heute schickt das griechische Volk, das zu zehntausenden eindrucksvoll und kämpferisch demonstriert, eine klare Nachricht an die Regierung: Die neuen volksfeindlichen Maßnahmen werden fallen, oder diese Regierung wird fallen!
Die KOE verurteilt den feigen Angriff der Spezialpolizeikräfte auf Manolis Glezos, den 87jährigen Helden unseres nationalen Widerstands gegen die Nazi-Besatzung außerhalb des Parlamentseingangs, der dazu führte, dass er verletzt wurde und sich nun in der Intensivabteilung des Spitals befindet. Sieben Jahrzehnte nach seinem legendären und symbolischen Kampf6gegen die Nazi-Besatzung wird Manolis Glezos von den polizeilichen Dienern Brüssels und Berlins angegriffen!
Die KOE verurteilt auch den beispiellosen Angriff der Spezialpolizeikräfte auf die parlamentarische Gruppe von SYRIZA (Koalition der radikalen Linken), während die Parlamentsabgeordneten mit ihrer eigenen Fahne aus dem Parlament kamen, um die DemonstrantInnen zu treffen. Das Verhalten der Polizeikräfte, völlig außer Kontrolle, entspricht genau dem außer Kontrolle geratenen ökonomischen und sozialen Würgegriff der PASOK-Regierung, in dem sich unser Land befindet.
Die KOE prangert die Provokation des Parlamentssprechers der PASOK, Christos Papoutsis und von Adonis Georgiadis, Parlamentsabgeordneter der extrem rechten LAOS-Partei an, die die KOE und SYRIZA für den Angriff von DemonstrantInnen auf Yiannis Panagopoulos (Präsident des Gewerkschaftsdachverbandes) verantwortlich machen. Dieser orchestrierte Angriff gegen die KOE und SYRIZA beweist, dass die extrem rechte LAOS die PASOK-Regierung sowohl im Parlament als auch bei Provokationen unterstützt.7
Es ist allgemein bekannt, dass die KOE eine radikal andere politische Linie hat als die Führung des Gewerkschaftsdachverbandes – vor allem heute, da die ArbeiterInnen zum Ziel wildester Angriffe durch die herrschende Klasse und ihre Regierung werden. Aber ebenso bekannt ist, dass die KOE diese politische Linie in der Praxis so umsetzt, wie es die Linke immer getan hat: massenhaft und politisch, an den Arbeitsplätzen und in der Gesellschaft.
Es ist eine Schande, dass am gleichen Tag, an dem PASOK und LAOS im Parlament die Errungenschaften eines ganzen Jahrhunderts begraben, die gleichen Parteien, diese schamlosen Vertreter und Marionetten von Brüssel, sich beeilen, ihre große Verantwortung mit solch billigen Tricks und Provokationen gegen die KOE zu verschleiern.
Die KOE ruft zu noch größeren und noch kämpferischeren Mobilisierungen auf. Heute haben wir eine Schlacht geschlagen, aber der Kampf geht weiter. Alle auf die Straße, bis die Regierungsmaßnahmen zurückgenommen werden und bis der EU-Stabilitätspakt abgeschafft ist!
Anmerkungen
1 http://blog.zeit.de/herdentrieb/2010/03/11/griechenlands-echte-probleme_1539, Fabian Lindner, 11. März 2010
2 http://www.n-tv.de/politik/Protest-gegen-Sparprogramm-article770100.html, http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/987370/Griechenland-verschaerft-Sparpaket-#/beitrag/video/987370/Griechenland-verschaerft-Sparpaket-
3 ak - analyse & kritik, Nr. 548 / 19.3.2010, Heike Schrader, Athen
4 Während der griechischen Militärdiktatur (1967-1974) besetzten im November 1973 Studierende und ArbeiterInnen das Athener Polytechnikum. Der Aufstand an der Athener Hochschule wurde am 17. November von den Panzern der Junta zwar blutig beendet, läutete aber trotzdem den Beginn eines breiten Widerstands und im Endeffekt das Ende der Junta acht Monate später ein.
5 Zu finden unter www.international.koel.gr
6 Am 30. Mai 1941 erklommen Manolis Glezos und Apostolos Santas die Akropolis und rissen die Nazi-Hakenkreuzfahne herunter, die dort seit dem 27. April 1941 wehte, seit die Nazis Athen besetzt hatten. Das war der erste Widerstandsakt, der sich in Griechenland ereignete, und vermutlich einer der ersten in Europa. Manolis Glezos verbrachte 16 Jahre in Gefängnissen und im Exil, verfolgt von den reaktionären Nachkriegsregierungen Griechenlands.
7 Die neuen Maßnahmen wurden heute vom Parlament mit den Stimmen der PASOK und der LAOS angenommen, und zwar mittels einer „besonderen, dringlichen Prozedur“, die nur wenige Stunden dauerte.
Eure Krise zahlt ihr selbst
Was die vielgepriesene „EU-Solidarität“ betrifft, so hat sich am Fall Griechenlands rasch gezeigt, was davon zu halten ist. Politische Unterstützung aus Deutschland heißt laut Regierungssprecher Ulrich Wilhelm: „dass wir deutlich machen, dass Griechenland auf dem richtigen Weg ist“.
Wir beginnen somit mit einigen Richtigstellungen zu den Berichten, die wir täglich in der Presse, im Radio und Fernsehen vorgesetzt bekommen:1
Die GriechInnen seien faul (außer beim Streiken), überbezahlt, SteuerhinterzieherInnen und erhalten mehr an Pension als im aktiven Arbeitsleben. Kein Wunder, dass der griechische Staat pleite ist.
Was die Steuern betrifft, so hat die Steuerhinterziehung zu einer Verschärfung der sozialen Ungleichheit geführt. Geschätzt wird, dass 25% der Steuern nicht abgeführt werden. Aber Steuerhinterziehung können sich die wenigsten leisten, vor allem nicht: Angestellte (deren Lohnsteuer einbehalten wird), Arme, StudentInnen etc. Die Frage stellt sich, wie hoch der Prozentsatz an hinterzogenen Steuern anderswo, beispielsweise in Österreich ist – abgesehen davon, dass Unternehmen und Stiftungen sowieso kaum mehr steuerpflichtig sind und der Spitzensteuersatz seit Jahren herabgesetzt wird.
Auch der Vorwurf, die GriechInnen würden über ihre Verhältnisse leben, stimmt nicht. Die Lohnstückkosten sind nicht übermäßig gestiegen, die Lohnkostenzuwächse liegen hinter denen Italiens, Portugals oder Spaniens. Einzig Deutschland schert aus, denn hier wurden die Lohnstückkosten rigide gesenkt, natürlich auf Kosten der arbeitenden Menschen (Hartz IV mit der Verpflichtung zu dumping-Zwangsarbeit, …).
Die privaten Investitionen der GriechInnen sind zu einem großen Teil in den (Aus-)Bau von Wohnhäusern geflossen, die Häuserpreise sind zwischen 1993 und 2006 um 214% gestiegen, eine ähnliche Entwicklung wie in den USA, GB, Irland, Spanien etc.
Was das Wirtschaftswachstum betrifft, so lag es seit dem Eintritt Griechenlands in die Währungsunion bei ca. 3,5% jährlich und damit über dem der zentraleuropäischen Staaten. Gleichzeitig erhöhte sich das Staatsdefizit von 4,4% im Jahr 2001 auf zuletzt 12,7%.
Richtig ist, dass Griechenland ein Exportproblem hat, und zwar nicht nur in Europa. Ca. 50% des Exports gehen in Länder des Balkans, die Türkei und nach Nordafrika. Die jeweiligen Währungen haben gegenüber dem Euro abgewertet und das hat zu sinkenden Exporteinnahmen geführt. Bezüglich des Euro-Raums stellt vor allem Deutschland ein Problem dar, weil das dortige Lohndumping deutsche Exporte und damit griechische Importe aus Deutschland verbilligt und so als übermächtige Konkurrenz auftritt.
Wenn nun von Griechenland gefordert wird, das „Budget in Ordnung zu bringen“, so ist das kontraproduktiv. Damit stürzt der Staat die Wirtschaft in noch größere Probleme. Eigentlich sollte jetzt eine „fiskalische Expansion“ vorgenommen werden, anstatt zu sparen. Die unabhängige Evaluationsstelle des IWF hatte schon 2003 festgestellt, dass das Sparen in einer Krise, das der IWF vielen Ländern als Kondition bei seiner Kreditvergabe diktiert hatte, deren Rezession oft noch verstärkte. Und dass solche Programme vor allem die Finanzmärkte beruhigen und damit die Zinsaufschläge vermindern sollten.
Sparpakete2
Innerhalb weniger Wochen hat die griechische Regierung drei Sparpakete durchgeboxt. Die Maßnahmen wurden im Schnellverfahren im Parlament durchgedrückt, die 21 kommunistischen Abgeordneten verließen unter Protest den Sitzungssaal:
Mehrwertsteuer wird um 2% erhöht (von 19% auf 21%), Steuern auf Tabak, Spirituosen und Treibstoff werden bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen erhöht (um rund 20%), d.h. Benzin wird bis zu 8 Cent/Liter teurer.
Renten werden eingefroren, Nettogehälter um 10% gekürzt, Weihnachts-, Oster- und Urlaubsgeld werden jeweils um 30% gekürzt. Im öffentlichen Dienst gibt es einen Einstellungsstop.
Dazu bemerkt ein „Ökonom“: Damit wird das Defizit um 4% gesenkt, was aber immer noch zu wenig ist, sprich es lauert das nächste Sparpaket.
Streiks
11.3.2010 Generalstreik: Luftraum gesperrt, weil die Fluglotsen streiken. Sämtliche Flüge von und nach Griechenland sind gestrichen, auch die Fähren und Eisenbahnen werden bestreikt.
Keine Nachrichten in Radio und Fernsehen wegen des Streiks der JournalistInnen, die meisten Behörden bleiben geschlossen, ebenso Schulen und Universitäten, in den Krankenhäusern gibt es nur Notdienst. Geschäfte, Supermärkte und Taxis arbeiten aber.
Banken und Luxus-Einkaufszentren wurden angegriffen. Die Redaktion, über die das Sparpaket-Gesetz veröffentlicht wird (erst dann tritt es in Kraft), sollte blockiert/besetzt werden. Vor dem Parlament Zusammenstöße mit Polizei-Sondereinheiten. Ein Gewerkschaftsbonze wird von jugendlichen DemonstrantInnen mit Kaffeebechern und Faustschlägen attackiert. In Ioannina zerstören 700 DemonstrantInnen Überwachungskameras. In Thessaloniki werden Barrikaden gegen die Bullen errichtet. Alle rechnen mit einer weiteren Eskalation.
Wenn der Rentner zwei Mal klingelt3
Was ist bloß los mit den Griechen, könnte man sich angesichts der weit hinter den Hoffnungen und Erwartungen zurückbleibenden Proteste fragen. Drastische Steuererhöhungen, Lohnkürzungen, die an die Substanz gehen, Anhebung des Renteneintrittsalters und Umbau des Rentensystems vom Umlage- auf kapitalgestützte Verfahren, da sollte man doch meinen, dass die streikerfahrenen und aufmüpfigen Griechen auf die Barrikaden gehen. Doch von denen ist weit und breit nichts zu sehen.
So lautete die Einleitung zur bereits Ende Februar fertiggestellten Version dieses Artikels. Wenige Tage später war der Beitrag zwar nicht Makulatur; die jüngsten Entwicklungen deuten jedoch an, dass es in nicht allzu ferner Zukunft doch zu den von den einen erhofften und den anderen befürchteten „sozialen Unruhen“ kommt.
Die sehen laut einer Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Public Issue Anfang März in Griechenland durchführte, auch mehr als 60 Prozent der Griechen auf ihr Land zukommen. Kurz zuvor war von der griechischen Regierung bereits das dritte „Sparpaket“ beschlossen worden, mit dem die hohen Staatsschulden abgebaut werden sollen.
Die fast ausschließlich die Lohnabhängigen treffenden Einsparungen beinhalten die Verlängerung der Lebensarbeitszeit um durchschnittlich zwei Jahre sowie die Erhöhung der Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte auf 21 Prozent im Hauptsteuersatz und um einen Prozentpunkt auf zehn Prozent für Lebensmittel. Den Staatsangestellten werden die Lohnzuzahlungen um zwölf, Weihnachts-, Urlaubs-, und Ostergeld um 30 Prozent gekürzt. Außerdem werden verschiedene Konsumsteuern, darunter die Mineralölsteuer, kräftig angehoben.
Eine Welle von Streiks und Protesten geht über das Land
Waren die Reaktionen der Gewerkschaften bis Ende Februar eher verhalten – einem Streik der kommunistisch orientierten Gewerkschaftsfront PAME im Dezember waren ein Streik des öffentlichen Dienstes am 10. und ein Generalstreik am 24. Februar gefolgt –, so wurde das Land direkt nach Bekanntwerden des dritten Maßnahmenpaketes von einer enormen Welle an Streiks und Protesten überrollt.
Auf die TaxifahrerInnen folgten die ZöllnerInnen; die bei der Privatisierung der staatlichen Fluglinie Entlassenen blockierten für Tage das Gebäude der Staatsbuchhaltung. Überhaupt wurden mehrere Regierungsgebäude von ArbeiterInnen symbolisch besetzt. Während das Paket am 4. März in der zuständigen Parlamentskommission diskutiert wurde, demonstrierten in den Straßen der Hauptstadt Zehntausende Lohnabhängige, am 5. März, Tag der Verabschiedung der Maßnahmen im Parlament, wurden weite Wirtschaftsbereiche des Landes bestreikt. Gleichzeitig riefen die Gewerkschaftsdachverbände GSEE (private Wirtschaft) und ADEDY (öffentlicher Dienst) zum Generalstreik am 11. März auf.
Wenn der Widerstand trotzdem bisher immer noch hinter dem Geforderten zurückbleibt, so hat dies eine ganze Reihe von Gründen. 12,7 Prozent Bruttoinlandsprodukt (BIP) Haushaltsdefizit und über 120 Prozent BIP Staatsverschuldung sind ein reales Problem. PolitikerInnen und Medien arbeiten mit einem aus vollen Rohren täglich abgeschossenen Propagandabombardement daran, die „Sparmaßnahmen“ als „nationale Rettung“ zu verkaufen, für die „alle Opfer bringen müssen“.
Dabei wird weitgehend verschleiert, wie ungleich die Lasten verteilt werden. So sammelte der neue Ministerpräsident bereits zu Beginn des Sparprogramms höchst öffentlichkeitswirksam mit einer einmaligen Sondersteuer etwa eine Milliarde Euro bei den griechischen Unternehmen ein, die in Scheibchen von maximal 400 Euro an die sozial schwächsten Mitglieder der Gesellschaft verteilt wurden. Dass den gleichen Menschen dafür die etwa gleich hohe jährliche Zuzahlung zu den Heizkosten gestrichen wurde, verschwiegen die meisten Medien, ebenso, wie man den Zusatz „der Kapitalsteuersatz bleibt unverändert“ nach jeder Ankündigung der neuesten „Sparmaßnahmen“ quasi im Kleingedruckten suchen muss. Auch die Kirche, eine der reichsten, wenn nicht die reichste Institution des Landes, wird von der regierenden sozialdemokratischen PASOK nicht angetastet.
Zusätzlich leidet Griechenland unter dem gleichen Problem, das auch in Deutschland den Widerstand gegen Hartz IV in engen Grenzen gehalten hat. Ebenso wie in Deutschland stellen die Sozialdemokraten die größte Kraft in vielen Gewerkschaftsorganisationen. Ebenso wie in Deutschland werden die heftigsten Angriffe gegen die Errungenschaften der Lohnabhängigen von einer sozialdemokratischen Regierung vorgenommen.
Die griechischen Gewerkschaften setzen sich wie fast alle Organisationen des Landes aus parteigebundenen Fraktionen zusammen. Im industriearmen Griechenland ist die gewerkschaftliche Organisierung darüber hinaus auf einige Wirtschaftsbereiche beschränkt. Während im öffentlichen Dienst über 90 Prozent der Angestellten Gewerkschaftsmitglied sind, erreichen in der privaten Wirtschaft vor allem die ehemaligen großen „Staatsbetriebe von öffentlichem Interesse“, also Strom- und Wasserwerke, Telekommunikation und öffentlicher Nahverkehr sowie die ehemaligen Staatsbanken eine gute Organisierung. Daneben verfügen verschiedene Industriezweige und das Baugewerbe über schlagkräftige Gewerkschaften.
Dagegen sind im Einzelhandel beispielsweise 96 Prozent der Unternehmen Familienbetriebe ohne jegliche Gewerkschaftsbindung. Die starke Ausrichtung auf den öffentlichen Sektor und die mittlerweile privatisierten ehemaligen Staatsbetriebe hat ihr Übriges zur Sozialdemokratisierung der Gewerkschaften getan. In 20 Jahren PASOK-Regierung von 1981 bis 2004, nur Anfang der 1990er durch eine kurze Pause unterbrochen, waren Parteibuch oder zumindest der Mitgliedsausweis in der parteinahen Gewerkschaftsfraktion die Voraussetzung für einen Job oder eine Beförderung im Staatsdienst.
Die der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) nahestehende Gewerkschaftsfront PAME ist die einzige Gewerkschaftsorganisation, die quasi vom Wahlabend an Widerstand gegen den von der KKE vorausgesagten „Sturm volksfeindlicher Maßnahmen“ leistete. Mit den in ihr organisierten zahlreichen Basisgewerkschaften und einer ganzen Reihe Branchengewerkschaften, darunter so wichtige wie die BauarbeiterInnen und die ArbeiterInnen in der Lebensmittelindustrie, gelang es der PAME bereits am 17. Dezember vergangenen Jahres, weite Teile der Produktion für einen Tag lahmzulegen.
Zersplitterung und individuelle Lösung
Die Gewerkschaftsdachverbände hatten bis dahin jeden Antrag der PAME auf einen Generalstreik abgelehnt. Der Gewerkschaftsdachverband in der privaten Wirtschaft GSEE hatte sogar alle nicht in der PAME-Organisierten vor einer Teilnahme am Streik gewarnt. Trotzdem schloss sich am 17. Dezember eine ganze Reihe nicht zur PAME gehörender Basisgewerkschaften dem Streik an.
Neben der Teilnahme an den im Folgenden unter dem Druck der Basis ausgerufenen Streiks der beiden Dachverbände organisiert die PAME seit Monaten eine Kette von Protesten. Von den anderen linken Gewerkschaftskräften wird ihr jedoch vorgeworfen, bei allen Aktionen im Alleingang zu handeln. So beteiligt sich die PAME zwar an allen von den Dachverbänden ausgerufenen Streiks, mobilisiert aber grundsätzlich zu getrennten Streikdemonstrationen, auf denen sie die Haltung der sozialpartnerschaftlich orientierten Gewerkschaftsdachverbände, aber auch deren „Steigbügelhalter“ bei der Linken scharf kritisiert.
Auch die gewerkschaftlichen Kräfte der zahlreichen meist außerparlamentarischen linken Organisationen setzen sich in der Regel mit getrennten Kundgebungen von den Dachverbänden ab, mit denen sie sich im Anschluss allerdings zur gemeinsamen Demonstration vereinen. Ihre Kundgebungen haben in letzter Zeit an Stärke zugenommen, da vermehrt entstehende parteiunabhängige Basisorganisationen quasi den „dritten Weg“ zwischen den sozialdemokratischen Dachverbänden und der KKE-dominierten PAME suchen.
Zwar müssen sich auch die außerparlamentarischen Linken den Vorwurf gefallen lassen, sie versuchten Unabhängige für ihre Parteiziele zu vereinnahmen; außer der KKE ist aber keine linke Partei stark genug, dies in der Praxis auch durchzusetzen. Auch die zweitgrößte Kraft im linken Spektrum, das aus der Linksallianz Synaspismos und etwa einem Dutzend kleiner Organisationen bestehende Bündnis SYRIZA, verfügt über keinen nennenswerten gewerkschaftlichen Einfluss. SYRIZA hat zudem mit internen Auseinandersetzungen auch in der Frage der Haltung zu den Gewerkschaftsdachverbänden zu kämpfen.
Die Hoffnung stirbt zuletzt: Es genügt ein Funke ...
Neben diesen mehr oder weniger bekannten Problemen, die aus den Differenzen im linken Lager herrühren, haben auch andere Faktoren negative Auswirkungen auf den Widerstand. So sind alle bisherigen harten Streiks seit Amtsübernahme der PASOK auf ebenso hartes Aussitzen seitens der Regierung gestoßen.
Während die Bauern und Bäuerinnen bei ihren geradezu traditionellen Straßenblockaden in den vergangenen Jahren immer Zusagen auf finanzielle Hilfe erkämpfen konnten, zogen sie diesmal nach drei Wochen Blockade ohne einen Cent Unterstützung wieder ab. Den ZöllnerInnen wurde ihr erster Streik nach einer Woche auf Klage der Regierung durch die Gerichte verboten. Immerhin hatten sie durch Unterbindung der Benzinimporte zuvor gezeigt, dass man die Wirtschaft durch punktuelle Aktionen empfindlich treffen kann.
Weiterer „Streikbrecher“ ist die „individuelle Lösung“. Viele, die aus Familienbesitz über ein Grundstück oder eine Immobilie neben dem Eigenheim – in Griechenland wird Erspartes traditionell in Grundbesitz angelegt – verfügen, versuchen derzeit, sich mit dem Verkauf des Grundbesitzes für die nächsten Jahre Luft zu verschaffen. Auch die Schattenwirtschaft im Dienstleistungsgewerbe hat zugelegt.
Dazu kommt ein wichtiger psychologischer Faktor: Noch sind alle Maßnahmen zwar beschlossen, aber eben zum großen Teil noch nicht umgesetzt, nicht spürbar. Und die Hoffnung, man selbst werde vielleicht doch nicht so betroffen sein, stirbt vor allem bei den nicht im öffentlichen Dienst Angestellten zuletzt. Das neue Steuergesetz wird erst bei der Steuererklärung im nächsten Jahr durchschlagen, die Lohnkürzungen in den nächsten Monaten; nur die Verbrauchssteuererhöhungen ziehen den Menschen schon jetzt die sauer verdienten Euro aus den Taschen.
Allerdings ist das anfänglich suggerierte Einverständnis der Bevölkerung mit den „Sparmaßnahmen zur Rettung der Nation“ bereits deutlich zurückgegangen. Hatten Mitte Februar noch fast 70 Prozent der Befragten bei Meinungsumfragen „harte Sparmaßnahmen“ für notwendig gehalten, so sprachen sich Anfang März bereits über 80 Prozent gegen weitere Lohnkürzungen, Steuererhöhungen und Einschnitte bei der Rente aus.
Die Anfang März im dritten „Sparpaket“ beschlossene Mehrwertsteuererhöhung und die Beschneidung bei Weihnachts-, Oster- und Urlaubsgeld haben den sozialen Sprengstoff geliefert, der wohl bei vielen die Hoffnung auf weitgehendes Verschontbleiben von den Angriffen zunichte gemacht hat. Die Zukunft steht wieder offen, alles ist möglich. „Auch damals, 1973, hätte noch fünf Tage vor der Besetzung des Polytechnikums4niemand die folgenden Entwicklungen für möglich gehalten“, sagte vor kurzem ein damals Beteiligter. Und fügte hinzu: „Es genügt ein Funke ...“
Vielleicht kann sich dabei die Zersplitterung der Linken wenigstens in einem Aspekt auch als Gutes erweisen. Es herrscht hier zumindest kein Mangel an Alternativen, die von den verschiedenen Parteien vertreten werden. Die Bündelung des Widerstands wäre zwar wünschenswert, aber wenn das nicht möglich ist, muss man eben „getrennt marschieren, vereint schlagen“. So schlecht stehen die Aussichten für die „Barrikaden“ also nicht.
Die Linke im Ausland könnte ihrerseits durch aktive Solidarität (man könnte es auch Vertretung des Eigeninteresses nennen, denn ihnen drohen die gleichen Angriffe, wenn sie nicht schon betroffen sind) ihren Teil dazu beitragen, dass die derzeitigen Angriffe auf die Rechte und Errungenschaften der Arbeiterklasse erfolgreich abgewehrt und vielleicht sogar neue erkämpft werden können.
Wie kommentiert die Linke die Situation? Wir haben einige Statements der KOE (Kommunistische Organisation von Griechenland) übersetzt, die Teil des Bündnisses SYRIZA (Koalition der radikalen Linken) ist.5
Nieder mit dem EU-Stabilitätspakt!
Europäische ArbeiterInnen, vereinigt euch in Solidarität und im Widerstand!
Die Kommunistische Organisation von Griechenland (KOE) grüßt die griechischen ArbeiterInnen und Angestellten, die gestern, Mittwoch, 10. Februar 2010 eine widerhallende Antwort auf die Angriffe durch die EU und die griechische „sozialistische“ Regierung auf ihre Arbeits- und Lebensbedingungen gegeben haben. Der Erfolg des Streiks (mit einer Teilnahme von nahezu 100% in vielen öffentlichen Sektoren) ist auch eine Antwort auf die schwarze Propaganda der mainstream-Medien, die behaupten, das griechische Volk unterstütze die neoliberale Politik des Blocks der „Sozialisten“, der Rechten, der extremen Rechten, der Kapitalisten und Banker. Die Arbeitenden in Griechenland haben keine andere Wahl als sich zu erheben und um ihr Leben und die Zukunft unserer Kinder zu kämpfen, bis die Regierung gezwungen ist zurückzutreten. Der landesweite Generalstreik, der unter dem Druck der ArbeiterInnen für den 24. Februar sowohl für den privaten als auch den öffentlichen Sektor ausgerufen worden ist, wird ein Meilenstein in diesem Kampf werden. Wir werden nicht für ihre Krise zahlen! Wir rufen alle ArbeiterInnen in ganz Europa auf, sich dem Kampf gegen den EU-Stabilitätspakt anzuschließen!
Generalstreik am 24. Februar in Griechenland: Die stärkere Antwort des Volkes gegen die EU und die Regierung
Der Generalstreik vom 24. Februar und die großen Demonstrationen in Athen, Thessaloniki, Patras und dutzenden Städten in ganz Griechenland waren eine starke Artikulation des Widerstands gegen die EU, die PASOK-Regierung (und ihre reaktionären, volksfeindlichen Verbündeten der Rechten und der extremen Rechten) und gegen die mainstream-Medien, die mit ihrer schwarzen Propaganda der Unterstützung der destruktiven, mittelalterlichen neoliberalen Politik, die durch den EU-Stabilitätspakt aufgezwungen wird, fortfahren.
Die massenhafte Teilnahme am Streik und an den Demonstrationen, trotz der bürgerlichen Kampagne, die den totalen Angriff auf das Volk als „unvermeidlich“ bezeichnet, haben bewiesen, dass die arbeitenden Menschen und die Jugend sich in einem Prozess befinden, in dem sie erkennen, dass die EU- und die Regierungsprojekte umgestoßen werden können, und in dem die Erwartungen für die bessere Organisierung und Entwicklung des Volkswiderstands steigen. Die Tatsache, dass die Führer der beiden Gewerkschaftskonföderationen (GSEE für den privaten und ADEDY für den öffentlichen Sektor) dazu gezwungen waren, diesen Generalstreik unter dem zornigen Druck der ArbeiterInnen auszurufen, zeigt diese graduelle Veränderung des Massenbewusstseins, und den Willen der Arbeitenden, gegen die EU-Regierungsmaßnahmen zu kämpfen.
Eine neue Generation militanter Streikender tritt auf und gibt den Kämpfen einen neuen Ton. Diese neue Generation von ArbeiterInnen und Angestellten, schlecht entlohnt unter äußerst flexibilisierten und repressiven Bedingungen arbeitend, verlangt nach einer Veränderung des Kurses der Gewerkschaftsbewegung, die immer noch an der chronischen Schwäche leidet, die ihre kapitulationistischen und pro-bürgerlichen Führer provozieren. Immer mehr Menschen unterstützen die Forderung, gegen den EU-Stabilitätspakt zu kämpfen, der die Essenz der gegenwärtigen reaktionären Angriffe verkörpert.
Nun, da der erste Generalstreik ein Erfolg wurde, ist das Wichtigste die Fortführung des Kampfes. Wir müssen an diesem Punkt unterstreichen, dass das Konzept einer souveränen Regierung, die vom Volk gewählt wurde, zumindest so weit es Griechenland betrifft, in der Realität abgeschafft wurde. Die parlamentarische Demokratie enthüllt sich als eine Parodie. Griechenland wird von der EU-Ecofin regiert. Zum ersten Mal wurden die Paragraphen des Lissaboner Vertrags aktiviert, die die Arbeitenden unseres Landes und den Reichtum, den sie schaffen, unter die Besatzung von Brüssel stellen. Und während die letzten Reste nationaler Souveränität zerrissen werden, warten die Banken, die Börsenhaie, die Arbeitgeber und die Kartelle ungeduldig auf die strukturellen „Reformen“, die Griechenland von der Europäischen Kommission aufgezwungen wurden.
Demonstrationen gegen den EU-Stabilitätspakt
(5.3.2010) Die Kommunistische Organisation von Griechenland (KOE) grüßt alle kämpferischen Massendemonstrationen, die gestern abend und heute morgen im ganzen Land gegen die neuen von der PASOK-Regierung angenommenen Maßnahmen stattgefunden haben. Diese Demonstrationen müssen zum Ausgangspunkt eines großen Aufstands aller ArbeiterInnen und des gesamten Volkes werden, der die Regierung dazu zwingt, für ihre Anstrengungen, die barbarischen Maßnahmen, die von Brüssel auferlegt wurden, zu zahlen. Heute schickt das griechische Volk, das zu zehntausenden eindrucksvoll und kämpferisch demonstriert, eine klare Nachricht an die Regierung: Die neuen volksfeindlichen Maßnahmen werden fallen, oder diese Regierung wird fallen!
Die KOE verurteilt den feigen Angriff der Spezialpolizeikräfte auf Manolis Glezos, den 87jährigen Helden unseres nationalen Widerstands gegen die Nazi-Besatzung außerhalb des Parlamentseingangs, der dazu führte, dass er verletzt wurde und sich nun in der Intensivabteilung des Spitals befindet. Sieben Jahrzehnte nach seinem legendären und symbolischen Kampf6gegen die Nazi-Besatzung wird Manolis Glezos von den polizeilichen Dienern Brüssels und Berlins angegriffen!
Die KOE verurteilt auch den beispiellosen Angriff der Spezialpolizeikräfte auf die parlamentarische Gruppe von SYRIZA (Koalition der radikalen Linken), während die Parlamentsabgeordneten mit ihrer eigenen Fahne aus dem Parlament kamen, um die DemonstrantInnen zu treffen. Das Verhalten der Polizeikräfte, völlig außer Kontrolle, entspricht genau dem außer Kontrolle geratenen ökonomischen und sozialen Würgegriff der PASOK-Regierung, in dem sich unser Land befindet.
Die KOE prangert die Provokation des Parlamentssprechers der PASOK, Christos Papoutsis und von Adonis Georgiadis, Parlamentsabgeordneter der extrem rechten LAOS-Partei an, die die KOE und SYRIZA für den Angriff von DemonstrantInnen auf Yiannis Panagopoulos (Präsident des Gewerkschaftsdachverbandes) verantwortlich machen. Dieser orchestrierte Angriff gegen die KOE und SYRIZA beweist, dass die extrem rechte LAOS die PASOK-Regierung sowohl im Parlament als auch bei Provokationen unterstützt.7
Es ist allgemein bekannt, dass die KOE eine radikal andere politische Linie hat als die Führung des Gewerkschaftsdachverbandes – vor allem heute, da die ArbeiterInnen zum Ziel wildester Angriffe durch die herrschende Klasse und ihre Regierung werden. Aber ebenso bekannt ist, dass die KOE diese politische Linie in der Praxis so umsetzt, wie es die Linke immer getan hat: massenhaft und politisch, an den Arbeitsplätzen und in der Gesellschaft.
Es ist eine Schande, dass am gleichen Tag, an dem PASOK und LAOS im Parlament die Errungenschaften eines ganzen Jahrhunderts begraben, die gleichen Parteien, diese schamlosen Vertreter und Marionetten von Brüssel, sich beeilen, ihre große Verantwortung mit solch billigen Tricks und Provokationen gegen die KOE zu verschleiern.
Die KOE ruft zu noch größeren und noch kämpferischeren Mobilisierungen auf. Heute haben wir eine Schlacht geschlagen, aber der Kampf geht weiter. Alle auf die Straße, bis die Regierungsmaßnahmen zurückgenommen werden und bis der EU-Stabilitätspakt abgeschafft ist!
Anmerkungen
1 http://blog.zeit.de/herdentrieb/2010/03/11/griechenlands-echte-probleme_1539, Fabian Lindner, 11. März 2010
2 http://www.n-tv.de/politik/Protest-gegen-Sparprogramm-article770100.html, http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/987370/Griechenland-verschaerft-Sparpaket-#/beitrag/video/987370/Griechenland-verschaerft-Sparpaket-
3 ak - analyse & kritik, Nr. 548 / 19.3.2010, Heike Schrader, Athen
4 Während der griechischen Militärdiktatur (1967-1974) besetzten im November 1973 Studierende und ArbeiterInnen das Athener Polytechnikum. Der Aufstand an der Athener Hochschule wurde am 17. November von den Panzern der Junta zwar blutig beendet, läutete aber trotzdem den Beginn eines breiten Widerstands und im Endeffekt das Ende der Junta acht Monate später ein.
5 Zu finden unter www.international.koel.gr
6 Am 30. Mai 1941 erklommen Manolis Glezos und Apostolos Santas die Akropolis und rissen die Nazi-Hakenkreuzfahne herunter, die dort seit dem 27. April 1941 wehte, seit die Nazis Athen besetzt hatten. Das war der erste Widerstandsakt, der sich in Griechenland ereignete, und vermutlich einer der ersten in Europa. Manolis Glezos verbrachte 16 Jahre in Gefängnissen und im Exil, verfolgt von den reaktionären Nachkriegsregierungen Griechenlands.
7 Die neuen Maßnahmen wurden heute vom Parlament mit den Stimmen der PASOK und der LAOS angenommen, und zwar mittels einer „besonderen, dringlichen Prozedur“, die nur wenige Stunden dauerte.