http://monthlyreview.org/2012/05/01/the-endless-crisis,
John Bellamy Foster und Robert W. McChesney, Monthly Review, Nr. 64, Mai 2012
Die endlose Krise
John Bellamy Foster ist Herausgeber der Monthly Review und Soziologieprofessor an der Universität von Oregon. Robert W. McChesney ist Professor für Kommunikation an der Universität von Illinois. Das hier ist die Einleitung zu ihrem Buch „Die endlose Krise: Wie das Monopolkapital Stagnation und Aufruhr von den USA bis China produziert“, das im Herbst 2012 von der Monthly Review Press veröffentlicht werden wird.
Seit 1876 hatten wir (in England) einen chronischen Zustand der Stagnation in allen wichtigen Industriezweigen. Weder wird der völlige Zusammenbruch kommen, noch die Periode der erwarteten Prosperität, die uns davor und danach angekündigt wurde. Eine dumpfe Depression, eine chronische Übersättigung aller Märkte für alle Handelsbereiche, das ist es, womit wir seit nahezu 10 Jahren leben. Wie das? (Friedrich Engels)1
Die Große Finanzkrise und die Große Rezession begannen in den USA 2007, und sie breiteten sich rasch über die Welt aus und markieren das, was ein Wendepunkt in der Weltgeschichte zu sein scheint. Obwohl ihnen eine zweijährige Erholungsphase folgte, befindet sich die Weltwirtschaft fünf Jahre nach dem Ausbruch der Krise immer noch in der Depression. Die Vereinigten Staaten, Europa und Japan bleiben gefangen in einem Zustand langsamen Wachstums, hoher Arbeitslosigkeit und finanzieller Instabilität, in dem ständig neue ökonomische Erdbeben aufzutreten scheinen, deren Auswirkungen sich weltweit verbreiten. Der einzige Lichtblick in der Weltökonomie, von einem Standpunkt des Wachstums aus betrachtet, war die scheinbar nicht aufhaltbare Expansion einer handvoll aufsteigender Wirtschaften, vor allem Chinas. Doch die Stabilität Chinas steht jetzt ebenfalls in Frage. Deshalb stimmen informierte ökonomische Beobachter überein, dass der kapitalistischen Weltwirtschaft eine langanhaltende ökonomische Stagnation (die verkompliziert wird durch die Aussicht auf weitere Kreditkrisen) droht, was manchmal als das Problem der „verlorenen Jahrzehnte“ bezeichnet wird.2Diese Stagnation der kapitalistischen Ökonomie stellt sich nun, mehr noch als die Finanzkrise oder die Rezession, als die große Frage weltweit dar.
In den Vereinigten Staaten findet mensch leicht Beispiele für den Wechsel des Fokus von der Finanzkrise zur ökonomischen Stagnation. Ben Bernanke, Vorsitzender des Federal Reserve Board, begann 2011 eine Ansprache in Jackson Hole, Wyoming mit dem Titel „Die kurz- und langfristigen Aussichten der US-Ökonomie“ mit den Worten: „Die Finanzkrise und die darauf folgende langsame Erholung haben bei einigen die Frage aufgeworfen, ob die Vereinigten Staaten … jetzt nicht vor einer langen Periode der Stagnation stehen, egal welche Politik sie einschlagen. Könnte die extrem langsame Erholung der Wirtschaft in den letzten paar Jahren, nicht nur in den USA, sondern auch in einer Anzahl anderer fortgeschrittener Ökonomien, nicht noch viel länger anhalten?“ Bernanke antwortete, er denke, so ein Ausgang sei unwahrscheinlich, wenn die richtigen Maßnahmen gesetzt würden: „Ohne die ernsten Schwierigkeiten, vor denen wir gegenwärtig stehen, ignorieren zu wollen, erwarte ich nicht, dass langfristig das Wachstumspotenzial der US-Wirtschaft ernsthaft von der Krise beeinträchtigt werden wird, wenn – und ich betone wenn – unser Land die notwendigen Schritte setzt, um diesen Ausgang zu schaffen.“ Selbstverständlich konnte mensch erwarten, dass so einer Erklärung ein klares Statement folgt, was denn diese „notwendigen Schritte“ seien. Doch das fehlte in dieser Analyse; der wichtigste Punkt lautete einfach, dass die Nation ihre Finanzen in Ordnung bringen muss.3
Robert E. Hall, ehemaliger Präsident der American Economic Association (AEA), präsentierte in einer Botschaft an die AEA vom Jänner 2011, übertitelt „Die lange Krise“, einen differenzierten Zugang. Eine „Krise“, wie Hall sie definiert, ist die Periode erhöhter Arbeitslosigkeit, die mit einem starken Wirtschaftsabschwung einsetzt, und die andauert, bis die normale Beschäftigungsrate wieder erreicht wird. Die „schlimmste Krise in der US-Geschichte“, so Hall, war „die Große Depression, in der die Wirtschaft von 1929 bis 1933 schrumpfte und es bis zum 2. Weltkrieg nicht schaffte, sich wieder zu normalisieren.“ Hall bezeichnete die Periode anhaltenden schwachen Wachstums, in die die US-Wirtschaft jetzt eingetreten ist, als „Die Große Krise“. Da die Regierung anscheinend nicht fähig sei, die Wirtschaft in ausreichendem Maß zu stimulieren, so beobachtete er, sei kein Ausweg in Sicht: „Die Krise kann jahrelang anhalten.“4
Im Juni 2010 schrieb Paul Krugman, dass die fortgeschrittenen Wirtschaften gegenwärtig in etwas gefangen seien, das er „Dritte Depression“ nannte (die beiden ersten waren die Lange Depression, die der Panik von 1873 folgte, und die Große Depression der 30er Jahre). Charakteristisch für solche Depressionen war nicht ein negatives Wirtschaftswachstum, wie innerhalb eines Geschäfts-Zyklus, sondern eher ein anhaltend niedriges Wirtschaftswachstum, sobald die wirtschaftliche Erholung einsetzte. In solch einer langen, sich dahinziehenden Erholungsphase „waren Episoden des Aufschwungs nie ausreichend, um den Schaden der ursprünglichen Krise zu überwinden, und ihnen folgten regelmäßig Rückfälle.“ Im November 2011 bezog sich Krugman auf „Die Rückkehr der Profanen Stagnation“, womit er die Hypothese der Profanen Stagnation von Ende der 30er Jahre bis zum Beginn der 50er Jahre wiederauferstehen ließ (obwohl in diesem Fall, laut Krugman, die exzessiven Einsparungen, die die Stagnation erzeugen, eher global denn national sind).5
Es sind auch bereits Bücher zum Thema Stagnation erschienen. 2011 veröffentlichte Tyler Cowen „Die Große Stagnation“, die rasch zum Bestseller wurde. Für Cowen wird die US-Wirtschaft charakterisiert durch „ eine jahrzehntelange Stagnation … Sogar vor dem Erscheinen der Finanzkrise gab es ein Jahrzehnt lang keine neuen Jobs … Weltweit teilen die bevölkerungsreichen Länder, die einige Zeit wohlhabend waren, einen gemeinsamen Befund: Ihre Wachstumsraten sind seit zirka 1970 gesunken.“6Wenn die schleichende Stagnation eine Zeitlang ein Problem für die US- und andere fortgeschrittenen Ökonomien war, sieht Thomas Palley in seinem 2012 erschienenen Buch „Von der Finanzkrise zur Stagnation“ die heutige Große Stagnation selbst als von der Großen Finanzkrise ausgelöst, die ihr voranging, und als Beweis für das Versagen der neoliberalen Wirtschaftspolitik.7
Solche Sorgen beschränken sich nicht auf die Vereinigten Staaten, sondern ebenso auf das flaue Wirtschaftswachstum in Japan und Europa. Christine Lagarde, Geschäftsführerin des IWF, sprach im September 2011 in Washington, sie stellte fest, dass die Weltwirtschaft „in eine gefährliche neue Phase der Krise eingetreten ist … Das allgemeine, globale Wachstum hält an, aber es verlangsamt sich,“ es nimmt die Form einer „blutarmen und holprigen Erholung an“. Fundamental für diese gefährliche neue Phase der Krise war „Kerninstabilität“, oder die Schwächung der Triade – Nordamerika, Europa und Japan – zusammen mit anhaltenden finanziellen Ungleichgewichten, die „das Wachstum rauben“. Die große Sorge war die Möglichkeit eines weiteren „verlorenen Jahrzehnts“ für die Weltwirtschaft insgesamt. Im November 2011 schätzte Lagarde China eher als mögliche Schwachstelle im Weltwirtschaftssystem ein denn als ständiges Gegengewicht zur weltweiten Stagnation.8
Die Tatsache, dass diese wachsenden Sorgen wegen der Verlangsamung der wohlhabenden Triaden-Ökonomie eine reale Basis haben, nicht nur in den letzten beiden Jahrzehnten, sondern in einer langen Phase seit den 1960er Jahren, kann Tabelle 1 entnommen werden. Sie zeigt die zurückgehenden realen Wachstumgsraten der Triaden-Ökonomie in den Jahrzehnten seit den 1960ern bis zur Gegenwart. Die Rückgänge waren am stärksten in Japan und Europa. Aber auch die USA haben einen starken Rückgang des Wirtschaftswachstums nach den 1960ern erfahren, und sie waren unfähig, ihre früheren Wachstumsraten wieder zu erlangen, trotz der massiven Stimulationen in Form zunehmender Militärausgaben, von Finanzblasen und wachsenden Verkaufsanstrengungen, und der anhaltenden Ausbeutung der privilegierten Position des Dollar als Weltwährung. Das Platzen der Blase an der New Yorker Börse im Jahr 2000 schwächte die US-Wirtschaft ernsthaft, sie wurde nur gerettet durch ein noch größeres Desaster, den rapiden Anstieg der Immobilienblase an ihrer Stelle. Das Platzen letzterer Blase in der Großen Finanzkrise von 2007 – 2009 brachte die darunterliegenden Bedingungen für Stagnation an die Oberfläche.
Tabelle 1: Durchschnittliches reales ökonomisches Wachstum in den USA, der EU und Japan
Quelle: Daten des US Bureau of Economic Analysis, National Income and Product Accounts, Table 1.1.1. Percent Change from Preceding Period in Real Gross Domestic Product, http://bea.gov/national/nipaweb/SelectTable.asp; Daten für Japan und die EU: Weltbank, WDI database, http://databank.worldbank.org.
Wie Tabelle 1 zeigt, ging der Finanzkrise ein langanhaltender Rückgang des Wirtschaftswachstums voraus. Im Fall der USA war das Wachstum in den 1970ern (das etwas höher war als das der beiden folgenden Jahrzehnte) um 27% niedriger als in den 1960ern. Von 2000 bis 2011 lag die Wachstumsrate um 63% niedriger als in den 1960ern.9Diese zugrundeliegende Stagnationstendenz, und das werden wir in diesem Buch aufzeigen, war der Grund dafür, dass die Wirtschaft so abhängig wurde von der Finanzialisation – oder einer jahrzehntelangen Serie von immer größer werdenden spekulativen Finanzblasen.10Tatsächlich ist nun eine gefährliche Schleife von Stagnation und Finanzblasen aufgetreten, die auf die Tatsache verweist, dass Stagnation und Finanzialisation zunehmend voneinander abhängige Phänome werden: Ein Problem, auf das wir uns in diesem Buch als die Falle von Stagnation – Finanzialisation beziehen.
Die Leugnung der Geschichte
Obwohl die Tendenz zur Stagnation oder einer langen Periode blutarmen Wachstums zunehmend sogar innerhalb des ökonomischen mainstreams als wichtiger Punkt anerkannt wird, gibt es innerhalb der Kreise des Establishments immer noch einen Mangel an breitem historischen und theoretischen Verständnis der Stagnation und ihres Verhältnisses zur kapitalistischen Entwicklung. Wir glauben, das liegt daran, dass die neoklassischen Ökonomen und die mainstream-Sozialwissenschaften allgemein lange Zeit jegliche ernsthafte historische Analyse unterlassen haben. Ihre abstrakten Modelle, die mehr auf die Legitimation des Systems abzielen als auf ein Verständnis seiner Bewegungsgesetze, wurden zunehmend – im wörtlichen Sinn – konstruiert: um solch unrealistische Annahmen wie perfekte und pure Konkurrenz, perfekte Information, perfekte Rationalität (oder rationale Erwartungen), und um die Hypothese der Markteffizienz. Die eleganten mathematischen Modelle, die auf der Grundlage dieser dünnen Konstrukte entwickelt wurden, haben oft mehr zu tun mit Schönheit im Sinne von vollkommener Perfektion als mit der chaotischen Welt der materiellen Realität. Deshalb sind ihre Ergebnisse für die heutige Realität ungefähr so relevant wie die Debatten über die Anzahl der Engel, die auf einer Nadelspitze Platz finden, im Mittelalter waren. Das ist eine Wirtschaftswissenschaft, die den Weg des reinen Idealismus eingeschlagen hat – völlig losgelöst von den materiellen Bedingungen. Wie Krugman es ausdrückt, „die Wirtschaftswissenschaft ist abhanden gekommen, weil die Wirtschaftswissenschafter, als Gruppe, die Schönheit, die in beeindruckend wirkender Mathematik daherkommt, für die Wahrheit gehalten hat.“11
John Kenneth Galbraith bot in „Die Ökonomie Unschuldigen Betrugs“ eine noch stärkere Verurteilung der vorherrschenden Wirtschafts- und Sozialwissenschaft, er argumentierte, dass in den vergangenen Jahrzehnten das System selbst in betrügerischer Weise von Kapitalismus in „das Marktsystem“ umbenannt wurde. Der Vorteil des letzteren Begriffs aus dem Blickwinkel des Establishments war: „Es gab hier keine ungünstige Geschichte, tatsächlich überhaupt keine Geschichte. Es wäre in der Tat schwer gewesen, eine noch bedeutungslosere Bezeichnung zu finden – das ist ein Grund für diese Wahl … Es ist also das Marktsystem, das wir die Jungen lehren … Deshalb ist kein Individuum, kein Unternehmen dominant. Keine ökonomische Macht wird heraufbeschworen. Hier findet sich nichts von Marx oder Engels. Es gibt nur den unpersönlichen Markt, ein nicht gänzlich unschuldiger Betrug.“ Damit einhergehend, klagte Galbraith an, „wurde die Phrase ‚Monopolkapitalismus‘, die einst ein allgemein anerkannter Begriff war, in den akademischen Kreisen und aus den politischen Lexika entfernt.“ Vielleicht am Schlimmsten, wurde die wachsende Wahrscheinlichkeit einer ernsthaften Krise und eines langhanhaltend verlangsamten Wirtschaftswachstums durch diese betrügerische Entfernung der eigentlichen Idee des Kapitalismus (und sogar des Systems von Unternehmen) systematisch ausgeblendet.12
Der zunehmende Einfluß von Galbraith‘s „Ökonomie unschuldigen Betrugs“ und die absurden Ergebnisse, die dieser brachte, zeigen sich in einer Rede von Bernanke in Princeton 2010, betitelt „Implikationen der Finanzkrise auf die Wirtschaft“. Der wichtigste Grund, warum die „(makroökonomischen) Standardmodelle“ die Große Finanzkrise nicht vorhergesehen hatten, so gestand Bernanke zu, war, dass diese Modelle nur „für Perioden ohne Krise geschaffen“ waren. Mit anderen Worten, die konventionellen Modelle, die von orthodoxen Ökonomen geschaffen wurden, wurden konstruiert (absichtlich oder nicht), um schon die Möglichkeit einer größeren Krise oder einer langanhaltenden Periode tiefer ökonomischer Stagnation auszuschließen. Solange das Wirtschaftswachstum robust schien, erzählte Bernanke seinen ZuhörerInnen, erwiesen sich die Modelle als „durchaus brauchbar“. Das Problem, darauf bestand er, war nicht so sehr, dass die Modelle, auf denen die ökonomischen Analysen und die Politik basierten, „irrelevant oder zumindest signifikant fehlerhaft“ waren. Eher repräsentierten das Platzen der Finanzblase und die folgende Krise Vorfälle, von denen nicht angenommen wurde, dass sie eintreten würden, und die Modelle waren nie dazu gedacht, sie zu erklären.13Das ähnelt einem Meteorologen, der ein Modell konstruiert hat, das ständigen Sonnenschein vorhersagt, unterbrochen von gelegentlichen kleineren Schauern; und wenn der große Sturm kommt, behauptet er zur Verteidigung seines Modells, dass niemals beabsichtigt war, es für die Möglichkeit solch unwahrscheinlicher und unvorhersehbarer Vorfälle heranzuziehen.14
All das verweist auf den Mangel begründeter historischer Interpretationen innerhalb der mainstream Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. „Viele der fundamentalen Fehler, die in ökonomischen Analysen auftauchen“, schrieb Joseph Schumpeter in seiner Geschichte der Ökonomischen Analyse, „geschehen wegen dem Mangel an historischen Erfahrungen“ oder historischem Verständnis. Für Schumpeter steht das in scharfem Gegensatz zur Herangehensweise von Marx, der „als erster Ökonom von höchstem Rang systematisch erkannte und vermittelte, wie die ökonomische Theorie in eine historische Analyse gekehrt werden kann, und wie die historische Erzählung in eine histoire raisonnée gekehrt werden kann.“15Heutzutage sind konventionelle SozialwissenschafterInnen allzu oft zu engen SpezialistInnen oder TechnikerInnen geworden, die sich nur um ihren kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit kümmern – oder noch schlimmer, zu EntwicklerInnen von Modellen, die in ihrer extremen Abstraktion Whitehead‘s Trugschluss der unangebrachten Konkretisierung anheim fallen.16Selten genug anerkennen sie die Bedeutung der alten Hegelianischen Lebensweisheit, dass „die Wahrheit alles ist“ – und deshalb nur in ihrem Werdungsprozess wirklich verstanden werden kann.17
Diese selbst verpassten Scheuklappen der mainstream Sozialwissenschaften wurden dramatisch offenkundig beim Versagen der ökonomischen und sozialen Wissenschaften im allgemeinen, als es darum ging, auch nur die Möglichkeit einer ökonomischen und sozialen Katastrophe im heutigen Kapitalismus zur Kenntnis zu nehmen. In seiner Rede an den Präsidenten bei der American Economic Assosiation 2003 erklärte Robert Lucas rundweg, dass das „zentrale Problem der Verhinderung einer Depression gelöst ist.“ Die Idee, dass die Ökonomie nun wegen der Einführung einer neuen, verbesserten Geldpolitik frei von größeren Krisentendenzen sei, wurde zur allgemeinen makroökonomischen Weisheit – von niemand anders als Bernanke 2004 angesichts der Großen Moderation verkündet.18Doch es dauerte bloß wenige Jahre bis zum Platzen der Immobilienblase, um zu zeigen, wie illusorisch diese Vorstellungen vom Ende der Geschichte waren.
Natürlich wurden nicht alle völlig von der Großen Finanzkrise überrascht. Anfang 2002, zwei Jahre, ehe Bernanke den Begriff „Große Moderation“ prägte, lenkte eine Anzahl von unabhängigen, informierten politisch-ökonomischen KommentatorInnen – darunter auch wir selbst – die Aufmerksamkeit auf das Anwachsen einer enormen Immobilienblase. Als Herausgeber der Monthly Review erwähnten wir zuerst das Platzen der Immobilienblase als eine mögliche verheerende Kraft in der US-Ökonomie im November 2002. Es folgte im daraufffolgenden Frühjahr ein Artikel mit dem Titel „Welche Erholung?“, in dem wir diskutierten, „ob die Immobilienblase so dünn wie möglich gedehnt werden könnte, ohne zu platzen.“ Als sich das Problem verschlimmerte, schrieb einer von uns für die Monthly Review-Ausgabe vom Mai 2006 über „Die Haushaltsbudgetblase“ und verwies auf die nicht aufrecht zu erhaltenden Hypothekarkredite, deren größte Last auf ArbeiterInnen und KreditnehmerInnen für Wohnraum fallen würde. Die Immobilienblase, so wurde in diesem Artikel argumentiert, hatte es der US-Ökonomie erlaubt, sich vom Platzen der Börsenblase zu erholen, aber das verwies auf die Wahrscheinlichkeit einer weiteren und möglicherweise größeren „finanziellen Kernschmelze“ gleich um‘s Eck, die durch Zinserhöhungen ausgelöst werden könnte, die damals bereits einsetzten. Während also einige Aspekte der Krise, die im Sommer 2007 auftrat, uns überraschten, tat das der allgemeine Verlauf nicht.19
Die Monthly Review hatte sich lange dem Problem der Finanzialisation und ihres Verhältnisses zu darunter liegenden Stagnationstendenzen in der Ökonomie angenommen. Aber die Erkenntnis, dass eine verheerende Krise im Anrollen war, als Ergebnis des Aufbaus der Immobilienblase, kam nicht nur uns; unter heterodoxen BeobachterInnen war das weit verbreitet, drang sogar bis in die Geschäftsliteratur durch. Das beinhaltete, um nur einige zu nennen, Dean Baker, Stephen Roach, John Cassidy, Robert Shiller und Kevin Phillips – während auch pragmatische Geschäftspublikationen wie Business Week und The Economist darüber schrieben. Im August 2002 schrieb Baker einen Bericht für das Center for Economic Policy Research mit dem Titel „Das Aufbäumen bei den Wohnungspreisen: Ist es real oder eine weitere Blase?“ Im gleichen Monat warnte die Business Week: „Die Investoren, die viele der verbrieften Hypothekarkredite kaufen – könnten bald beschließen, dass es genug ist … Wenn die Zinsen steigen, wird die Last für den Schuldendienst schwerer werden … Vermutlich 30% der ausstehenden Hypothekarkredite haben veränderliche Zinssätze … Es könnte zu einer Kreditkrise kommen, wenn eine Zinserhöhung eine Welle von Zahlungsunfähigkeiten bei den KreditnehmerInnen mit veränderlichen Zinssätzen auslöst.“ Am 22. September 2002 schrieb Stephen Roach für die New York Times über „Die Kosten von Platzenden Blasen“, er stellte fest, „es gibt allen Grund anzunehmen, dass sowohl die Immobilien- als auch die Konsumblase in absehbarer Zukunft platzen werden.“ Im November 2002 veröffentlichte der New Yorker Ökonomie-Kolumnist John Cassidy einen Artikel mit dem Titel „Der Nächste Krach: Ist der Häusermarkt eine Blase, die am Platzen ist?“ Im darauffolgenden Jahr schrieb der Yale-Ökonom Robert Shiller an einem prophetischen Papier der Brookings Institution mit, Titel: „Gibt es eine Blase im Häusermarkt?“ Der Economist stellte im Juni 2005 fest, „der weltweite Aufschwung bei den Häuserpreisen ist die größte Blase in der Geschichte. Bereiten Sie sich auf die ökonomischen Schmerzen vor, wenn sie platzt.“ Der politische Kommentator Kevin Phillips warnte ständig vor den Gefahren der Finanzialisation, 2006 kommentierte er, dass Häuser „Werkzeuge der spekulativen Finanz“ geworden seien, und dass „die Vereinigten Staaten eine Börsenblase gegen die größere Kreditblase getauscht“ hätten, und er prophezeite einen finanziellen Kollaps.20
Tatsächlich gab es in den vier Jahren vor Ausbruch der Krise unzählige Warnungen vor einer Immobilienblase und der Gefahr eines ernsthaften finanziellen Kollaps, dass es schwierig bis unmöglich ist, sie alle zu katalogisieren. Das Problem war nicht, dass niemand die Große Finanzkrise kommen sah. Eher lag die Schwierigkeit darin, dass die Finanzwelt, angetrieben von ihrer endlosen Gier nach mehr, und orthodoxe Ökonomen, die ihre zunehmend irrelevanten Modelle anbeteten, die Warnungen der heterodoxen ökonomischen BeobachterInnen um sie einfach nicht wahrnehmen wollten. Die mainstream Ökonomen hatten sich zunehmend auf die Sichtweise von Say‘s Gesetz (den Spruch, dass das Angebot sich selbst die Nachfrage schafft) zurückgezogen, das besagte, dass ernsthafte ökonomische Krisen schlichtweg unmöglich seien.21
Das Versagen der orthodoxen Ökonomie beim Erkennen der Finanzblase vor der Großen Finanzkrise ist nun in der Literatur gut dokumentiert.22Was wir hier behaupten ist aber etwas anderes: dass die selbe Ökonomie des unschuldigen Betrugs orthodoxe Ökonomen daran gehindert hat, bisher eine noch größere Verwerfung der auslaufenden kapitalistischen Ökonomie zu erkennen, die Tendenz zu langanhaltender ökonomischer Stagnation. Tatsächlich, es ist das langanhaltende geringe Wachstum bzw. die Stagnation, die seit Jahrzehnten vor sich hinfault, sie erklärt nicht nur die Finanzialisation, die sich in einer Kette von Finanzblasen manifestiert, sondern auch die tiefe ökonomische Malaise, die während der Periode des Finazschuldenabbaus eingesetzt hat. Eine realistische Analyse verlangt deshalb heute eine genaue Untersuchung der gefährlichen Schleifen zwischen Stagnation und Finanzialisation.
In „Wie Märkte Versagen“ argumentiert Cassidy, dass die beiden weitsichtigsten Analysen unserer gegenwärtigen ökonomischen Malaise und ihres Verhältnisses zu dem dualen Phänomen von Finanzialisation und Stagnation von 1) Hyman Minsky, einem heterodoxen, post-keynisianistischen Ökonom, der eine Theorie der finanziellen Instabilität im Verhältnis zum gegenwärtigen Kapitalismus entwickelt hat, und 2) Paul Sweezy, einem marxistischen Ökonom, der das, was er die „Finanzialisation des kapitalistischen Akkumulationsprozesses“ nannte, als eine Antwort auf die Stagnationstendenzen der alternden monopolkapitalistischen Ökonomie begriff.23
Cassidy berichtet so über die Tradition, die um Sweezy entstand und wuchs:
Während der 1980er und 90er Jahre konzentrierte sich eine kleiner werdende Gruppe von marxistischen ÖkonomInnen um die Monthly Review, ein kleines New Yorker Journal, das sich seit den 1940ern mehr schlecht als recht durchschlug, auf das, was sie die „Finanzialisation“ des US-Kapitalismus nannten, und sie unterstrichen, dass die Beschäftigung im Finanzsektor, das Handelsvolumen an den spekulativen Märkten und die Einnahmen der Wall Street-Firmen stark anstiegen. Zwischen 1980 und 2000 stiegen die Profite der Finanzindustrie nach Zahlen des Handelsministeriums von 32,4 auf 195,8 Milliarden Dollar, und der Anteil des Finanzsektors an allen im Land generierten Profiten stieg von 19% auf 29% an.
Paul Sweezy, ein in Harvard ausgebildeter 80jähriger, der aus dem selben Cambridge-Haufen kam wie Galbraith und Samuelson, und der die immer noch beste Einführung zur marxistischen Ökonomie schrieb, war der Anführer der linken DissidentInnen. Für einen freien Ökonom war der Aufstieg von Wall Street der natürliche Auswuchs des Vorteils der konkurrierenden US-Ökonomie in diesem Sektor. Sweezy sagte, er widerspiegle einen zunehmend verzweifelten Versuch, der ökonomischen Stagnation zu entkommen. Bei – falls überhaupt – langsamer wachsenden Löhnen und bei Investitionsmöglichkeiten, die nicht ausreichten, um all die (aktuellen und potentiellen) Profite, die die Unternehmen generierten, aufzusaugen, war die Ausgabe von Schuldscheinen und die ständige Schaffung neuer Finanzprodukte notwendig, um die Ausgaben wachsen zu lassen. „Ist die Casino-Gesellschaft eine wichtige Zugkraft für ökonomisches Wachstum?“ fragte Sweezy 1987 in einem Artikel, den er mit Harry Magdoff schrieb. „Wieder, absolut nein. Das Wachstum, das die Gesellschaft in den vergangenen Jahren erlebt hat, abgesehen von dem, das einer nie dagewesenen Ausdehnung des Militärs in Friedenszeiten zuzurechnen ist, war nahezu ausschließlich bedingt durch die Finanzexplosion.“24
Für Cassidy war es die begründete historische Analyse des Kapitalismus, die von Minsky und Sweezy entwickelt worden war, die jedem von ihnen erlaubte, die dramatischen Veränderungen vorherzusehen, die zur Krise anfangs des 21. Jahrhunderts führten. „Minsky und Sweezy stimmen nicht immer überein, aber ihre hochentwickelten kritischen Fakultäten erlaubten es ihnen, lange vor den mainstream Ökonomen zu erkennen, dass ein neues Modell des finanzgetriebenen Kapitalismus aufgetaucht war.“ Tatsächlich, der „weltweite Fall“, der seinen Ursprung in den Vereinigten Staaten 2007 hatte, „zeigte, dass Minsky und Sweezy recht hatten, als sie sagten, das Schicksal der Ökonomie im Großen könne nicht von dem abgetrennt werden, was an der Wall Street geschieht“. Für Sweezy repräsentierten Stagnation und Finanzialisation im Speziellen zusammengehörige Phänomene in einer „symbiotischen Umarmung“.25
Minsky‘s Analyse verwies auf das, was als Minsky-Moment bekannt wurde, oder auf das Auftauchen der Finanzkrise. Im Gegensatz dazu hob Sweezy‘s Arbeit zur Finazialisation, die er als einen breiten Trend sah, der einen Strom von platzenden Blasen herbeiführte, die verursachende Rolle dessen, was der Sweezy‘sche Normalzustand von Stagnation in alternden monopolkapitalistischen Ökonomien genannt wurde, hervor. Es ist der Sweezy‘sche Normalzustand und sein Verhältnis zur Finanzialisation, mit dem Aufstieg des monopolfinanzierten Kapitals – zusammen mit den globalisierten Auswirkungen dieser Phänomene auf den globalen Süden, vor allem auf China – der den Inhalt dieses Buches ausmacht.
„Wieso Stagnation?“
Am 27. März 1947 fand in der Universität Harvard eine mittlerweile legendäre Debatte über die Zukunft des Kapitalismus statt zwischen Sweezy und Schumpeter, zwei der populärsten und einflußreichsten Ökonomen. Wie Paul Samuelson Jahrzehnte später, in den frühen 70er Jahren, erklärte: „Die letzten Vorfälle auf College-Campussen haben vor meinem inneren Auge eines der großen Happenings wieder auferstehen lassen, das ich selbst erlebt habe. Es fand in Harvard statt, in den Tagen, da Giganten auf der Erde und in Harvard wandelten. Joseph Schumpeter, der brillante Harvard-Ökonom und Sozialprophet, debattierte mit Paul Sweezy über ‚Die Zukunft des Kapitalismus‘, Wassily Leontief moderierte und der Littauer-Hörsaal konnte nicht alle aufnehmen, die dabei sein wollten.“26
Die Debatte zwischen Sweezy und Schumpeter war Teil der breiteren Debatte über Stagnation in den 30er Jahren bis zu den frühen 50ern, hervorgerufen von der Großen Depression. Sweezy argumentierte auf der Basis von Marx und Keynes, dass „Akkumulation der Primärfaktor“ in der kapitalistischen Entwicklung sei, stellte jedoch fest, dass ihr Einfluss blass wurde. „Es gibt keinen Mechanismus im System“, erklärte er „um Investitionsmöglichkeiten abzustimmen in der Art, wie die Kapitalisten akkumulieren wollen, und keinen Grund anzunehmen, dass, wenn die Investmentmöglichkeiten nicht ausreichen, die Kapitalisten sich dem Konsum zuwenden werden – ganz im Gegenteil.“ Also, der Motor war von der kapitalistischen Ökonomie entfernt worden, die – ohne Einfluss von außen – zu langanhaltender Stagnation tendierte. Schumpeter, der einen mehr konservativen und „österreichischen“ Zugang vertrat, argumentierte offenbar, dass eine lange Welle (Kondratjew) der Expansion in den späten 50er Jahren beginnen könnte, die ihren Höhepunkt in den späten 80ern erleben würde; und das obwohl der US-Ökonomie scheinbar der Wind ausging, wegen dem Niedergang der unternehmerischen Funktion und dem Aufstieg der Konzerne und des Staates. Schumpeter bestritt nicht die stagnationistische Tendenz der Ökonomie, aber dachte, dass das Wachstum eher niedergedrückt würde als dass es von New Deal-artigen Einmischungen in die Ökonomie stimuliert würde.27
Fast 20 Jahre danach veröffentlichte Sweezy gemeinsam mit Paul Baran ihre jetzt klassische Studie, Monopolkapital, die einen starken Einfluss auf die Neue Linke Ökonomie in den 70er Jahren hatte. „Der Normalzustand der monopolistischen kapitalistischen Ökonomie“, erklärten sie, „ist Stagnation.“28Nach diesem Argument hatte der Aufstieg der gigantischen Monopol- (oder Oligopol)konzerne zu einer ansteigenden Tendenz der Suche nach Mehrwert durch aktuelle und potentielle Investments in der Gesellschaft geführt. Die Grundvoraussetzung für die Ausbeutung (oder hohe Aufschläge auf die Stücklohnkosten) bedeutete sowohl, dass die Ungleichheit in der Gesellschaft zunahm, als auch, dass mehr und mehr überschüssiges Kapital dazu tendierte, sich in den gigantischen Unternehmen und in den Händen reicher Investoren zu akkumulieren, denen es nicht gelang, profitable Anlagemöglichkeiten zu finden, die all ihren Investments suchenden Überschuss absorbierten. Deshalb wurde die Ökonomie zunehmend abhängig von externen Stimulatoren, wie erweiterte Staatsausgaben (vor allem beim Militär), erhöhte Absatzanstrengungen, und finanzielle Expansion, um das Wachstum aufrecht zu erhalten.29Solche externen Stimulatoren, erklärte Sweezy später, waren „nicht Teil der inneren Logik der Ökonomie selbst“, sie fallen „aus dem Rahmen der mainstream Ökonomie, von der historische, politische und soziologische Erwägungen sorgfältig ausgeschlossen werden“.30
All diese externen Stimulatoren waren selbstbeschränkend und/oder generierten weitere, langfristige Widersprüche, führten zu erneuten Stagnationstendenzen. Die Kapitalanlage im Ausland half wenig bei der Verringerung des Problems, denn der Rückfluss von Profiten und anderen geschäftlichen Rückflüssen, unter den Bedingungen des ungleichen Austauschs zwischen dem globalen Norden und Süden und der US-Hegemonie im allgemeinen, tendierte dazu, den Fluss nach außen zu übertreffen. Eine wirklich epochemachende Innovation, die die Rolle der Dampfmaschine, der Eisenbahn oder des Automobils im 19. Jahrhundert und in den frühen 20er Jahren des 20. Jahrhunderts übernahm, könnte die Situation verändern. Aber mit solchen geschichtsverändernden Innovationen, die die gesamte Geographie ändern und die Akkumulation abräumen, konnte nicht gerechnet werden, und unter den Bedingungen des alternden Monopolkapitalismus waren sie vermutlich noch unwahrscheinlicher. Das Ergebnis war, dass die Ökonomie, neben ihren normalen Auf und Ab‘s, dazu tendierte, eher in einen Normalzustand eines langanhaltenden langsamen Wachstums zu sinken, als zu einem robusten Wachstum zu gelangen, wie von orthodoxen Ökonomen angenommen wurde. Im Endeffekt tendiert eine Wirtschaft, in der die Entscheidungen über Sparen oder Investieren auf privater Ebene getroffen werden, dazu, in eine Stagnationsfalle zu tappen: die bestehende Nachfrage ist ungenügend, um all die verfügbaren aktuellen und potentiellen Ersparnisse (oder Überakkumulation) zu absorbieren, der Produktionsausstoß fällt, und es gibt keinen Automatismus, der eine vollständige Erholung generiert.31
Die Stagnationstheorie in diesem Sinne bedeutete nicht, dass starkes ökonomisches Wachstum in alternden kapitalistischen Ökonomien für eine Zeitlang unmöglich war – Stagnation war einfach der Normalfall, und das robuste Wachstum musste als Ergebnis besonderer historischer Faktoren erklärt werden. Das drehte die logischen Charakteristika der neoklassischen Ökonomie um, griff in die glatten Abläufe des Marktes ein. Stagnation bedeutete auch nicht zwingend tiefe Abschwünge mit negativem Wachstum, sondern eher eine Verlangsamung der Wachstumsrate wegen der Überakkumulation. Die Nettoinvestitionen (d.h. die Investitionen, die über die Abschreibungen hinausgehen) schrumpften, weil mit der steigenden Produktivität die notwendigen Investitionen alleine mit Abschreibungen bewerkstelligt werden konnten. Stagnation unterstellte daher ständigen technologischen Fortschritt und steigende Produktivität als Basis. Nicht, dass die Wirtschaft nicht produktiv genug war; eher war sie zu produktiv, um das gesamte investmentsuchende überschüssige Kapital, das in der Produktion generiert wurde, absorbieren zu können.
Baran‘s und Sweezy‘s Monopolkapital wurde am Höhepunkt des Nachkriegsbooms und während der Periode des Vietnamkriegs veröffentlicht. Mitte der 70er Jahre bremste sich die US-Ökonomie drastisch ein, sie beendete eine Periode rapider Expansion, die angetrieben worden war durch: 1) den Aufbau von Konsumentenliquidität während dem Krieg; 2) die zweite große Welle der Automobilisierung in den USA (inklusive dem Bau des Interstate-Autobahnsystems); 3) eine Periode von billiger Energie, die auf der massiven Nutzung von Erdöl basierte; 4) den Wiederaufbau der vom Krieg zerstörten europäischen und japanischen Wirtschaft; 5) zwei regionale Kriege in Asien, und die Militärausgaben im Kalten Krieg; und 6) eine Periode der rivalitätslosen US-Hegemonie. Als die externen Bedingungen, die die Ökonomie in diesen Jahren gehoben hatten, langsam verschwanden, tauchten die Bedingungen der Stagnation wieder auf.
Jedenfalls tauchten in den 70ern wachsende Schulden und die mit ihnen verwandte Casino-Ökonomie als Mittel zur Belebung des US-Kapitalismus auf, und in den 80er Jahren wurde das überschüssige Kapital der gesamten Welt in den spekulativen Wirbelsturm einer neuen, finanzialisierten Ökonomie mit Wall Street als Zentrum gezogen. Paul Sweezy und Harry Magdoff waren unter den ersten und beharrlichsten Analytikern dieses neuen Prozessses der Finanzialisation, sie betrachteten ihn nicht einfach in Minsky-Begriffen von periodischen Finanzkrisen, sondern als Droge oder Stimulans – ähnlich den Mitteln, die manchmal von Sportlern verwendet werden – die im System aufgetaucht waren, um die Ökonomie am Leben zu erhalten trotz ihrer, wie sie es nannten, „schleichenden Stagnation“.32„Finanz“, schrieben sie 1977, „agiert als Beschleuniger des Geschäftszyklus, sie treibt ihn weiter und rascher aufwärts und rascher hinunter“. Obwohl sie mit Minsky bezüglich der finanziellen Instabilität übereinstimmten, argumentierten sie trotzdem, dass „er, indem er fast ausschließlich auf die Finanzaspekte fokussiert, andere langfristige Faktoren übersieht, die eine solidere Basis für eine lange Welle der Prosperität bieten, und ebenso ignoriert er die Bedingungen, die den Boom aufrecht erhalten, genauso wie den Wiederanstieg der Stagnationstendenzen.“ Das darunter liegende Problem blieb der Sweezy‘sche Normalzustand von Stagnation, jetzt verkompliziert durch ein zusätzliches, schuldenbasiertes Stimulans.33
Am 22. März 1982, fast 35 Jahre nach dem Tag seiner legendären Debatte mit Schumpeter in Harvard, war Sweezy Gast bei einem Gespräch im Harvard Economics Club mit dem Titel „Wieso Stagnation?“34Hier wiederholte er die Wurzeln der Debatte um die Große Stagnation, die in Harvard in den späten 30er Jahren lagen, als 1937 wieder eine tiefe Rezession auftauchte, ehe die volle Erholung von der Großen Depression stattfand. Das warf die Frage auf, die Alvin Hansen, der treueste Gefolgsmann von Keynes in den Vereinigten Staaten, 1938 in seinem Buch „Volle Erholung oder Stagnation?“ gestellt hatte. Schumpeter in seinem Traktat nannte „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ Hansen‘s Stagnationsanalyse „die Theorie verschwindender Investitionsmöglichkeiten“ und konterte mit seinem eigenen Argument, dass das wahre Problem, das eine volle Erholung verhinderte, der New Deal selbst war. Das führte zur Debatte Sweezy-Schumpeter 1947.35
1982, dreieinhalb Jahrzehnte nach dieser berühmten Debatte mit Schumpeter, erzählte Sweezy seinen ZuhörerInnen im Harvard Economics Club, dass die Stagnationsfrage, die aus der Großen Depression entstand, „ohne irgendeine befriedigende Antwort beiseite gelegt worden ist … Jetzt stellt die Wirklichkeit sie wieder“, und sie zeige, dass „die Beisetzung der Stagnation zumindest verfrüht war“. Was sich jedenfalls seither fundamental geändert hatte (abseits der wachsenden Staatsausgaben) war das zunehmende Vertrauen in die Förderung von Krediten/Schulden als langfristiger Stimulus gegen die Stagnation.
Lassen Sie mich kurz abschweifen, um diese Tatsache hervorzuheben: Dass die allgemeine Performance der Wirtschaft in den letzten Jahren nicht viel schlechter war als früher, oder so schlecht wie in den 1930ern, liegt an drei Gründen: 1) der viel größeren Rolle der Staatsausgaben und der Staatsschulden; 2) dem enormen Wachstum der KonsumentInnenverschuldung, darunter die Hypothekarschulden, vor allem in den 1970ern; und 3) dem Aufblähen des Finanzsektors, der abseits vom Schuldenwachstum, einer Explosion aller Arten von Spekulation, alte und neue, die umgekehrt mehr als einen Niedergang der Kaufkraft in der „realen“ Ökonomie bewirkt, vor allem in Form zunehmender Nachfrage nach Luxusgütern. Das sind wichtige Kräfte, die gegen die Stagnation wirken, so lange sie bestehen, aber es besteht immer die Gefahr, dass wenn sie zu weit getrieben werden, sie in der guten alten Panik enden in einer Weise, wie wir sie seit der Periode 1929-33 nicht erlebt haben.36
Es hätte kaum eine weitblickendere Beschreibung der Widersprüche im US-Kapitalismus geben können, die auf die Große Finanzkrise 2007-09 verweist, und auf die Bedingungen ernsthafter ökonomischer Stagnation, die aus ihr erwächst. Diese Warnungen blieben aber ungehört, und es kam zu keiner Wiederaufnahme der Stagnationsdebatte in den 1980ern.
Indem sie die Verweigerung der jüngeren Generation linker ÖkonomInnen, die Frage aufzugreifen, ansprachen, beobachteten Magdoff und Sweezy in Stagnation und die Finanzexplosion 1987:
Wir sind beide während der 30er Jahre aufgewachsen, und damals erhielten wir unsere Initiation in die Wirklichkeit der kapitalistischen Ökonomie und Politik. Für uns war ökonomische Stagnation in ihrer zermürbendsten und durchdringendsten Form, darunter ihre weitreichenden Auswirkungen auf jeden Aspekt des sozialen Lebens, eine übewältigende persönliche Erfahrung. Wir wissen, was sie ist und was sie bedeuten kann; wir brauchen keine elaborierten Definitionen oder Erklärungen. Aber wir haben zu unserer Überraschung langsam gelernt, natürlich nicht alle gemeinsam, dass jüngere Menschen, die in den 40ern oder später aufwuchsen, diese Erfahrungen nicht teilen oder nicht verstehen. Die ökonomische Umgebung des Kriegs und der Nachkriegsperioden, die eine so wichtige Rolle in ihren Erfahrungen spielte, war völlig anders. Für sie bleibt Stagnation eher ein vager Begriff, so etwas wie eine vielleicht länger anhaltende Rezession, aber ohne mögliche gravierende politische und internationale Auswirkungen. Unter diesen Umständen fällt es ihnen schwer, sich auf etwas – das Problem der Stagnation – zu beziehen, das sie leicht als unsere Obsession betrachten könnten. Sie sind sich nicht sicher, worüber wir sprechen, oder worum es bei all diesem Getue geht. Es gibt eine Versuchung zu sagen: warte einfach ab, du wirst es früh genug herausfinden.37
Aber anstatt mit so einer Äußerung zu enden, gingen Madgoff und Sweezy weiter und erklärten im Rest ihres Buches, warum eine Tendenz zur Stagnation so tief in alternde monpolkapitalistische Gesellschaften eingebettet ist, warum sie anfällig sind für eine Marktsättigung, und warum die Finanzialisation als ein verzweifelter und letzter gefährlicher Retter aufgetaucht war. In ihrem Kapitel „Produktion und Finanz“ führten sie in eine systematische Analyse der Beziehung zwischen der produktiven Basis der Ökonomie und der finanziellen Superstruktur (oder, wie sie es ebenfalls nannten, das Verhältnis der „realen Ökonomie“ zur Finanz) ein, ein Rechnungswesen für die zunehmend erschütterte finanzielle Struktur ganz oben über einem „stagnierenden produktiven Sektor“.38
In seinem letzten Artikel, „Mehr (oder Weniger) über die Globalisierung“, geschrieben 1997, fünfzig Jahre nach der Sweezy-Schumpeter-Debatte, stellte Sweezy anschaulich das Problem der Überakkumulation entwickelter Kapitalismen mittels dreier Bedingungen dar: 1) wachsende Monopolisierung auf globaler Ebene mit der Ausdehnung von multinationalen Konzernen, 2) die Verlangsamung (oder sich vertiefende Stagnation) der Triaden-Ökonomien, und 3) die „Finanzialisation des Akkumulationsprozesses“. Für Sweezy waren diese drei Trends „komplex miteinander verknüpft“ und jedeR, die/der die Zukunft der kapitalistischen Ökonomie verstehen möchte, musste den Fokus auf ihre Wechselbeziehungen legen, und ihre Anwesenheit in einem kapitalistischen System, das mehr und mehr globalisiert wurde.39
Monopol-Finanzkapital und die Große Stagnation
Unsere eigene Analyse in diesem Buch beginnt auf vielerlei Weise dort, wo Sweezy (und Harry Magdoff) aufgehört haben, und führt auch die Analyse von John Bellamy Foster und Fred Magdoff in Die Große Finanzkrise: Gründe und Konsequenzen (2009) weiter.40Was Sweezy die „komplex miteinander verknüpften“ Aspekte von Monopolisierung, Stagnation, Finanzialisation und Globalisierung nannte, hat eine neue historische Phase geschaffen, die wir als „Monopol-Finanzkapital“ bezeichnen. In dieser Periode sind die Triaden-Ökonomien in einer Stagnation-Finanzialisation-Falle gefangen, während sie gleichzeitig mit dem Wachstum in den jungen Ökonomien über die globale Ausnutzung der Arbeit verbunden sind – wobei multinationale Konzerne die Unterschiede in den Lohnhöhen auf der Welt ausbeuten, um Extraprofite zu generieren. Das Ergebnis ist die Verschlimmerung des allgemeinen Problems der Absorption von überschüssigem Kapital und finanzielle Instabilität im Zentrum der Weltökonomie. In diesem Buch sind wir auch besonders besorgt darüber, wie das auf globalem Level vor sich geht, insbesondere in Hinblick (in den hinteren Kapiteln) darauf, wie es mit der chinesischen Ökonomie verbunden ist.
Doch das zentrale Problem bleibt Überakkumulation innerhalb der Triade, wobei die Vereinigten Staaten, trotz ihrer nachlassenden Hegemonie, immer noch die trend-settende Kraft im Weltsystem von Akkumulation darstellen. Der vertiefende Effekt von Stagnation in der US-Ökonomie kann aus Tabelle 2 abgelesen werden, sie zeigt den langanhaltenden Abwärtstrend in der Wachstumsrate der Industrieproduktion in den Vereinigten Staaten.
Tabelle 2: Industrieller Produktionsindex
Quelle: FRED Graph Observations, Economic Research Division, Federal Reserve Board of St. Louis, Industrial Production Index (INDPRO), Index 2007=100, Monthly, Seasonally Adjusted, http://research.stlouisfed.org/fred2.
Beachte: Tabelle 2 verwendet einen 20-Jahre-gleitenden Durchschnitt. Gleitende Durchschnitte sollen Fluktuationen rausfiltern, um die längerfristigen Trends sichtbarer zu machen.
Die USA sind in dieser Hinsicht nicht allein. Seit den 1960ern haben Westdeutschland, Frankreich, das Vereinigte Königreich, Italien und Japan in ihren Trendraten des Wachstums der industriellen Produktion noch längere Rückgänge verzeichnet als die Vereinigten Staaten. Im Fall von Japans Industrieproduktion gab es einen Anstieg um 16,7% von 1960-70 und von 0,04% zwischen 1990 und 2010.41
Die Geschichte, die Tabelle 2 zeigt, ist eine der sich vertiefenden Stagnation der Produktion – bereits von Sweezy und Magdoff in den 70er und 80er Jahren hervorgehoben. Tabelle 3 enthüllt im Kontrast dazu, dass das – vor allem von den 1980ern an – zu einem Wechsel in der Ökonomie von der Produktion zur spekulativen Finanz als Hauptstimulans für das Wachstum geführt hat. Deshalb ist der Anteil von FIRE (Finanz, Versicherung und Immobilien – finance, insurance and real estate) am nationalen Einkommen von 35% am Anteil der Güterproduktion in den frühen 80ern auf über 65% in den vergangenen Jahren gestiegen. Die sogenannten Booms der Ökonomie in den 1980ern und 90ern wurden vom rapiden Anwachsen der Finanzspekulation angetrieben und führten zu zunehmender Verschuldung, vor allem im Privatsektor.
Tabelle 3: Anteil am Bruttoinlandsprodukt von FIRE als Prozentsatz der gesamten güterproduzierenden Industrie
Quelle: Calculated from Bureau of Economic Analysis, National Income and Product Accounts Table 6.1. National Income without Capital Consumption Adjustment, http://www.bea.gov/national/nipaweb/SelectTable.asp.
Der dramatische Anstieg des Anteils am Einkommen von finanzverbundenen Industrien war aber nicht begleitet von einem gleichermaßen dramatischen Anstieg beim Anteil an Arbeitsplätzen in Finanzdienstleistungen im Verhältnis zu denen in der industriellen Produktion. Die Beschäftigung in FIRE ausgedrückt als Prozentsatz der Beschäftigung in der Güterproduktion lag in den letzten beiden Jahrzehnten gleichmäßig bei etwa 22%. Das legt nahe, das der große Einkommenszuwachs bei den Finanzdienstleistungen, im Vergleich zur Produktion, zu übergroßen Gewinnen für relativ wenige EinkommensbezieherInnen geführt hat, nicht zu einer adäquaten Zunahme bei den Jobs.42
Die rapide Ausbreitung von FIRE im Verhältnis zur Güterproduktion in der US-Ökonomie macht die langfristige Finanzialisation der Wirtschaft sichtbar, d.h. den Wechsel des Zentrums der Gravitationskraft der wirtschaftlichen Aktivität, der sich zusehends von der Produktion (und den mit der Produktion verbundenen Dienstleistungen) zur spekulativen Finanz bewegt. Angesichts der Marktsättigung und der verschwindenden profitablen Anlagemöglichkeiten in der „realen Ökonomie“ wurde zur Kapitalbildung oder Sachinvestition zunehmend auf den spekulativen Einsatz des ökonomischen Überschusses der Gesellschaft bei der Jagd nach Gewinnen aus Vermögenspreisinflation gesetzt. Wie Magdoff und Sweezy bereits in den 1970ern erläuterten, könnte das eine indirekte Auwirkung bei der Stimulation der Wirtschaft mit sich bringen, vor allem bei der Belebung des Luxusgüterkonsums. Das ist bekannt geworden als „Wohlhabendeneffekt“, wobei ein Teil der Kapitaleinnahmen aufgrund der Aufwertung von Anlagewerten an der Börse, am Immobilienmarkt etc. für Güter und Dienstleistungen für die Wohlhabenden ausgegeben wird, und zwar zusätzlich zur tatsächlichen Nachfrage in der Wirtschaft.43
Doch die Stimulation, die von der Finanzialisation ausgeht, hat einen jahrzehntelangen Niedergang der Rolle der Investments in der US-Ökonomie nicht verhindern können. So fiel das Nettoinvestment von Privaten in gewerbliche Gebäude von 4% des Bruttonationalprodukts in den 1970ern auf 3,8% in den 80ern, auf 3% in den 90ern und auf 2,4% zwischen 2000 – 2010.44Der Hauptgrund für diese Entwicklung ist die sinkende langfristige Wachstumsrate der Investitionen in die Produktion, genauer gesagt in die Produktionsstrukturen (Errichtung neuer oder Erneuerung bestehender Produktionswerke und –anlagen), wie Tabelle 4 zeigt.45
Tabelle 4. Wachstumsrate der realen Investitionen in Produktionsanlagen
Quelle: Bureau of Economic Analysis, National Income and Product Accounts, Table 5.4.1. Percent Change from Preceding Period in Real Private Fixed Investment in Structures by Type, http://bea.gov/national/nipaweb/SelectTable.asp.
Doch trotz der fallenden Raten beim Investitionswachstum hat die Produktivitätssteigerung in der Industrie angehalten, was zum Ausbau exzessiver Produktionskapazitäten geführt hat (ein Hinweis auf die Überakkumulation von Kapital). Das kann aus Tabelle 5 abgelesen werden, die das langfristige Abgleiten der Kapazitätsauslastung in der Produktion zeigt. Hohe und steigende Anteile nicht genützter (oder exzessiver) Kapazitäten haben eine negative Auswirkung auf die Investitionen, denn Unternehmen sind natürlich abgeneigt, in Industrien zu investieren, in denen ein großer Teil der bestehenden Kapazitäten brachliegt. Die US-Automobilindustrie, die vor und während der Großen Rezession (als weltweite Industrie) führend war, war mit großen Anteilen ungenützter Kapazitäten konfrontiert – rund ein Drittel ihrer gesamten Kapazitäten stand still. Ein Bericht in Businessweek 2008 unterstrich das globale Überangebot an Autos: „Während die Verkäufe von Peking bis Boston baden gehen, finden sich die Autobauer in einer peinlichen Situation wieder. In den letzten Jahren haben sie global eine Orgie an Anlagenerrichtungen gefeiert, weshalb diese Industrie die Kapazität hat, erstaunliche 94 Millionen Autos jährlich zu produzieren. Das sind rund 34 Millionen zu viel, betrachtet man die aktuellen Verkäufe laut den Forschern von CSM Worldwide, oder anders gesagt ist das der Ausstoß von 100 Anlagen.“46
Tabelle 5: Kapazitätsauslastung in der Produktion
Quelle: Economic Report of the President, 1998, 2005, and 2012, Table B-52.
Die abnehmende Auslastung der Produktionskapazitäten wird begleitet von dem, was wir 2004 als „Stagnation der Beschäftigung“ bezeichnet haben, oder von dem Wachstum der Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung, das sowohl die US- als auch die Ökonomie der Triade insgesamt kennzeichnet. Laut der alternative labor underutilization measure U6 des Büros für Arbeitsstatistik waren in den Vereinigten Staaten im Februar 2012 14,9% der zivilen Arbeitskräfte (plus marginalisierte Arbeitende) arbeitslos oder unterbeschäftigt.47
Unter diesen Umständen wurde die US-Ökonomie, wie wir gesehen haben, chronisch abhängig vom Aufblähen der finanziellen Superstruktur, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Industrieunternehmen wurden selbst zu Einheiten der Finanzialisation, die eher wie Banken operieren, indem sie den Verkauf ihrer Produkte finanzieren, und sich oft an der Spekulation mit Gebäuden und Währungen beteiligen. Heute sind sie eher geneigt, die unmittelbaren, todsicheren Gewinne, die bei Fusionen und (Unternehmens-)Aufkäufen und damit einhergehender vergrößerter ökonomischer Macht winken, einzufahren, als ihr Kapital den unsicheren Geschäften in Zusammenhang mit der Ausweitung der Produktionskapazitäten auszusetzen. Die politisch-ökonomische Macht ist der Wachstumskurve der Finanz in der Ökonomie gefolgt, wodurch die ökonomische Basis der politischen Hegemonie sich von der realen Ökonomie der Produktion zur Finanzwelt verlagert hat, und zunehmend den Interessen letzterer dient, bekannt geworden als neoliberales Zeitalter.48
Der wichtigste Schlüssel zum Verständnis dieser Entwicklungen bleibt aber der Sweezy‘sche Normalzustand. Die langfristigen Trends in Zusammenhang mit ökonomischem Wachstum, industrieller Produktion, Investment, Finanzialisation und Kapazitätsauslastung (wie in den Tabellen 1 – 5 gezeigt) weisen alle auf das selbe Phänomen einer langfristigen ökonomischen Verlangsamung in den USA und den anderen industriell fortgeschrittenen Ökonomien.
Ein zentraler Grund für diese Stagnationstendenz sind die hohen, und heute rasch steigenden Preisaufschläge bei Monopolunternehmen, die die Probleme der Überkapitalaufsaugung rasch anwachsen lassen. Nimmt man das nicht landwirtschaftliche Geschäft insgesamt, so lag der Preisaufschlag auf die Lohnstückkosten (das Verhälntis der Preise zu den Lohnstückkosten) in der US-Wirtschaft während der gesamten Periode nach dem 2. Weltkrieg bei durchschnittlich 1,57, am niedrigsten in den späten 40er Jahren mit 1,50. Aber von den späten 1990er Jahren an bis in die Gegenwart ist der Aufschlag auf die Lohnstückkosten – der große polnische Ökonom Michal Kalecki bezeichnete ihn als „Monopolisierungsgrad“ – stark angestiegen, auf 1,75 im letzten Quartal 2011. Wie im Ökonomischen Bericht an den Präsidenten 2012 festgestellt wurde: „Der Aufschlag ist nun auf das höchste Niveau in der Geschichte nach dem II. Weltkrieg angestiegen, wobei der größte Teil dieses Anstiegs in den letzten vier Jahren stattgefunden hat. Weil der Preisaufschlag auf Lohnkosten der Kehrwert des Anteils der Löhne am Arbeitsertrag ist, bedeutet das, dass der Anstieg des Preisaufschlags der höchste in der Nachkriegsgeschichte ist, was gleichbedeutend damit ist, dass der Anteil der Arbeit am Arbeitsertrag auf sein niedrigstes Niveau gefallen ist.“49
Die Mehrdeutigkeit der Globalen Konkurrenz
Übereinstimmend mit dem bisher Gesagten gab es in den letzten fünf Jahrzehnten die Verschärfung eines bis heute wachsenden Trends zur Monopolisierung in den USA und der globalen Ökonomie, die sich ausdrückt in: 1) der Konzentration und Zentralisation von Kapital auf weltweitem Niveau, 2) dem Wachstum von Monopolmacht und -profit, 3) den sich entwickelnden globalen Versorgungsketten von multinationalen Konzernen und 4) dem Aufstieg der Monopolfinanz. Der gesamte jährliche Profit der fünfhundert größten Unternehmen der Welt (bekannt als die Global 500) lag zwischen 2004 und 2008 bei rund 40% des gesamten Welteinkommens, mit einem scharfen Anstieg seit den 1990ern.50Diese starke Monopolisierungstendenz lässt sich heute kaum erkennen angesichts dessen, was im Allgemeinwissen als noch stärkere Konkurrenz zwischen Unternehmen, ArbeiterInnen und Staaten charakterisiert wird.
Wir nennen dieses Problem, bei dem die wachsende Monopolisierung als wachsende Konkurrenz mißverstanden wird, die „Mehrdeutigkeit der Konkurrenz“. Seit den Tagen von Adam Smith bis zur Gegenwart wurde die Entwicklung von Monopolmacht immer als Bedingung für freie Konkurrenz betrachtet, vor allem am Feld der Preiskonkurrenz. Wie Smith es in Der Wohlstand der Nationen ausdrückte, ist „der Preis von Monopolen bei jeder Gelegenheit der höchste, der erzielt werden kann. Der natürliche Preis, oder der Preis der freien Konkurrenz ist auf der anderen Seite der niedrigste, der noch angenommen werden kann.“51Für klassische politische ÖkonomInnen im 19. Jahrhundert war Konkurrenz nur dann stark, wenn es unzählige kleine Firmen gab. Aber Karl Marx hat bereits im Kapital auf die Konzentration und Zentralisation des Kapitals hingewiesen, bei der größere Firmen kleinere erschlugen und häufig die letzteren durch Fusionen und Aufkäufe übernahmen.52Das führte zu einer enormen Transformation der Industrie im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Produktion von einer relativ kleinen Anzahl von gigantischen Unternehmen dominiert wurde. Wie John Munkirs 1985 in Die Transformation des Amerikanischen Kapitalismus schrieb, „schuf die Genesis des Monopolkapitalismus (1860er bis 1920er Jahre) eine starke Dichotomie zwischen dem vorgeblichen Glauben der Gesellschaft an die konkurrierenden kapitalistischen Marktstrukturen nach Adam Smith und der ökonomischen Realität.“53
In den 1920er und 30er Jahren wurden wichtige Innovationen in der ökonomischen Theorie eingeführt, die diese neue Realität unter dem Titel „die Theorie der nicht perfekten Konkurrenz“ berücksichtigen sollten. Die drei wichtigsten Pionierversuche, die mainstream ökonomische Theorie zu verändern, um der Monopolmacht Rechnung zu tragen, wurden von Edward H. Chamberlin in Die Theorie der Monopolostischen Konkurrenz (1933), Joan Robinson in Die Ökonomie der Nicht Perfekten Konkurrenz (1933) und Sweezy in Nachfrage Unter den Bedingungen von Oligopolen (1939) entwickelt.54Wie Robinson schrieb, „sehen wir überall ein Abdriften in Richtung Monopolisierung unter dem Namen von Restriktionsmodellen, Quotensystemen, Rationalisierung und dem Anwachsen der gigantischen Unternehmen.“55In Chamberlins Begriffen „ist die Idee eines rein konkurrierenden Systems inakzeptabel; denn nicht nur ignroriert sie die Tatsache, dass der Einfluss der Monopole in unterschiedlichen Stärkegraden im gesamten System spürbar ist, es fegt es sogar insgesamt beiseite … Tatsächlich, wie wir später zeigen werden, wenn eines der Elemente (Konkurrenz oder Monopol) aus dem Bild gestrichen wird, ist die Annahme des allgegenwärtigen Monopols viel naheliegender.“56
Diese Analysen zogen eine breite Palette monopolistischer und halbmonopolistischer Situationen in Betracht, sie beschrieben, wie die Preiskonkurrenz durch das Monopol abnahm, wie Firmen es schafften, ihre eigenen Preise durch „Produktdifferenzierung“ durchzusetzen (ein Begriff, der von Chamberlin geprägt wurde) und wie die Industrie zunehmend von Oligopolen (einigen wenigen riesigen Unternehmen) mit erheblicher Monopolmacht dominiert wurde.
Chamberlin, der auch das Konzept des Oligopols in die ökonomische Theorie einführte, hob dessen Rolle im ersten Kapitel seiner Theorie der Monopolistischen Konkurrenz hervor. Sweezy‘s Nachfrage Unter den Bedingungen von Oligopolen führten in eine Theorie oligopolistischer Preisbildung ein, mit dem Argument, dass jede Preissenkung bei gigantischen oligopolistischen Unternehmen enorm destruktiv sei, weil sie zum Preiskrieg führten, in dem alle Firmen ihre Preise senkten, um Marktanteile zu gewinnen, und sie alle dabei Profitsenkungen erlebten. Deshalb lernten ausgereifte Unternehmen wie auch konzentrierte Industrien rasch, indirekt und insgeheim zusammenzuarbeiten, indem sie die Preise eher erhöhten als senkten, mit dem Ergebnis, dass die Preise (und, noch wichtiger, die Profitmargen) dazu tendierten, nur noch in eine Richtung zu gehen – nach oben.57Das häufigste Ergebnis monopolistischer (sowie oligopolistischer) Konkurrenz und die Hemmung der Preiskonkurrenz, die sie mit sich brachte, waren laut Chamberlin „exzessive Produktivitätskapazitäten, für die es kein automatisches Korrektiv gibt … Die Überkapazitäten werden nie abgebaut, und das Resultat sind hohe Preise und Abfall.“58
Weil diese Theorien der monopolistischen Konkurrenz die Idee eines freien Konkurrenzsystems herausforderten, womit sie die gesamte Struktur der orthodoxen Wirtschaftswissenschaft bedrohten, wurden sie beiseite geschoben – in einer frühen Version der Ökonomie unschuldigen Betrugs – in einen marginalen Bereich innerhalb der Ökonomie. Eine Reihe von Ausnahmen von der perfekten Konkurrenz wurde zur Kenntnis genommen, aber diese wurden als außerhalb des allgemeinen Modells der Ökonomie befindlich behandelt, die eine Welt perfekter und purer Konkurrenz blieb. Gleichzeitig führten Ökonomen vermittelnde Ideen wie „praktikable Konkurrenz“ ein (eine vage Vorstellung, dass in der Praxis irgendwie die tatsächliche Konkurrenz bestehen bleibe), zusammen mit der Idee einer neuen Konkurrenz, die weniger zu Preiskonkurrenz als zu Innovation führe, d.h. das ewige Feld der Schumpeter‘schen „kreativen Zerstörung“.
Die mangelhafte Theorie der Konkurrenz selbst wurde wieder geschärft, um den Bedürfnissen der orthodoxen Ökonomie gerecht zu werden. Daher wurde die Vorstellung der „monopolistischen Konkurrenz“ einfach neu definiert, um Bedingungen zu entsprechen, unter denen unzählige kleine Firmen es schafften, günstige Standorte oder Produktdifferenzierungen auszunutzen, während das Oligopol (der typische Fall) aus dem Konzept ausgeschlossen blieb. Chamberlin selbst wurde gezwungen zu beeinspruchen, dass das Oligopol Ausgangspunkt für die Theorie der monopolistischen Konkurrenz war, und dass sein Ausschluß aus der Theorie der monopolistischen Konkurrenz absurd war. „Monopolistische Konkurrenz“, so beschwerte er sich, wurde „von einem nahezu universellen Phänomen, was sie zweifellos ist … zu dem relativ unwichtigen Phänomen differenzierter Produkte im beschränkten Fall einer ‚großen Anzahl‘.“59
So wurde die Konkurrenz im öffentlichen Diskurs neu defniert, um nun „durchführbare Konkurrenz“ zu bedeuten, eine vage Analogie zur perfekten Konkurrenz, während ÖkonomInnen in ihren Basismodellen damit fortfuhren, weiterhin an der abstrakten Idee perfekter und/oder reiner Konkurrenz festzuhalten. Beispiele oligopolistischer Rivalität – d.h. intensive Schlachten zwischen quasi-monopolistischen Firmen um Märkte, Produktdifferenzierung und Positionen von Niedriglöhnen (aber selten allumfassende Preissenkungen auf Endverbrauchermärkten) – wurden oft fehlerhaft so behandelt, als würden sie die Smith‘sche Konkurrenz widerspiegeln. Orthodoxe Figuren wie Milton Friedman argumentierten inzwischen weiter, dass die oligopolistische Rivalität die genaue Antithese zur Konkurrenz sei.
Genau diese verwirrte Situation schafft den Aufstieg der Mehrdeutigkeit der Konkurrenz.60Wie Munkirs in Die Transformation des Amerikanischen Kapitalismus ausführt: „Innerhalb der Geschäftswelt und der ökonomischen Profession wurde (John Maurice) Clark‘s Konzept einer ‚praktikablen Konkurrenz‘ und Schumpeter‘s ‚Sturm der kreativen Zerstörung‘ auf ‚die neue Konkurrenz‘ getauft. Indem einfach dem Begriff Konkurrenz eine neue Bedeutung zugemessen wurde, wurden die kranken Auswirkungen der monopolistischen konkurrierenden Marktstrukturen als nicht existent definiert. Die reale Welt existiert nicht.“61
Im Gegensatz dazu waren radikale und marxistische DenkerInnen einer realistischen historischen Sichtweise verpflichtet, und da sie keinen Grund hatten, an der Idee der freien Konkurrenz festzuhalten, wenn sie mit der Realität in Widerspruch stand, analysierten sie weiter die wachsende Rolle des Monopols im modernen Wirtschaftssystem. Für den Ökonomen Rudolf Hilferding in Österreich und Deutschland war so eine Monopolisierung gekennzeichnet als Wachstum des „Finanzkapitals“.62Lenin, der Hilferding folgte, schrieb von dem, was er „das monopolistische Stadium des Kapitalismus“ nannte – er betrachtete es als die Basis des modernen Imperialismus.63Der bilderstürmerische US-Ökonom Thorstein Veblen entwickelte eine frühe Theorie von Monopolkapitalismus als Teil seiner Kritik der „abwesenden Eigentümerschaft“.64
Auf dem Gebiet der kritischen Ökonomie von den 30er bis in die 70er Jahre entwickelten Kalecki und Josef Steindl Theorien des erweiterten Grads von Monopolisierung und ihrem Verhältnis zu Alterung und Stagnation.65Die Absicht von Baran und Sweezy‘s Monopolkapital, das stark von Kalecki und Steindl inspiriert war, war es, „den Prozess der systematischen Analyse des Monopolkapitalismus auf Basis der Erfahrung der am meisten entwickelten monopolkapitalistischen Gesellschaft“ – der USA – „in Angriff zu nehmen.“66Ähnlicherweise basierten Arbeiten wie Harry Magdoff‘s Zeitalter des Imperialismus (1969), James O‘Connor‘s Die Fiskalkrise des Staates (1973) und Harry Braverman‘s Arbeit und Monopolkapital (1974) auf dem Konzept von Monopolkapital.67
Unsere eigene Forschung in diesem Buch baut auf solchen Analysen, die versuchen, die gegenwärtige Phase des Monopol-Finanzkapitals, in der Stagnation und Finanzialisation als miteinander in Beziehung stehende Trends auf globalem Niveau auftreten, zu begreifen, auf. Hier wird das Paradoxon einer Ökonomie, in der Finanzialisation mehr zum Motor des Systems geworden ist als Kapitalakkumulation, untersucht.
Die Globalisierung von Monopolkapital, US-Hegemonie
Abstieg und der Aufstieg von China
Selbst innerhalb der Linken ist heutzutage die Rolle der Monopolisierung weit davon entfernt, allgemein anerkannt zu werden, vor allem wegen veränderter Vorstellungen, die die zunehmende internationale Konkurrenz (oder transnationale oligopolistische Rivalität) gebracht hat. In den 1970ern begannen US-Kernindustrien wie Stahl und Automobile, von internationaler Konkurrenz betroffen zu sein, die scheinbar die Macht des US-Monopolkapitals untergrub.68Der Aufstieg multinationaler Konzerne vor allem in der Triade war der Motor dieser erweiterten Weltkonkurrenz. Das veranlasste Joan Robinson zur Spöttelei: „Die moderne Industrie ist weniger ein System monopolistischer Konkurrenz als ein System konkurrierender Monopole.“
Einige BeobachterInnen begriffen diesen Prozess der Schaffung globaler Oligopole, der notwendigerweise die Verschmelzung oder Zerstörung der schwächeren nationalen oligopolistischen Firmen beinhaltete, als eine Rückkehr des Konkurrenzsystems des 19. Jahrhunderts. Sie irrten sich.
Die Theorie der multinationalen Konzerne, wie sie von Stephen Hymer (der auf diesem Gebiet immer noch der die Definition prägende Ökonom ist) entwickelt wurde, betrachtete den Aufstieg dieser durch die Welt streifenden Unternehmen als Ergebnis der wachsenden Konzentration und Zentralisation des Kapitals und der Monopolmacht weltweit. Was sich entwickelte, war weniger eine konkurrierende Marktstruktur, wie sie orthodoxe Ökonomen sich ausmalten, sondern ein System globaler oligopolistischer Rivalität um die Vorherrschaft der Weltproduktion durch eine kleiner und kleiner werdende Anzahl globaler Unternehmen. Hymer ging weiter und verband das mit der Marx‘schen Theorie der industriellen Reservearmee der Arbeitslosen, indem er erklärte, dass die monopolistischen multinationalen Konzerne dabei seien, eine neue internationale Arbeitsteilung zu schaffen, die auf der Schaffung einer globalen Reservearmee und auf der Ausnutzung der weltweiten Lohndifferenzen beruht.70Diese globale Umstrukturierung der Produktion nahm einen Teile-und-herrsche-Ansatz gegenüber der weltweiten Arbeit an.
Diese Veränderungen wurden begleitet von einer Veränderung in den Vereinigten Staaten, die zirka in den 1980ern begann, von einem massiven Überschuss zu einem massiven Defizit des Landes in seinem Kontostand (die kombinierten Bilanzen des Handels mit Gütern und Dienstleistungen, der Einkommen und der Handelsbilanz), die sie in die Konsummaschine der Weltökonomie, oder in die „letztmögliche Käuferin“ verwandelten.71All das wurde möglich durch die Hegemonie des US-Dollar, gepaart mit der Finanzialisation, bei der, wie Yanis Varoufakis darlegte, die Vereinigten Staaten der Globale Minotaurus wurden, die im Vergleich zur eigenen Produktion unverhältnismäßig ausliehen und konsumierten, indem sie Märkte für die Exporte anderer Länder zur Verfügung stellten.72Das kann Tabelle 6 entnommen werden, die das Wachstum des US-Handelsdefizits (von dem ein Gutteil aus dem Defizit des Handels mit Gütern und Dienstleistungen stammt) als Prozentsatz des Bruttonationalprodukts zeigt. Während der letzten dreißig Jahre haben sich die USA in den weltgrößten Schuldner verwandelt, indem sie ihre Position der finanziellen Hegemonie ausnutzten und das überschüssige Kapital der restlichen Welt aufgesaugt haben – während sie ihr darunter liegendes Problem der Überakkumulation ultimativ damit mischten.
Tabelle 6 – Handelsbilanzdefizit
Quelle: St. Louis Federal Reserve FRED database, http://research.stlouisfed.org/fred.
Gleichzeitig strukturierten die weltweiten Lohnunterschiede, die von den multinationalen Konzernen geschürt wurden, die Weltwirtschaft um, indem ein Großteil der weltweiten Produktion in den globalen Süden verlegt wurde. Die gigantischen Konzerne entwickelten noch komplexere Produktionslinien bis in die Niedriglohnländer, wobei die Fertigprodukte für die Märkte des globalen Nordens gedacht waren, und der Mehrwert wurde zu einem Großteil von den omnipräsenten multinationalen Unternehmen selbst aufgesaugt. In den 1960er Jahren kamen 6% der Gesamtprofite der US-Unternehmen aus dem Ausland. In den 1990ern war dieser Anteil auf 15% angestiegen, und zwischen 2000 und 2011 auf 21%.73
Die größte Frage, die sich aus dieser neuen Phase der Akkumulation heute ergibt, ist das rapide Wachstum einiger rasch wachsenden Ökonomien, vor allem die von China und Indien. Die Launen eines Akkumulationssystems in diesen Ländern, die auf der Ausbeutung von massiven Reservearmeen an ArbeiterInnen (in China eine „ausgeschwitzte Bevölkerung“ von BäuerInnen) in Höhe von hunderten Millionen beruhen, die intern durch den normalen Industriealisierungsprozess nicht absorbiert werden können, machen die Zukunft eines neuen Asien unsicher. Die imperialistische Rente, die von den Multinationalen aufoktroyiert wird, die auch die globalen Vesorgungsketten kontrollieren, bedeutet, dass aufsteigende Ökonomien scheinbar vor einem offenen Tor zum Weltmarkt stehen, sich aber entlang von außen vorgegebener Wege bewegen müssen.74Diese enorme Ungleichheit, die in ein Modell exportorientierter Entwicklung eingebaut ist, das auf niedrigen Löhnen beruht, schafft im Inneren Störungszonen für die aufstrebenden Ökonomien. China ist nun Schauplatz ständiger Massenproteste, die Zahlen gehen dabei jährlich in die hunderttausenden. In einem Bericht unter dem Titel „Ist China Reif für die Revolution?“ schrieb Stephen R. Platt am 12. Februar 2012 in der New York Times, dass die Taiping-Rebellion des 19. Jahrhunderts als historische Erinnerung stehen könnte für die Möglichkeit einer weiteren großen ‚Revolution von innen‘ in diesem Land (in diesem Fall, schrieb er, würde Washington vermutlich hoffen, dass ‚diese Revolution fehlschlägt‘).“75
In vielerlei Hinsicht stimmt die Situation auf der Welt mit der Diagnose von Che Guevara, die er bei der Afro-Asiatischen Konferenz 1965 in Algerien vortrug, überein: „Seit das Monopolkapital die Welt übernommen hat, hält es den größeren Teil der Menschheit in Armut, teilt alle Profite unter der Gruppe der mächtigsten Länder auf … Es sollte nicht mehr über die Entwicklung gemeinsamer Handelsvorteile auf Basis von Preisen, die den rückständigen Ländern durch das Wertgesetz und die internationalen Beziehungen ungleichen Austauschs, die aus dem Wertgesetz resultieren, aufgezwungen werden, gesprochen werden.“76Wenn einige aufstrebende Ökonomien sich nun rasch entwickeln, so ist die dominante Realität die globale Arbeitsteilung, die das Ausmaß der Ausbeutung weltweit erhöht, wovon die größte Last auf den globalen Süden fällt.
Eine Prämisse durch unsere gesamte Analyse ist, dass die imperialistischen Spaltungen innerhalb der Welt bestehen bleiben und sich sogar vertiefen, womit sie riesige Unterschiede zwischen den Lebensbedingungen schaffen. Im Zeitalter des globalen Finanzmonopols nimmt das Leid der arbeitenden Menschen überall immer noch zu – ein Phänomen, das Michael Yates als „Die Große Ungleichheit“ beschrieben hat.77Tief verwurzelte und sich ausdehnende Monopole von Wohlstand, Einkommen und Macht dienen den Interessen eines minimalen Teils der Weltbevölkerung, die jetzt als das 1% bekannt ist – oder den global herrschenden Klassen des gegenwärtigen Monopol-Finanzkapitals. Die Welt wird einem Prozess der monopolistischen Kapitalakkumulation in derart extremer Weise ausgesetzt und dadurch deformiert, dass sie nicht nur die Große Ungleichheit und Bedingungen von Stagnation und finanzieller Instabilität produziert hat, sondern dass der gesamte Planet als Ort menschlichen Lebens dabei in Gefahr gerät, dieses System nicht mehr aufrecht erhalten zu können.78Deshalb liegt die Zukunft der Menschheit – soll es überhaupt eine geben – nun in den Händen der 99%. „Wenn das System selbst ein Fehler ist“, beobachtet Gar Alperovitz in seinem Amerika unter dem Kapitalismus, „dann ist die Lösung selbstverständlich – natürlich, per definition – die Entwicklung eines neuen Systems.“79
Erläuterungen
Im Text auftauchende Personen
Alperovitz Gar(geb. 1936), Professor für Ökonomie an der Universität von Maryland, schreibt in der New York Times, The Washington Post etc. Beschäftigt sich u.a. mit der Geschichte und Zukunft von Nuklearwaffen und politisch-ökonomischer Entwicklung auf Basis von communities.
Baker Dean(geb. 1958) ist US-Makroökonom und Professor an der Buckwell University. Er war einer der ersten, die eine Blase am US-Immobilienmarkt feststellten (im August 2002). Er war gegen den bail-out der US-Banken, weil die Kosten dafür der Bevölkerung aufgeladen würden, während die Aktienbesitzer und Manager davon profitierten.
Baran Paul(1910 – 1964), marxistisch orientierter US-Ökonom, schrieb u.a. für Rudolf Hilferdings Zeitung Die Gesellschaft, war später Professor an der Universität Stanford. Verfasste gemeinsam mit Sweezy Monopolkapital.
Braverman Harry(1920 – 1976) wurde durch seine marxistische Untersuchung der Entwertung der Arbeit im Taylorismus bekannt. Braverman war lange Jahre Facharbeiter und trotzkistischer Betriebsaktivist. Arbeitete später im Monthly Review-Verlag.
Cassidy John(geb. 1963) ist britisch-amerikanischer Journalist und Schriftsteller. In the greatest story ever sold untersuchte er die dotcom-Blase, in How market fails: the logic of economic calamities verband er eine skeptische Auffassung der Wirtschaftsgeschichte mit einer Analyse der Immobilienblase und der Finanzkrise.
Chamberlin EdwardH. (1899 – 1967), US-Ökonom, Professor in Harvard. Forschte vor allem zu mikroökonomischen Phänomenen, vor allem zur Konkurrenztheorie und der „KonsumentInnenwahl“ und deren Verbindung zu den Preisen. Er prägte den Begriff „Produktdifferenzierung“, um zu beschreiben, wie ein Produzent einen größeren Betrag für ein Produkt erzielen kann, als ihn die „perfekte Konkurrenz“ erlaubt.
Clark John Maurice(1884 – 1963), US-Ökonom, gilt als Begründer der Theorie des funktionsfähigen Wettbewerbs. Dieser setzt die Messbarkeit des Marktpreises eines Monopolisten voraus.
Cowen Tyler(geb. 1962) ist ein US-Ökonom, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der George Mason Universität und Kolumnist der New York Times.
Foster John Bellamy(geb. 1953) ist Soziologieprofessor an der Universität von Oregon und Mitherausgeber der Monthly Review.
Friedman Milton(1912 – 2006), US-Ökonom und Verfechter eines „freien Marktes“ – frei von staatlichen Eingriffen. Behauptete, dass nur die „freie Marktwirtschaft“ die sozialen und politischen Probleme einer Gesellschaft adäquat lösen können.
Galbraith John Kenneth(1908 – 2006) war ein US-Ökonom, Präsidentenberater von Kennedy und Johnson, Keynesianist und Linksliberaler. In den 50er Jahren warnte er vor den üblen Folgen unkontrollierten Wirtschaftswachstums für die Umwelt. Galbraith plädierte für den umfassenden Ausbau des Sozialstaats, in den 70ern wies er auf die große ökonomische Bedeutung der kostenlosen Hausarbeit von Frauen hin.
Hansen Alvin(1887 – 1975), keynesianistischer US-Ökonom. Zu seinen Schülern gehörten u.a. Paul Samuelson und James Tobin. Veröffentlichte mit A Guide to Keynes eine Erläuterung und Ergänzung zu Keynes‘ General Theory.
Hegel Georg Wilhelm Friedrich(1770 – 1831), deutscher Philosoph: „Das Wahre ist das Ganze. Das Ganze aber ist nur das durch seine Entwicklung sich vollendende Wesen. Es ist von dem Absoluten zu sagen, dass es wesentlich Resultat, dass es erst am Ende das ist, was es in Wahrheit ist; und hierin eben besteht seine Natur, Wirkliches, Subjekt oder Sichselbstwerden zu sein.“ (In: Phänomenologie des Geistes)
Hilferding Rudolf (1877 – 1941), deutscher Politiker, Publizist und marxistischer Theoretiker und Ökonom österreichischer Herkunft. Während der Weimarer Republik 1923 und 1928/29 Reichsfinanzminister. Gilt als Austromarxist. Entwickelte in Das Finanzkapital die Theorie des Organisierten Kapitalismus.
Hymer Stephen (1934 – 1974), kanadischer Wirtschaftswissenschafter. Er untersuchte die Aktivitäten international agierender Unternehmen und entwickelte einen Ansatz zur Erklärung von Direktinvestitionen, der als Theorie des monopolistischen Vorteils bekannt wurde.
Kalecki Michal (1899 – 1970), polnischer Ökonom: „Arbeiter geben aus, was sie bekommen, Unternehmer bekommen, was sie ausgeben.“ Kalecki wies nach, dass es die Investition ist, die die Kapitalakkumulation steuert, nicht das private Sparen. Indem er zeigte, dass ein Haushaltsdefizit in der Rezession Beschäftigung schafft und dass Lohnkürzungen die Rezession nur verschlimmern, nahm er Keynes vorweg.
Kondratjew Nikolai (1892 – 1938), russischer Ökonom, entwickelte die Theorie der Langen Wellen im Wirtschaftsverlauf, die von innovationsinduzierten Investitionen ausgelöst werden und einen ca. 50jährigen Verlauf aufweisen. Beispiele für solche Investitionen sind die Dampfkraft, die Eisenbahn, die Elektrizität und Chemie und die Automobilindustrie.
Krugman Paul (geb. 1953) ist US-Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Princeton in Albany, New York und Wirtschaftsnobelpreisträger 2008. Er bezeichnet sich selbst als „free market Keynesian“ und schreibt wöchentlich eine Kolumne in der New York Times.
Lucas Robert (geb. 1937), US-Ökonom, In den 70er Jahren kritisiert er die bestehenden makroökonomischen Modelle dafür, dass sie auf statischen Erwartungen beruhen. In dem Moment, wo die Wirtschaftspolitik versucht, eine ökonomische Gesetzmäßigkeit auszunutzen, funktioniert diese nicht mehr: „Da die Struktur eines ökonomischen Modells optimale Entscheidungsregeln der Wirtschaftssubjekte umfasst und da die optimalen Entscheidungsregeln sich systematisch mit den für die Wirtschaftspolitik relevanten Zeitreihendaten ändern, wird jede Änderung der Wirtschaftspolitik die Struktur des ökonometrischen Modells ändern.“
Magdoff Harry (1913 – 2006), marxistisch orientierter US-Ökonom, Autor (u.a. Das Zeitalter des Imperialismus) und Publizist, während der McCarthy-Ära auf der „schwarzen Liste“, seit 1969 Mitherausgeber der Monthly Review.
McChesney Robert W. (geb. 1952) ist Professor an der Universität von Illinois und beschäftigt sich vorwiegend mit der Geschichte und politischen Ökonomie der Kommunikation.
Minsky Hyman (1919 – 1996), US-Ökonom, Postkeynesianist, studierte bei Joseph Schumpeter. Seine Thesen von der plötzlichen Krise trotz boomender Wirtschaft blieben lange Zeit unbeachtet. In Minskys Krisentheorie betreiben die Investoren zu Beginn eines Zyklus eine abgesicherte Finanzierung, in der Phase stabilen Wirtschaftswachstums erscheint dann eine spekulative Finanzierung rentabel, bei der nur noch die Zinsen für die aufgenommenen Kredite finanzierbar sein müssen. Es folgt ein Schneeballsystem, bei dem bereits für die Finanzierung der Zinsen Kredite aufgenommen werden. Insgesamt wird die Wirtschaft immer labiler, bis es zu einem Platzen der Spekulationsblase und einer Finanzkrise kommt.
Munkirs John stellte 1985 die These auf, dass die Evolution des amerikanischen Kapitalismus ein von ihm so genanntes System Zentralisierter Planung des Privatsektors (CPSP) geschaffen hat, in dessen Mittelpunkt sieben Banken (Citicorp, Chase Manhattan, Manufacturers Hannover, J. P. Morgan, Chemical, Continental Illinois und First Chicago), vier Versicherungsgesellschaften (Prudential, Metropolitan Life, Equitable Life und New York Life) und Continental Corporation stehen. Diese 12 sowie 126 weitere Unternehmen aus dem Nicht-Finanzsektor ermittelte er durch eine Analyse der Verbindungen – direkte sowie, noch wichtiger, indirekte Verbindungen – zwischen den Unternehmen.
O‘Connor James, marxistischer Ökonom, ist Professor für Nationalökonomie in Kalifornien. Von Sweezys Monopolkapital geprägt. Beschrieb das politisch-ökonomische System der USA in den 70er Jahren als staatsmonopolistischen Kapitalismus, in dem sich der Kapitalismus nur noch dank dauernder und stets erweiterter Eingriffe des Staates in allen Phasen seines Reproduktionsprozesses zu erhalten vermag.
Palley Thomas ist ein US-amerikanischer, post-keynesianistischer Ökonom.
Phillips Kevin (geb. 1940) ist Schriftsteller und Kommentator für Politik, Wirtschaft und Geschichte. Der ehemalige Parteistratege der US-Republikaner trennte sich vor 20 Jahren von diesen und ist nun einer ihrer schärfsten Kritiker.
Roach Stephen, Vorsitzender von Morgan Stanley Asia, beschrieb die globale Ausnutzung der Lohnunterschiede, bei der ein Land die billige Arbeitskraft eines anderen ausbeutet, was zu einem absoluten, einseitigen Vorteil führt. Roach unterstützte den Wahlkampf der Demokratischen ParteikandidatInnen Hillary Clinton und Senator John Kerry‘s.
Robinson Joan (1903 – 1983), britische Ökonomin und Keynesianistin. Sie kritisierte die von Marx behauptete Tendenz zum langfristigen Fall der Profitrate, da damit eine Tendenz zur Reallohnsteigerung impliziert sei.
Samuelson Paul (1915 – 2009), US-Ökonom und Verfechter mathematischer und statistischer Methoden in der Wirtschaftswissenschaft. Mit seiner Theorie der effizienten Märkte erklärte er, dass es keine Möglichkeit gibt, ständig bessere Ergebnisse zu erzielen als der Marktdurchschnitt. „Glaube ich wirklich, was ich gesagt habe? Ich würde gerne etwas anderes glauben. Aber ein Respekt für Beweise zwingt mich in Richtung der Hypothese zu tendieren, dass die meisten Entscheidungsträger im Wertpapiermanagement aus dem Geschäft scheiden, mit der Klempnerei anfangen, Griechisch lehren oder beitragen sollten, das jährliche Bruttosozialprodukt als leitende Angestellte zu steigern. Obwohl dieser Rat tot umzufallen ein guter ist, ist er offensichtlich keiner, der eifrig befolgt werden wird.“ Nachdem er mehrere US-Präsidenten beraten hatte, lehnte er ein diesbezügliches Angebot von John F. Kennedy ab – er wolle keine Position übernehmen, in der er nicht länger sagen und schreiben könne, was er wolle und wissenschaftlich für richtig halte.
Say Jean-Baptiste (1767 – 1832), französischer Ökonom. Das Say‘sche Gesetz oder Theorem (1803) besagt: „Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage selbst“ – „Wenn der Produzent die Arbeit an seinem Produkt beendet hat, ist er höchst bestrebt es sofort zu verkaufen, damit der Produktwert nicht sinkt. Nicht weniger bestrebt ist er, das daraus eingesetzte Geld zu verwenden, denn dessen Wert sinkt möglicherweise ebenfalls. Da die einzige Einsatzmöglichkeit für das Geld der Kauf anderer Produkte ist, öffnen die Umstände der Erschaffung eines Produkts einen Weg für andere Produkte.“ Damit wandte Say sich gegen die Befürchtung, dass es mit dem technischen Fortschritt zu Überproduktionskrisen komme.
Schumpeter Joseph (1883 – 1950), österreichischer Ökonom und Politiker. Im Gegensatz zu Lenin verstand er den Imperialismus nicht als aggressive Suche der Industrie- und Bankmonopole nach neuen Märkten, sondern als Ausdruck von letztlich irrrationalem, meist innenpolitisch motiviertem und benutztem Chauvinismus der Oberschichten.
Shiller Robert (geb. 1946) ist US-Ökonom und Bestsellerautor, lehrt an der Universität Yale. Er gilt als einer der 100 einflussreichsten Ökonomen der Welt.
Steindl Josef (1912 – 1993), österreichischer Ökonom, studierte Wirtschaftswissenchaften unter dem Einfluss der Österreichischen Schule, emigrierte nach dem Anschluss Österreichs an das 3. Reich nach Großbritannien und wurde dort ein Anhänger Michal Kaleckis.
Sweezy Paul (1910 – 2004), US-Nationalökonom und Professor u.a. an der Universität Harvard, gründete 1949 gemeinsam mit Leo Huberman die sozialistische Zeitung Monthly Review. Mit Die Theorie der kapitalistischen Entwicklung schrieb Sweezy eine Einführung in das Werk von Karl Marx, zusammen mit Paul Baran verfasste er Monopolkapital. U.a. studierte Kenneth Galbraith bei Sweezy.
Varoufakis Yanis (geb. 1961) ist ein griechisch-australischer Ökonom, Berater des griechischen Präsidenten George Papandreou. Er verglich die Rolle der US-Ökonomie seit den 1970ern im Verhältnis zum Rest der Welt mit dem Minotaurus (in der griechischen Mythologie ein wilder Stier, der von König Minos auf Kreta in einem Labyrinth gefangen gehalten wurde. Die von Minos besiegten Kreter mussten alle neun Jahre sieben Jünglinge und sieben Jungfrauen nach Kreta senden, die in das Labyrinth geschickt und dem Minotaurus geopfert wurden).
Veblen Thorstein (1857 – 1929), US-Ökonom und Soziologe. Schrieb bereits 1904 über die Herausbildung des US-Monopolkapitalismus. Ziel des Monopols sei einzig monetärer Profit, keinesfalls die bessere Versorgung der Verbrauchermassen, und damit die Stärkung der eigenen Macht. Die moderne Industriegesellschaft sei durch die Verkettung der Industrieprozesse äußerst störanfällig geworden, wobei die einzelnen Industriekapitäne diese Anfälligkeit wiederum für ihre Machterweiterung ausnutzen, indem sie darüber Konkurrenten ausschalten.
Whitehead Alfred North (1861 – 1947), britischer Philosoph und Mathematiker. Sein „Trugschluss der unangebrachten Konkretisierung“ meint, dass die scheinbar eindeutige Zuordnung von sehr abstrakten und vereinfachenden Begriffen zu umfassenden Beschreibungen der Wirklichkeit sich nicht mit unseren unmittelbaren Erfahrungen deckt denn wir brauchen immer eine konkrete Gesamtheit, um daraus ein Teil zu isolieren. Ein Teilproblem davon ist der „ Trugschluss einfacher Lokalisierung“.
Yates Michael ist Ökonom und Mitherausgeber der Monthly Review. In den 80er Jahren schulte er neben seiner Tätigkeit als Uni-Professor auch ArbeiterInnen und GewerkschafterInnen.
Im Text auftauchende Begriffe
American Economic Association (AEA) wurde 1885 gegründet, sie war eine dem Verein für Socialpolitik nachempfundene US-Vereinigung von Wirtschaftswissenschaftern und hat sich seither zu einer internationalen Vereinigung mit mehr als 22.000 Mitgliedern entwickelt. Die AEA publiziert die American Economic Review. Ehemalige Präsidenten der Vereinigung waren z.B. Milton Friedman und James Tobin.
Blase an der New Yorker Börse 2000 meint das Platzen der dot-com-Blase im März 2000.
Brookings Institution, einer der ältesten Washingtoner think-tanks, laut Selbstbeschreibung stellt sie „innovative und praktische Empfehlungen“ zur Verfügung, die „drei Zielen dienen: der Stärkung der amerikanischen Demokratie, der Förderung der Wirtschaft und des Wohlfahrtsstaats sowie der Sicherheit und der Möglichkeiten aller AmerikanerInnen“.
Business Week (früher BusinessWeek, jetzt Bloomberg Businessweek), New Yorker Wochenzeitschrift.
Federal Reserve Board meint das Board of Governors des US-Federal Reserve System (FED), d.h. das US-Zentralbank-System, auch US-Notenbank genannt. Es wurde 1913 gegründet, und Ben Bernanke ist seit 2006 Vorsitzender des Board.
Financial crisis übersetzen wir mit Finanzkrise, eine andere Übersetzung wäre Finanzmarktkrise
Finanzialisation wird oft mit Finanzialisierung übersetzt und wird unterschiedlich interpretiert: von Luiz Carlos Bresser-Pereira wird sie als ein verzerrtes institutionelles Arrangement verstanden, das auf „künstliche“ Weise finanziellen Reichtum schafft, d. h. ohne mit realwirtschaftlichen Produktionsprozessen verbunden zu sein. Gerald E. Epstein fasst darunter die zunehmende Bedeutung finanzieller Motive von Finanzmärkten und Finanzinstitutionen und der Akteuren. Greta R. Kripper hat die Finanzialisierung der US-Wirtschaft empirisch untersucht und hierfür Messinstrumente entwickelt. Industriesoziologen in Deutschland verstehen unter dem Begriff die interne Steuerung von Unternehmen über kapitalmarktgenerierte Größen.
Geschäfts-Zyklus („business cycle“) meint die seit langer Zeit bekannte, sich in mehrjährigem Abstand wiederholende Abfolge von Konjunktur, Krise, Erholung und anschließender neuer Konjunktur. (Ebenso könnten wir schreiben: Krise, Erholung, Konjunktur und anschließende neue Krise)
Große Moderation, Begriff von Ben Bernanke. Gemeint war, dass sich die Volatilität, d.h. die Schwankungsintensität auf den Finanzmärkten seit etwa dem Jahr 2000 reduziert hatte.
histoire raisonnée könnte mit „begründete Geschicht(sschreibung)“ übersetzt werden
Mainstream lassen wir als Begriff immer so stehen
New Deal (Redewendung für „Neuvereteilung der Karten“) war eine Serie von Wirtschafts- und Sozialreformen in den USA unter Franklin Roosevelt als Antwort auf die Weltwirtschaftskrise, u.a. die Regulierung der Finanzmärkte und die Einführung von Sozialversicherungen.
Taiping-Rebellion: gemeint ist der Taiping-Aufstand 1851 – 1864 gegen das chinesische Kaiserreich, der einer der blutigsten der Weltgeschichte war.
The Economist, in London erscheinende Wochenzeitschrift.
Triade bezeichnet hier die Wirtschaften der USA, Europas und Japans.
Anmerkungen
1 Friedrich Engels, Die Lage der arbeitenden Klasse in England (Chicago: Academy of Chicago Press, 1964), 32.
2 Menzie D. Chinn and Jeffry A. Frieden, Lost Decades (New York: Norton, 2011).
3 Ben S. Bernanke, „The Near- and Longer-Term Prospects for the U.S. Economy,“ Rede vor der Federal Reserve Bank des Kansas City Economic Symposium, Jackson Hole, Wyoming, 26. August 2011, http://federalreserve.gov.
4 Robert E. Hall, „The Long Slump,“ American Economic Review 101 (April 2011): 431–32, 467–68.
5 Paul Krugman, „The Third Depression,“ New York Times, June 27, 2010, http://nytimes.com, „Third Depression Watch,“ 25. Mai 2011, http://krugman.blogs.nytimes.com, „The Return of Secular Stagnation,“ 9. November 2011, http://krugman.blogs.nytimes.com.
6 Tyler Cowen, The Great Stagnation (New York: Dutton, 2011), 5–8.
7 Thomas I. Palley, From Financial Crisis to Stagnation (Cambridge: Cambridge University Press, 2012), 3, 141–53. Eine frühere Präsentation von Palley‘s Ansichten zur Finanzialisation und Stagnation findet sich in Thomas I. Palley, „The Limits of Minsky‘s Financial Instability Hypothesis as an Explanation of the Crisis,“ Monthly Review 61, no. 11 (April 2010): 28–43.
8 Christine Lagarde, „Global Economic Challenges and Global Economic Solutions,“ Addresse an das the Woodrow Wilson Center, Washington, D.C., 15. September 2011, http://imf.org, „An Address to the 2011 International Finance Forum,“ Beijing, 9. November 2011, http://imf.org.
9 Andere haben auf den längerfristigen Niedergang der Wachstumsraten hingewiesen, siehe James H. Stock und Mark W. Watson, „Disentangling the Channels of the 2007-2009 Recession,“ Brookings Panel on Economic Activity (22./23. März 2012): 5, 44 (Tabelle 10), http://www.brookings.edu.
10 Zu den empirischen Wiederkehr von Finanzblasen siehe Carmen M. Reinhart und Kenneth S. Rogoff, This Time is Different (Princeton: Princeton University Press, 2009).
11 Paul Krugman, „How Did Economists Get It So Wrong?,“ New York Times, 2. September 2009, http://nytimes.com.
12 John Kenneth Galbraith, The Economics of Innocent Fraud (Boston: Houghton Mifflin, 2004), 6–7, 12.
13 Ben S. Bernanke, „Implications of the Financial Crisis for Economics,“ Ansprache bei der Conference Co-Sponsored vom Bendheim Center for Finance und dem Center for Economic Policy Studies, Princeton, New Jersey, September 24, 2010, http://federalreserve.gov. Bernankes Erklärung des Versagens der aktuellen ökonomischen Modelle war ähnlich dem seines Vorgängers als Chef des Federal Reserve Board, Alan Greenspan, der dem House Committee of Government Oversight and Reform am 23. October 2008 erklärte: „Das ganze intellektuelle Gebäude … brach im Sommer letzten Jahres zusammen, weil die Daten, die den risk management-Modellen zugrunde gelegt wurden, nur die beiden letzten Jahrzehnte abdeckten, eine Periode der Euphorie. Hätten die Modelle hingegen mehr historischen Perioden von Stress entsprochen, wären die Kapitalanforderungen viel höher gewesen, und die Finanzwelt stünde heute viel besser da.“ „Greenspan Testimony on Sources of Financial Crisis,“ Wall Street Journal, 23. October 2008, http://blogs.wsj.com.
14 Ironischerweise verdankt Bernanke selbst seine akademische Reputation einer Arbeit über die Große Depression – aber zu einer Zeit, als diese nicht mehr als ein historisches Phänomen betrachtet wurde, das ein Verständnis für die Entwicklung ökonomischer Widersprüche voraussetzt, sondern einfach als ein Fehler der Geldpolitik seitens der Zentralbank. Siehe Ben Bernanke, Essays on the Great Depression (Princeton: Princeton University Press, 2000).
15 Joseph Schumpeter, A History of Economic Analysis (New York: Oxford University Press, 1954), 13, und Capitalism, Socialism, and Democracy (New York: Harper and Brothers, 1942), 44.
16 Alfred North Whitehad, Science and the Modern World (New York: Free Press, 1925), 51.
17 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Die Phänomenologie des Geistes (New York: Oxford University Press, 1977), 11.
18 Robert E. Lucas, Jr., „Macroeconomic Priorities,“ American Economic Review 93, no. 1 (März 2003): 1; Ben Bernanke, „The Great Moderation,“ Adresse an die Eastern Economic Asssociation, 20. Februar 2004, http://federalreserve.gov.
19 Dieser Absatz und einige andere Teile dieser Einführung beziehen sich auf John Bellamy Foster, „The Age of Monopoly-Finance Capital,“ Monthly Review 61, no. 9 (Februar 2010): 1–13; siehe auch Harry Magdoff und Robert W. McChesney, „Crises: One After Another for the Life of the System,“ Monthly Review 54, no. 6 (November 1992): 47–49; John Bellamy Foster und Robert W. McChesney,“What Recovery?“ Monthly Review 54, no. 11 (April 2003): 5–6; John Bellamy Foster, „The Household Debt Bubble,“ Monthly Review 58, no. 1 (Mai 2006): 1–11; und John Bellamy Foster und Fred Magdoff, The Great Financial Crisis (New York: Monthly Review Press, 2009).
20 John Cassidy, How Markets Fail (New York: Farrar, Straus and Giroux, 2009), 18–20; Dean Baker, „The Run-Up in Home Prices: Is It Real or Is It Another Bubble?“ Center for Economic and Policy Research, Briefing Paper (August 2002), http://www.cepr.net; „Consumer Credit: A Crunch May Be Coming,“ Business Week, 12. August 2002, http://businessweek.com; Stephen S. Roach, „The Costs of Bursting Bubbles,“ New York Times, 22. September 2002, http://newyorktimes.com; John Cassidy, „The Next Crash: Is the Housing Market a Bubble That‘s About to Burst?,“ The New Yorker, 11. November 2002, http://newyorker.com; „The Global Housing Boom: In Come the Waves,“ Economist, 16. Juni 2005, http://economist.com; Karl E. Case and Robert J. Shiller, Is There a Bubble in the Housing Market? Cowles Foundation Paper No.1089 (New Haven: Yale University Cowles Foundation); Kevin Phillips, American Theocracy (New York: Viking, 2006), 375–78.
21 Früher wurde angenommen, dass Keynes das Say‘sche Gesetz für immer als logisch und empirisch unhaltbar beseitigt hätte. Siehe John Kenneth Galbraith, The Economics of Peace and Laughter (New York: New American Library, 1971), 62–63. Neoklassische Modellbauer sahen aber bald die Notwendigkeit, es sowohl direkt als auch indirekt wieder zum Leben zu erwecken, als sie die vor-Keynesianische Sichtweise insgesamt wieder ausgruben. Wie Robert Skidelsky in Keynes: The Return of the Master (New York: Perseus, 2009), 112 schrieb: „Die heutige Makroökonomie basiert auf Angebot, nicht auf Nachfrage. Sie hat eine Version von Say‘s Gesetz wieder zur Geltung gebracht – dass Angebot seine eigene Nachfrage schafft – was Keynes ablehnte. Deshalb glauben beide, die Neoklassiker wie die Neokeynesianisten, dass das Wachstum des Bruttonationalprodukts langfristig von der Ausweitung des Angebots von Einsatzfaktoren und technologischem Fortschritt abhängt.“ Zur Widerlegung der Versuche, Say‘s Law wieder auferstehen zu lassen, siehe Steve Keen, Debunking Economics (London: Zed Books, 2011), 209–18.
22 Siehe Cassidy, How Markets Fail; Krugman, „How Did Economists Get It So Wrong?“
23 Paul M. Sweezy, „More (or Less) on Globalization,“ Monthly Review 49, no. 4 (September 1997): 3–4. Die beste Kurzeinführung zu Minsky‘s Theorie findet sich bei Hyman Minsky, „Hyman P. Minsky (1919–1996)“ (ein autobiographischer Beitrag, ursprünglich geschrieben 1992), in Philip Arestis und Malcolm C. Sawyer, eds., A Biographical Dictionary of Dissenting Economists (Northamption, MA: Edward Elgar, 2000), 411–16.
24 Cassidy, How Markets Fail, 215–16. Zum Verhältnis von Minsky‘s und Sweezy‘s Analyse siehe Harry Magdoff und Paul M. Sweezy, The End of Prosperity (New York: Monthly Review Press, 1977), 133–36; John Bellamy Foster und Fred Magdoff, The Great Financial Crisis (New York: Monthly Review Press, 2009), 17–19.
25 Cassidy, How Markets Fail, 332; Harry Magdoff und Paul M. Sweezy, Stagnation and the Financial Explosion (New York: Monthly Review Press, 1987), 143.
26 Paul A. Samuelson, Collected Scientific Papers, vol. 3 (Cambridge, MA: MIT Press, 1972), 710.
27 Siehe John Bellamy Foster, „On the Laws of Capitalism: 1. Insights from the Sweezy-Schumpeter Debate“ und Paul M. Sweezy, „On the Laws of Capitalism: 2. The Laws of Capitalism,“ Monthly Review 63, no. 1 (Mai 2011): 1–16; „Schumpeter Sees Peaceful Socialist Spread as Sweezy Remains Skeptical,“ Harvard Crimson, 28. März 1947, http://thecrimson.com.
28 Paul A. Baran und Paul M. Sweezy, Monopoly Capital (New York: Monthly Review Press, 1966), 108.
29 Obwohl Sweezy später seine und Barans Arbeit in Monopolkapital wegen des Versagens dabei, die Rolle der Finanz beim Kampf gegen die Stagnation hervorzuheben, fallenließ, fehlte die Anerkennung dazu in ihrem Buch nicht, weil der letzte Abschnitt im Kapitel über die Handelsanstrengungen der Rolle von FIRE (Finanz, Versicherung und Immobilien) bei der Bekämpfung der Stagnation gewidmet war. Siehe Paul M. Sweezy, „Monopoly Capital After Twenty-Five Years,“ Monthly Review 43, no. 7 (Dezember 1991): 52–57; Baran und Sweezy, Monopoly Capital, 139–41. Ein noch weiter entwickeltes Argument zur zunehmenden Rolle der Schulden wurde von Harry Magdoff 1965 geliefert. Siehe Paul M. Sweezy und Harry Magdoff, The Dynamics of U.S. Capitalism (New York: Monthly Review Press, 1972), 13–16.
30 Sweezy, „Monopoly Capital After Twenty-Five Years,“ 52–53.
31 Vergleiche Michael J. Piore und Charles F. Sabel, The Second Industrial Divide (New York: Basic Books, 1984), 73.
32 Magdoff und Sweezy, The End of Prosperity ,111–24.
33 Ibid., 133–36. Zur Beziehung des Minsky-Moments zu Sweezy‘s Normalzustand im Kontext der gegenwärtigen Krise siehe John Bellamy Foster und Robert W. McChesney, „Listen Keynesians, It‘s the System!,“ Monthly Review 61, no. 11 (April 2010): 44–56.
34 Magdoff und Sweezy, Stagnation and the Financial Explosion, 29–32.
35 Zur Debatte der 1930er-Stagnation siehe William E. Stoneman, A History of the Economic Analysis of the Great Depression in America (New York: Garland Publishing, 1979). Ihr Verhältnis zur Entwicklung der linken Ökonomie in den Vereinigten Staaten wird in John Bellamy Foster, „What is Stagnation?“ in Bob Cherry, et. al., The Imperiled Economy: Macroeconomics from a Left Perspective (New York: Union for Radical Political Economics, 1987), 59–70, diskutiert.
36 Magdoff und Sweezy, Stagnation and the Financial Explosion, 32–34.
37 Ibid., 11–12.
38 Ibid., 93–105.
39 Sweezy, „More (or Less) on Globalization.“
40 Ein großer Teil dieser Analyse wurde in einer Serie jährlich angestellter Beurteilungen der Ökonomie ausgearbeitet, die wir selbst gemeinsam mit Harry Magdoff in den April-Ausgaben der Monthly Review in den Jahren 2001–04 schrieben.
41 Economic Report of the President, 2012, Table B-108; Economic Report of the President, 1986, B-108.
42 Die Beschäftigungsdaten finden sich in Bureau of Economic Analysis, National Income and Product Accounts, Table 6.4, http://www.bea.gov/national/nipaweb/SelectTable.asp. Das Verhältnis zwischen FIRE und Güterproduktion wurde vor fünfundzwanzig Jahren in einer Tabelle von Magdoff and Sweezy dargestellt, Stagnation and the Financial Explosion, 23. Die Stagnation der Beschäftigung wurde in der Finanzialisationsära mit ihren Finanzkrachs, der Wiederkehr der Arbeitslosigkeit und der abnehmenden Beschäftigungt im Verhältnis zur Bevölkerungsanzahl zu einem Punkt wachsender Besorgnis. Siehe John Bellamy Foster, Harry Magdoff, und Robert W. McChesney, „The Stagnation of Employment,“ Monthly Review 55, no. 11 (April 2004): 3–17.
43 Der Wohlstandseffekt in diesem Sinn war für Alan Greenspan ein ständiges Thema. Siehe beispielsweise Alan Greenspan, „The Great Malaise,“ Challenge 30, no. 6 (Dezember 1987): 11–14; „Tracking the Wealth Effect,“ New York Times, 24. Februar 2000, http://newyorktimes.com.
44 Bureau of Economic Analysis, National Income and Product Accounts, Tabelle 5.2.5, Gross and Net Domestic Investment by Major Type (letzte Ausgabe 8. August 2011; veröffentlicht am 15. März 2012), http://bea.gov; Table 1.1.5. Gross Domestic Product.
45 Eine Analyse dieser Verändungen im Investment der frühen 80er Jahre findet sich bei Magdoff und Sweezy, Stagnation and Financial Explosion, 68–78.
46 David Welch, „Automakers‘ Overcapacity Problem,“ Bloomberg Businessweek, 31. Dezember 2008, http://businessweek.com.
47 Foster, Magdoff, und McChesney, „The Stagnation of Employment,“ 3–17; Fred Magdoff, „The Jobs Disaster in the United States,“ Monthly Review 63, no. 2 (Juni 2011): 24–37; U.S. Bureau of Labor Statistics, Household Data. Table A-15. Alternative Measures of Labor Underutilization (zuletzt geändert am 9. März 2012, veröffentlicht am 19. März 2012), http://www.bls.gov/news.release/empsit.t15.htm.
48 Über die wachsende Kopplung von finanzieller und politischer Macht siehe John Bellamy Foster und Hannah Holleman, „The Financial Power Elite,“ Monthly Review 62, no. 1 (Mai 2010): 1–19; Simon Johnson und James Kwak, 13 Bankers (New York: Pantheon 2010); und Greta Krippner, Capitalizing on Crisis (Cambridge, MA: Harvard University Press, 2011). Eine Pionierarbeit zur Vernetzung von Neoliberalismus und Finanzialisation findet sich bei Gérard Duménil und Dominque Lévy, Capital Resurgent: Roots of the Neoliberal Revolution (Cambridge, MA: Harvard University Press, 2004).
49 Council of Economic Advisers, The Economic Report of the President, 2012, 64–65.
50 Siehe John Bellamy Foster, Robert W. McChesney, und R. Jamil Jonna, „Monopoly and Competition in Twenty-First Century Capitalism,“ Monthly Review 62, no. 11 (April 2011): 12–13.
51 Adam Smith, The Wealth of Nations (New York: Modern Library, 1937), 61.
52 Karl Marx, Das Kapital, Bd. 1 (London: Penguin, 1976), 778–81.
53 John R. Munkirs, The Transformation of American Capitalism (New York: M.E. Sharpe, 1985), 20.
54 Edward Hastings Chamberlin, The Theory of Monopolistic Competition (Cambridge, MA: Harvard University Press, 1962); Joan Robinson, The Economics of Imperfect Competition (London: Macmillan, 1965); Paul M. Sweezy, „Demand Under Conditions of Oligopoly,“ The Journal of Political Economy 47, no. 4 (August 1939): 568–73. Robinson‘s Arbeit über mangelhafte Konkurrenz zielte ursprünglich nicht auf eine Theoretisierung des Oligopols ab. Siehe Edward Hastings Chamberlin, Towards a More General Theory of Value (New York: Oxford University Press, 1957), 27–28.
55 Robinson, The Economics of Imperfect Competition, 307.
56 Chamberlin, The Theory of Monopolistic Competition, 11.
57 Sweezy, „Demand Under Conditions of Oligopoly“; Paul M. Sweezy, Vier Vorlesungen über Marxismus (New York: Monthly Review Press, 1981), 63.
58 Chamberlin, Ibid., 109.
59 Chamberlin, Towards a More General Theory of Value, 33.
60 Siehe Foster and McChesney, „Monopoly and Competition in Twenty-First Century Capitalism.“
61 Munkirs, The Transformation of American Capitalism, 35.
62 Rudolf Hilferding, Finanzkapital (London: Routledge, 1981).
63 W.I. Lenin, Imperialismus, das höchste Stadium des Kapitalismus (New York: International Publishers, 1939), 88.
64 Thorstein Veblen, The Theory of Business Enterprise (Clifton, NJ: Augustus M. Kelley, 1975), und Absentee Ownership and Business Enterprise in Recent Times (New York: Augustus M. Kelley, 1964).
65 Siehe vor allem Michal Kalecki, Theory of Economic Dynamics (New York: Augustus M. Kelley, 1969); Josef Steindl, Maturity and Stagnation in American Capitalism (New York: Monthly Review Press, 1976).
66 Baran und Sweezy, Monopolkapital, 7.
67 Harry Magdoff, The Age of Imperialism (New York: Monthly Review Press, 1969); James O‘Connor, The Fiscal Crisis of the State (New York: St. Martin‘s Press, 1973); Harry Braverman, Labor and Monopoly Capital (New York: Monthly Review Press, 1974).
68 Der Niedergang der Staatindustrie wurde von der Linken zuerst in Begriffen von Monopolkapital/Stagnation erklärt. Siehe Harry Magdoff und Paul M. Sweezy, The Deepening Crisis of U.S. Capitalism (New York: Monthly Review Press, 1981), 23–30.
69 Joan Robinson, Economic Heresies (New York: Basic Books, 1973), 103.
70 Siehe Stephen Hymer, The Multinational Corporation (Cambridge: Cambridge University Press, 1979).
71 Palley, From Financial Crisis to Stagnation, 116.
72 Yanis Varoufakis, The Global Minotaur (London: Zed, 2011).
73 Council of Economic Advisers, Economic Report of the President, 2012, Table B-91, „Corporate Profits by Industry, 1963-2011“ (Beinhaltet Unternehmensprofite mit angepasster Bewertung des Inventars und ohne Anpassung der Kapitalkonsumption.)
74 Zur imperialistischen Rente der Oligopol-Finanz siehe Samir Amin, The Worldwide Law of Value (New York: Monthly Review Press, 2010).
75 Stephen R. Platt, „Is China Ripe for a Revolution?,“ New York Times, 12. Februar 2012, http://newyorktimes.org.
76 Che Guevara, „Speech at the Afro-Asian Conference in Algeria,“ 24. Februar 1965, http://marxists.org.
77 Michael Yates, „The Great Inequality,“ Monthly Review 63, no. 10 (März 2012): 1–18.
78 Zur planetweiten ökologischen Krise siehe John Bellamy Foster, Brett Clark, und Richard York, The Ecological Rift (New York: Monthly Review Press, 2010).
79 Gar Alperovitz, America Beyond Capitalism (Takoma Park, MD: Democracy Collaborative Press, 2011), 3.