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Der kurze Kreislauf
Die Schaffung von Mehrwert ist bekanntlich eine zweischneidige Sache: Zum ersten braucht es Menschen, die für andere arbeiten, um sich mit weniger zufrieden geben als mit dem, was sie in dieser Zeit neu geschaffen haben. Zum anderen aber braucht es Menschen, die diese neu geschaffenen Werte auch kaufen und so erst für die Unternehmer den Mehrwert realisieren.
Anders ausgedrückt benötigt das Kapital, um sich reproduzieren zu können, auf der einen Seite billige Arbeitskraft, auf der anderen eine kaufkräftige Kundschaft. Da aber diese Kundschaft letztlich dieselben Menschen sind, die zuvor ihre Arbeitskraft verkauft haben, tut sich ein Spalt auf, den wir mangelnde Massenkaufkraft (oder Konsumkraft) nennen.
Denn die Quadratur des Kreises schafft auch das Kapitalverhältnis nicht, dass nämlich die Menschen immer billiger (im Vergleich zu ihrer Produktivität) arbeiten, aber mehr Einkommen haben, um noch mehr konsumieren (kaufen) zu können.
Die Weltwirtschaftskrise, die sich inzwischen im ihrem dritten Jahr befindet, ist eine kapitalistische, das bedeutet eine Krise der Überproduktion. Es mangelt weder an Anlagen und Maschinen noch an Arbeitswilligen, die diese bedienen würden, um zu produzieren. Der Mangel besteht in der fehlenden Nachfrage, also Massenkaufkraft. Und je mehr von uns arbeitslos werden (im Winter 2009/2010 waren es in Österreich, rechnen wir diejenigen, die in Maßnahmen des AMS versteckt wurden, hinzu, an die 400.000, insgesamt waren 2009 über 850.000 Menschen zumindest kurzfristig arbeitslos), desto geringer die Massenkaufkraft.
Trotzdem haben es die Banken geschafft, auch im Krisenjahr 2009 enorme Gewinne zu erzielen. Was, wenn wir uns das soeben formulierte in Erinnerung rufen, nach einem Paradoxon klingt, ist leicht erklärt. Die Banken wurden mit staatlichen Geldern überschüttet, zum Teil in Form von „Rettungspaketen“, d.h. Kapitalaufstockung über staatliche Kredite, zum Teil, indem ihnen Kredite zum Nulltarif (der Leitzinssatz, das ist der Zinssatz, zu dem die Notenbanken Kredite an Banken vergeben, liegt nahe null Prozent) gegeben wurden und werden.
Diese Rettungspakete, zusammen mit diversen „Konjunkturprogrammen“ und Steuerausfällen aufgrund sinkender Einkommen, haben wiederum den Geldbedarf der Staaten erhöht. Wo aber nehmen Staaten ihr Geld her? Den einen Teil schaffen sie selbst, indem sie Geld drucken. Die US-Notenbank hat davon ausgiebig Gebrauch gemacht, wodurch sie auch den Dollar geschwächt und damit die Exportchancen der US-Wirtschaft erhöht hat. Den nächsten holen sie sich über Steuern.
Ansonsten sind, wie das aktuelle Beispiel Griechenland zeigt, auch Staaten auf den „Geldmarkt“ angewiesen. Und hier herrschen Angebot, Nachfrage und Monopolinteressen.
Wenn, wie in den letzten Tagen, griechische Banken nach staatlichen Finanzspritzen rufen, weil ihre Reserven aufgebraucht sind, so u.a. deswegen, weil sie ihrerseits Staatsanleihen gekauft haben, sprich die billigen Kredite, die sie erhalten haben, in Form teurer, weil hochverzinster Anleihen wiederum an den Staat zurückgegeben haben.
Der Geldkreislauf kam historisch deshalb zustande, weil die Menschen ein Tauschmittel brauchten, mit dem sie alle benötigten Güter für ihren Konsum besorgen konnten. Wenn ich ein Huhn zu viel, aber zu wenig Getreide habe, so werde ich nicht leicht diejenige ausfindig machen, die zwar Getreide in Mengen, aber keine Hühner (und dazu noch Gusto auf ein Brathendel) hat. Gold wird sie mir aber sofort abnehmen, weil sie weiß, dass sie es jederzeit gegen die benötigten Güter tauschen kann.
In diesem Sinn hat der Kreislauf von Gold oder Geld historisch seine Berechtigung: Die Menschen produzieren für sich und tauschen ihre Produkte am Markt. Heute aber produziert niemand mehr für sich, die gesamte Wirtschaft ist vernetzt, verwoben. Jedes Auto hat – wenn wir es in seine Einzelteile zerlegen – mehrere Weltreisen hinter sich, auf denen es hunderttausende ArbeiterInnen kennengelernt hat. Niemand kann von sich behaupten, er oder sie hätte dieses Auto produziert – wir haben es gemeinsam gebaut.1
Würden wir die Verteilung der von uns produzierten Güter so gestalten, wie wir selbstverständlich gemeinsam arbeiten, so hätte sich die Frage nach dem Geld längst erledigt: JedeR kriegt, was sie/er braucht. Dem steht allerdings das Interesse entgegen, die Arbeitskraft auszubeuten, sich Mehrwert anzueignen. Und so dümpeln wir immer noch in Strukturen von Herrschaft und Aneignung, die für die große Mehrheit der Weltbevölkerung nichts anderes als Verarmung und Elend bedeuten.
Der Kreislauf von Krediten vom Staat zu den Banken und von denen zurück zum Staat macht (volkswirtschaftlich) überhaupt keinen Sinn, weder wird hier neuer Wert geschaffen noch werden Konsumbedürfnisse befriedigt. Er dient allein dem Zinsgewinn der Banken – und bläht die nächste Blase auf.
Allen Beruhigungen, dass die Krise „im Prinzip“ überstanden sei, zum Trotz halten wir fest: Solange Überkapazitäten an Produktionsmitteln bestehen (und das ist nach wie vor der Fall), wird überschüssiges Kapital nicht zur Schaffung neuer Werte investiert werden. Deshalb wird es weiterhin in die Spekulation, d.h. in einen Kreislauf, in dem nichts produziert wird, fließen. Es wird sich in diesem Kreislauf vermehren, und damit das Problem der Überakkumulation weiter verschärfen.
Die dotcom-Krise war ein Klacks im Vergleich zur Immobilienkrise. Aber die Krise der Staatsverschuldungen wird die Immobilienkrise alt aussehen lassen. Die Frage ist nicht, ob die sogenannte bond-Blase (d.h. Staatsanleihenblase) platzen wird, die Frage lautet: Wie wird unsere Antwort lauten?
Die südafrikanischen GenossInnen haben die bittere Erfahrung machen müssen, dass die Führer ihrer traditionellen Kampforganisationen (ANC, KP Südafrika) die Seite gewechselt haben. Der ANC ist heute eine Regierungspartei wie andere auch, und wie andere Regierungen verfolgt auch die südafrikanische seit Ende der 90er Jahre eine neoliberale Politik. Deshalb die Notwendigkeit, in den townships neue, von unten kontrollierte Organisationen aufzubauen.
Wir stehen seit Jahrzehnten vor ähnlichen Problemen. Niemand wundert sich, wenn auch noch die letzten aufrechten SozialdemokratInnen „ihrer“ Partei den Rücken kehren – außer, dass sie für diesen Schritt so lange gebraucht haben. Was wir aber dringend lernen müssen ist, unser Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Power to the poor!
Anmerkung
1Soeben hat der „Standard“ eine Werbeausgabe verschickt mit dem Vermerk, dass „an der Herstellung dieser Zeitung 20.000 Menschen beteiligt“ waren.