Interview mit einem Milchbauern in Nordrhein-Westfalen im Sommer 2008
Wer die Milch hat
Im Frühjahr 2008 streikten in Deutschland die MilchbäuerInnen, d.h. sie weigerten sich, die Milch an die Molkereien zu liefern. Grund für diese Aktion war der stetig verfallende Milchpreis, der zu diesem Zeitpunkt bereits unter den Produktionskosten lag. Der Streik war insofern erfolgreich, als er tausende BäuerInnen mobilisierte, Diskussionen unter den ProduzentInnen förderte und eindrucksvoll die (potentielle) Macht der ProduzentInnen aufzeigte. Nur wenige Tage länger, und es wäre zu ernsthaften Engpässen in der Milchversorgung in Deutschland gekommen, zumal auch die BäuerInnen in den Nachbarländern solidarisch eine Abgabe an deutsche Molkereien und Unternehmen verweigerten. Inzwischen liegt der Abgabepreis in Deutschland wieder unter 25 Cent/Liter.
Wie kommen die Milchpreise zustande?
In Deutschland kommen Milchpreise so zustande, dass die Molkereien mit dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH) in Verhandlungen treten. Und der LEH hat das jetzt schon sehr geschickt gemacht. Im Frühjahr – April, Mai, – wird die meiste Milch produziert. Das wissen die einfach. Und da sind jetzt die laufenden Verhandlungen. Und da zu dieser Zeit ein unheimlicher Druck auf den Markt ist, kann der LEH schon mal den Preis mehr nach unten drücken. Nur, in diesem Frühjahr sagte unsere Molkerei: „Das wird nicht so schlimm. Höchstens 6, 7 Cent geht das runter im Frischmilchbereich.“ Nur, die haben nicht damit gerechnet, dass da so ein Theo Müller (Müller-Milch) ankommt, und den Preis auf 15 Cent runtergesetzt hat im H-Milch-Bereich und gesagt hat: „Ich kann’s dafür.“ Die ganzen genossenschaftlichen Molkereien wussten nichts anderes als zu sagen: „Dann steigen wir auch auf diesen Preis ein.“
Und da hat der Bauernverband in meinen Augen geschlafen. Da hätte er einmal sagen können „so, wenn Müller-Milch wirklich meint, so tief runter gehen zu müssen …“
Beim LEH ist es so: Aldi will den günstigsten Preis. Und nach Aldi richtet sich alles in Deutschland. Die dürfen also den günstigsten Preis haben. Und die anderen Molkereien müssen dann da drauf einsteigen.
Sag mal was zu den Milchpreisen überhaupt. Was kostet der Liter Milch, den ihr verkauft?
Zur Zeit erzielen wir 34 Cent. Aber wir haben ja auch die gestiegenen Kosten. Wenn wir letztes Jahr 27 oder 28 Cent erzielt haben um diese Zeit herum, hatten wir nicht so hohe Kosten. Weil Diesel war nicht so teuer, Futter war nicht so teuer, und Energie, Strom auch nicht. Kurz bevor wir gestreikt haben, waren die ersten Molkereien schon so weit, dass sie auf 30 Cent und noch darunter gingen. Nach dem Streik sind die Preise eher um ein, zwei Cent gestiegen, als dass sie noch weiter runter gingen. Also unsere Molkerei wäre auch so weit gewesen, dass sie weiter runter gingen. Ob das jetzt wirklich an dem Streik liegt? Keine Ahnung. Es wurde uns ja auch signalisiert, dass zum Herbst die Preise wieder steigen werden.
Jetzt haben die Molkereien aber auch eines durchgesetzt: Vorher wurde im April, Mai ein Jahresvertrag gemacht, bis zum nächsten Jahr. Und letztes Jahr haben die im August neu verhandelt. Weil letztes Jahr war das sogar so, da war ja so viel Milch da, da sind die Molkereien dazu übergegangen, dass sie zum LEH gesagt haben: „Entweder ihr gebt uns jetzt mehr (für die) Milch, oder wir produzieren Butter und Magermilch.“ Das konnten sie ja. Butter und Magermilch, das sind immer die klassischen Überschussprodukte. Und wenn die gut im Preis sind, was will denn der LEH machen? Der muss dann einsteigen. Aber dadurch hat er, glaube ich, dieses Frühjahr auch wieder gesagt: „Ihr produziert ja sowieso wieder zu viel – wieder Preis nach unten.“ Fertig.
Und die Bauern im Bund Deutscher Milcherzeuger (BDM) wollen ja eigentlich, dass die Menge an den Markt angepasst wird.
Das heißt, dass weniger produziert wird?
Ja. Der BDM will das eigentlich. Der Bauernverband will noch etwas anderes, der will eine Molkereiquote. Dass die Molkereien bestimmen, wieviel Milch erzeugt wird.
Du hast jetzt 40 Kühe und produzierst. Du hast früher einmal Kontingente kaufen müssen, um überhaupt Milch verkaufen zu können.
Ja, die Kontingente pachte ich, ich habe auch jetzt wieder welche gepachtet.
Kannst du das kurz beschreiben?
Wenn da aufgabewillige Betriebe sind, und die haben eine Quote von, sagen wir, 50.000 Kilo Milch zu verpachten – das war damals so, jetzt geht das auch anders. Diese Milch habe ich erworben zu einem Pachtpreis von 8 Cent, 10 Cent teilweise. Wenn dieser Pachtvertrag ausgelaufen wäre, hattest du die Möglichkeit, das Kontingent zu kaufen, oder weiter zu pachten. Jetzt aber gibt es nur noch die Börse. Du hättest die Milchquote kaufen können zu 2/3 des Börsepreises. Nehmen wir mal an, 30 Cent wäre der Börsenpreis gewesen, dann hättest du zu 20 Cent kaufen können.
20 Cent pro Liter?
Ja, pro Liter Milch. Und das hättest du mit 2015 bezahlen müssen. Ich habe dann weiter gepachtet, aber mit der Klausel, wenn die Milchquote 2015 weiterläuft, kann ich das für 1 Euro erwerben. Du hättest das sowieso finanzieren müssen, über die Bank. So war das in meinen Augen der beste Weg.
Und jetzt kannst du Kontingente nur über die Börse erwerben?
Die kannst du nur über die Börse kriegen.
Wie war das jetzt im Frühjahr?
Die Bauern haben erstmal, meiner Meinung nach, den Fehler gemacht, dass zu viel Milch produziert worden ist. Aber das Lockmittel war halt der hohe Preis. Wann haben die Molkereien angefangen? Gut, die Molkereien, die Magermilch, Milchpulver und Butter produzieren, die haben bereits, glaube ich, letzten Juli, August angefangen, die Milch rapide nach oben zu setzen. Und die anderen sind dann so nach und nach langsam nachgezogen. Unsere Molkerei hat, glaube ich, den höchsten Preis im Dezember, Januar bezahlt, über 40 Cent. Der bröckelte dann aber langsam wieder.
Und daraufhin sind einige wieder auf Milchproduktion umgestiegen, wie der Preis gestiegen ist?
Die haben einfach überliefert, weil es diese Saldierung gibt zwischen Unter- und Überlieferung. Auf Molkereiebene. Bei unserer Molkerei ist es so, dass du praktisch im letzten Jahr um 10% überliefern konntest, ohne dass du dafür Strafen bezahlen musstest. Und wir wollen ja, dass die Bauern davon wegkommen. Das wäre nämlich auch preisstabilisierend. Weil es gibt nämlich Überlieferer, die haben 20% oder 30% ihrer Quote überliefert. Fertig. Und daneben gibt es ja in Schleswig-Holstein dieses Superding: da ist die Landwirtschaftskammer hingegangen und hat gesagt „verkauft mir den größten Teil eurer Quoten, und überliefert dann einfach“. Das wäre billiger, als die Quoten zu kaufen. (Lacht)
Also Milchlieferanten verkaufen ihre Quoten, und haben trotzdem die Möglichkeit, ihre Milch abzusetzen.
Ja, nach dem alten Gesetz. Wir wollen aber, dass das geändert wird.
Wie soll diese Änderung aussehen?
Molkereisaldierung weg. Dann musst du nämlich zusehen, dass du wirklich maximal deine 100% lieferst. Alles andere wäre Strafe. Am besten wäre sogar, wenn du über 100% kommst, dass (die Milch) gar nicht abgeholt wird. Weil unsere Übermilch, die kostet uns ja, die wird ja trotzdem verarbeitet. (Und drückt somit den Preis.)
Erzähl uns ein bisschen über den Streik.
Der Bund Deutscher Milcherzeuger hat im Vorfeld die Molkereien eingeladen und den LEH, und sie haben ihre Vorstellungen kundgetan. Das Enttäuschende war – wie viele Molkereien haben wir denn in Deutschland? 100 Molkereien? – von diesen 100 Molkereien sind maximal gekommen 15 bis 20. Die haben einen Vertreter da hingeschickt. Die größten Molkereien sowieso nicht. Da haben alle boykottiert. Und da haben sie dann festgestellt, dass das nichts fruchtet. Dann haben sie eine Urabstimmung unter den BDM-Mitgliedern gemacht. Das sind so ca. 33.000 gewesen. Und da waren 87% für den Streik. Den haben sie dann Ende Mai – erst habe ich gedacht „nein, jetzt? Wo die meiste Milch produziert wird? Das kann ja wohl nicht wahr sein!“ Aber im nachhinein betrachtet war das ja eigentlich geschickt. Das Minus für das Milchgeld war im Mai da, und war im Juni da. Auf zwei Monate verteilt. Wenn sie das Anfang Juni gemacht hätten, dann wäre nur der Juni so schlecht gewesen.
Eigenartigerweise erlebte dieser Streik dann so eine Eigendynamik. Es wurden immer mehr Bauern, die da mitgemacht haben. Auch Nicht-Mitglieder vom BDM haben mitgemacht. Und der Bauernverband, der war erst strikt dagegen. Nach drei Tagen hat er umgeschwenkt, auf den Druck hin, und hat gesagt „wir sind auch jetzt für den Streik“. Sonst wären ihnen noch mehr Mitglieder weggelaufen.
Und gestreikt habt ihr dann letztlich 10 Tage lang?
Ja.
Was habt ihr noch für Kampfmaßnahmen in Erwägung gezogen?
Ja, pass mal auf: Das Schlimmste war für mich, dass die Molkereien das alles erstmal unterlaufen haben. Die haben Milch aus der Käseproduktion, alles in die Frischmilchschiene geschoben. Und der Hubertus Pellengahr (Sprecher des Verbandes des deutschen Einzelhandels) behauptet immer noch, nach drei oder vier Tagen: „Die Regale in Deutschland werden niemals leer.“ Ha! Und da haben wir auch noch mehr Leute gekriegt, die streikten. Weil nämlich zum Wochenende war es dann soweit. Und da sind die Molkereien dazu übergegangen, die Milch, die für den H-Milch-Bereich bestimmt war, in den Frischmilchbereich zu schicken. Dagegen sind wieder diese Molkereiblockaden gemacht worden. Weil die Molkereien so link waren, die Milch von überallher, auch aus dem Ausland ranzuholen.
Aber das hat funktioniert, sie haben es geschafft, dass die Milch nicht ausgeliefert wurde?
Ja. Als die Leute merkten, dass die Regale leer wurden, wurden Hamsterkäufe gemacht. Das war erstaunlich, weil die mit so einer Situation noch nie konfrontiert gewesen waren. Und wo der Streik beendet war, da hat es immer noch 2, 3 Tage gedauert. Da waren einige Läden immer noch leer.
Und da gab es eine hohe Beteiligung?
Man schätzt im Nachhinein, von den 170.000 Milchbauern haben sich 60.000 – 70.000 in Deutschland beteiligt.
Wie viele von den Milchbauern sind im BDM organisiert?
33.000 oder 35.000. Insgesamt gibt es angeblich an die 100.000. Unter darunter gibt es noch immer eine ganze Menge, die sagen „dat, wat der Bauernverband fordert, bin ich auch total dagegen. Wat der BDM fordert, bin ich auch dagegen.“ Die wollen einen ganz anderen Kurs. Die wollen um jeden Preis melken. Man staunt manchmal, was es da gibt. Die sagen: „Dann regeneriert sich der Markt eben in zwei, drei Jahren. Dann lasst doch 50.000 Bauern vor die Hunde gehen. Fertig.“
Nachdem die EU um einige klassische Landwirtschaftsländer wie Polen erweitert worden ist – hat sich das auf dem Markt für euch negativ ausgewirkt?
Natürlich. Obwohl das auch damit zusammenhängt: Ist ein niedriger Milchpreis da, kann eine Molkerei ganz anders. Bei niedrigen Milchpreisen wird exportiert auf Teufel komm raus. Das hast du dieser Tage wieder bei Schweinefleisch gesehen. Seitdem die EU im Dezember angefangen hat, Schweinefleisch zu subventionieren, kommt das in Afrika irgendwo auf den Markt, und macht da die Bauern kaputt. Und das ist bei Milch nicht anders.
Und bei Getreide hat ja die Politik schon wieder angekündigt, man müsste doch mal sehen, dass man wieder Reserven hat. Weil letztes Jahr schoss der Getreidepreis hoch bis zu 25 Euro. Und vor zwei Jahren haben wir 10 Euro für den Weizen gekriegt. Weil die Politik vor zwei Jahren angekündigt hat: Keine Lagerhaltung, nichts mehr! Jetzt haben sie festgestellt, wenn der Markt das regelt, dann gibt es diese Schwankungen, rauf und runter. Also haben sie ganz schnell versucht diese Flächenstillegung – Flächenstillegung weg, um die Flächen wieder zu kriegen. Aber es wird auch nicht jede Fläche wieder bewirtschaftet, die mal stillgelegt wurde. Ich habe das zwar jetzt gemacht, aber ich habe auch Flächenknappheit. Der nächste Punkt ist diese ganze Bioenergie-Schiene, die macht den Landwirten auch auf Dauer das Leben schwer. Weil die bestimmen den Preis (für die Pacht).
Das verstehe ich nicht.
Wo Biogas-Anlagen stehen, da können die fast jeden Preis zahlen. Die gehen ja hoch bis – was erzählt man sich schon? – 1.000 Euro pro Hektar. Das sind 2.000 Mark, das sind 500 Mark pro Morgen. Für Pachtverträge, die auf neun Jahre geschlossen werden. Jährliche Pacht. Normale Pachtpreise sind höchstens 400 Euro je Hektar.
Nochmal zum Streik. Lebensmittelkonzerne habt ihr nicht …
Doch, die Konzentration des LEH ist ja schon gewaltig. Da sitzen ja nur noch vier, fünf gegen 100 Molkereien, und lassen die Molkereien zappeln. Und, wie gesagt, dann prescht z.B. Müller-Milch vor, sie können die H-Milch um 15 Cent billiger anbieten.
Und die 100 Molkereien preschen gegen 100.000 Milchbauern vor?
Ja. Und wir hatten ja jetzt dieses einmalige Ding, das auch vom Kartellamt abgesegnet worden ist. Die Milchbauern dürfen sich organisieren, in einem Milchboard. Wenn alle 100.000 Milchbauern in diesem Milchboard drin wären – kein Thema! Die BDM-Mitglieder sind sowieso schon dabei. Da hat das Kartellamt nichts dagegen. Wenn sich 100.000 in diesem Milchboard organisieren, und fordern diesen Preis – weil die mit sowas noch nie gerechnet haben. Jetzt wollen die aber angeblich schon Änderungen, aber ich glaube, dieses Modell können sie nicht mehr ändern.
Wer ist im BDM hinsichtlich der Größe der Landwirtschaften? Eher die Kleineren?
Alle Größen, von fünf Kühen bis 2.000 im Osten. Wir haben hier auch einen, der hat um die 800 – 1.000 Kühe, der hat angeblich auch mitgemacht beim Streik, zwar nicht jedes Mal. Aber das ist ja auch eine Menge Milchgeld, was dem flöten geht.
Und was ist mit der Milch passiert?
Es hieß „innerbetrieblich verwertet“, aber ich behaupte mal, die meiste Milch ist laufen gelassen worden. Nicht in die Gräben, sondern in die Gülle. Weil man sonst nichts damit machen konnte.
Und die Molkereien sind eigenständige Firmen?
Die sind zu 80% in genossenschaftlicher Hand, sprich in Bauernhand. Das ist ja auch das Ziel, dass die Leute da ausgetauscht werden sollen. Wir haben gedacht, man könnte z.B. den Vorstandsvorsitzenden abwählen – das geht gar nicht so einfach. Der Beirat und Aufsichtsrat bestimmt den Vorstand, und der Vorstand bestimmt den Vorstandsvorsitzenden. Das sind alles Leute, die nicht mitgestreikt haben. Im Beirat hast du schon mal eher Leute, das sind, glaube ich, 20 oder 30 Leute, alles Bauern. Die Vertreterversammlung wählt den Beirat. Die haben schon extra die Vertreterversammlung um vier Wochen verzögert. Weil sonst, glaube ich, wäre da ein Debakel rausgekommen.
Jetzt haben die auf dieser Vertreterversammlung schon konkrete Forderungen, was sie sonst noch nie gemacht haben. Die haben sich im Vorfeld schon getroffen, die Vertreter, wenigstens ein Teil. Um zu versuchen, da eine andere Linie reinzukriegen. Und Leute – weil es werden immer Leute gewählt – die auch bauernfreundlich sind, BDM-freundlich, die die BDM-Linie vertreten. Die Vertreter werden von den Milchbauern gewählt, einer für 20 bis 50 Bauern. 170 Vertreter sind es, 3.500 Bauern hat die Firma.
Also gäbe es tatsächlich eine derartige Stimmung unter den Bauern, so bräuchte es fünf, sechs Jahre, um den Vorstand auszutauschen?
Ja, so ist das. Und was weiß man, was in fünf, sechs Jahren ist. Die letzten Jahre waren auch immer wieder Molkereiübernahmen.
Du machst mit der Molkerei einen Jahresvertrag?
Nein, ich muss hoffen, dass die einen guten Preis erzielen, dann kriege ich das wieder.
Aber du kannst nur an eine Molkerei liefern, weil sonst niemand am Hof vorbeikommt, die Milch abzuholen?
Ja, du hast eine zweijährige Kündigungsfrist. In Holland ist das ein halbes Jahr. Das Kündigungsrecht müsste auch geändert werden, dann wäre der Druck auch noch größer. Du hast ja auch Kapital stehen in der Genossenschaft, zur Zeit um die 18.000 Euro, als Genossenschaftsanteil. Du musst die noch aufstocken auf 30.000, und die kriegst du ja nicht verzinst. Jetzt sind einige schon dazu übergegangen, zu kündigen, die Mitgliedschaft. Wir spielen auch schon teilweise mit dem Gedanken. Aber dann musst du zusehen, dass du so einen Tankwagen vollkriegst, alle zwei Tage. Sonst lohnt sich das nicht. Damit du die Milch irgendwo anders hinliefern kannst. Die Genossenschaft holt ja die Milch vom Hof ab.
Wie viele Liter macht ihr am Tag?
Um die 800 haben wir, und so ein Tanker hat 25.000 bis 30.000 Kilogramm.
Aber für eine weitere Generation am Hof würde sich das hauptberuflich nicht tragen?
Wenn die Pachtpreise sich auch noch erhöhen, dann wird es schwierig, hier noch was zu machen. Weil die Energiepreise und Futterpreise hoch sind, während unsere Produkte preismäßig unten sind, da steht man jedes Jahr mit dem Rücken zur Wand. Die Sauenhalter haben dieses Problem zur Zeit.
Weil die Schweinepreise auch so niedrig sind?
Die Schweinepreise sind derzeit höher, aber die Ferkelpreise ziehen einfach nicht an. Ein Ferkel kostet zur Zeit um die 50 Euro.
Das war ja schon vor 20 Jahren so.
Ja. Und die spezialisierten Sauenhalter – vor zwei Jahren oder so ist die Kammer zu denen gegangen und hat gesagt „ihr müsst nicht 200 Sauen halten, ihr müsst 600 halten.“ Die gehen jetzt reihenweise den Bach runter. Weil die ja sehr viel investiert haben. Und bei jedem Ferkel, das die produzieren, legen die Geld drauf.
Das heißt, man kann davon ausgehen, dass ein Großteil der mittleren Bauern inzwischen sehr verschuldet ist.
Na sicher! Bei uns ist das ja so: das Risiko ist gestreut. Du bist nicht nur abhängig von den Kühen, du bist nicht nur abhängig von der Schweinemast, nicht nur abhängig von der Bullenmast. Also wir haben uns nicht voll spezialisiert.
Aber dadurch wird es mehr Arbeit, oder?
Das stimmt.
Was denkst du, wie soll die Sache laufen? Du hast gesagt, es gibt Molkereikontingente, oder es gibt die Überlegung, noch einmal einen eigenen Interessenverband zu machen, der mitverhandeln kann über die Preise. Dem gegenüber stehen Bauern, die daran gar nicht interessiert sind, sondern die auf Teufel komm raus produzieren wollen, egal für welchen Preis.
Das ist ja das Merkwürdige, das verstehe ich nicht. Ja, flexible Mengensteuerung, das heißt, wenn Milch gebraucht wird am Markt, dann müssen die vom LEH sagen, wir brauchen was. Das kann man innerhalb von einem dreiviertel Jahr regeln, dass die Milch dann auch da ist. Also man kann nicht innerhalb von 14 Tagen die Milch liefern, das kriegen wir nicht hin. Aber wenn die Signale setzen … Die Politik war ja natürlich so schlau im letzten Herbst: 2% Quotenerhöhung, und kaum einer stimmte dagegen. Und in diesem Frühjahr wollten sie die Bauern am liebsten wieder weghaben.
Aber wenn der LEH sagen würde „wir brauchen nächstes Jahr so und soviel Liter täglich“, wer regelt dann, welche Landwirtschaft wieviel Milch produziert, und wieviel man dafür kriegt?
Unser Interessenverband, der wollte das in die Hand nehmen. Der BDM.
Dass der dann regelmäßig Kontingente zuteilt?
Ja, so ähnlich. Der wäre sowieso an die alten Kontingente gebunden gewesen. Das würde auch den Preis regeln. Ich habe immer gesagt, 95% der Quote erzielen einen guten Preis, das ist besser als 102% zu einem schlechten Preis. Bloß das in die Köpfe reinzukriegen, ah!, das ist schwierig, schwierig. Was jetzt aber gut ist, ist dieses Wetter. Die Kühe können jetzt nicht gut, die Milch geht schlagartig runter. Hitze vertragen die Tiere nicht so gut, unsere auch: die hängen nur im Schatten rum. Dann wird nicht viel gefressen, also wird auch nicht viel Milch produziert. Fressen tun die heut’ Nacht. Wenn welche die Kühe das ganze Jahr im Stall haben, das wird noch schwieriger. Die müssen sehen, dass der Stall gut gelüftet ist und was weiß ich noch alles.
Und hier im Umfeld haben alle Bauern, die Milch produzieren, mitgestreikt?
Nicht alle. Wie viele Milchbauern sind wir denn jetzt? Von sieben haben sechs mitgemacht, maximal, vielleicht auch nur fünf. Der sechste Bauer, der hat aber auch nur drei Kühe. Der hat eventuell nicht mitgemacht. Der ist schon bald Rentner.
Habt ihr euch besprochen, Versammlungen gemacht?
Ja, um noch mehr Bauern mitzukriegen. Das ist gemacht worden. Das hat schon gewirkt. Aber nachher, im Nachhinein, sollst du die Leute in den BDM bekommen, das ist mühsam. Das war einfach nicht möglich. Mitstreiken? Ja. Aber BDM? Andere Gegenden, die sind fast komplett in den BDM gegangen.
Die Zeitung vom BDM ist nicht schlecht. Da schreiben auch die Bauern selber. Die ganzen Länder schreiben über den Streik, Sachsen und so. Ich fand das ja so erstaunlich. In der ARD hast du gesehen, da sagte so ein Professor: „Ach, es streikt doch keiner in Deutschland.“ Guckst du beim BDM im Internet: Die kamen mit ganz anderen Zahlen! Da wusstest du ja gar nicht mehr, was sollst du jetzt glauben?