Combat Nr.29, September 2002 und Nr. 30 Dezember 2002, www.vih.org/combat – Beitrag zum U-N-O-Gegenkongreß gegen den UN-Drogenkongreß im April 2003 in Wien
Drogenprohibition -
Ursprünge und was auf dem Spiel steht
Weit davon entfernt, ein Gegensatz zu sein, erhalten Prohibition und Drogenhandel einander gegenseitig. Sie nähren sich aus dem herrschenden Wirtschaftssystem. Es geht darum, eine „geopolitische“ Alternative aufzubauen, die das System Prohibition-Drogenschmuggel in Frage stellt.
Georges Apap, ehemaliger Staatsanwalt, über Robert Delanne:
Auszug aus dem Vorwort von Georges Apap zum Buch von Robert Delanne: Die unmögliche Kreuzfahrt (La croisière impossible), Editions du Lézard, 1999, 172 Seiten
Robert Delanne ist weit über 70. Ehemaliger Widerstandskämpfer, Theaterschauspieler, Seefahrer, Boxer, Schmuggler, Forscher, Schriftsteller, antiprohibitionistischer Kämpfer – das sind einige der Facetten einer vielseitigen Persönlichkeit, die von vornherein auf beiden Seiten der „règle commune“ steht, wie wenn die Unbeständigkeit der Gesetze in Zeit und Raum ihm das Gefühl ihrer Relativität verliehen hätte.
„Antigone ist meine Heilige“, schrieb Jean Cocteau, der sich mit Transgression auskannte. Auch Robert Delanne versteht es, sich gegen alberne Gesetze aufzulehnen und die Grenzen zu überschreiten, sobald er sich als Träger einer höheren Wahrheit weiß. Denn es ist ein albernes Gesetz, das den Konsumenten von willkürlich indizierten (illegalisierten) Substanzen bestraft und es ist eine höhere Wahrheit, die da die Freiheit proklamiert, ein Leben wählen zu dürfen, das niemand anderem schadet.
Antigone setzte ihr Leben aufs Spiel. Robert Delanne seinerseits wurde dafür „nur“ eingekerkert. Nach dieser schlagkräftigen Antwort der herrschenden Macht wäre es wohl begründet anzunehmen, daß er, nachdem er seine Strafe verbüßt hat, mit seinen Kritikern quitt wäre. Aber nunmehr ist er archiviert, inventarisiert, justizaktenverdeckelt.
Gilles Alfonsi und Jean-Luc Guilhem sprechen mit Robert Delanne
Combat: Welchen Ursprung hat die Ideologie der Prohibition und wie verläuft ihre Geschichte, einerseits seit der Einführung dieser Politik und andererseits auf internationaler Ebene?
Robert Delanne: Zu allererst glaube ich nicht, daß die Drogenprohibition eine Ideologie ist: Sie ist ein Werkzeug im Dienste einer Ideologie, einer Macht. Ein historischer Rückblick wird uns helfen, klarer zu sehen.
Der europäische Handel entdeckt, daß Opium mehr als ein Medikament ist ...
Archäologische Grabungen haben bewiesen, daß die Menschen seit Jahrtausenden (11.000 Jahre für Opium und Cannabis) in gutem Einvernehmen mit den Drogen gelebt haben. Im Wesentlichen spielten sie eine Rolle für den sozialen Zusammenhang im Verlauf von religiösen Zeremonien, heiligen Riten, unter der Kontrolle der jeweiligen Herrschenden oder ihrer religiösen, politischen oder militärischen Vertreter.
Überdies machten ihre zahlreichen Kräfte als Arzneimittel sie zu geschätzten Erzeugnissen, die sich zu einem guten, durch Angebot und Nachfrage regulierten, Preis verkaufen ließen.
Dieses Jahrtausende währende Gleichgewicht zwischen Menschen und Drogen wurde im Verlauf des 17. Jahrhunderts gebrochen, im Gefolge dessen, was Colin Ronan in seiner „Weltgeschichte der Wissenschaften“ rundheraus als die größte wissenschaftliche Revolution unserer Geschichte bezeichnet. Bis dahin wiederholte sich die Geschichte immer ähnlich. Eine oder mehrere Kulturen tauchen auf, beherrschen ein bekanntes Eckchen des Planeten, erleben ihren Niedergang und verschwinden wieder, und eine oder mehrere Kulturen lösen sie ab und fügen dem Leben jedes Mal ein Mehr hinzu.
Plötzlich geschieht etwas viel Stärkeres. Zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert beschleunigt ein Zusammentreffen wissenschaftlicher, politischer und kultureller Ereignisse die Geschichte: Das nannte man Renaissance.
Unter allen Wissenschaften und Techniken profitierte die Wissenschaft der Seefahrt am meisten von dieser Revolution. Eine Evolution mit immensen Konsequenzen begann.
Im Verlaufe einiger Jahrzehnte wurde die Hoch­seeschifffahrt ermöglicht durch verbesserte Steuerruder, den Kompaß, den Astrolab (ein Vorläufer des Sextanten), die Logs, um die zurückgelegten Distanzen zu messen, die ersten Ferngläser, die ersten verläßlichen Seekarten – die Portulans (mittelalterliche Segelhandbücher) – und schließlich die Caravellen (hochseetaugliche Schiffe). In kaum weniger als 30 Jahren (zwischen 1492 und 1526) explodiert die antike Welt: Der Mensch entdeckt seinen Planeten, die Antarktis und die Arktis, unter dem Impuls von fünf Nationen, die von den neuen Ideen erfaßt wurden und die, nachdem sie ihre verschiedenen Eroberer losgeworden sind und sich national kon­sti­tu­iert haben, ihre praktisch definitiven Grenzen finden: Spanien und Portugal, zeitweilig dynastisch miteinander verbunden, Frankreich, die Niederlande und als letzte unter ihnen 1603 England.
Spanien und Portugal errichten bedeutende Kolonien in den beiden Amerikas, Portugal allein verfügt seit 1498 über das Handelsmonopol von Indien bis zu den Molukken.
Ein Jahrhundert später, 1595, entsteht in Amsterdam die VOC – „Verenigde Oost indische Compagnie“ –, die erste Ostindien-Gesellschaft, die Portugal das Monopol entreißt und unbeabsichtigt einen Prozeß einleitet, der zuerst das Opium und dann alle Drogen zu einem wesentlichen Element der Weltwirtschaft macht.
Die VOC ist eine große Premiere in der Geschichte: finanziert durch an der Börse notierte Aktien, konnte sie aufgrund der Charta vom 20. März 1602 Verträge unterzeichnen, Armeen rekrutieren, Festungen erbauen, Kriege erklären und Friedensverträge unterzeichnen, die Gesetzesmacht ausüben, Geld prägen, Steuern einheben. Von Aktionären geführt, hatte sie nur ein Ziel: den Profit.
Die VOC ist die Vorfahrin der heutigen großen multinationalen Raubgesellschaften. Aber sie war noch viel mehr als das: Da praktisch alle ihre Aktionäre Kaufleute waren, ist sie die erste strukturierte Erscheinungsform einer Handelsbourgeoisie, die sich aus den feudalen Privilegien befreit.
Zwei Jahrhunderte vor der Erstürmung der Bastille war ein neuer Typ von Herrschenden im Entstehen: die Kapitalisten.
Neben Gewürzen und Parfum verschifft die VOC Tabak, Reis, Tee, Zucker, aber auch Eisen, Zinn und Stahl nach Europa. Sie erhält das Monopol über das in Indien geerntete Opium und finanziert ihre Frachttätigkeit nach Europa, indem sie so bedeutende Mengen Opium nach China importiert, daß der Mandschu-Kaiser, der fürchtet, daß seine Handelsbilanz zusammenbricht, im Jahr 1729 Opium auf seinem Territorium verbietet. Zu spät. Im Verlauf einiger Jahrzehnte hatten die importierten Opiummengen, zwischen 300 und 400 Tonnen im Jahr, bereits die Opiumsucht in der chinesischen Bevölkerung verbreitet. Um die Nachfrage zu befriedigen, bildet sich ein Schmugglerwesen heraus. Die damit verbundenen Risiken treiben die Preise in die Höhe. Und zum ersten Mal in der Geschichte entdeckt der europäische Großhandel, daß Opium weit mehr als ein Medikament ist: Es schafft eine Abhängigkeit und der Handel damit, durch die Prohibition gedopt, kann zur Quelle immenser Profite werden.
1713 drängt England, durch das Traktat von Utrecht zur ersten Seemacht der Welt erhoben, die VOC nach und nach bis zu den Molukken zurück, schafft die EIC – „East Indian Company“ –, die die Holländer ablöst und die 1758 den indischen Opiumhandel übernimmt.
Zwischen 1729 und 1836 erläßt das chinesische Reich ca. 40 prohibitionistische Dekrete. Umsonst. Trotz einer manchmal grausamen Repression verläuft der Schmuggel in großem Maßstab, unter der fast vollständigen Mittäterschaft der korrumpierten chinesischen Verwaltung. Die Preise explodieren und die Tonnagen, die nach China verfrachtet werden, steigen von 240 Tonnen vor der Prohibition auf 6.500 Tonnen im Jahr 1884. Zwei Kriege, genannt Opiumkriege, zwingen China in die Knie und im Jahre 1858 legalisiert der Vertrag von Tientsin den Opiumimport nach China.
Das Opium sorgte damals für mehr als 41% der Kolonialprofite der englischen Krone. So beschloß China, den eigenen Mohnanbau zu entwickeln, dessen Ertrag 1896 12.000 Tonnen erreichte, und somit praktisch die Gesamtheit der englischen Importe verdrängte. Und da Ihre Gütige Majestät, Victoria I., auf diese Weise eine bedeutende Profitquelle verlor, erklärt das britische House of Commons den Opiumhandel für unmoralisch. Zweifellos, um die Chinesen an der Vermarktung ihres Opiums zu hindern, während England zuerst Europa, dann die USA weiterhin mit Opium versorgt.
Eine erste Feststellung drängt sich auf: die Engländer haben das Opium zu einer Eroberungswaffe gemacht, die auf dem Raubhandel beruht, und gleichzeitig seine Ausbreitung nach Europa und Amerika begünstigt. Zweite Feststellung: Die von China erlassenen Prohibitionsmaßnahmen, weit davon entfernt, die erhofften Resultate (erneute Ausgleichung der Handelsbilanz und Schutz der Bevölkerung vor der Droge) zu zeitigen, haben im Gegenteil den Schmuggel angeheizt, China in die Knie gezwungen und die Drogenabhängigkeit von 30 bis 40 Millionen Chinesen herbeigeführt.
In der Zwischenzeit, seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts, hat sich England zur ersten Weltmacht erhoben, dank seines Kolonialreiches und dank der industriellen Revolution, die es als erste vollendet hat. Die englische Industrie schreitet mit Riesenschritten voran, aber in den Fabriken sind die Arbeitsbedingungen besonders hart, und in den Bergarbeiter- und Arbeitersiedlungen Großbritanniens entsteht eine Form des Drogenkonsums, die bald ganz Europa und die USA erfassen wird.
1803 entdeckt die Chemie das Morphin, 1860 das Kokain und 1874 das Heroin, und seit dem Beginn der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts stehen opiumhältige Medikamente zum freien Verkauf in den europäischen Apotheken und in den angelsächsischen drug­stores.
Das Opium und seine Derivate sind das Allheilmittel: Morphintabletten, Codein-Bonbons, Elixire, Tränke, Balsame usw. Die pharmazeutische Industrie blüht auf der Grundlage der Auswertung des Opiums als Medikament und als Droge.
Kurz gesagt, das Opium war zum grundlegenden Bestandteil der Weltwirtschaft am Höhepunkt der Kolonialperiode geworden. Das 19. Jahrhundert geht seinem Ende zu.
England beherrscht die Welt. Der Opiumhandel liegt in seinen Händen. Die größten pharmazeutischen Laboratorien stehen in Europa. Sie erzeugen Morphin, Heroin und Kokain zu hunderten Tonnen, die gleichermaßen die medizinischen Bedürfnisse wie den Markt des klandestinen Konsums befriedigen. Die USA sind aus diesem saftigen Markt ausgeschlossen.
Nun haben sich diese aber seit ihrer Unabhängigkeit und trotz mehrerer Kriege, die sie ausgeblutet und gespalten haben, schnell entwickelt. Zwischen 1870 und 1906 hat sich ihr Bruttoinlandsprodukt vervierfacht und ihre Bevölkerung verdoppelt. Sie haben einige Kolonien erobert: Puerto Rico, die Philippinen, die Inseln Guam, Hawai, Kuba, und sie kontrollieren Panama. Sie wollen in den Hof der Großen und Mächtigen eintreten, der immer noch von Großbritannien und seinem Kolonialreich beherrscht wird und das die politische und wirtschaftliche Bedeutung der Drogen unter Beweis gestellt hat und bedeutende Profite aus ihnen zieht.
Auf Drängen der USA wird 1909 in Shanghai die erste internationale Konferenz für eine generelle Prohibition des Opiums für jegliche nicht-medizinische Verwendung abgehalten.
Im Namen der Moral? Seien wir doch ernst! Wir haben die Rolle der amerikanischen Moral während des Krieges zwischen dem liberalen Norden und dem sklavenhaltenden Süden gesehen. Ein Krieg, der weniger darauf abzielte, die Schwarzen aus der Sklaverei zu befreien, als vielmehr billige Arbeitskräfte für die Industrie der Nordstaaten zu rekrutieren. Wir haben die Rolle der Moral bei der Ausrottung der indianischen Völker gesehen. Um die Amerikaner vor Drogen zu schützen? Das ist wenig plausibel, da die Amerikaner sich lieber den harten alkoholischen Getränken hingeben.
Warum also bestehen die Amerikaner so heftig auf einem weltweiten Verbot des Opiums, wiewohl sie sich mit einer Absichtserklärung zufrieden geben, ohne Einführung eines Kontrollorgans? Die USA hatten sich, dank ihrer Kolonialstützpunkte im Pazifik, die Herrschaft über dieses Gebiet gesichert, das bis dahin von Großbritannien kontrolliert war. Und der neue Anti-Opium-Kreuzzug wird es ihnen ermöglichen, die koloniale Vorherrschaft Englands in Asien zu untergraben, indem sie legal die englischen Schiffe, die Opium transportieren, aufbringen.
Die zweite, 1912 wiederum auf Verlangen der USA in Den Haag abgehaltene Konferenz, weitet das Verbot auf Kokain und Cannabis aus. Auf diese Weise verschwindet praktisch die gesamte Palette an opium- und kokainhältigen Produkten aus den Apotheken und drugstores, aus der die europäischen pharmazeutischen Betriebe enorme Profite schöpfte.
Schließlich sieht die Konferenz von Genf, 1925 wiederum einberufen auf Betreiben der USA, mit dem Verbot aller Drogen für nicht-medizinische Zwecke eine scharfe Kontrolle durch den Ständigen Zentralen Ausschuß des Völkerbundes vor. Von da an wird der Handel mit Drogen zu einem mit schweren Strafen bedrohten Delikt. Bis dahin war er als lukrativer Handelszweig betrachtet worden, der zwar unmoralisch, jedoch legal war. Und die angedrohten Strafen treiben die Preise in die Höhe und bestrafen so die europäischen Laboratorien. Diese allgemeine Drogenprohibition heizt den internationalen Schmuggelverkehr an, vervielfacht die klandestinen Netzwerke, die nur durch die im Zuge der Alkoholprohibition (1919 – 1931) geschaffenen amerikanischen Mafiastrukturen kontrollierbar sind, die sich auf Initiative von Lucky Luciano des Marktes bemächtigen und die in der Zeit des Alkoholschmuggels eingerichteten Kanäle nützen.
Eine Schlußfolgerung drängt sich auf: Prohibition hat nichts Ideologisches an sich. Alle Reden im Namen von Moral und Schutz der Bevölkerung haben nur dazu gedient, wirtschaftliche, geopolitische und Eroberungsziele zu verschleiern.
Combat: In den Augen der amerikanischen Bevölkerung und in den Augen der Welt wollen die USA als Weisse Ritter des Heiligen Krieges gegen die Droge auftreten. In Wirklichkeit versuchen sie, ihre wirtschaftlichen Interessen zu verteidigen, einschließlich jenen, die mit dem internationalen Schmuggelverkehr verbunden sind. Können Sie uns Beispiele geben für das, was Sie die amerikanische Duplizität nennen? In welche Großoperationen war die CIA verwickelt?
Robert Delanne: Um das amerikanische Doppelspiel zu verstehen, muß man ein bißchen in die Nachkriegs-Geschichte schauen. Seit 1946 hat die UdSSR, trotz der Verheerungen des 2. Weltkrieges, ihren Einfluß auf mehr als ein Drittel des Planeten ausgedehnt, was den kapitalistischen Markt um ein ebensolches reduziert.
Mehr als die Hälfte Europas ist zum Sozialismus übergegangen und in der anderen Hälfte scharen die kommunistischen Parteien Millionen von Wählern um sich.
In Asien haben die Unabhängigkeit Indiens und die Geburt des kommunistischen China zahlreiche Unabhängigkeitsbewegungen hervorgerufen, unterstützt von der UdSSR und später dann von China.
In Zentral- und Südamerika haben Chile, Bolivien, Costa Rica und Guatemala Linksregierungen. Die soziale Unruhe erfaßt bald Kolumbien, Mexiko, Panama. Zahlreiche anti-US-Widerstandsbewegungen entstehen mehr oder weniger überall. In den USA selbst gestaltet sich der Umstieg auf eine Friedensökonomie schwierig. Der Marshall-Plan verliert nach und nach an Wirksamkeit.
Die amerikanische Führungsrolle ist in Gefahr und der Kampf gegen den Kommunismus wird zur großen Priorität. Es ist der Beginn des Kalten Krieges, und in diesem Kontext werden die Drogen eine Hauptrolle spielen.
Nun, der Faschismus und der Krieg haben den Großschmuggel in Europa zerschlagen. China und die Unabhängigkeit Indiens haben ihn in Asien gravierend verändert.
Die USA werden sich, dank ihrer mächtigen CIA, angeregt duch die Lehren der englischen Krone und unter Mittäterschaft der französischen Geheimdienste in Indochina, im Sinne ihrer antikommunistischen Strategie in ganz Ostasien des Opiums bedienen.
Sie stellen sich als Verbündete jener Bevölkerungsteile hin, die vom Opium leben, fördern den Schmuggel, und finden so kostengünstig jene Söldner, die sie für den Kampf gegen den Kommunismus brauchen. Die wichtigsten Netzwerke, die dafür bekannt sind, den Schutz und die logistische Hilfestellung der CIA genossen zu haben, sind folgende:
1949 reorganisieren sich die geschlagenen Truppen der Kuomintang (KMT) mit Hilfe der CIA unter dem Namen „Chinese Independance Force“. Die KMT steigert ihre Opiumproduktion von 40 Tonnen 1949 auf 340 Tonnen im Jahr 1960.
In Thailand schließt sich der Polizeichef, General Phao Sriyanonda, im Jahr 1950, mit Unterstützung der CIA, mit den chinesischen Triaden in Bangkok zusammen, um die Droge nach Europa und in die USA zu verfrachten.
1954 bildet die CIA an der Grenze zu Vietnam, unter Mithilfe der französichen Geheimdienste und des französischen Generalstabs, eine von General Salan kommandierte Söldnerarmee, die 1965 35.000 Mann zählt und den Opiumtransport zu den Raffinerien organisiert. Von da aus geleiten die Chartergesellschaften der CIA – Air America und Continental Air Service – die Morphinbase und das Heroin der KMT weiter.
In Laos „entläßt“ die CIA 1958 die linke Regierung und ersetzt sie durch den General Phoumi, der für die KMT arbeitet.
Weiter östlich und zeitlich näher, haben zahlreiche Zeugenaussagen während des Krieges zwischen der UdSSR und Afghanistan, die Waffenlieferungen gegen Morphinbase durch die USA an die Rebellen gebrandmarkt.
Später haben sich die USA noch dreimal übertroffen.
1979 haben die Sandinisten zum großen Jammer der USA, die ein zweites Kuba befürchteten, in Nicaragua die Macht ergriffen. Die Antisandinisten (die Contras) flüchten nach Costa Rica. Die USA beschließen, ihnen im Kampf gegen die Sandinisten zu helfen. Der Waffennachschub für die Contras wird von Colonel Oliver North vom Weißen Haus aus geleitet. Die amerikanischen Flugzeuge liefern die Waffen, fliegen leer nach Kolumbien und kommen voll beladen mit Kokain zurück, das sie im Norden von Costa Rica entladen, auf der Ranch des Amerikaners John Hull, der für die CIA arbeitet. Das Kokain fließt dann in den amerikanischen Markt und das daraus geschöpfte Geld wird durch – von einer israelisch-amerikanisch-panamesischen Mannschaft geleitete – Schmuggler für den Waffenkauf in Osteuropa eingesetzt. Die CIA übertraf sich selbst. Unter „der“ CIA sind Colonel North, sein Direktor Casey und der Vizepräsident Bush zu verstehen. Später wird Bush (Vater) den Senator Kerry, der die Affaire bekannt gemacht hat, beauftragen, damit aufzuhören, „für das gute Bild der Vereinigten Staaten schädliche“ Informationen zu enthüllen.
Zur gleichen Zeit beschuldigte Präsident Reagan öffentlich die Sandinisten, die amerikanische Jugend zu vergiften.
Es gab auch die Operation Fulminante in Kolumbien, die kurz auf die feierliche „Kriegserklärung gegen die Drogen“ von Bush Vater im Jahre 1991 folgte. Sie wird nicht nur eine einfache Verschärfung der Prohibition markieren, sondern eine qualitative Änderung in der Methode.
Seit 1991 haben die USA alle Rechte und Möglichkeiten, diese Erklärung einzusetzen, sobald es sich um einen gerechten Kampf gegen Drogen handelt. Mit der Drohung, alle Kredite für Kolumbien zu sperren, lancieren die USA, mit Hilfe von israelischen Technikern die Operation Fulminante, um das kolumbianische Marihuana auszurotten.
Die Fauna und Flora werden über tausende Hektar vernichtet, Herden werden dezimiert, die Bauern werden von mysteriösen Krankheiten heimgesucht. Ausländische Beobachter sprechen von einer echten ökologischen Katastrophe. Die französische Presse feiert den Erfolg der USA gegen die Drogen.
Aber die Wahrheit liegt in den Zahlen: vor Fulminante lieferte Kolumbien 80% des von den 20 Millionen amerikanischen Rauchern benötigten Marihuanas. Nach Fulminante werden die USA zum weltweit größten Marihuana-Produzenten (34% nach UNO-Angaben) und übernehmen den gesamten amerikanischen Markt.
Sie haben Kolumbien nicht nur um 8% seines Bruttoinlandsprodukts gebracht, sie haben auch tausende und abertausende Hektar Lebensmittel-Kulturen vernichtet, sodaß Kolumbien einer Finanzhilfe ausgeliefert war, die die USA ihnen gnädigerweise, entsprechend dem Grad seiner Unterwerfung, angedeihen ließ.
Aber der Höhepunkt dessen, was man als die Kriminalisierung durch die Antidrogenpolitik der USA bezeichnen kann, wird anläßlich ihrer Aggression gegen das kleine Panama erreicht.
Laut Amnesty International wurden 10.000 Zivilisten ermordet, unter dem Vorwand, General Noriega gefangen nehmen zu wollen, der, nach 20 Jahren guter und loyaler Dienste, aufgehört hatte, der CIA zu gefallen. Allen Ernstes hatte Mitterand damals erklärt: „Den USA war der Kriegszustand erklärt worden“.
24.000 Marines, ein Flugzeugträger, Jagdflugzeuge, Bomber und Kampfhubschrauber werden mobilisiert, um einen Mann gefangen zu nehmen, der nur von einer Prätorianergarde umgeben ist. Enormes mediales Echo, traumhafter amerikanischer Sieg über den Drogenschmuggel.
Anfang 1989 verkündet eine Depesche der AFP (agence france press), daß ein „Berichterstatter zum Kongreß erklärt: Wir waschen heute 30% der Drogengelder“. Zur gleichen Zeit erklärt Arias Calderon, Chef der panamesischen sozialdemokratischen Partei: „Wir haben den höchsten Schuldenstand der Dritten Welt im Verhältnis zur Zahl der Einwohner, die einzige Möglichkeit standzuhalten, ist die Steigerung der Geldwäsche“.
Ende 1989 greifen die USA Panama an. Und weniger als ein Jahr später erklärt der Berichterstatter der Banken vor dem amerikanischen Senat: „Wir waschen im Moment 80% der Drogengelder“. Und man erfuhr einige Jahre später, daß die von Bush eingesetzten neuen Chefs der panamesischen Banken jene waren, die die Finanzen des Medellin-Kartells verwalteten.
Combat: Wie steht es mit dem „war on drugs“? Welche Rolle spielt die Prohibition heute auf geopolitischer Ebene?
Robert Delanne: Der Krieg gegen die Drogen ist ein Fehlschlag, das ist heute offenkundig. Die Anbauflächen für rausch­subs­tanz­hältige Pflanzen vergrößern sich von Jahr zu Jahr in den traditionellen Anbauländern, und weitere entwickeln sich in neuen Ländern. Die Drogenabhängigkeit betrifft heute die Gesamtheit des Planeten, mit immer schwerwiegenderen Konsequenzen für zahlreiche Länder der Dritten Welt, die noch vor kurzer Zeit durch ihre soziale Kultur geschützt waren, die nunmehr auf dem Weg des Verschwindens ist.
In Frankreich, weit davon entfernt, die Ausmaße des Cannabiskonsums zu erreichen, steigt der Konsum anderer Drogen ständig und man kann eine Diversifizierung der verwendeten Produkte feststellen. Nur die Verwendung von Heroin scheint zu stagnieren. Kokain ist laut Observatoire Français des Drogues et des Toxicomanies im Aufschwung. Die Gewalt der Repression gegen die traditionellen Drogen hat zur Herausbildung und zu einer sehr schnellen Entwicklung eines Handels und der Verwendung von billigen, leicht herzustellenden, leicht zu versteckenden und leicht zu transportierenden synthetischen Drogen geführt, die zwar weit geringer bestraft werden, jedoch weit gefährlicher sind, mit oft unwiderruflichen Auswirkungen auf des zentrale Nervensystem der Konsumenten. Zahlreiche Länder erzeugen heute solche Substanzen in großen Mengen: Südafrika, Indonesien, Burma, Russland ... und Holland. Und die vielen klandestinen Labors sind unkontrollierbar.
Die Delikte in Zusammenhang mit Drogen, wie die Behörden sich ausdrücken, steigen überall: in Frankreich gab es 2001 mehr als 70.000 Personenkontrollen an Konsumenten und Händler-Konsumenten, 80% davon wegen Cannabis. Die wirklichen internationalen Schmuggler aller Drogen zusammen stellen weniger als 2% dieser Verfahren.
Auf internationaler Ebene kann man eine extreme Milde der G8 gegenüber drogenexportierenden Ländern entsprechend der auf dem Spiel stehenden wirtschaftlichen und politischen Interessen feststellen.
Das gilt z.B. für das EU-Kandidatenland Türkei, das momentan der größte Produzent für das in Europa verkaufte Heroin ist, das aus jener Morphinbase hergestellt wird, die über den Iran aus Afghanistan kommt.
Das gilt auch für die Mittäterschaft Frankreichs gegenüber Burma, wo die Gesellschaft Total allmächtig ist. Idem für Marokko. Aber man brauchte Seiten und Seiten, um eine komplette Liste der Komplizenschaften und Zwei­schnei­digkeiten im Zuge des war on drugs made in USA aufzustellen.
Beschränken wir uns darauf, daß die logische Zweckbestimmtheit der Prohibition zum Scheitern führt: Sie ruft dieses Scheitern hervor, indem sie das anheizt, was sie zu unterbinden vorgibt. Also kann und muß man sich die Frage stellen: Unsere Politiker sind keine Idioten, es sind gebildete Leute, die wissen das. Warum halten sie nach so vielen Jahren die Prohibition aufrecht? Anders gesagt: Wer zieht seinen Profit daraus?
Seit Jahrzehnten erleben die Länder des Südens immer schwierigere Lebensbedingungen. Die Abschaffung der Agrar-Quoten, die Millionen von Bauern zugunsten der Riesen der landwirtschaftlichen Lebensmittelproduktion ruiniert hat, hat die Ausplünderung ihrer natürlichen Ressourcen durch die industrialisierten Länder vervollständigt. Die einzige Lösung für das nackte Überleben war der Anbau von Drogenpflanzen, die pro Hektar 20mal mehr einbringen als der Nahrungsmittelanbau. Aber der Anbau ist nicht das, was am meisten einbringt. Die Umwandlung, der Schmuggel und die Geldwäsche bieten einen weit attraktiveren Ertrag. 1992 gab die UNO bereits eine Liste jener Länder der Dritten Welt heraus, die in den Drogenschmuggel verwickelt sind. Und während der Norden ein regelmäßiges Wachstum trotz der dem Wesen des Systems innewohnenden Krisen verzeichnet, versinkt der Süden mehr und mehr im Elend. Und die Droge, angeheizt durch die Prohibition, wird zum alternativen ökonomischen Rettungsanker sowohl für ganze Staaten als auch für deren Eliten und einen kleinen Teil ihrer Bevölkerung.
Dazu kommt, daß die von der Hochfinanz vorgegebene Richtung für die Privatisierungen, die die Staaten immer mehr gegenüber ihren Bevölkerungen entlastet, die Bevölkerungen den großen Finanzgruppen ausliefert, die sich mehr um Profite als um soziale Bedingungen kümmern. Und die Droge (Anbau, Verarbeitung, Schmuggel) ist zur Grundlage der Überlebensökonomie geworden. Zahlreiche Länder der Dritten Welt, die auf diese Weise eine teilweise Lösung für ihre Finanzprobleme gefunden haben, bieten den industrialisierten Ländern einen bedeutenden Absatzmarkt für den Export von Konsumgütern, Waffen, Ausbau der Infrastruktur, schlüsselfertige Fabriken usw., bezahlt aus dem Geld des Schmuggels, das somit automatisch gewaschen ist. Womit hat denn das bankrotte Land Pakistan 1997 die 40 Mirage 2004 von Frankreich gekauft, die in den Ministerien hinter vorgehaltener Hand scherzhaft „Opium-Mirages“ genannt werden? Mit Drogengeld, das auf diese Weise von selbst gewaschen ist.
„Heute betreffen die Geldwäsche und ihr Pendant, die Kriminalisierung des Politischen, nunmehr, via Globalisierung der Finanzflüsse, die Gesamtheit der Welt“, erklärte der Bericht das „Observatoire de la Géopolitique des Drogues“ im April 2000. Auf 260 Seiten werden darin die wirtschaftlichen und geopolitischen Verstrickungen fast des gesamten Planeten analysiert. Mit großem werbetechnischen Aufwand verkünden uns die Politiker, mittels der Medien, ununterbrochen neue Maßnahmen zur Verschärfung der Kampfes gegen die Geldwäsche und berichten uns von der Beschlagnahme einiger Millionen Dollar, während sich die Drogengelder auf hunderte Milliarden Dollar belaufen.
Die unterirdische Wirtschaft des Schmuggels vergiftet die Weltwirtschaft auf allen Ebenen. Man muß wissen, daß das Hauptvolumen an Drogengeld in den reichen Ländern, die kräftige Konsumenten sind, über den Straßendeal realisiert wird. Ein wichtiger Teil dieses Geldes wird vor Ort gewaschen. Die Dealer kaufen Bedarfsartikel ein, und auf diesen Konsum hebt der französische Staat 20% MWSt ein.
Ein anderer Teil geht in die Herkunftsländer der Dealer zurück, zu ihren Familien, die Artikel des täglichen Gebrauchs erstehen oder auch Investitionen tätigen. Gewaschenes Geld. Schließlich wird Drogengeld auch von den Waffenherstellern gewaschen, die alle Konflikte des Erdballs nähren.
Ein anderer unerwarteter Geldwäscher ist der von den USA beherrschte IWF, der die angenommenen Schmuggelerträge in die Rückzahlungsprogramme für die Schulden der Dritten Welt einberechnet. Zahlreiche unabhängige Wirtschaftswissenschaftler betrachten Drogengeld heute als eine Krücke für ein in Schwierigkeiten steckendes Wirtschaftssystem. Was man aber immer zu gern vergißt, ist, daß die hunderten Milliarden Drogendollars aus den Taschen der Unprivilegiertesten gezogen werden. Es handelt sich sozusagen um eine den Ärmsten aufgebürdete Steuer. Schließlich zieht mit der Prohibition die ganze Welt Profite, außer den Bevölkerungen.
In den USA z.B. raufen sich DEA (US-Drogenbehörde), CIA, FBI, Zoll, Küstenwache, Armee um einen Teil des Kriegsbudgets, einen Anteil proportional zu den erreichten Resultaten. Ende der 60er Jahre belief sich dieses Budget auf weniger als 10 Millionen Dollar. Heute übersteigt es 15 Milliarden, ist also 1.500 Mal höher.
Aber die Vorzüge der Prohibition sind für die Kapitalisten nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch politischer Natur. In allen Ländern, Frankreich nicht ausgenommen, spielt der Krieg gegen Drogen dieselbe Rolle wie der Krieg gegen den Terrorismus: Ein als Ganzes repressives Gesetz mit Ausnahmeregelungen. Es steht die Todesstrafe auf ein paar Gramm Drogen in China, Iran, Malaysia, Singapur, in Thailand und selbst in Russland. Der Krieg gegen Drogen dient als Vorwand für zahlreiche Regierungen, um politische Bewegungen zu unterdrücken. In Frankreich wird der Krieg gegen Drogen, über den Umweg der angenommenen, mit dem Dealen verbundenen Kriminalität gerechtfertigt, während zahlreiche unabhängige Beobachter darauf hinweisen, daß die Gewalt in den Satellitenstädten zumeist andere Ursachen hat. Es wurde eine Gesetzgebung errichtet, die im Widerspruch zu den Menschenrechten und zur französischen Verfassung steht. Die Prohibition ist für den Ultraliberalismus das vielleicht gefährlichste Werkzeug gegen die Demokratie, weil sie alle Eingriffe in die Demokratie mit dem Einverständnis der Bevölkerungen erlaubt, die man überzeugt hat, daß diese Politik ihren Interessen entspricht. So funktioniert das heute in Frankreich: Im Namen der Unsicherheit, bei der behauptet wird, der Drogenschmuggel spiele dabei eine Hauptrolle, haben die Regierungen ein repressives Ganzes hergestellt, das unsere Freiheiten, die Demokratie, zunichte macht. Und ein Großteil der Bevölkerung applaudiert. Wäre das ebenso, wenn sie dieselben Gesetze verabschieden würden, mit der Begründung, ihre eigenen Privilegien zu verteidigen?
Heute heißt gegen die Drogen-Prohibition zu kämpfen, auch für Demokratie, Freiheit und gegen die letzte Mutation des Kapitalismus kämpfen, gegen den Ultraliberalismus.
Combat: Was halten Sie von der Forderung, das Gesetz von 1970 abzuschaffen, von der Forderung nach einer Entkriminalisierung bzw. Legalisierung des Konsums bestimmter oder aller Drogen?
Robert Delanne: Das Gesetz von 1970 und die Hysterie der Antidrogen- und Antidrogenabhängigen-Kampagne hat eine wahre Hexenjagd nach sich gezogen, die dem Mittelalter um nichts nachsteht, bis in die Wortwahl hinein. Man hat eine Geißel erfunden, die nicht existierte: niemand weiß, daß es 1970 weniger Drogen-Anwender gab als 1935.
Das Gesetz von 1970 hat die Anwendung von Drogen dynamisiert, die Parallel-Wirtschaften, die Kriminalität, es hat das gesellschaftliche Klima vergiftet, die Steuerzahler viel Geld gekostet (und die Repression kostet sehr viel) und hunderttausende Jugendliche manchmal endgültig aus dem Gleichgewicht geworfen. Mehr als eine Million Jugendliche haben oft recht raue und manchmal hysterische Festnahmen erlitten, weil sie ein paar Joints geraucht hatten. Zehntausende wurden verurteilt. All das wegen eines Delikts, das durch dieses Gesetz von 1970 voll und ganz erfunden wurde – abgesehen davon, daß es gleichzeitig unserer Verfassung und der Menschenrechts-Charta widerspricht. Und Sie fragen mich, was ich von seiner Abschaffung halte? Jeder verantwortungsvolle Staatsbüger müßte auf die Straße gehen, um seine Abschaffung zu fordern, ja jeder Erdenbewohner, denn der Planet als Ganzer ist seit über drei Jahrhunderten vom Abszess Prohibition betroffen.
Also: entkriminalisieren oder legalisieren? Was entkriminalisieren? Den Konsum? Das würde heißen, daß die Konsumenten das Recht hätten, etwas zu konsumieren, das sie sich nur illegalerweise beschaffen können, d.h. sie würden de facto Komplizen eines Schmuggels, also Delinquenten. Schmuggel, Parallel-Ökonomien und alle Konsequenzen, über die wir gesprochen haben, gingen unvermindert weiter. Ich glaube also, daß man legalisieren muß. Aber Cannabis allein legalisieren und nicht die anderen Drogen? Absurd. Cannabis allein zu legalisieren hieße, die Frage aller anderen Drogen unangetastet lassen: Schmuggel, schmutziges Geld, Gesund­heits­ri­si­ken, Unsicherheit, Kriminalität, Korruption usw. Schlimmer noch: Das aus dem illegalen Cannabis gezogene Geldvolumen stellt einen wich­tigen Teil des gegenwärtigen Drogen-Schmug­gelgeldes. Ohne diese Einnahmen müßten die Schmuggler den Schmuggel mit anderen Drogen intensivieren. Die einzige Lösung ist die Legalisierung aller Drogen, mit einem echten Begleitprogramm. Aber vorher muß man darüber diskutieren, was den Regierungen seit 30 Jahren nicht recht ist. Sie verstecken sich hinter der UNO-Konvention, die 1961 auf Verlangen der Vereinigten Staaten verabschiedet worden war, und die jedem Mitgliedsstaat strikte Regeln für den Kampf gegen den Drogenschmuggel auferlegt. Der Artikel 46, Absatz 1 der Konvention, sieht jedoch vor, daß: „... jede Partei ... die vorliegende Konvention aufkündigen kann ...“, die Artikel 47 (“amendments“), 48 (“Meinungsverschiedenheiten“) und 49 (“vorläufige Vorbehalte“) bieten dem Mitgliedsland die Möglichkeit, sich der Zwänge der Konvention ganz oder teilweise zu entbinden.
Combat: Ein Bericht der Untersuchungskommission des Europäischen Parlaments über die Verbreitung der mit dem Drogenschmuggel in Verbindung stehenden organisierten Kriminalität vom 23 Arpil 1992, der niemals publiziert wurde, besagt: „Die Gesundheit der Konsumenten verbotener Drogen leidet nicht nur unter den Auswirkungen der konsumierten Substanzen, sondern auch unter der Situation der Illegalität, unter der sich der Markt entwickelt“. Der Bericht schätzt die Wirksamkeit der politischen Maßnahmen auf den Drogenschmuggel zwischen 5% und 15% ein. Er schlägt unter anderem vor, den „Konsum und den Mißbrauch von Suchtgiften vor allem als Frage der Gesundheit und des öffentlichen Wohlergehens“ zu betrachten, und nicht als „Frage für Polizei und Justiz“. Ist diese Debatte seit 1992 vorangekommen?
Robert Delanne: Ja, vor allem dank der Politik der Risikoverminderung, weil der Cannabiskonsum sich ausgebreitet hat und das Produkt entdiabolisiert hat, weil sich die Prohibition made in USA immer mehr als Fehlschlag erweist und weil die Repression nichts gelöst hat. Weil sie vor allem die kleinen Konsumenten und Dealer-Konsumenten trifft, stellt sich die Öffentlichkeit Fragen. Weil offizielle Organe wie der Nationale AIDS-Rat und die interministerielle Mission für den Kampf gegen die Drogen und die Drogenabhängigkeit begonnen haben, die Prohibition und die daraus resultierende polizeiliche Aktion anzuprangern, als Gefahr für die Gesundheit der Konsumenten und als bedeutendes Trägersystem für AIDS und Hepatitis C, aufgrund der Marginalisierung der Konsumenten, die so zu riskantem Verhalten gedrängt werden.
Leider lasten die 30 Jahre währenden hochdosierten Lügen der Politiker, von den Medien verstärkt, noch auf dem Geist von 70% der Franzosen, und auf diesem Gebiet besteht die Gefahr des sich gegenseitig Überbietens, um das jetzige repressive Ganze zu rechtfertigen. Wir laufen Gefahr, zur Antidrogen-Hysterie der 70er und 80er Jahre zurückzukehren. Man muß hinzufügen, daß der im April 1992 vorgelegte Antidrogen-Bericht, von dem Sie sprechen, nie publik gemacht wurde, weil er die prohibitionistische Politik in ihrer Gesamtheit verurteilt.
Combat: Wie stellen Sie sich vor, eine moralisierende Konzeption der öffentlichen Aktion zu vermeiden, ohne das Schicksal der einzelnen Personen zu übersehen (z.B. jenen, die psychotropische Produkte im Übermaß konsumieren)?
Robert Delanne: Die öffentliche Aktion hat keine Moral aufzustellen, was die Konsumenten betrifft, egal ob diese exzessiv konsumieren oder nicht. Sie darf die Konsumenten aber auch nicht übersehen. Wenn sie es verlangen, haben sie dieselben Rechte auf Behandlung wie jeder andere Staatsbürger auch. Drogenkonsum ist eine Lebensentscheidung. Sie ist Teil des Privatlebens und muß deshalb respektiert werden.
Ich möchte jedoch hinzufügen, daß Lebensentscheidungen sehr stark von der Umgebung abhängen: heute sind es die Prekarität, der Mangel an Perspektiven, oft das Elend, für die die Jugendlichen besonders sensibel sind. Sie sind die ersten Opfer des Hyper-Liberalismus. Und sie haben es sich nicht ausgesucht, es zu sein.
Und bei allem Respekt für die Wahl, mit Drogen zu leben, Vergnügen oder Flucht, stellt sich doch die Frage: Was tun, um solche Formen des Abdriftens zu vermeiden? Jedenfalls ist der Beweis erbracht, daß die Prohibition nicht die Lösung ist. Sie beschleunigt nur die Entwicklung des Schmuggels, d.h. des Angebots und der weltweiten Drogenabhängigkeit.