Auszüge aus dem Redebeitrag auf der Demo „Für die Freilassung von Mumia Abu-Jamal“ am 4.8.95 in Wien; ergänzt um aktuelle Infos
Nieder mit der Klassenjusitz!
Freiheit für Mumia Abu-Jamal!
Seit 17 Jahren sitzt der Revolutionär Mumia Abu-Jamal im Gefängnis. Sein Leben ist von der Todesstrafe bedroht. In diesen Tagen wieder verstärkt, nachdem eine Wiederaufnahme seines Verfahrens gescheitert ist. Die US-Klassenjustiz will Mumia unbedingt ermorden.
Trotz Verfahrensfehler, bestochener und bedrohter ZeugInnen, fehlendem Tatmotiv und Tatwaffe hält der Oberste Gerichtshof Pensylvenias an der Verurteilung Mumias fest. Mumias Leben hängt zum wiederholten Male von der Unterschrift des Gouverneurs von Pennsylvania ab.
Das erneute, rassistische Skandal-Urteil gegen einen afroamerikanischen Linken beweist zwar die Kumpanei zwischen Richtern, polizeilichen Institutionen und Politikern, die ihre Wiederwahlchancen maximieren wollen. Das geht im Falle Mumia Abu-Jamals seit 16 Jahren so, wie der Prozeß von 1982 und die Anhörung für ein Neuverfahren 1995 beweisen. Und doch steht es in einem größeren Zusammenhang. Hinrichtungen und Hinrichtungsverfahren in den USA haben sich beschleunigt, und Todesurteile in den US-Einzelstaaten können von Bundesrichtern, selbst wenn sie ausgesprochene Todesstrafengegner sind, nur noch mit Mühe revidiert werden. Konnte ein Bundesrichter das Verfahren in einem Kapitalverbrechen bisher ausschließlich auf der Basis des vorliegenden Tatbestands neu verhandeln und dabei neue Beweise hinzuziehen, so schränkte ein Gesetz namens „Antiterrorism and Effective Death Penalty Act“ nun den Spielraum von Verteidigern ein. US-Präsident Clinton unterschrieb es im April 1996. Nach den neuen „Habeas Corpus“-Regeln muß die Verteidigung zur Wiederaufnahme eines Verfahrens einen Bundesrichter davon überzeugen, daß das Gericht irrational handelte. Das Gesetz schränkt die Zahl von Berufungsmöglichkeiten ein und setzt dem Zeitraum, innerhalb dessen ein Todeszellen-Häftling Berufung einlegen darf, enge Grenzen.
Mumia Abu-Jamal wäre nach der Hinrichtung von Joe Hill, Sacco und Vanzetti (1927) und den Rosenbergs (1953) seit Jahrzehnten der erste politische Gefangene in den USA, der hingerichtet werden würde. Sein Hinrichtungstermin ist auf den 17. August dieses Jahres festgesetzt.
Anfang der 70er Jahre war Jamal Mitglied der Black Panthers Party in Philadelphia und wurde dort ihr Informationsminister. Später arbeitete er als freier Mitarbeiter für lokale und nationale Radiosender, die von Afro-Amerikanern betrieben wurden.
Ein Hauptgebiet seiner Tätigkeit war die Berichterstattung über Repression gegen die schwarze Bevölkerung. In Philadelphia zog sich Jamal den Haß des Bürgermeisters Frank Rizzo zu, als er über die Verfolgung von MOVE berichtete. MOVE war eine der Organisationen, die nach dem Zerfall der Black Panthers Party entstand. Obwohl Jamal nicht Mitglied von MOVE war, fühlte er sich dieser Gruppe verbunden.
Die Verfolgung von MOVE begann 1977. Nachdem Mitglieder der Organisation immer wieder bei Demonstrationen verhaftet und schwer mißhandelt worden waren – viele Schwangere verloren durch Polizeifolter ihre Kinder –, führte MOVE eine Kundgebung vor dem eigenen Haus in Philadelphia durch. Zehn Monate lang wurde daraufhin das Haus von der Polizei belagert, 50 Tage lang durften keine Lebensmittel, kein Wasser herbeigeschafft werden. Schließlich wurde das Haus gestürmt, geräumt und abgerissen.
1985 wurde ein Haus von MOVE ebenfalls belagert und von einem Polizeihubschrauber aus bombardiert. Als Ergebnis kamen bis auf zwei alle BewohnerInnen des Hauses ums Leben, ein Flächenbrand nach der Explosion vernichtete ein ganzes Stadviertel in Philadelphia. Gefangengenommene MOVE-Mitglieder erhielten Haftstrafen von jeweils 30 bis 100 Jahren.
Jamal berichtete u.a. über den Prozeß gegen neun MOVE-Mitglieder.
9. Dezember 1981: In der Innenstadt von Philadelphia werden einige Männer mit Dreadlocks von der Polizei angehalten. Einem der Männer, es ist Jamals Bruder Billy, wird eine „Verkehrswidrigkeit“ vorgeworfen. Es kommt zu einer Auseinandersetzung. Jamal, der die Szene aus einem Taxi beobachtet hat und sieht, wie die Angehaltenen traktiert werden, kommt hinzu. Darüber, was dann passiert, gibt es unterschiedliche Aussagen. Jedenfalls kommt es zu einer Prügelei, es fallen Schüsse, Jamal wird lebensgefährlich verletzt. Einer der Polizisten, Faulkner, stirbt, bevor er ärztlich versorgt werden kann.
Aus einem Brief Jamals: „Mein wahres Verbrechen scheint zu sein, daß ich den Angriff der Polizisten überlebt habe. Ich habe erlebt, daß die Sicherheitskräfte meine Mutter bedroht und das Geschäft meines Bruders angezündet haben – oder das zugelassen haben. Laut Pressemeldungen standen Polizisten um das Feuer und machten Späße. Nirgendwo habe ich darüber gelesen, wie ich getroffen wurde, wie eine Kugel sich ihren Weg kanpp an meiner Wirbelsäule vorbei gebahnt hat, dabei eine Rippe zerschmetterte, eine Niere aufschlitzte und fast mein Zwerchfell zerstört hätte. Nirgendwo stand etwas davon, daß die Kugel meine Lunge durchlöcherte und sie mit Blut füllte. Kein Wort davon, daß mich die Polizisten in einer Blutlache fanden, unfähig zu atmen, und dann anfingen, mich zu boxen, zu treten, auf mir herumzutrampeln. Und mir keine Fragen zu stellen.
Um nicht zu früh aufzuhören: Wer war Zeuge, als ich aus der Grünen Minna gezogen wurde und man mich drei Fuß tief auf den kalten, harten Boden fallen ließ? Als ich nach der Operation erwachte, war mein Bauch von oben bis unten aufgeschlitzt. Allen, die es gewagt haben, die offizielle Version zu hinterfragen, ist damit gedroht worden, daß sie ihre Jobs verlieren. Einige sind sogar mit dem Tod bedroht worden. Wem können wir Vorwürfe machen? Ausschließlich uns selbst. Weil wir es erdulden und zulassen, daß das alles passiert. Wir sind immer noch gefangen in der sklavischen Mentalität der vergangenen Jahrhunderte, weil wir uns mehr um den Unterdrücker sorgen als um uns selbst.“
Am 3. Juli 1982 wird Jamal wegen Mordes an dem Polizisten Faulkner zum Tod verurteilt. Im Prozeß hatte Jamal sich nicht selbst verteidigen dürfen, zum Teil durfte er keine Zeugen befragen. Belastungszeugen widerriefen frühere Aussagen, wurden erpreßt, die Suche nach einer unbekannten Person, die von einer Zeugin am Tatort gesehen wurde, wurde gar nicht erst gestartet, Mumia konnte an der Auswahl der Geschworenen nicht teilnehmen – prompt gab es nur einen schwarzen Geschworenen und gleich zwei der elf anderen, weißen Geschworenen wurden Verbindungen zur Polizei nachgewiesen.
Begründet wurde die Forderung nach der Todesstrafe damit, daß „der Angeklagte schon damals plante, einen Polizisten umzubringen“. Das behauptete der Staatsanwalt, indem er sich auf Bemerkungen bezog, die Jamal ungefähr zehn, elf Jahre vorher als Mitglied der Black Panther gemacht habe. Mumia Abu-Jamal meint dazu: „Welche Bemerkungen waren das? Gefährliche, bedrohliche Sätze, wie ‚Alle Macht dem Volk‘. Bedrohlich für eine System, das entschlossen ist, den Menschen grundlegende Rechte zu verweigern. Und ‚politische Macht wächst aus den Gewehrläufen‘ – welche Argumente kann eine Nation gegen dieses Sprichwort vorbringen, die die Massaker von Wounded Knee verursacht hat, und die das Haus von MOVE im Mai 1985 aus der Luft zerstörte?“
1995 konnten massive weltweite Proteste die Ermordung Mumias verhindern. 1999 werden wir um Mumias Leben kämpfen. Am 24.April werden nicht nur in Wien, sondern rund um den Globus Demos für die Revolution und Mumia´s Leben abgehalten werden.