GRA - http://gra.net.tf/, http://archiv.vienna.at/pubs/redaktion/wirtschaft/news-109008.shtm, derstandard.at
Streik bei Veloce
„Veloce ist der bekannteste Fahrradbotendienst (Wiens). Weil wir die meisten Aufträge bekommen und faire Preise haben, sind die Verdienstmöglichkeiten für Fahrradboten bei Veloce am besten. (…) In Frauenzeitschriften wurde anerkennend über das attraktive Äußere der knackigen Veloce-Radler geschrieben. (…) Die Veloce-Fahrradboten mit ihren gelben Rucksäcken sind ein fixer Bestandteil des Wiener Stadtbildes und ein Synonym für vif-Sein, flink-Sein, fitt-Sein.“ So beschreibt das Unternehmen selbst „seine“ FahrerInnen.
Der Fahrradbotendienst (auch andere Transportmöglichkeiten werden angeboten) Veloce in Wien beschäftigt nach eigener Auskunft ca. 100 RadfahrerInnen. Am 25.3.2004 kam es bei Veloce zu einem dreistündigen Warnstreik. Veloce ist bekannt für seine harte Haltung gegenüber allen Versuchen der Belegschaft, sich zu organisieren. Das zeigte sich bereits, als ein Betriebsrat für die Angestellten gegründet wurde. Die FahrerInnen sind allerdings alle prekär beschäftigt, sie sind rechtlich gesehen „freie Unternehmer“ und daher in einer viel schwierigeren Lage, sowohl was die finanzielle Absicherung betrifft – wer nicht angestellt ist, braucht auch nicht gekündigt werden, sondern erhält einfach keine Aufträge mehr – als auch was die Frage der Organisierung betrifft.
Der Auslöser für den Warnstreik war eine Preiserhöhung. Das Unternehmen gab deutlich weniger Anteil an dieser Preiserhöhung an die FahrerInnen weiter. Anders gesagt, die Ausbeutungsbedingungen wurden verschärft. Und die Arbeitsbedingungen für Fahrradboten bei Veloce sind sowieso keine guten: Die FahrerInnen müssen ihre Produktionsmittel selbst beisteuern. Das betrifft nicht nur das Fahrrad. Die gelben Jacken und Taschen mit Firmenlogo sind sozusagen Pflichtuniform und müssen direkt vom Unternehmen erworben werden. Damit werden die Nicht-Angestellten noch zu WerbeträgerInnen degradiert. Weiters gibt es Abzüge vom „Lohn“, der mit wochenlanger Verspätung ausbezahlt wird. Neben einer verpflichtenden Transportversicherung, deren Vertragsinhalt den FahrerInnen allerdings nie bekannt gegeben wurde, behält Veloce auch noch eine sogenannte „Bearbeitungsgebühr“ für die Auszahlung der Honorare ein.
Die KollegInnen von Veloce haben also jede Menge gute Gründe für einen Arbeitskampf. Ihre Forderungen lauteten: Offenlegung der Versicherungsverträge, größerer Anteil der FahrerInnen an den Mehreinnahmen durch die Preiserhöhungen, Angleichung der Gehälter von AnfängerInnen an die der bereits länger Beschäftigten, Bezahlung der Gehälter zu Monatsbeginn, Rückerstattung von Handyrechnungen für Gespräche mit dem Unternehmen. Die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) unterstützte den Streik, Vorsitzender Hans Sallmutter erschien sogar persönlich bei einer Streikversammlung.
Der Warnstreik brachte allerdings nicht mehr als Gespräche zwischen den Streikenden und Geschäftsführer Paul Brandstätter („Brandstifter“ genannt). Diese Gespräche führten zu keinerlei positivem Ergebnis für die FahrerInnen, weshalb am 1. April wiederum gestreikt wurde, diesmal für fünf Stunden und mit gewerkschaftlicher Unterstützung (Streikgeld).
Inzwischen hatten die Veloce-FahrerInnen einen Aushang mit einem Aufruf zu einer Betriebsratswahl ausgehändigt. Dieser wurde von Brandstätter mehrmals entfernt, worauf die Belegschaft mit einer Anzeige wegen Urkundenunterdrückung reagierte: ein derartiger Aushang gilt als amtliches Dokument.
Ab 19. April schließlich eskalierte die Auseinandersetzung. Zuerst wurde Streiksprecher Manfred Egger, am 20. April dann ca. 25 weitere FahrerInnen „gekündigt“. Die FahrerInnen reagierten mit einem weiteren, unbefristeten Streik. Für den 27.4. organisierten sie eine Demonstration mit „Radniederlegung“ vor dem Wirtschaftsministerium, eine Radlerdemo um den Ring und anschließend zur Veloce-Zentrale am Rennweg im 3. Bezirk. Geschäftsführer Brandstätter ließ sich dort nicht blicken. Laut GPA sind derzeit nur noch vier Fahrradboten für das Unternehmen tätig, während Brandstätter von „30 bis 40“ FahrerInnen spricht. Die ÖH-Jobbörse, bei der Veloce versuchte, neue FahrerInnen zu keilen, hat aus Solidarität mit den Streikenden das Inserat entfernt.
Der Streik bei Veloce ist vor allem deshalb wichtig, weil hier Menschen einen Arbeitskampf führen, die bereits aufgrund ihres arbeitsrechtlichen Status zu den schlechtestgestellten Werktätigen zählen. Für Prekarisierte, heutzutage „Ich-AG“, „neue Selbständige“ und so weiter umschrieben, gelten kaum Arbeitsrechte. Sie haben kein Recht, sich betriebsrätlich zu organisieren, es gibt keine Schranken bezüglich Kündigung und kein Gehalt. Die Bezahlung erfolgt nach dem Akkordsystem: nur die Arbeitsleistung wird bezahlt, nicht die Arbeitszeit. Aber wer zu langsam ist, der erhält natürlich auch keine Aufträge mehr. Von einem 13. und 14. Gehalt, wie es in Österreich bei Angestellten üblich ist, können Prekarisierte nur träumen, ebenso von einem Krankenstand (dabei sind gerade BotenfahrerInnen extrem unfallgefährdet) oder gar einem bezahlten Urlaub.
Während also Unternehmen wie Veloce mit einem „umweltfreundlichen“ (RadfahrerInnen hinterlassen keine giftigen Abgase) und „alternativen“ (die „Veloce-Familie“) Image werben, verhält sich der Betrieb stinknormal kapitalistisch: wer zu „vif“ ist, fliegt raus!
Streik bei Veloce
„Veloce ist der bekannteste Fahrradbotendienst (Wiens). Weil wir die meisten Aufträge bekommen und faire Preise haben, sind die Verdienstmöglichkeiten für Fahrradboten bei Veloce am besten. (…) In Frauenzeitschriften wurde anerkennend über das attraktive Äußere der knackigen Veloce-Radler geschrieben. (…) Die Veloce-Fahrradboten mit ihren gelben Rucksäcken sind ein fixer Bestandteil des Wiener Stadtbildes und ein Synonym für vif-Sein, flink-Sein, fitt-Sein.“ So beschreibt das Unternehmen selbst „seine“ FahrerInnen.
Der Fahrradbotendienst (auch andere Transportmöglichkeiten werden angeboten) Veloce in Wien beschäftigt nach eigener Auskunft ca. 100 RadfahrerInnen. Am 25.3.2004 kam es bei Veloce zu einem dreistündigen Warnstreik. Veloce ist bekannt für seine harte Haltung gegenüber allen Versuchen der Belegschaft, sich zu organisieren. Das zeigte sich bereits, als ein Betriebsrat für die Angestellten gegründet wurde. Die FahrerInnen sind allerdings alle prekär beschäftigt, sie sind rechtlich gesehen „freie Unternehmer“ und daher in einer viel schwierigeren Lage, sowohl was die finanzielle Absicherung betrifft – wer nicht angestellt ist, braucht auch nicht gekündigt werden, sondern erhält einfach keine Aufträge mehr – als auch was die Frage der Organisierung betrifft.
Der Auslöser für den Warnstreik war eine Preiserhöhung. Das Unternehmen gab deutlich weniger Anteil an dieser Preiserhöhung an die FahrerInnen weiter. Anders gesagt, die Ausbeutungsbedingungen wurden verschärft. Und die Arbeitsbedingungen für Fahrradboten bei Veloce sind sowieso keine guten: Die FahrerInnen müssen ihre Produktionsmittel selbst beisteuern. Das betrifft nicht nur das Fahrrad. Die gelben Jacken und Taschen mit Firmenlogo sind sozusagen Pflichtuniform und müssen direkt vom Unternehmen erworben werden. Damit werden die Nicht-Angestellten noch zu WerbeträgerInnen degradiert. Weiters gibt es Abzüge vom „Lohn“, der mit wochenlanger Verspätung ausbezahlt wird. Neben einer verpflichtenden Transportversicherung, deren Vertragsinhalt den FahrerInnen allerdings nie bekannt gegeben wurde, behält Veloce auch noch eine sogenannte „Bearbeitungsgebühr“ für die Auszahlung der Honorare ein.
Die KollegInnen von Veloce haben also jede Menge gute Gründe für einen Arbeitskampf. Ihre Forderungen lauteten: Offenlegung der Versicherungsverträge, größerer Anteil der FahrerInnen an den Mehreinnahmen durch die Preiserhöhungen, Angleichung der Gehälter von AnfängerInnen an die der bereits länger Beschäftigten, Bezahlung der Gehälter zu Monatsbeginn, Rückerstattung von Handyrechnungen für Gespräche mit dem Unternehmen. Die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) unterstützte den Streik, Vorsitzender Hans Sallmutter erschien sogar persönlich bei einer Streikversammlung.
Der Warnstreik brachte allerdings nicht mehr als Gespräche zwischen den Streikenden und Geschäftsführer Paul Brandstätter („Brandstifter“ genannt). Diese Gespräche führten zu keinerlei positivem Ergebnis für die FahrerInnen, weshalb am 1. April wiederum gestreikt wurde, diesmal für fünf Stunden und mit gewerkschaftlicher Unterstützung (Streikgeld).
Inzwischen hatten die Veloce-FahrerInnen einen Aushang mit einem Aufruf zu einer Betriebsratswahl ausgehändigt. Dieser wurde von Brandstätter mehrmals entfernt, worauf die Belegschaft mit einer Anzeige wegen Urkundenunterdrückung reagierte: ein derartiger Aushang gilt als amtliches Dokument.
Ab 19. April schließlich eskalierte die Auseinandersetzung. Zuerst wurde Streiksprecher Manfred Egger, am 20. April dann ca. 25 weitere FahrerInnen „gekündigt“. Die FahrerInnen reagierten mit einem weiteren, unbefristeten Streik. Für den 27.4. organisierten sie eine Demonstration mit „Radniederlegung“ vor dem Wirtschaftsministerium, eine Radlerdemo um den Ring und anschließend zur Veloce-Zentrale am Rennweg im 3. Bezirk. Geschäftsführer Brandstätter ließ sich dort nicht blicken. Laut GPA sind derzeit nur noch vier Fahrradboten für das Unternehmen tätig, während Brandstätter von „30 bis 40“ FahrerInnen spricht. Die ÖH-Jobbörse, bei der Veloce versuchte, neue FahrerInnen zu keilen, hat aus Solidarität mit den Streikenden das Inserat entfernt.
Der Streik bei Veloce ist vor allem deshalb wichtig, weil hier Menschen einen Arbeitskampf führen, die bereits aufgrund ihres arbeitsrechtlichen Status zu den schlechtestgestellten Werktätigen zählen. Für Prekarisierte, heutzutage „Ich-AG“, „neue Selbständige“ und so weiter umschrieben, gelten kaum Arbeitsrechte. Sie haben kein Recht, sich betriebsrätlich zu organisieren, es gibt keine Schranken bezüglich Kündigung und kein Gehalt. Die Bezahlung erfolgt nach dem Akkordsystem: nur die Arbeitsleistung wird bezahlt, nicht die Arbeitszeit. Aber wer zu langsam ist, der erhält natürlich auch keine Aufträge mehr. Von einem 13. und 14. Gehalt, wie es in Österreich bei Angestellten üblich ist, können Prekarisierte nur träumen, ebenso von einem Krankenstand (dabei sind gerade BotenfahrerInnen extrem unfallgefährdet) oder gar einem bezahlten Urlaub.
Während also Unternehmen wie Veloce mit einem „umweltfreundlichen“ (RadfahrerInnen hinterlassen keine giftigen Abgase) und „alternativen“ (die „Veloce-Familie“) Image werben, verhält sich der Betrieb stinknormal kapitalistisch: wer zu „vif“ ist, fliegt raus!