http://abahlali.org/node/7187, 25.7.2010, S’bu Zikode, Zodwa Nsibande
Lebenslänglich in den Baracken
Menschen aus ganz Südafrika haben die FührerInnen von Abahlali baseMjondolo gefragt, warum die Regierung weiterhin die Bedürfnisse der BarackenbewohnerInnen ignoriert. Sie haben gefragt, warum nach den Märschen, den Statements, den Berichten und den Treffen die Kennedy Road-Siedlung weiterhin durch endlose Feuer in der Barackensiedlung niedergebrannt wird. Sie haben sich dabei vor allem auf das letzte Feuer in Kennedy Road am 4. Juli 2010 bezogen, das vier Menschenleben forderte und mehr als 3.000 Menschen vertrieben und obdachlos machte.
Ohne diese anhaltende Tragödie weiter zu erläutern, haben wir geantwortet, dass die BarackenbewohnerInnen von Südafrika tatsächlich eine lebenslängliche Strafe verbüssen. JedeR weiß, dass wir diejenigen sind, die in dieser Gesellschaft nicht zählen. Aber die Wahrheit, der ins Gesicht gesehen werden muss, ist, dass wir zum permanenten Ausschluss aus dieser Gesellschaft verurteilt wurden.
Im Laufe der Jahre wurde klar, dass die Städte nicht für uns da sind, dass die guten Schulen nicht für uns da sind und dass sogar die Befriedigung der dringendsten menschlichen Bedürfnisse wie Toiletten, Strom, Sicherheit vor Feuer und Sicherheit vor Verbrechen uns nicht zugestanden wird. Wenn wir um diese Dinge anfragen, werden wir als unverschämt, zu fordernd und sogar als Bedrohung für die Gesellschaft dargestellt. Würden wir als Menschen betrachtet, die zählen, als gleichwertiger Teil der Gesellschaft, dann wäre offensichtlich, dass die echte Bedrohung unserer Gesellschaft darin besteht, dass wir im Dreck und Feuer leben müssen, ohne Toiletten, Strom, ohne ausreichende Kanalisation und ohne Würde.
Das Warten auf ‘Lieferungen’ wird uns nicht aus unserer lebenslänglichen Haft befreien. Manchmal kommt die ‚Lieferung’ nicht. Wenn die ‚Lieferung’ kommt, verschlimmert sie die Situation oft noch, indem wir in regierungseigene Baracken verfrachtet werden, die schlimmer sind als die Baracken, die wir selbst errichtet haben, und die menschliche Müllhaufen außerhalb der Städte sind. ‚Lieferung’ kann ein Weg sein, unseren Ausschluss aus der Gesellschaft offiziell zu machen.
Aber wir wurden nicht nur zum permanenten physischen Ausschluss aus der Gesellschaft und ihren Städten, Schulen, ihrem Strom, ihrer Abfallentsorgung und ihrer Kanalisation verurteilt. Unser Lebenslänglich hat uns auch aus Diskussionen ausgeschlossen, die in der Gesellschaft stattfinden. JedeR weiß Bescheid über die staatliche Repression und nun auch über die Repression durch die herrschende Partei, mit der wir konfrontiert sind. JedeR weiß Bescheid über die Jahre an Haftstrafen und die Schläge durch die Polizei, unter denen wir leiden, und dann noch über den Angriff auf unsere Bewegung in der Kennedy Road-Siedlung.
Wir haben immer gesagt, dass unser tatsächliches Verbrechen in den Augen des Staates und der herrschenden Partei war, dass wir die Armen außerhalb ihrer Kontrolle organisiert und mobilisiert haben. Wir haben für uns selbst gedacht, alle wichtigen Punkte für uns selbst diskutiert und die Entscheidungen zu allen wichtigen Punkten, die uns betreffen, selbst getroffen. Wir haben verlangt, dass der Staat uns in die Gesellschaft einschließt und uns gibt, was wir für ein würdevolles und sicheres Leben brauchen. Wir haben auch getan, was wir konnten, um unsere communities zu besseren Orten für menschliche Wesen zu machen. Wir haben Kinderkrippen geführt, Aufräumungskampagnen organisiert, Menschen an Wasser und Strom angeschlossen, versucht, unsere communities sicher zu machen und sehr hart daran gearbeitet, die Menschen über alle Spaltungen hinweg zu vereinen. Wir haben uns vielen Herausforderungen gegenüber gesehen, aber wir haben immer daran gearbeitet sicher zu stellen, dass wir einander bei all dieser Arbeit mit Respekt und Würde gegenübertreten.
Die Selbstorganisierung der Armen durch die Armen und für die Armen hat bedeutet, dass alle, die die Denkarbeit, die Diskussionen und die Entscheidungsfindung zu unseren Belangen – für uns, aber ohne uns – keinen Job mehr hatten. Unsere Entscheidung, unsere Zukunft selbst aufzubauen, mag daher für diejenigen, die nicht mehr Entscheidungen treffen und für uns, aber ohne uns sprechen können, nicht leicht zu akzeptieren sein. Einige der Leute, die sich geweigert haben, unsere Forderung zu akzeptieren, dass diejenigen, die sagen, sie sind für die Armen, mit den Armen und nicht für die Armen kämpfen sollen, sitzen im Staatsapparat. Einige in der Partei. Einige sind in dem Teil der Linken, oft auf den Universitäten und in den NGOs, der sich selbst als fortschrittlichere Elite betrachtet als diejenigen in der Partei und im Staatsapparat und der darauf abzielt, deren Platz im Namen unseres Leids und unserer Kämpfe einzunehmen.
Das nennen wir eine rückschrittliche Linke. Für uns ist jede Linke außerhalb des Staates, die – genau wie die herrschende Partei – Gefolgsleute möchte und keine GenossInnen und die darauf festgelegt ist, jede Politik, die sie nicht beherrschen kann, zu zerstören, völlig rückschrittlich. Wir haben immer jedem Versuch widerstanden, unsere Loyalität zu kaufen, genauso wie wir immer allen Versuchen des Staates und der herrschenden Partei widerstanden haben, unsere Loyalität zu kaufen. Und so wird es weiterhin sein. Wir werden auch allen Versuchen, uns einzuschüchtern, indem wir unsere Autonomie aufgeben, widerstehen. Wir werden unsere GenossInnen immer verteidigen, wenn sie angegriffen werden. Unsere Bewegung wird immer ihren Mitgliedern gehören. Wir verhandeln über viele Punkte. Wo wir Kompromisse eingehen müssen, um weiter zu kommen, machen wir das manchmal auch. Aber über diesen Punkt wird es niemals irgendeine Verhandlung geben.
Wir haben viel für und durch uns selbst gemacht. Aber lange Zeit gelang es uns nicht, uns selbst gutes Land und anständigen Wohnraum in den Städten zu sichern. Wir haben die Räumungen gestoppt und sind nicht mehr zurückgewichen, aber es war in Wirklichkeit ein Kampf, um weiter zu kommen. Aber wir machten weiter Druck und hier und dort verschafften wir uns kleine Vorteile. Das hat die Autoritäten in der Partei echt verärgert. Das wurde ganz offensichtlich, als die Provinzregierung von KwaZulu-Natal das berüchtigte Slum-Gesetz erließ, das bedeutet, dass die BarackenbewohnerInnen niemals wieder irgendeinen Platz in unseren Städten erhalten werden. Unsere erfolgreiche Bekämpfung des Slum-Gesetzes vor dem Obersten Gericht im Land war ein schlimmer Rückschlag für die Regierungspläne, unser Lebenslänglich offiziell zu machen, indem unsere Siedlungen ausgelöscht werden und wir auf menschliche Müllhaufen geworfen werden. Das Abkommen, das wir mit der Gemeinde eThekwini geschlossen haben, unsere Siedlungen zu verbessern und die grundlegenden Dienstleistungen für vierzehn Siedlungen zu gewährleisten, war ein weiterer Rückschlag für das von den Politikern verfochtene Programm der Auslöschung. Die Ankündigung der Gemeinde eThekwini in letzter Zeit, dass sie unseren Forderungen nachgeben wird und den Siedlungen quer durch die Stadt Dienstleistungen zur Verfügung stellen wird, darunter das erste Mal seit 2001 auch Strom, ist ein weiterer Sieg unserer Kampfes und ein weiterer großer Rückschlag für die Auslöschungspläne. Langsam, aber sicher vereiteln wir den Auslöschungsplan.
Als Südafrika die Weltmeisterschaft veranstaltet hat, hat Abahlali gewarnt, dass diese nicht den Ärmsten der Armen im Land zugute kommen wird. Wir warnten, dass sie die Armen ärmer und noch verwundbarer machen würde. In der Vorbereitungsphase der Weltmeisterschaft gab es mehr Räumungen gerichtsanhängige Verfahren in verschiedenen Teilen des Landes. Hab und Gut armer StraßenhändlerInnen wurde beschlagnahmt, weil sie keine Genehmigungen zum Verkauf in den Sperrgebieten hatten, und die Taxiindustrie litt unter Beschlagnahme ihrer Autos. Das Aufwerfen all dieser Fragen und die Verurteilung dieser Angriffe auf die Armen als unmoralisch und illegitim, das die Feiern zur Weltmeisterschaft stoppte, war ein Schlag ins Gesicht der Behörden. Obwohl es eine Tatsache ist, dass die Stadien, Hotels und anderen Projekte von den Ärmsten der Armen gebaut wurden, hatten diese nichts davon. Die südafrikanische Regierung hat ihr Budget durch die Errichtung eines ‚Weltklasselandes’ überzogen und konnte wegen diesem Aufwand die sozialen Bedürfnisse wie Wohnen und grundlegende Dienstleistungen nicht befriedigen. Mit dem, was für die Weltmeisterschaft ausgegeben wurde, hätten mindestens Wohnungen für eine Million Arme errichtet werden können. Obwohl wir die Anstrengungen, die für diesen Event unternommen wurden, anerkennen, spüren wir immer noch, dass solche Anstrengungen dazu genutzt hätten werden können, den Armen grundlegende Dienstleistungen und Infrastruktur zu bringen. Wäre das der Fall gewesen, wären die BarackenbewohnerInnen nicht mehr den ständigen Feuern ausgesetzt.
Die Wahrheit über den Angriff auf unsere Bewegung war immer die gleiche, da gab es keine Änderungen. Wir können nicht öffentliche Kommentare über laufende Verfahren abgeben, aber unsere Forderung nach einer unabhängigen Untersuchungskomission, die die gesamte Geschichte ans Tageslicht bringt, ist weiterhin aufrecht. Die Kennedy 5, die Teil derjenigen sind, die bereits ihr Lebenlänglich in- und außerhalb der Gefängnisse absitzen, wurden nun aus dem Westville-Gefängnis entlassen. Sie saßen bereits zehn Monate ihrer Strafe ohne jeglichen Beweis ihrer Schuld ab, wurden vor Gericht gebracht, ohne dass das Gericht irgendetwas zu ihrer illegalen Inhaftnahme äußerte. Die südafrikanische Verfassung sagt, dass es keine Haft ohne Verhandlung geben darf und dass niemand länger als 24 Stunden in Haft genommen werden darf ohne eine ordentliche Anhörung wegen einer Kaution. Die Tatsache, dass bis zur Entlassung der Kennedy 5 dieses Verfahren als ein politisches Verfahren außerhalb des Gesetzes geführt wurde, obwohl es in einem Gerichtsgebäude stattgefunden hat, lehrt uns einiges, sehr Wichtiges über die Position der Armen im post-Apartheid-Südafrika. Diejenigen, die uns ein Lebenslänglich ausgestellt haben, möchten uns immer von einem fairen und gleichen Zugang zu Gericht und den Gesetzen ausschließen. Wenn ihnen das nicht dadurch gelingt, dass sie das Rechtssystem zur Ware machen, dann sind sie gewillt, aktiv das System von oben herab zu unterminieren.
Die Bewegung besteht darauf, dass die Menschen regieren sollen; das sagt die berühmte Freiheitscharta (des ANC) aus. Abahlali hält sich daran. Die Stärke und die Autonomie der Bewegung zwingt uns alle dazu, uns um eine gerechte Welt zu bemühen, eine Welt, die frei ist, eine Welt, die fair ist und eine Welt, die sich um all ihre Geschöpfe kümmert. Wir sind weiterhin überzeugt davon, dass das Land und der Wohlstand dieser Welt gerecht und gleich geteilt werden müssen. Wir sind weiterhin überzeugt davon, dass alle Menschen dieser Welt das gleiche Recht haben, zu Diskussionen und Entscheidungen, die ihre eigene Zukunft betreffen, beizutragen. Damit wir erfolgreich sind, müssen wir alle bescheiden bleiben, in dem, von dem wir glauben, dass es stimmt. Wir müssen all unseren Kerkermeistern widerstehen, seien es die staatlichen, die der Partei oder der rückschrittlichen Linken, und unseren Platz als Gleiche bei allen Diskussionen einnehmen.
Wir wissen auch, dass die südafrikanische Regierung immer noch in den Augen der Weltöffentlichkeit gut dastehen möchte, und dass sie Blamage und Schande fürchtet. Sie möchten der Welt die Stadt der Weltmeisterschaft zeigen, aber eTwatwa, Blikkiesdorp, das Westville-Gefängnis, die roten Ameisen und die Barackenfeuer im Land vor ihr verstecken. Wir möchten allen internationalen AktivistInnen und Organisationen, die ihre Besorgnis gegenüber der Repression, der wir ausgesetzt sind, geäußert haben, danken, auch denjenigen, die Proteste gegenüber südafrikanischen DiplomatInnen in ihren eigenen Ländern durchgeführt haben.
Wir hoffen, dass Südafrika eines der fürsorglichsten Länder der Welt wird. Wir hoffen, dass unsere Gesellschaft eines Tages mehr eine Bereicherung als ein Schock für euch sein wird. Als Abahlali haben wir uns selbst dazu verpflichtet, dieses Ziel zu erreichen. Aber gerade jetzt sitzen wir ein Lebenslänglich ab und bekämpfen alle, die versuchen, uns in unserer Armut gefangen zu halten, alle, die fordern, dass wir unseren Platz kennen sollen – unseren Platz in den Städten und unseren Platz in den Diskussionen. Wir haben unsere eigene Menschlichkeit und die Kraft unseres Kampfes, unsere volle Anerkennung unserer Menschenwürde anzuerkennen, kennengelernt. Deshalb bleiben wir der Weigerung, unseren Platz zu kennen, verpflichtet.
Zusammengestellt von Zodwa Nsibande und S’bu Zikode – Bewegung Abahlali baseMjondolo Südafrika.