Info-Verteiler: Zusammenstellung, kursive Textstellen und Übersetzungen aus dem Englischen, so nicht anders angegeben
Power To The Poor
Nach dem Ende der Apartheid sowie der Verleihung des Friedensnobelpreises an Nelson Mandela (er erhielt diese Auszeichnung gemeinsam mit Willem de Klerk, dem letzten Präsidenten des Apartheid-Regimes) ist Südafrika aus dem Blick geraten. 1994 wurde Mandela Präsident Südafrikas, 1999 legte er das Amt zurück.
Der ANC (African National Congress) verwandelte sich von einer Befreiungsbewegung in eine politische Partei. Dieser Schritt bedeutet nicht nur den Verzicht auf den bewaffneten Kampf. Der ANC hat zum Teil die Rolle der National Party, der Partei, die jahrzehntelang für das Funktionieren der kapitalistischen Verwertung zuständig war, übernommen. Er vertritt längst nicht mehr „die AfrikanerInnen“ gegen „die Buren“, sondern sorgt für die Aufrechterhaltung des Systems der Ausbeutung.
Damit gerät er zunehmend in Widerspruch zu Bevölkerungsteilen, auf die er sich früher gestützt hat. Denn immer noch sind die „Schwarzen“, die „Farbigen“ die diejenigen, die unter den miserabelsten Bedingungen leben müssen. Am Beispiel der Bewegung der Armen ist diese Entwicklung nachvollziehbar: Wie verhält sich ein ANC-Stadtrat, wenn die Banken auf der Rückzahlung von Kreditraten für Wohnhäuser bestehen, die sich die arme Bevölkerung in den townships wegen der extrem hohen Arbeitslosigkeit nicht leisten kann? Die Antwort des ANC lautet: Räumt die Häuser.
Demnächst findet in Südafrika die Fußball-Weltmeisterschaft statt, damit verschärfen sich die Konflikte. Die Welt blickt auf Südafrika, und sie soll die Armut nicht sehen. Deshalb werden seit Monaten zehntausende aus den Barackensiedlungen in den großen Städten vertrieben. Sie finden sich in „Übergangslagern“ weit außerhalb der Zentren wieder, die keinerlei Überlebensmöglichkeit bieten.
Wenn die ehemalige Befreiungsbewegung ihre ehemalige Basis fallen lässt, dann müssen die Menschen neue Formen der Selbsthilfe entwickeln. Und das tun sie in Südafrika auch. Seit 1999 verfolgt die südafrikanische Regierung eine neoliberale Politik, die sich in der völligen Privatisierung von Wohnraum, Wasser-, Elektrizitäts- und Gesundheitsversorgung sowie eingeschränktem Zugang zur Bildung zeigt. Dagegen haben sich neue Bewegungen der Betroffenen entwickelt.
Diese Bewegungen entstanden vor allem in den townships, den Barackensiedlungen, in denen die Ärmsten der Armen leben. Sie setzen auf Selbstorganisierung und lehnen die Vertretung durch Parteien, NGOs und andere selbsternannte „HelferInnen“ ab. Sie organisieren das tägliche Überleben in ihren communities, schaffen Bildungseinrichtungen, verhindern die Räumungen von Häusern und stellen wegen nichtbezahlter Rechnungen gekappte Wasser- und Stromanschlüsse wieder her. Und vor allem versuchen sie, die BewohnerInnen zur Selbstaktitvität zu ermuntern, indem sie die Verwaltung ihrer Viertel selbst organisieren.
Wie aus den Berichten sichtbar wird, funktioniert diese Form der Selbstverwaltung so gut, dass sie von den Behörden und den Parteien (allen voran dem ANC, der um seinen Einfluss in den Vierteln fürchtet) heftig bekämpft wird. Denn wenn die Menschen erst einmal lernen, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen, brauchen sie keine VertreterInnen mehr.
Wir stellen hier zwei Bewegungen vor, die Anti Eviction-Campaign (AEC) in Kapstadt und Abahlali baseMjondolo in Durban. Beide sind Teil des Netzwerkes Allianz der Armen. Sie können auf eine lange Tradition von Widerstand zurückgreifen – und wir können viel von ihnen lernen.
Im Schatten des Tafelberges1
So lautet der Titel einer aktuellen Video-Dokumentation von DokWerk2. Er erzählt die Geschichten einiger township-BewohnerInnen. Zoliswa, alleinerziehende Mutter, sucht eine zweite Stelle als Hausangestellte, weil sie mit einem Job nicht über die Runden kommt. Sie landet in einem weißen Haushalt, in dem sie für ihre Arbeit 12 Euro täglich erhalten wird. Arnold arbeitet bei einer Sicherheitsfirma, er bewacht nachts ein mit Drahtzaun gesichertes Wohnviertel von Weißen. Sein Traum von Karriere heißt, die Prüfung zum bewaffneten Wachmann zu schaffen, denn damit erhöhen sich seine Chancen am Arbeitsmarkt.
Im Herbst 2009 wird eine Armensiedlung an der Straße vom Flughafen ins Zentrum von Kapstadt geräumt. Offensichtlich passt sie nicht in das gewünschte Bild, das sich BesucherInnen der Fußball-WM von Südafrika machen sollen. Die BewohnerInnen errichten daraufhin mangels Wohnmöglichkeiten Verschläge entlang der Straße.
Ashraf und Mne sind zwei Aktivisten der AEC, sie veranstalten workshops, in denen sie den Menschen zeigen, wie gekappte Wasseranschlüsse wiederhergestellt werden können und unterstützen den Kampf gegen die Häuserräumungen. Gemeinsam mit Betroffenen organisieren sie eine Menschenkette um einen Häuserblock, der von Räumung bedroht ist und andere Aktionen.
Die Dokumentation wurde im März 2010 in Wien vorgestellt, dabei gab es die Gelegenheit, zwei der ProtagonistInnen kennenzulernen. In der Diskussion nach dem Film erläuterten Ashraf und Mne einige Hintergründe ihres Kampfes.3
Eines der dringendsten Probleme für die Armen Südafrikas ist die Wohnungsnot in den Städten, verbunden mit den Zwangsräumungen bei Miet- oder Rückzahlungsrückständen.
Ashraf: Allein in Kapstadt fehlen 420.000 Wohnungen – laut einer Statistik aus dem Jahr 2002. Das Problem ist offensichtlich. Seit dem Jahr 1996 gibt es, mit der Änderung der ökonomischen Politik von „reconstruction and development“4, das Programm GEAR5, das bedeutet „Growth Employment and Redistribution“6. Das klingt gut, sowohl das Akronym7klingt gut als auch die Begriffe, für die es steht. Aber tatsächlich bedeutet es, dass die grundlegenden Dienste, das heißt Wohnen, Gesundheitsversorgung, Bildung, soziale Dienste, Sozialversicherung, dass all das privatisiert wurde.
Wohnen und der öffentliche Wohnbau wurden outgesourced, das heißt de facto privatisiert. (Im Film: Um einen Kredit für den Erwerb einer Wohnung aufzunehmen, benötigt mensch ein Mindesteinkommen von 800 Euro.) Die Firmen, die Häuser bauen sollen, bleiben immer hinter dem Plan zurück. Anstatt 52.000 Häuser hat eines dieser Unternehmen bloß 12.000 gebaut. Deshalb wurde dieses Unternehmen geschlossen. Die nächste Firma hat nicht viel Neues gebracht. Und auf politischer Ebene spielen die beiden Parteien (ANC und DA8), die sich jährlich in der Verwaltung von Kapstadt abwechseln, einander gegenseitig die Schuld für die Misere zu, während weiterhin viel zu wenig in Sachen Wohnungsbau geschieht.
In der Dokumentation wird u.a. gesagt, dass sich die Verhältnisse seit dem Ende der Apartheid nicht verbessert, teilweise sogar verschlechtert haben.
Mne: Vor 1994, bis 1992, als die Parteien wieder legalisiert wurden, war ein Fenster zur Welt offen, die Welt interessierte sich dafür, was in Südafrika geschah. Als 1999 Nelson Mandela das Präsidentenamt an Tabo Mbeki übergab, wurde dieses Fenster wieder geschlossen. Seither kriegt die Welt nicht mehr mit, was in Südafrika geschieht.
Seit 1999 wurden die Probleme für die Armen immer größer. Die Situation in Südafrika hat sich von „schlecht“ zu „schlechter“ verändert. Die Gesundheitsversorgung hat sich von einer schlechten zu einer schlimmeren Situation verändert, die Wasserabschaltungen9haben zugenommen, obwohl sie zuvor schon zahlreich waren, ebenso die Abschaltungen von Strom. Die Kinder müssen oft 15 – 20 Kilometer zu Fuß zur Schule gehen, ohne Essen im Bauch. Wenn es um unsere Probleme, unser Leiden geht, so betrachte ich es für mich als ein Privileg, hierher kommen und mit euch darüber sprechen zu können.
Der Entzug der Stromversorgung schafft immense Probleme. So hat sich beispielsweise die Anzahl der Brände in den Armenvierteln vervielfacht, weil die Menschen gezwungen sind, in den zum Teil aus Pappe gebauten Häusern ihr Essen auf offenen Feuern zuzubereiten. Die Versorgungsunternehmen planen nun gar die Einführung von prepaid-Wasser- und Stromzählern. Das heißt, erst wenn du bezahlt hast, erhältst du diese lebensnotwendigen Güter. Und hier ergibt sich eine erste Verbindung zu Europa, denn die Zähler werden u.a. von Siemens geliefert.
Im Rahmen der Diskussion sprechen die beiden auch die bevorstehende Fußball-Weltmeisterschaft an.
Ashraf: Wir haben jetzt die Fußball-WM und die Augen der Welt blicken wieder auf Südafrika. Wir wissen, dass ihr euch die Ticketpreise für die WM leisten könnt. Wir kommen nichtmal in die Nähe der Stadien.
500 Millionen Euro hat der Stadionbau gekostet, und sie werden bewacht von Polizei, dutzenden Sicherheitsunternehmen, sogar von der Armee. Ihr werdet dort also in Sicherheit sein. Und ihr sollt hingehen. Unterstützt euer Team – falls eure Mannschaft es in die Endrunde geschafft hat – oder unterstützt eine andere Mannschaft. Geht ins Stadion, und dann habt ihr vielleicht unter einem T-Shirt ein anderes T-Shirt, auf dem steht „wo sind die Armen?“, oder ein T-Shirt mit der Aufschrift „wo ist das Volk?“. Wir müssen mit kleinen Aktionen beginnen, um zusammenzukommen.
Oder: Ihr seid im Stadion, und wir sind draußen. Vielleicht kommt ihr raus und wir treffen einander, machen etwas. Denn die Welt sieht zu. Es ist halt einfach, darüber zu sprechen, aber nicht so einfach, etwas zu machen. Deshalb denken wir, zur Zeit ist es am Wichtigsten, miteinander darüber zu sprechen. Tauscht gleich hier eure Telefonnummern, email-Adressen aus, diskutiert darüber. In einigen Tagen gehen wir zurück nach Südafrika, vielleicht haben wir dann schon emails von euch erhalten: Schaut, das werden wir machen! Plant das miteinander, und dann macht was.
Die Armen können es sich nicht leisten, in die Stadien zu gehen. Wir werden daher eine andere Fußball-WM machen, eine der Armen, der Obdachlosen, den „poor people‘s worldcup“, denn Fußball wurde entwickelt, damit die Menschen zusammenkommen. Nicht für das Kapital. Also macht etwas!
Geht zur südafrikanischen Botschaft und räumt sie mit der Parole „stoppt die Räumungen“. Eure Unternehmen sind hier in Südafrika, Siemens baut die neuen Wasserzähler (prepaid-Zähler), Chrysler steht unter Druck wegen Südafrika, es gibt hier McDonald‘s, alles, es gibt Diamanten, Gold. Alle haben gegen die Apartheid angeschrieen, aber jetzt herrscht Stille.
Ein Ticket für das Stadion kostet einen Monatslohn, das können die Menschen sich nicht leisten. Deswegen wird es den poor peoples‘ world cup geben, eine andere Fußball-WM, eine der Armen, der Obdachlosen. Denn Fußball wurde entwickelt, damit die Menschen zusammenkommen. Nicht für die Interessen des Kapitals!
Von der WM sind aber noch viel mehr Menschen betroffen als diejenigen, die aus ihren Häusern geräumt werden, beispielsweise Straßenhändler, die sich in der Stadt nicht mehr aufhalten dürfen.
Die Frage, wie sich der ANC entwickelt hat und was die tatsächlichen Ursachen der Armut sind, beantwortet Ashraf so:
Ashraf: Die Arbeitslosigkeit in Südafrika liegt bei 38%, aber das sind bloß die offiziellen Zahlen. In meiner community liegt die Arbeitslosigkeit bei 78%. Dazu kommen die Tagelöhner. Da arbeitest du 23 Stunden am Tag. Würdest du 24 Stunden arbeiten, hättest du bestimmte Rechte, aber die erhältst du nicht, weil du bloß 23 Stunden arbeitest. Da hast du nichts davon.
1993 gab es 214 Millionäre in Südafrika. Einer der Kommandanten des ANC wurde erst CEO eines Unternehmens, heute besitzt er eine Diamantenmine. Es ist also ein Spiel, genannt Monopoly. Ihr alle kennt es. Für dieses Spiel brauchst du Geld. Hast du kein Geld, kannst du nicht mitspielen. Dann musst du zusehen, wie andere spielen. Wir können an diesem Spiel nicht teilnehmen. Das Spiel kann also nur funktionieren, wenn alle Geld haben.
Und was können wir tun?
Ashraf: Das ist die zentrale Frage, es geht in keiner Weise um Mitleid, sondern darum, Widerstand aufzubauen. Wir haben keinen Masterplan, weil sich die Verhältnisse laufend verändern. Deshalb müssen wir kreative Formen des Widerstands entwickeln, um uns diesen Verhältnissen anzupassen. Wir haben es mit einer Regierung zu tun, die keine revolutionäre Befreiungsbewegung mehr ist, sondern eine politische Partei. Wenn wir uns im Rahmen der anti-eviction-campaign treffen, dann nicht, um uns zu unterhalten. Wir treffen uns, um Aktionen zu planen. Wir brauchen Aktionen. Ihr habt mehr Möglichkeiten, auf die Verhältnisse in Südafrika einzuwirken, als wir selbst. Denn eure Regierung sagt unserer Regierung, was sie zu tun hat. Also kleine Aktionen in Europa haben vermutlich mehr Effekt als große Aktionen in Südafrika.
Das Problem hier (gemeint ist Wien) oder auch in den USA ist, dass die Menschen nicht miteinander sprechen. Sie sind auf Individualismus getrimmt. Das müssen wir ändern. Was wir euch sagen ist, dass wir ihr sind und ihr seid wir. Und ihr müsst das – die Aktionen – als Gleiche machen, nicht als „wir“ und „die da“.
Anti Eviction Campaign10
Einen guten Überblick über die Kampagne zur Verhinderung von Zwangsräumungen gibt der folgende Beitrag aus dem Jahr 2003. Er wurde von Martin Legassick verfasst. Martin Legassick ist ein weltbekannter südafrikanischer Historiker und zeit seines Lebens Aktivist. Er wurde 1940 in Schottland geboren, 1947 emigrierte er mit seinen Eltern nach Südafrika. Seinen Doktorabschluss machte er an der University of California. Er arbeitete in GB und in Tanzania, wo er ANC-Mitglied wurde. Gemeinsam mit Giovanni Arrighi (italienischer Operaist), John Saul und anderen entwickelte er eine einflussreiche politisch-ökonomische Analyse der proletarisierten und enteigneten südafrikanischen BäuerInnen. Laut Arrighi „betonten Martin Legassick und Harold Wolpe … dass die südafrikanische Apartheid hauptsächlich dem Umstand geschuldet war, dass das Regime die südafrikanische Arbeitskraft noch stärker unterdrücken musste, weil sie völlig proletarisiert, aber nicht mehr der Kapitalakkumulation dienlich war.“ 1981 gab Legassick seine akademische Karriere auf und wurde Vollzeit-Anti-Apartheid-Aktivist. 1990 konnte er nach Kapstadt zurückkehren und ging wieder an die Universität. Später wurde er ein wichtiger Aktivist innerhalb der Western Cape AEC und danach ebenso bei Abahlali baseMjondolo. Im Mai 2009 wurde er wegen Unterstützung der Macassar Village Land Occupation11nahe Kapstadt verhaftet.
Kampf gegen Räumungen im post-Apartheid Südafrika: Der Fall von Mandela Park, Khayelitsha
Mandela Park liegt in Khayelitsha, dem größten Township von Kapstadt, 26 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Die Siedlung wurde 1983 vom Botha-Regime eingerichtet in der Absicht, hier alle AfrikanerInnen der Gegend anzusiedeln. Das stellte sich natürlich als unmöglich heraus: Crossroads, KTC und so weiter blieben ebenso bestehen wie die Townships von Gugulethu, Nyanga und Langa. Stattdessen brachte die Aufhebung der Passgesetze 1986 eine Erweiterung von Khayelitsha, teils indem Menschen aus anderen Teilen von Kapstadt hierher zogen, aber vor allem durch die vielen neuen MigrantInnen von Eastern Cape. Die Township wuchs auf geschätzte 300.000 Menschen im Jahr 1990, und während der 90er Jahre auf über eine halbe Million – vermutlich ist sie nun die zweit- oder drittgrößte (nach Soweto und Mdantsane) im Land. Mandela Park wurde innerhalb von Khayelitsha in den späten 80ern errichtet, und zwar durch Banken, die das Land kauften und 1986 mit dem Häuserbau begannen – eine der wenigen Gegenden im Land, wo AfrikanerInnen Wohnraum durch den Kauf von Bank-Schuldverschreibungen kauften.
Mandela Park ist nicht nur nach unserem früheren Präsidenten benannt. Jede Straße in der community ist nach einem Kämpfer/einer Kämpferin des ANC benannt – James Calata, Albertina Sisulu, Wilton Mkwayi, Robert McBride, Jenny Schreiner, Peter Mokaba, Bram Fisher, Winnie Mandela, Ahmed Kathrada, Thandi Modise, etc. Das zeigt, dass diejenigen, die in die neuen Häuser in Mandela Park zogen, überwiegend ANC-UnterstützerInnen und AktivistInnen waren. Zu Beginn, in den 90er Jahren, blühte hier eine Zweigstelle des ANC und der Jugendliga SANCO.
Eine Studie der Universität von Western Cape stellte unlängst fest, dass die Hälfte der Haushalte in Khayelitsha ein Einkommen unter 167 Rand pro Haushalt und das untere Drittel ein monatliches Einkommen unter 39 Rand pro Person haben.13Die BewohnerInnen von Mandela Park leben in Häusern, nicht in Wellblechhütten, sie sind nicht die „Ärmsten der Armen“ in Khayelitsha. Aber sie leiden stark an den Auswirkungen von GEAR. Viele der IndustriearbeiterInnen, die 1990 in der Hoffnung begannen, es sich leisten zu können, ein Haus zu kaufen, wurden seither abgebaut. In der Gegend, wie in ganz Khayelitsha, herrscht eine hohe Arbeitslosigkeit.
Heute sind die meisten BewohnerInnen von Mandela Park bezüglich des ANC und der SANCO desillusioniert. Sie spüren, dass sie von denjenigen, in die sie ihre Hoffnungen gesetzt haben, enttäuscht wurden. Der Grund dafür ist, dass die Regierung unfähig war, das Wohnungsproblem mit den Banken zu lösen, und sobald sie deswegen Aktionen gemacht haben, wurde ihnen nicht zugehört, nicht mit ihnen darüber diskutiert, sondern sie wurden verhaftet und bestraft. Hunderte wurden so von „ihrer“ Regierung kriminalisiert. Es ist in der Tat traurig und ironisch, vor dem Gericht von Khayelitsha hunderte Frauen das alte anti-Apartheid-Lied „Senzeni na – was haben wir verbrochen?“ singen zu hören – sie richten diese Frage nun an die ANC-Regierung. Dazu befinden sich mehrere Mitglieder der Anti-Räumungs-Kampagne (anti eviction campaign – AEC), einer sozialen Bewegung der community, die für die BewohnerInnen der Gegend spricht, unter apartheid-ähnlichen Bedingungen auf Kaution – sie müssen von 6 Uhr abends bis 6 Uhr früh in ihren Wohnungen sein und es ist ihnen untersagt, sich an politischen Treffen zu beteiligen.
Den Banken gehört sowohl das Land, auf dem sich die Wohnungen in Mandela Park befinden – als auch das brachliegende Land in der Umgebung. Das bedeutet, es hat absolut keine Entwicklung gegeben – keine neuen Schulen oder Kliniken wurden gebaut.
Diese gesamte Strategie – keine Verhandlungen, nur Verhaftungen – wird vom Western Cape MEC für Sicherheit und Sicherheit14unter dem Vorsitz von Leonard Ramatlakane, dem Provinzvorsitzenden der „African Communist Party“ (SACP) initiiert. So dehnt sich die Desillusionierung auf die SACP-Führung aus.
Untersuchungsmethode
Dieses Papier basiert mehr auf gesprochenen denn auf geschriebenen Quellen, obwohl es von letzteren welche als Ergänzung gäbe. Meine Untersuchungsmethode in mehr als zehn Jahren bestand in dem, was Leslie Bank unlängst als „tiefes Herumhängen“ bezeichnete – das bedeutet sich in der Gegend aufzuhalten, mit den Menschen informelle Gespräche zu führen und vor Ort Informationen zu sammeln. Meine erste Begegnung fand 1991 statt, als ich aus dem Exil zurückkehrte. Ich nahm an einem Lesekreis mit gewerkschaftlich arbeitenden GenossInnen der ArbeiterInnentendenz des ANC teil, von denen einer in Mandela Park lebte. Gleichzeitig arbeitete ich – obwohl ich 1985 aus dem ANC ausgeschlossen worden war – mit ANC-GenossInnen im Viertel Solomon Mahlangu zusammen, wir bauten hier Dependancen des ANC, der Jugendliga sowie der Selbstverteidigungseinheiten auf.
Am 24. Juni 1992 organisierten der Solomon Mahlangu-Zweig und der des benachbarten Viertels Makhaza einen Marsch zum Magistrat, um gegen Mieterhöhungen zu protestieren.
Ein Monat später, in der Nacht des 22. Juli, wurde einer der Anführer des Marsches aus Makhaza, Nelson Sithole, daheim ermordet – von mit Sturmhauben vermummten Männern, vermutlich Polizisten. „Warum sagen Sie den Leuten, sie sollen keine Miete bezahlen?“ fragten sie ihn. Der Mord wurde sowohl von der TRC15als auch den Skorpions16untersucht, ohne Ergebnis. Nelsons Witwe, Hilda Phoswayo, war seither eine enge politische Genossin.
Eines Tages im Jahr 1993, ich hatte soeben Hilda daheim in Makhaza abgesetzt, wurde mein Auto von Jugendlichen mit Steinen beworfen, die Windschutzscheibe ging zu Bruch. Es war die Zeit, da der Ermordung von Chris Hani17zu Ostern Unruhen folgten – während der die Amerikanerin Amy Biehl in einer ähnlichen Situation in Gugulethu aus ihrem Auto gezerrt und umgebracht wurde. Ich stieg einfach aufs Gaspedal und floh aus der Gegend. Hilda und andere GenossInnen im Solomon Mahlangu-Zweig brachten den Fall bei öffentlichen ANC-Treffen ein, aber zu dieser Zeit hörte ihnen niemand zu. Am nächsten Tag – um die Geschichte zu kontrastieren – ging ich durch Mandela Park und traf auf einen jungen Mann – besser gesagt, er kam auf mich zu, um mich zu treffen. Wir kannten einander nicht. „Er ist sehr unüblich, einen Weißen an unseren Plätzen zu treffen“, sagte er. „Es ist eine Revolution. Gratuliere. Weiter so!“ Ich fühlte mich verlegen und dankte ihm.
Bei den Lokalwahlen 1995 kandidierte ein Genosse von uns für den ANC. Er war ebenfalls einer der Anführer des Mietenmarsches von 1992. Wir warnten ihn, dass er, wenn er sich auf das aktuelle ANC-Programm stütze, anstatt auf ein sozialistisches Programm für den ANC, unpopulär werden würde. Trotzdem machte er so weiter. Seither ist der ANC degeneriert. Dieser Stadtrat beispielsweise regiert selbst in seiner eigenen Gemeinde nur durch das Schüren von Angst, trägt eine Waffe und ist stets von „starken Männern“ umgeben. Er ist einer der Hauptopponenten der Anti Eviction-Kampagne.
Seit 1995 habe ich immer wieder diese Teile von Khayelitsha aufgesucht, habe mit ehemaligen lokalen ANC-FührerInnen zusammengearbeitet, wurde Führer der SANCO18und Gewerkschaftsorganisator der SACCAWU19sowie der SACTWU20. Zufällig lernte ich im Oktober 2002 Mitglieder der AEC kennen.
AfrikanerInnen in Western Cape21
Erinnern wir uns erstmal an die Geschichte der AfrikanerInnen in Kapstadt, wo sie immer marginalisiert und ausgeschlossen wurden. Nach der Niederlage der Xhosa22gegen die kolonialistische Enteignung wurden viele von ihnen nach Kapstadt gezwungen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Segregation23zum Hauptmotiv in den Städten, und Kapstadts erste „location“, Uitsig (später Ndabeni) wurde eingerichtet. In den 20er Jahren wurden die BewohnerInnen von Ndabeni nach Langa, das 1927 errichtet wurde, verschoben.
Während und nach dem 2. Weltkrieg wuchs die Bevölkerungszahl der Kap-Halbinsel enorm an. Die meisten Leute mieden die offiziellen „locations“ und ließen sich lieber in privat angekauften oder gemieteten, dicht besiedelten Häusern entlang der Achse Docks – Observatorium nieder oder zerstreuten sich als GrundstückseigentümerInnen oder PächterInnen zwischen den vorwiegend von Weißen und Farbigen25bewohnten Gebieten von Kapstadt. Der neue Zustrom in die Städte lebte jedenfalls hauptsächlich in unregulierten „pondokkie“-Siedlungen26in den Außenbezirken am Rand von Kapstadt.
Unter der Apartheid wurde Kapstadt in den 50er Jahren „ein Testfall für die Kontrolle des Zustroms und der rassistischen Trennung“. Bald nach den Wahlen der NP-Regierung271948 sagte der Minister für Native Angelegenheiten, E.G. Jansen, dass es „eine Frage, die sehr ernsthafte Betrachtung verdient, ist, ob die Bevölkerung der Nativen in der Western-Provinz nicht sehr dramatisch verkleinert werden muss“. 1953 beschwerte sich der Staatssekretär für Native Angelegenheiten, W.M. Eiselen über den „Ring oder äußeren Kreis von ungeplanten, unkontrollierbaren und ohne Genehmigung illegal errichteten Konzentrationen von Bantu, die in die Städte strömen“ und in Lagern wohnten, die die lokalen Behörden „nicht kontrollieren können“. 1954 sagte der Manager von Nativen Angelegenheiten für den Stadtrat von Kapstadt gegenüber Dora Tamana und dem jungen Ben Turok (beide vom ANC), dass es „die Politik dieser Regierung ist, die Anzahl von afrikanischen Familien, die in Westkap leben, zu reduzieren … Die benötigten Arbeitskräfte für die Halbinsel sollen mit migrantischen ArbeiterInnen gedeckt werden.“
Die Regierungspolitik, die von den lokalen Behörden umgesetzt wurde, entfernt mittels Zwang die afrikanische Bevölkerung mittels des „Native (Urban Areas) Consolidation Act“ von 1945 (samt den Ergänzungsanträgen von 1952 und 1955) und dem „Prohibition of Illegal Squatting Act 52“ von 1951. Das erste dieser Gesetze traf Vorkehrungen bei der Errichtung von Siedlungen und sah Zwangsversteigerungen vor. Das war eine machtvolle Maßnahme für die zwangsweise Entfernung von BewohnerInnen außerhalb der Siedlungen. 1946 wurde die gesamte Kap-Halbinsel zu einem Gebiet nach Absatz 23(1) des Gesetzes von 1945 erklärt.28Der „Prohibition of Illegal Squatting Act“ von 1951 sah die Einrichtung von Notlagern und die Zwangsumsiedlung von AfrikanerInnen, die „illegal“ besetzten, in solche Lager vor, sowie die Zerstörung ihrer Hütten ohne die notwendige Einschaltung eines Gerichts, ebenso die Zwangsversteigerung dieser Hütten, und verpflichtete die lokalen Behörden zur Zusammenarbeit. Die Auflage für Frauen zur Ausweispflicht von 1954 war ebenfalls ein machtvolles Instrument zur Organisierung von Zwangsumsiedlungen.
Die unregulierten Wohngebiete wurden zerstört und AfrikanerInnen wurden gewaltsam vertrieben – in reine Männerabsteigen in Langa oder in „Notlager“ in Teilen der neuen „locations“ von Nyanga (errichtet 1946) und Gugulethu (als Nyanga Ost 1958 errichtet und 1961 umbenannt), wo „Illegale“ herausgesiebt wurden, um gemeinsam von der Kap-Halbinsel deportiert zu werden oder, wenn sie als „Familien“ qualifiziert wurden, Häuser zugewiesen zu erhalten. Das hatte eine räumliche Neukartierung der Kap-Halbinsel zur Folge. Frauen wurden besonders behandelt, und viele von ihnen aus Kapstadt vertrieben. Das Ziel war, so viele AfrikanerInnen wie möglich zuerst in migrantische ArbeiterInnen ohne Familie zu verwandeln – indem die familiären Beziehungen angegriffen wurden – und später sie alle zusammen zu entfernen. Damit zusammenhängend wurde West-Kap 1954/55 formell zu einem Gebiet von „Coloured Labour Preference (CLP)“29erklärt.
1955 wurde geschätzt, dass die größten Konzentrationen von AfrikanerInnen auf der Halbinsel sich in Windermere (15.000), in den nördlichen Gebieten (Elsies River, Goodwood Acres, Oakdale in Belville usw. – 13.000), im Stadtzentrum, 6. Bezirk, Woodstock und Salt River (9.300), in Retreat (5.500), in Athlone/Rylands (5200) und in Cooks Bush (Grassy Park – 3.800) befanden. All diese Siedlungen wurden zerstört und die Leute entfernt. In vielen Fällen organisierten ANC- und CP-AktivistInnen entschlossenen Widerstand. Aber es gab keine effektive Verteidigung von BewohnerInnenrechten zu dieser Zeit. Der erste erfolgreiche Widerstand gelang in Crossroads, das als „BesetzerInnenlager“ gegründet worden war, im Februar 1975. Aber nicht ohne bittere Schlachten.
Dem Kampf um Crossroads ging der Kampf um die Verhinderung der Schleifung von drei besetzten Siedlungen, die sich um die Universität von West-Kap gebildet hatten, im Jahr 1974 voraus. Rund 10.000 Menschen wurden in der dem 8. August 1977 folgenden Woche aus Modderdam geräumt. Ein Aktivist berichtete: „Als das Lager dem Erdboden gleichgemacht wurde, sangen die BesetzerInnen Hymnen und Freiheitslieder, klagten die Kolonnen von Polizisten an und warfen die Einrichtungsgegenstände auf die Modderdam-Straße. Viele verbrannten ihre eigenen Hütten. Die Polizei setzte Hunde und Tränengas ein, um die Menge von singenden, beobachtenden und demonstrierenden Menschen zu zerstreuen. Mehrere BesetzerInnen wurden wegen Hundebissen im Spital behandelt. Eine Frau, die wegen Brustschmerzen behandelt wurde, kehrte zum Lager zurück, obwohl ihr empfohlen worden war, zwei Wochen lang im Bett zu bleiben. Zwei hochschwangere Frauen wurden zur Notaufnahme gebracht. Eine dritte entband ein Mädchen unter einer Plastikplane am Gehsteig. Als ein Bulldozer eine Hütte niederwalzte, hörte ein Regierungsbeamter ein Baby schreien. Er rannte in den Verschlag und zog einen zwei Wochen alten Jungen aus den Armen seiner Mutter. „Gott weiß, dass das eine unmenschliche Aufgabe ist“, sagte er zu einem Reporter, als er das Kind an sich drückte. „Aber ich versuche, sie so menschlich wie möglich durchzuführen.“ Darauf wurden am 25. August 1977 Werkgenot mit einer Bevölkerung von 5.500 und zwischen dem 16. und dem 20. Jänner 1978 Unibel mit 15.000 BewohnerInnen zerstört.
Crossroads überlebte dank der Erfahrung und dem Bewusstsein des Frauenkomitees im Lager. Der Erfolg von Crossroads inspirierte die UDF-Kampange30, sich der Errichtung von Khayelitsha zu widersetzen – obwohl im Mai und Juni 1986 an die 70.000 BesetzerInnen, die Crossroads umzingelten, von „Freiwilligen“31zum Rückzug gezwungen wurden; Josette Cole nennt diesen Vorfall „eine der brutalsten Zwangsräumungen, die jemals in Südafrika stattgefunden hat“.
Das war eines der frühen Beispiele staatlich gesponserter „Gewalt von Schwarzen an Schwarzen“, zusammen mit Inkatha32in Natal 1986 und der riesigen Welle an konterrevolutionärer Gewalt in Transvaal33von 1991 bis knapp vor den Wahlen 1994.
Wie bereits erwähnt, entwickelte sich Khayelitsha aus dem großen Zustrom in die großen Städte nach 1986. Sogar im Februar 200434sah ich eine große Bewegung an Barackenbauern in Makhaza, die aus einer Straße quer durch den Busch am Rand von Khayelitsha das Zentrum einer neuen Siedlung machten.
Inzwischen sind die ersten kleinen Anstrengungen unternommen worden, die Zwangsvertreibungen aus Kapstadt wieder gut zu machen, durch Zurückgabe von Land an die Geräumten aus Ndabeni und – nach endlosen Verzögerungen – die Übergabe der ersten Häuser Anfang 2004 an Leute, die in den frühen 70ern aus dem 6. Bezirk vertrieben worden waren.
Anti-Räumungs-Kampagne (AEC)
Die AEC wurde Ende 2000 in Mandela Park gegründet, um sich lange bekannten Problemen zu widmen: a) von Banken betriebenen Räumungen von Häusern, deren BesitzerInnen bei der Bezahlung im Rückstand waren und b) die Abschaltung von Wasser und Strom durch die Gemeinde bei Leuten, die im Zahlungsrückstand waren.
Die Banken begannen 1986 mit der Errichtung von Häusern in Mandela Park und die ersten Leute zogen dort 1988 ein. Die Anzahlungen für diese Häuser waren mit rund 500 Rand niedrig. Aber die Häuser waren nicht fertig. Sie hatten keine Decken, oder nur eine Tür, oder keine Entlüftung. Sie hatten Risse in den Mauern. Sie waren feucht. Es gab kein Straßenpflaster. Die Grundflächen waren zu klein, weil die Banken zwei Häuser auf einen einzelnen Baugrund stellten. Diese Probleme gibt es in vielen dieser Häuser immer noch – 15 Jahre später (außer, wenn die Menschen sie auf eigene Kosten behoben haben). Die community sagte damals, sie sei nicht bereit, für diese Häuser zu zahlen, bis die Banken die Mängel behoben hätten. Anfang der 90er Jahre – zusammen mit dem allgemeinen Mietenboykott und dem Boykott der Zahlungen für soziale Dienste in den Townships im ganzen Land – weigerten sich die BewohnerInnen von Mandela Park, ihre Rückzahlungen an die Banken zu zahlen.
Ein Ergebnis des Boykotts waren Verhandlungen mit den Banken, die von ANC und SANCO unterstützt wurden. Sie verliefen ergebnislos. Eine lokale gemeinsame Eingreiftruppe für Wohnen wurde eingerichtet, unter Einbeziehung der ANC-SANCO-Allianz. Den Leuten wurde erklärt, allen ihren Forderungen würde entsprochen werden. Aber immer noch war ihnen nicht klar, wieviel sie für ihre Schuldverschreibungen zahlen sollten. Vor-Ort-ArbeiterInnen mit einem Monatseinkommen von 2500 Rand aus der community wurden von der Eingreiftruppe angeheuert, um die Häuser zu bewerten. In den Treffen nach den Berichten gab es hitzige Diskussionen. Schließlich hörten sich diese Sitzungen auf. SANCO sollte Treffen einberufen, auf denen versprochen werden sollte, dass die Wohnungsfrage diskutiert wird. Aber als die Leute auf diesen Treffen erschienen, wurde die Wohnungsfrage ausgeklammert. Als andere, belanglose Punkte erörtert wurden, reichte es den Leuten und sie gingen wieder – und dann wurde die Wohnungspolitik spät an diesen Treffen unter dem Titel „Allgemeines“ aufgeworfen, als kaum mehr Leute da waren, die zustimmen oder ablehnen konnten. Die Leute begannen, diese Treffen zu boykottieren.
Vielen Leuten wurde gesagt, sie sollten anstatt an die FNB35und Standard ihre Schuldscheine an Khayelethu Home Loans zahlen, andere zahlen immer noch an NBS, Standard, FNB, Nedcor, Saambou und ABSA.361996 verteilten SANCO und Khayelethu Home Loans einen Brief, in dem von einem Gemeinsamen Kooperationsabkommen die Rede war, das sie unterschrieben hätten. Es besagte, dass „all unsere KundInnen dazu verpflichtet sind, ihre Schulden zu bezahlen, ansonsten müssen wir rechtliche Schritten einleiten.“ Nach unserem Verständnis war es um diese Zeit, dass SANCO 20% Anteile an Khayelethu Home Loans erwarb. Und damit war die Organisation, von der die Menschen gehofft hatten, sie würde sie schützen und ihre Interessen gegenüber den Banken wahrnehmen, nun Teil der Bank selbst.
1995 wurde Servcon auf Grundlage der 1994 unterzeichneten „Absichtserklärung“ zwischen der neuen, ANC-dominierten Regierung und den Banken geschaffen. Servcon gehört zur Hälfte der Regierung und zur Hälfte den Banken. Beabsichtigt war, die Interessen der Leute zu vertreten, und sich mit den „historischen Problemen“ von nicht fertiggestellten Häusern, Zahlungsrückständen etc. zu befassen. Tatsächlich, nach Sichtweise der AEC agiert Servcon als Agent der Banken. Servcon bietet vier Optionen: „Anpassungen“, Mieten, Rückkäufe oder Räumungen. „Anpassung“ bedeutet die Übersiedlung in winzige Häuser weit entfernt von der community. Alle diese Optionen bevorzugen die Banken, und deshalb hat die community sich all diesen Optionen widersetzt. Aber Servcon sagte, dass die Leute eine Methode finden müssten zu zahlen oder geräumt würden. Das Problem war, dass die Leute sich das, was die Banken verlangten, nicht leisten konnten. Das galt vor allem dann, wenn es Zahlungsrückstände gab, aus welchem Grund auch immer. Hohe Kreditzinsraten in der letzten Zeit haben zusätzlich die Kosten für diese Häuser enorm in die Höhe getrieben. Ursprünglich kosteten die Häuser 25.000 Rand. Aber viele Menschen haben innerhalb von zehn Jahren tausende Rand mehr als diesen Betrag bezahlt, und besitzen sie immer noch nicht.
Die erste Räumung fand um Mittag im September 1999 statt. Es gab eine Menge Polizei in gepanzerten Fahrzeugen und Kleinbussen, zusammen mit Sheriffs, Hunden, Tränengas und Gummigeschossen. Sie umzingelten eine Straße und begannen die Leute zu räumen. Die gesamte Nachbarschaft lief zusammen, auch aus der weiteren Umgebung in Mandela Park, um zu versuchen, die Räumungen zu verhindern. Die Leute wurden mit Schlagstöcken verprügelt und von Polizeihunden gebissen. Tränengas wurde von der Polizei verschossen, um die Menge zu zerstreuen. Der Polizei gelang es am ersten Tag lediglich, 13 Familien zu räumen. Viele Leute, die geräumt wurden, wurden von der community in ihre Häuser zurückgebracht.
Danach kam der ANC-Bezirksrat und versprach, die Probleme zu lösen – aber auf der Grundlage, dass die Leute zahlen müssten, um Räumungen zu verhindern. Auf ihre Probleme wurde nicht eingegangen. Es wurden kleine Arbeitskreise eingerichtet, in denen nur wenige Leute mit dem Bezirksrat und den Leuten von SANCO beisammen saßen. Ziel waren verwundbare Leute – PensionistInnen, Arbeitsunfähige, Alleinerziehende Mütter etc. Tatsächlich hält ein Servcon-Dokument von März 1998 fest, dass „Menschen über 65 Jahren oder Arbeitsunfähige“ um Hilfe ansuchen können, um nicht umgesiedelt zu werden. Aber viele dieser Menschen wurden geräumt und in Mandela Park ge“rightsized“. Sie wurden von den Vertretern der Allianz eingeschüchtert. Das ist ein Hauptgrund, warum es in dieser Gegend bei den Lokalwahlen 2000 so wenig Stimmen für den ANC gab.
Nach den Wahlen begannen die Räumungen wieder, diesmal in einem viel größeren Umfang. Die Leute hatten einfach nicht die Kraft, die ganze Zeit zu kämpfen, und sie waren verwirrt. Mindestens 190 Familien müssen damals geräumt worden sein. Sie wurden ge“rightsized“ – in kleinere Häuser anderswo in Khayelitsha umgesiedelt, weit entfernt von Mandela Park, in Harare oder Makhaza. Aber 2001 räumten die Sheriffs und die Polizei mehr als 30 Häuser pro Tag. In manchen Fällen wurden die Häuser von den Banken bereits zum Verkauf ausgeschrieben, noch ehe die Leute geräumt waren – denn es gab kein neues, kleineres Haus für sie. Und immer noch mussten sie die Schulden auf das Originalhaus zurückzahlen.
Ende Jänner 2001 begann die AEC mit Organisierungen und Kampagnen. Durch SAMWU-Gewerkschafter37in Mandela Park kamen sie in Kontakt mit dem Anti-Privatisierungs-Forum und trafen andere Leute, die vor den gleichen Problemen standen. Vor allem Tafelsig in Mitchell‘s Plain hatte im Vorjahr gegen Räumungen gekämpft. Die Westkap-AEC, mit denen sie sich zusammenschlossen, hatte auch Mitglieder in Athlone, KTC, Valhalla Park, Gugulethu, Delft, Tambo Square, Mfuleni etc. Eine Doppelkampagne, die Verhandlungen mit Massenaktionen kombinierte, wurde ins Leben gerufen auf Basis einer mobilisierten community. Leonard Ramatlakane von Western Cape MEC für Sicherheit und Sicherheit behauptete, dass die AEC nur „aus einer Handvoll Leute“ bestand. Aber seit 2001 hat die AEC in Mandela Park zweimal wöchentlich Treffen abgehalten, am Mittwoch und am Sonntag, die von hunderten von Menschen besucht wurden, jungen, erwachsenen und alten, wobei vor Frauen den Hauptanteil ausmachten.
Im Laufe ihrer Existenz erhielt die AEC Solidarität von AktivistInnen aus vielen Ländern, die sie besuchten, darunter aus Argentinien, Italien, Norwegen, den USA, Deutschland, Indien und Palästina – sowie von befreundeten sozialen Bewegungen in Johannesburg und Durban.
Im Laufe des Jahres 2001 begann die AEC, die Rate von Räumungen zu senken, und im Juni 2002 stoppte sie sie tatsächlich. Im März 2002 begann die AEC, die Leute in ihre Originalhäuser zurückzubringen. Im Juni berichtete die Cape Times (vom 18.6.2002) positiv darüber. Sie unterstrich die Bedenken der AEC wegen der schockierenden Lebensbedingungen von PensionistInnen in den Häusern, in die sie „rightgesized“ worden waren, und die Tatsache, dass sie in ihre ursprünglichen Häuser zurückgebracht wurden.
Betrachten wir einige Beispiele, was Leuten geschah:
Frau Mcama ist ein 80jähriges ANC-Mitglied mit Mitgliedskarte. Sie versorgt 5 Kinder. Aber sie wurde am 25. Juli 2002 aus ihrem Haus in Mandela Park geräumt.
Hleliwe Nosense Elsie Gaji ist 63. Sie wurde in Molteno im Ost-Kap38geboren und folgte in den 70er Jahren ihrem Ehemann nach Kapstadt, wo sie in Crossroads lebte, sie machte alle Erfahrungen von Crossroads mit. 1989 übersiedelten die Gajis in ein Haus in Mandela Park. Am Tag der Freilassung von Mandela standen Hleliwe und ihr Mann in der Menge bei der Parade und hörten die Rede Mandelas – von der Freiheitscharta und der Verstaatlichung; immer noch hängt ein Bild von Mandela in ihrem Haus. Aber die Pension, von der die Gajis leben, ist nicht hoch genug, mit den steigenden Rückzahlungsraten mithalten zu können. 2001 wurden sie ge“rightsized“ in ein Haus in Makhaza, das sie als „Hundehütte“ bezeichnen. „Wir blieben hungrig. In Mandela Park waren unsere NachbarInnen unsere Familie. Sie ernährten uns. Hier sind wir allein.“ Hleliwes Mann wurde sehr depressiv. Aber dann besuchte sie die community und erzählte ihnen, dass sie ihr Haus von den Banken zurückgeholt hatten und dass sie zurückkommen könnten. „Die Gajis wurden in Gang gesetzt, sie rannten, sangen und tanzten zurück zu ihrem alten Haus“, schreiben Desai und Pithouse. Hleliwe sagt: „Wenigstens starb mein Mann in dem Haus, für das er gelebt hatte.“ Desai und Pithouse meinen dazu, dass Hleliwe „ihr gesamtes Leben in einem Kreislauf von Enteignung, Widerstand, Wiederaneignung und Unterdrückung gelebt hat, das sich nahtlos von der Apartheid zum post-Apartheid-Südafrika, von Botha zu Mbeki fortgesetzt hat.“
Herr Mcondobi, ein Pensionist, wurden im Februar 2002 ge“rightsized“ und geräumt. Als er umgesiedelt wurde, war er bei guter Gesundheit, aber er wurde in ein Haus gebracht, das innen keinen Steinboden, ein leckes Dach und weder Bad noch Dusche hatte. Als der Winter einsetzte, zog er sich eine Lungenentzündung zu und starb. Bheki Nkonyane vom West-Kap-Wohnungsministerium behauptete in einem Brief an die Cape Times, dass Herr Mcondobi „nachher nach Eastern Cape gegangen ist und dort zwei Monate später starb. Aber Herr Nkonyane war schlecht informiert. Herr Mcondobi starb in Khayelitsha und die AEC kümmerte sich um sein Begräbnis und seine Verbrennung – in Khayelitsha. Mindestens sieben weitere alte Menschen aus Mandela Park starben ebenso, und vermutlich 15 in Khayelitsha, wegen der Räumungs- und „right-sizing“-Kampagne von Servcon.
Vakele Alfred Hempe ist 55 Jahre alt. Er ist ein Beispiel dafür, was geschieht, wenn es in der community keine AEC gibt. Er kam 1958 aus Aberdeen in Eastern Cape nach Kapstadt, nachdem sein Vater, ein Landarbeiter, gestorben war und seine Mutter es sich nicht leisten konnte, sich um 13 Kinder zu kümmern. 1979 begann er Gabelstaplerfahrer für die South African Brauerei und verdiente im Jahr 1988 30.000 Rand. Er kaufte ein Haus – anderswo in Khayelitsha als in Mandela Park, mit einem Kredit bei der heutigen ABSA über 58.000 Rand. Im April 1998 wurde er gekündigt und merkte, dass er unmöglich die Kreditraten bezahlen konnte. Anfang 2000 erhielt er eine Zahlungsaufforderung der Bank, und der ANC und SANCO weigerten sich, ihm zu helfen. Am 31. August 2000 wurde sein Haus an ABSA rückübertragen und Hempe, seine Frau, drei Kinder und drei Enkel wurden geräumt. Schließlich gelang es ihm, die Räumung rückgängig zu machen – wofür er monatlich 800 Rand zu bezahlen hat, was nahezu seinen gesamten Lohn als Gelegenheitsarbeiter bei einer Firma namens „Giant“ auffrisst. Obwohl er niemals eine Rate unbezahlt ließ, hat die Bank erneut versucht, ihn räumen zu lassen und er lebt in der Angst, dass der Sheriff anklopft.
Den Kampf ausweiten
2001 begannen die Sheriffs damit, Wasser und Elektrizität in Mandela Park abzuschalten und Güter als Zahlung für fällige Rechnungen zu beschlagnahmen. Bei einer derartigen Räumung am 8. Juli 2002 kamen die Sheriffs und viele Polizisten, um zu versuchen, die Einrichtungsgegenstände einer Frau zu beschlagnahmen, die 800 Rand Zahlungsrückstand für ihre Wasserrechnung hatte. Alles, was sie fanden, war eine abgenutzte Matratze und altes Gewand - sie beschlagnahmten das gesamte Gewand. Die community versuchte sie davon abzuhalten. Die Polizei verschoss Tränengas und Gummigeschosse. 10 Menschen wurden verhaftet und über die Nacht im Gefängnis in Khayelitsha festgehalten, medizinische Behandlung ihrer Verletzungen wurde ihnen verwehrt. Stattdessen wurden sie als „Kaffer“ und „verdammte Buschmänner“ beschimpft.
Die AEC weitete ihr Tätigkeitsgebiet auf diese Fragen aus. Die Leute hatten „Zahlungsrückstände“ angehäuft, weil sie es sich nicht leisten konnten zu zahlen. Deshalb hat die AEC die Forderung nach einer monatlichen flatrate von 10 Rand für diese Dienste aufgestellt, und diesen Betrag zahlen ihre Mitglieder monatlich an den Bezirksrat. Im April 2002 saßen hunderte AEC-Mitglieder in den Bezirksverwaltungsbüros in Khayelitsha aus Protest gegen diese Abschaltungen und um die Monatsgebühr von 10 Rand durchzusetzen. Im November marschierten sie zur Elektrizitätsgesellschaft, die zusagte, die Stromzähler, die sie abmontiert hatte, wieder herzustellen.
In dieser Zeit schrieb die AEC Briefe an die Banken und begann, an das Wohnungsministerium von Western Cape zu schreiben, nachdem die ANC/NNP-Regierung Ende 2001 in der Provinz an die Macht gekommen war.39Es gab keinerlei positive Reaktionen, und so wurden weitere direkte Aktionen gesetzt. Am 30. Mai 2002 gingen 250 AEC-Mitglieder ins Zentrum von Kapstadt und veranstalteten ein sit-in vor der NBS, um sich darüber zu beschweren, dass verwundbare Menschen ge“rightsized“ werden. Sie warfen auch Fragen wegen der kleinen Ersatzhütten, der Feuchtigkeit und die Tatsache, dass EinwohnerInnen Decken und Dächer in ihre Häuser eingezogen hatten, defekte elektrische Leitungen instand gesetzt und die Böden gepflastert hatten sowie Risse selbst repariert hatten, alles auf eigene Kosten, auf. Sie erhoben Fragen bezüglich des Landverkaufs in Mandela Park durch die Regierung.
Am 12. Juni saßen über 200 AEC-Mitglieder in den Büros von Khayalethu Home Loans. Als der Chef der Organisation auftauchte, zeigten sie ihm ein Videoband über die Bedingungen in den Häusern, und über die Kämpfe, die sie geführt hatten. Sie forderten ihn auf, die Zahlungsrückstände zu annullieren und die Preise für die Häuser zu senken. KHL sagte zu, die Zahlungsrückstände für getilgt zu erklären und dass sie niemals mehr PensionistInnen und verletzliche Leute räumen lassen würden. Aber die anderen Banken weigern sich weiterhin, die Zahlungsrückstände zu annullieren.
Im Juni verschafften sich die Banken ein Gerichtsurteil gegen die AEC, um zu verhindern, dass diese weiter Widerstand leistet. Die AEC hatte kein Geld, um AnwältInnen zu bezahlen, damit diese dem Urteil entgegentreten. Dieses Urteil ist immer noch in Kraft – und wurde als Grund benutzt, AktivistInnen für längere Zeit ohne Gerichtsverfahren in Haft zu behalten.
Seit der Zeit, da der ANC Ende 2001 die Regierung in Western Cape übernommen hat, hat die AEC unzählige Briefe an die Wohnungsministerin der Provinz, Nomatyala Hangana, geschrieben. Sie wies alle Einladungen, zu kommen und Mandela Park zu besuchen und die Räumungen und die Probleme mit Servcon zu besprechen, zurück. Von der Regierung möchte die AEC Subventionen für Leute, die erstmals in Mandela Park und anderswo Häuser kaufen und mit diesen Problemen konfrontiert sind. Und sie möchte, dass die Regierung das Land von den Banken zurückkauft, auf dem die Häuser stehen, und es entwickelt. Am 26. Juni 2002 gingen schließlich hunderte AEC-Mitglieder zum Büro von Frau Hangana in Wale Street. „Die Beamten wollten uns nicht sagen, ob Nomatyala da war. Während wir auf den Managing Director von Servcon warteten, der, so wurde uns erklärt, kommen würde, umzingelte die Polizei das Gebäude, sprühte Tränengas herein und verhaftete 44 von uns. Unter den Verhafteten waren PensionistInnen und Kinder. Wir wurden wegen Hausfriedensbruch angeklagt – in einem Ministerium einer von uns gewählten Regierung! Eine der Bedingungen für Kaution war, dass wir nie wieder in Wale Street auftauchen!“
Im Gegensatz dazu besuchte eine Delegation des Nationalen Wohnungsministeriums Mandela Park und schrieb von der „herzlichen Aufnahme“, die sie beim wöchentlichen Treffen der AEC am 20. Juli erfahren hatte. Sie sagten, sie hätten „alle Punkte, die beim Treffen erwähnt wurden, mitgeschrieben und gesammelt und sie der Ministerin zur Kenntnisnahme und zur Bearbeitung übergeben.“ Danach ist jedenfalls nichts mehr von dort hinausgesickert.
Im September führte ein AEC-Mitglied, ein Gewerkschafter, einen Streik gegen die Privatisierung seines Arbeitsplatzes an, in einer Kanalisationsfirma in Khayelitsha. Er wurde der fortgesetzten Aktivitäten bei der AEC beschuldigt und in Pollsmoor eingesperrt. Schließlich verlor er seinen Job.
Ebenfalls im September kam Bezirksräte des ANC und brach Türen der Häuser in Makhaza auf, in die einige der Leute aus Mandela Park „rightgesized“ worden waren. Sie warfen diese Leute aus ihren Häusern. Die AEC glaubt, dass sie ihre Freunde dort unterbringen wollten. Die Räte wurden verhaftet – aber dann wurde die Anklage gegen sie fallengelassen.
Am 26. Oktober 2002 veranstalteten die AEC (gemeinsam mit der APF40) und der ANC am selben Tag in Khayelitsha Demonstrationen. AEC-Führer berichteten: „Wir hatten nur Geld für vier Busse, aber 6.000 Leute kamen zu unserer Demonstration … Der ANC hatte 12 Busse, die überall in Western Cape herumfuhren, und nette Megaphone. Jacob Zuma41war der Hauptsprecher. Niemand kam. Die ANC-Demo wurde verschoben. Weil die Leute zu unserer gleichzeitig stattfindenden Kundgebung gekommen waren.
Repression
Die Vorfälle vom 26. Oktober könnten der letzte Strohhalm für das ANC-SACP-Establishment gewesen sein. Bis zu diesem Punkt wurde in der Presse und dem Fernsehen positiv über die AEC berichtet. Aber am 8. November titelte die Cape Times mit einer Geschichte über die AEC: „Die ‚Favoriten der Armen‘ nehmen Hausbesitzer ins Visier“. Eine zweite Geschichte auf Seite 1 wurde überschrieben mit „Felicia‘s Besitztitel hindert die Räumenden nicht“. Es war ein bösartiger Versuch, die AEC selbst als „Räumbrigade“ darzustellen.
In diesem Bericht wurde Leonard Ramatlakane zitiert, der den Provinz-Polizeichef Lennit Max angewiesen habe, „mit der AEC zu verhandeln, die sich aufführt, als würde sie den Staat vertreten. Es ist inakzeptabel, dass eine Handvoll Leute herumläuft und sich selbst als diejenigen positioniert, die das Recht haben, Häuser zu beschlagnahmen und Leute zu räumen … Ich habe Max beauftragt, in Khayelitsha für Ordnung zu sorgen und dafür, dass mit dieser Gruppe entsprechend umgegangen wird. Sie manipuliert die Ängste und echten Probleme der community und sollte zur Räson gebracht werden.“
Der Polizeichef von Khayelitsha, Kommissar Risimati Shivuri, wird in demselben Bericht zitiert mit den Worten „Verhaftungen werden das Problem nicht lösen, es braucht eine politische Intervention“. Bis zu diesem Tag war es zu keinerlei politischer Intervention gekommen – wenn mensch darunter Verhandlungen mit der AEC und dem Eingehen auf die Stimme der community versteht.
Die erwähnte „Felicia“ in der zweiten Schlagzeile war Felicia Petani, eine Heimarbeiterin, der von ihrer Arbeitgeberin, Tanja Truscott, ein Haus gekauft worden war – ein Haus, das die Banken von jemand in Khayelitsha zurückgenommen hatten, und der von der AEC wieder dorthin zurückgebracht worden war. Die Geschichte diente der Einschüchterung. In einem anschließenden Leserbrief an die Cape Times behauptet Tanja Truscott, dass sie nun „erfahren“ hätte, dass der ursprüngliche Besitzer „vor über 10 Jahren, 1991, ge‘rightsized‘ worden ist“. Niemand in Mandela Park wurde 1991 „rightgesized“, es wusste noch nicht mal jemand von dieser Idee! Die ersten Räumungen („right-sizings“) fanden 1999 und die meisten dann 2001 statt. „Das Haus stand jahrelang leer“, sagt die Arbeitgeberin. Das ist schlichtweg nicht wahr – und diese Person kennt ganz offensichtlich Khayelitsha nicht, wo kein Haus jahrelang leer steht! Der ursprüngliche Besitzer wurde von seinem Haus höchstens für 10 Monate entfernt (nicht zehn Jahre), ehe er zurückkehrte.
Truscott behauptete weiters, dass die AEC „innerhalb von Augenblicken Leute auf die Straße setzt“. Die AEC besteht darauf, dass so etwas weder mit Felicia noch mit sonst jemand geschehen ist. Andere neue Besitzer kamen nach Diskussionen mit der AEC überein, zu gehen, und die AEC half ihnen dabei, ein anderes leeres Haus zu finden. Sie beteuern, dass sie nicht einen einzigen neuen Hausbesitzer ohne alternative Wohnmöglichkeit gelassen haben. Sogar Truscott sah sich in ihrem Brief an die Cape Times gezwungen zuzugeben, dass Felicia „gesagt wurde, dass sie ihr ein anderes Haus besorgen würden“ – ein Fakt, der übrigens in der Originalstory der Cape Times von Eric Ntabazalila nicht erwähnt wurde. Die AEC betrachtet es im übrigen als äußerst verantwortungslos von Servcon und den Banken, diese Häuser an neue EigentümerInnen weiter zu verkaufen, über die ein Disput besteht.
Am 8. Dezember besuchten BezirksrätInnen und SANCO-VertreterInnen ein Massentreffen in Mandela Park, das von der AEC einberufen worden war. Bezirksrat Mbongeni Ngombane behauptete, die AEC habe das Treffen „überfallen“, aber die Leute wollten, dass der anwesende Ramatlakane spricht, und der weigerte sich. Das verursachte eine Menge Zorn und „Sessel wurden geworfen“. Ngombane behauptete auch, zu Unrecht, dass „die Mehrheit der Menschen in Mandela Park für ihre Häuser bezahlen möchten“ – was die BewohnerInnen von Mandela Park möchten, sind leistbare Rückzahlungsraten. Das Treffen wurde „neu angesetzt“ an einem Ort außerhalb von Mandela Park und war „schwach besucht“ – tatsächlich kamen lediglich die BezirksrätInnen, Ramatlakane und ihre Gefolgsleute. „Mitglieder der AEC“ – die in der Mehrheit waren – „blieben außerhalb und riefen Parolen gegen den ANC und Präsident Thabo Mbeki“. Bei diesem Treffen fuhr Tamatlakane mit einer rauen Strategie auf. Er ignorierte die hunderten von Räumungen, die von Servcon angezettelt worden waren, er bezog sich auf die neuen „EigentümerInnen“ – „Leute mit Besitzdokumenten müssen geschützt werden und niemand hat das Recht, einfach daherzukommen und zu behaupten, dass du in seinem Haus seiest und dass du es verlassen musst … solche Leute werden verhaftet“.
Die AEC bezog sich auf die Tatsache, dass Minister sich weigerten, direkt mit ihr zu verhandeln, und stattdessen SANCO, den ANC, COSATU, die SACP etc. einluden, an den Verhandlungen teilzunehmen. Für die AEC haben diese Organisationen entweder keinerlei Bezug zu dieser Angelegenheit oder sie stehen auf Seite der Banken. Sie meint, sowohl die COSATU als auch die SACP hätten die Anti-Räumungs-Kampagne unterstützen sollen, aber das taten sie nicht. Warum sollten sie zum Treffen kommen, bloß weil sie in einer Allianz mit der Regierung sind? Waren sie eingeladen, die Regierungsposition abzufedern? Warum sollte der ANC ebenso dabei sein wie die Regierung? Und warum sollte SANCO teilnehmen, wenn sie Anteile an Khayelethu Home Loans hält und auf der Seite der Banken ist.
Schule
Im Jänner 2003 unternahm die AEC Mandela Park einen weiteren Schritt und baute die „People‘s Power Secondary School“42für SchülerInnen auf, die an anderen Schulen nicht zugelassen wurden, sei es, weil sie die Gebühren nicht zahlen können, Prüfungen nicht bestanden haben oder wegen ihres Alters. 1.800 SchülerInnen aus ganz Khayelitsha kamen und 28 arbeitslose LehrerInnen begannen, auf freiwilliger Basis zu unterrichten. Von Anfang an verhandelte die AEC mit der Bildungsabteilung von Western Cape um die Registrierung der Schule. Im Februar brachte die Zeitung „Mail and Guardian“ eine Titelgeschichte (mit Foto) über die Schule.
David Macfarlane unterstrich in einem Beitrag unter dem Titel „Die Bildung des Volkes“, dass im ganzen Land Gebühren, Kosten für Transport und Schuluniformen zum Ausschluss von SchülerInnen aus der Schule führten. Salim Vally, der als Direktor an der „Wits University‘s Education Policy Unit“ arbeitet, sagte, dass „Die AEC und andere soziale Bewegungen viele Umstände, darunter die Verletzung verfassungsmäßiger Rechte dem ERP43aufgezeigt haben“. Er fügte hinzu, dass „diese kommunalen Initiativen wichtig sind … Die Freisetzung kreativer Energien in der community muss ermutigt und angezapft werden, nicht unterminiert. Während wir auf den Überblick der Regierung über ihre Bildungs-Finanzpolitik warten, werden immer noch tagtäglich Kindern ihre Rechte vorenthalten. Die Initiative in Khayelitsha ist ein schlagender Beweis dafür, was das ERPO landesweit festgestellt hat – eine von unten kommende Forderung nach Gerechtigkeit, die an Dynamik gewinnt.“
Die Verhandlungen mit dem WCED44waren sehr langwierig, sie beinhalteten Demonstrationen und Massenaktionen seitens der SchülerInnen in den WCED-Büros in Kuils River. Im Mai stimmte das WCED „prinzipiell“ der Registrierung der Schule zu. Aber im August verweigerte das WCED die Registrierung und schloss die Schule. Nur acht GrundschülerInnen wurden in eine nahegelegene Schule eingeschrieben und der Rest, darunter 200 „matric students“45, wurden vom WCED nicht akzeptiert. Die arbeitslosen LehrerInnen erhielten keine Jobs. „Der Vorsitzende der Schulverwaltung, Chris Ndabazandile, berichtete, dass die meisten SchülerInnen jetzt daheim sitzen und dass die Schule geschlossen wurde, obwohl alle Voraussetzungen für eine Registrierung erfüllt sind. ‚Man hat uns gesagt, der Grund, warum die Schule geschlossen wurde, ist, dass der ANC sie nicht mag. Warum … spielen sie diese verfassungsfeindlichen Spielchen mit uns?“ Später in diesem Jahr wurde Chris wegen falscher Anschuldigungen verhaftet (und später abgesetzt), und verbrachte die Nacht auf der Polizeistation B, wo er rassistisch beschimpft wurde – er wurde „Kaffer“ genannt.
Eine Woche nach dem ersten Bericht über die Schule berichtete die Mail and Guardian über die Verhaftung des AEC-Mitglieds Max Ntanyana und vier weiterer Leute wegen „Zeugeneinschüchterung“ und „Nichteinhalten der Kautionsauflagen“. Die AEC machte für diese Verhaftungen die günstige Öffentlichkeit, die die Schule hatte, verantwortlich. Ein reguläres AEC-Sonntagstreffen wurde „von Geheimpolizisten beobachtet“, gab Polizeikommissar Lennit Max zu. „Ntanyana wurde nach dem Treffen außerhalb seines Hauses von drei Männern (in schlichter Kleidung) entführt, die aus einem schwarzen Auto ohne Nummerntafeln sprangen. Sie schnappten ihn und zerrten ihn in das Auto.“ Ntanyana wurde von der Polizei zum Sündenbock der AEC gemacht. Über drei Monate wurde er in Pollsmoor festgehalten, und nur mit strengen Auflagen wie in der Apartheid-Zeit entlassen, die die AEC als verfassungsfremd bezeichnet und die vom Freedom of Expression Institute aufgenommen wurden.
Workshop
Etwa ab Mai 2003 habe ich an einem Workshop für Jugendliche in Mandela Park teilgenommen. Wir haben den Kapitalismus diskutiert, den imperialistischen Krieg im Irak, die russische Revolution und den Stalinismus sowie andere Themen. Der rechte Kolumnist David Bullard, der die mögliche Wahlenthaltung bei den kommenden Wahlen untersucht, schrieb unlängst: „Man kann allzu leicht die südafrikanische Jugend als mehr an Sex, Jobs, Sex, Kwaito46, Mode und Sex als an Politik interessiert bezeichnen.“ Aber wenn sich die Jugend in Mandela Park und anderswo von der „Politik“ verabschiedet hat, dann deshalb, weil sie an der Spitze (der Politik) Korruption sieht, zusammen mit Gleichgültigkeit ihrem Leiden gegenüber. Tatsächlich wird ihr Leid noch verstärkt durch die Verfolgung und Repression von oben.
Nach dem ersten Workshop ersuchte ich alle Anwesenden – sie waren zwischen 13 Jahren und in den frühen Zwanzigern – einen Brief an Präsident Mbeki zu verfassen und ihm mitzuteilen, was sie gerne hätten.
Hier einige derBriefe, die sie geschrieben haben:
Ich schreibe diesen Brief, um Sie über den Kampf von Khayelitsha zu informieren. Unser Kampf geht um Wasser- und Stromabschaltungen und Leute, die aus ihren Häusern vertrieben wurden. Wir versuchen, dem in ganz Khayelitsha Einhalt zu gebieten. Wir als Kinder versuchen, eine freie Bildung und bessere Bildung zu erhalten. Die Leute wurden von der Polizei aus ihren Häusern ins Gefängnis mitgenommen, weil sie um ihre Rechte kämpfen.
Mzwandile Panda
Die Polizei verrichtet nicht ihre Arbeit
Ich schreibe diesen Brief darüber, was mir und anderen Leuten geschah. Ich muss mich über die Polizei beschweren, die Art, wie sie uns behandelt. Sie behandeln uns wie Hunde oder Diebe, Mörder. Am 1. Mai dieses Jahres war ich auf der Polizeistation, mit anderen GenossInnen. Die Polizei hat mir dreimal mit Gummigeschossen in den Rücken geschossen, und jetzt ist mein Rücken nicht mehr wie zuvor.
Nach 9 Uhr abends kamen andere Polizisten und trafen mich im Nachbarhaus an. Sie nahmen mich in ihren Kleinbus und als ich fragte, sagten sie, das sei das neue Gesetz, denn sie haben mich im Haus des Nachbarn angetroffen nach 9 Uhr abends, und das ist Hausfriedensbruch und Einschüchterung. Deshalb muss ich jede Woche aufs Gericht und ich weiß nicht, was ich verbrochen habe. Deshalb mag ich dieses neue Gesetz nicht, denn da draußen sind Mörder und Diebe und die Polizei unternimmt nichts gegen sie. Die Polizei macht nicht ihren Job, das ist alles.
M. Zodwa
Räumungen, Verhaftungen, und
Schießereien
Wir brauchen keine Wasser- und Stromabschaltungen, denn wir sind arbeitslose Menschen, deshalb können wir es uns nicht leisten, höhere Rechnungen zu bezahlen. Leute aus ihren Häusern zu räumen, vor allem alte Menschen oder PensionistInnen. Polizisten, die Leute mitten in der Nacht verhaften und belästigen. Leute mit Gummigeschossen und echten Geschossen zu beschießen. Und weil wir die AEC-Leute sind, uns der Brandstiftung an Regierungsgebäuden zu bezichtigen und Leute einzuschüchtern, aber wir kämpfen nur um unsere Rechte. Wir haben nichts mit dem zu tun, dessen sie uns anklagen.
Nduthando Ndeleni
Wir werden die Kampagne nicht stoppen
Ich schreibe diesen Brief, weil ich nicht mag, was sie mit uns anstellen, uns aus den Häusern zu werfen und uns für das Wasser zahlen lassen. Es ist nicht gerecht, dass ihr, wenn ihr uns auf der Straße gehen seht, grundlos verhaftet. Wenn wir fragen, warum wir verhaftet werden, sagen sie, wir müssen die Kampagne stoppen, oder sie verhaften uns. Nicht einmal der Präsident Thabo Mbeki unterstützt uns, er möchte bloß das Geld der Regierung aufessen. Er möchte den Menschen nicht helfen. Es gibt Menschen, die keine Eltern haben, sie schlafen draußen und sie haben kein Gewand.
Nokuthula Mpandle
Die Regierung vergisst wer sie eingesetzt hat
Was wird mit dem Budget geschehen? Wird es für Häuserbau, Straßen, Parks verwendet werden? Wird es verwendet werden, uns Strafen zu ersparen? Wir erwarten uns das, denn die Kapitalisten haben alles, was wir nicht haben. Diejenigen, die das Geld und das Land in ihrer Hand haben, machen ihre Familien reicher und wir, die Armen, werden für den Rest unseres Lebens zu den Ärmsten. Soll also die Regierung alle Parlamentsmitglieder austauschen. Wir kämpfen also für uns, nicht für sie: Lasst uns etwas in die Hand nehmen, Gleichheit für jedeN in Südafrika. Wir haben die Regierung gewählt, aber sie lief uns davon, nachdem sie die Sitze im Parlament ergattert hatte, und sie vergessen, wer sie dorthin gebracht hat.
Eric, Lulamile, Sivuyile, Enoch
Mehr Repression
Im Oktober 2003 wurde Max Ntanyana erneut verhaftet. Zehn Tage davor war er wieder mitten in der Nacht von der Polizei entführt worden, und diesmal – wurden ihm erhebliche Mengen Geld angeboten, wenn er sich als Polizeispitzel gegen die AEC betätigte. Er weigerte sich. Deshalb wurde er am 13. Oktober um 4:30 Uhr früh verhaftet, aufgrund einer völlig konstruierten Beschuldigung. Gleichzeitig lief eine neue Verhaftungswelle, ebenfalls wegen falscher Anschuldigungen. In der Gegend gab es eine massive Polizeipräsenz. Die Atmosphäre in Mandela Park zu dieser Zeit war fast wieder wie unter dem Apartheid-Regime. Ntanyana wurde am 8. November aus Pollsmoor entlassen, und die Anklagen gegen ihn waren so haarsträubend, dass der Richter geradezu darüber lachen musste. Die Menschen in Mandela Park verstanden diese Verhaftungen als einen Versuch der lokalen ANC-Führung in Khayelitsha, vor den Wahlen die Opposition auszuschalten, vor allem die Opposition rund um die sozialen Fragen des täglichen Lebens. In diesem Sinn war es eine illegitime Benutzung des Staates, um Parteiinteressen voranzubringen.
Im Zuge der Besprechung dieser Verhaftungen im Internet ersuchte das führende SACP-Mitglied Mazibuko Jara um mehr Informationen darüber, was in Mandela Park geschieht. Die AEC Mandela Park mailte ihm im November und bat ihn, seinen Standpunkt dazu in der SACP-Zeitung Umsebenzi darzulegen und Leonard Ramatlakane um eine Stellungnahme zu ersuchen.47
Es gab keine Antwort darauf von Jara, und das Dokument wurde in Umsebenzi nicht veröffentlicht.
Die AEC ist nach wie vor aktiv, wie auch die Europareise anlässlich der Filmpremiere von „Im Schatten des Tafelberges“ zeigt. Denn die Probleme sind nach wie vor dieselben, und immer wieder werden AktivistInnen willkürlich verhaftet.
23 BewohnerInnen von Mandela Park wurden heute von der Polizei verhaftet48
Alle 23 AktivistInnen werden morgen dem Gericht Khayelitsha vorgeführt, die BewohnerInnen werden vor dem Gericht demonstrieren, bis unsere NachbarInnen frei sind.
Was ist geschehen?
Heute morgen wurden 23 AktivistInnen von Mandela Park verhaftet, als sie auf dem Weg zu einer Sendung in einem lokalen Radio waren, nachdem Helen Zille sich geweigert hatte, eine Protestnote wegen ihrer Lügen gegenüber den BewohnerInnen entgegenzunehmen.
Die Polizei behauptet wahrheitswidrig, dass alle 23 wegen Vandalismus in dem leeren Regierungsgebäude festgenommen wurden. Wir nehmen an, das geschah, weil die Polizei dringend Verhaftungen vornehmen musste wegen des gestrigen Protestes mittels zivilem Ungehorsam. Nachdem sie keine TäterInnen finden konnten, schnappten sie sich einfach die 23 AktivistInnen, die als Gruppe ein leichtes Ziel abgaben.
Am Abend versammelten sich rund 100 EinwohnerInnen von Mandela Park vor der Harare Polizeistation, um in diesem Fall Druck auszuüben. AEC- und AbM-Mitglieder schlossen sich dem Protest an. Der Protest erwies sich als fruchtbar und die AktivistInnen konnten den Kommissar Tobias sprechen. Beim ersten Treffen war er barsch und einigermaßen rüde, doch nach einigem toyi-toying49durch die BewohnerInnen während dem zweiten und dritten Treffen wurde Tobias freundlicher und schob die Schuld Herrn Isaacs, dem Oberstaatsanwalt, zu.
Es ist offensichtlich, dass die Massenproteste vor der Harare Polizeistation dazu beigetragen haben, dass die Leute nicht bis Dienstag oder Mittwoch im Knast bleiben müssen. Kommissar Tobias hat seine Taktik geändert und gemeint, er „fühle mit den BewohnerInnen von Mandela Park, die in Baracken leben und vor ihren Augen nette neue Häuser sehen, die sie nie kriegen werden.“ Zu den 23 Verhafteten meinte er: „Diese Leute sind keine Kriminellen“ und er möchte sie am liebsten loswerden, damit er sich auf die wahren Kriminellen konzentrieren kann.
Obwohl wir lediglich um unser Recht auf Wohnen kämpfen, das uns längst versprochen wurde, sind wir diejenigen, die immer wieder von den korrupten Polizisten der Harare Polizeistation kriminalisiert werden.
Die AEC entstand in den Armenvierteln von Kapstadt. Sie beschränkt ihre Aktivitäten aber nicht auf die Probleme dieser Viertel, sie übt auch praktische Solidarität mit anderen Verfolgten.
Unterstützung von Flüchtlingen – die Rolle der Regierung bei den rassistischen Angriffen
AEC demonstriert zur Unterstützung von Flüchtlingen und um die Rolle der Regierung bei den Angriffen zu unterstreichen (Kapstadt, 1.6.2008)
Die AEC wird an der morgigen anti-afrophoben (anti-xenophoben) Demonstration zum Parlament teilnehmen, um die afrikanischen FreundInnen in ihrem Kampf zu unterstützen. Die Demonstration wird von einem Zusammenschluss von Flüchtlings- und migrantischen Organisationen angeführt werden.
Die AEC wird den Zusammenhang zwischen ihren Mitgliedern, die ebenfalls geräumt wurden und/oder von Räumung bedroht sind und der Notlage von tausenden Flüchtlingen, die ebenfalls „geräumt“, d.h. gewaltsam aus ihren Häusern und communities vertrieben wurden, hervorstreichen.
Im Besonderen wird die AEC folgende Punkte beleuchten:
1. Dass die Angriffe nicht aus dem Nichts heraus erfolgen. Im Gegenteil wurde der Hass gegen AusländerInnen oft genug von der südafrikanischen Regierung, im Besonderen von der Polizei gebilligt und sogar dazu ermuntert. Razzien in migrantischen communities wurden alltäglich und die Polizei ist gegen diese verletzlichen Gruppen in unmenschlicher Weise vorgegangen – vor allem die vielen Zwischenfälle von Folter und Toten im Lindela-Gefängnis sind zu erwähnen. Diese Akte der Regierung haben im ganzen Land anti-migrantische Ressentiments befördert.
2. Die miserablen Antworten der Regierung haben nicht dazu beigetragen, die Gewalt zu stoppen und sie haben gegen die Rechte von papierlosen AfrikanerInnen verstoßen. Vor allem hat die Polizei zu den Plünderungen aufgerufen und sich manchmal an ihnen beteiligt. Darüberhinaus befinden sich die „temporären“ Flüchtlingslager in einem miserablen Zustand, sie wurden sowohl von den Flüchtlingen als auch den Vereinten Nationen gerügt.
3. Dass der Zorn der Armen groß und berechtigt ist. Aber anstatt dass er gegen andere hilflose AfrikanerInnen gelenkt wird, sollte er gegen die Verursacher ihrer Armut gelenkt werden – die unterdrückerische Regierung und die wohlhabende Elite.
4. Dass die einzige langfristige Lösung der Afrophobie (Xenophobie) und anderer Formen von Gewalt darin besteht, die Unterdrückung aller Armen in Südafrika zu beenden. Wenn die Armen Häuser hätten, wenn sie Jobs hätten, wenn sie eine ausreichende Gesundheitsversorgung hätten, erschwingliche Lebensmittel zur Verfügung stünden sowie eine sinnvolle Landverteilung vorgenommen würde, dann würden sie nicht ihre NachbarInnen angreifen und sie dafür verantwortlich machen, dass sie so wenig haben. Es wurde gut dokumentiert, dass die aktuelle Gewalt in Kapstadt wenig mit Hass auf ausländische AfrikanerInnen zu tun hat, aber sehr viel damit, dass sie eine Ausrede dafür ist, dass die Leute nichts haben. Wenn die Menschen hungrig sind, werden sie fast alles machen, um ihre Familien zu ernähren.
Und deshalb laden wir alle ein, uns morgen am Marsch zum Parlament zu begleiten. Wir, als die Armen Südafrikas, werden zusammen mit tausenden SomalierInnen, NigerianerInnen und ZimbabwerInnen marschieren, weil wir glauben, dass die Verursacher der Afrophobie die gleichen Leute sind, die uns aus unseren Häusern räumen.
Das Problem der Zwangsräumungen ist keineswegs neu. Die Fußball-WM verschärft aber dieses und andere Probleme zusätzlich, denn nun geht es nicht „nur“ um wertvolles Bauland in den Städten, sondern um die Armen selbst: sie sollen unsichtbar werden.
Die Fußball-Weltmeisterschaft und die Slums51
Zwanzig Jahre nach der Freilassung Nelson Mandelas wird die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika ausgetragen. Viv Smith wirft einen Blick hinter die schöne Kulisse und beschreibt die Auswirkungen auf die einfachen Menschen.
Über 40 Jahre lang wurde die schwarze Bevölkerung in Südafrika unterdrückt. Unter dem System der Rassentrennung, genannt Apartheid, wurden den schwarzen Südafrikanern alle demokratischen Rechte verweigert. Einer der führenden Kämpfer gegen die Apartheid war Nelson Mandela.
Als er im Jahr 1990 aus dem Gefängnis entlassen wurde, kamen 50.000 Menschen, um ihn reden zu hören. „Unser Marsch zur Freiheit ist unumkehrbar“, rief er ihnen zu. Hilda Ndude war damals dabei: „Wir waren unglaublich optimistisch“, sagt sie. „Wir wussten, ein neues Südafrika wurde geboren.“
Zwanzig Jahre später schwindet dieser Optimismus von Tag zu Tag mehr.
Die Fußball-Weltmeisterschaft wird im Juni dieses Jahres in Südafrika ausgetragen. Die Augen der ganzen Welt werden wieder auf dieses Land gerichtet sein. Doch was die wenigsten Kameras zeigen werden, ist die Rückkehr einer Praxis, die eng mit dem Südafrika der Apartheid verbunden ist: die Zwangsräumung von Schwarzen aus ihren Häusern.
Nach dem Zuschlag für die Fußball-WM im Jahr 2007 erklärte der damalige Präsident Südafrikas, Thabo Mbeki, dies sei „ein Moment, da Afrika aufrecht und entschlossen den Jahrhunderten der Armut und Konflikte den Rücken kehrt“.
Für die Mehrheit der Südafrikaner dagegen symbolisieren die riesigen Fußballstadien Vergeudung von dringend benötigten Mitteln. Der Stadtrat von Johannesburg hat beispielsweise wegen Überschreitung der Baukosten seinen Haushalt um über 90 Millionen Euro gekürzt. Die Einzelspiele werden bis zu 650 Euro kosten. Dagegen steht ein Wochenlohn von durchschnittlich 60 Euro für einen Bauarbeiter.
Die Arbeiter, die die Stadien errichteten, werden sich jedenfalls keine Eintrittskarten leisten können. „Das zeigt, wie tief die Klassenspaltung in unserem Land ist“, sagt Castro Ngobese von der Metallarbeitergewerkschaft Numsa. „die Menschen können sich nicht einmal die notwendigsten Dinge wie Brot, Milch und ein anständiges Mahl leisten.“
Riesige Barackensiedlungen werden als Müllkippe für die Stadtarmen gebaut, um die Menschen um das Riesenstadion und andere Bauprojekte herum aus dem Blickfeld zu verbannen. Dreißig Kilometer von der Stadtmitte Kapstadts entfernt befindet sich ein Ort, den die Anwohner Blikkiesdorp, „Blechdosenstadt“, nennen.
Endlose Reihen von drei mal sechs Meter großen Wellblechhütten wurden hier aufgestellt, in denen ganze Familien in einem einzigen Raum leben müssen. Das Wellblech lässt sich locker mit einer Schere aufschneiden. Die Hütten stehen auf einer weiten staubigen Ebene. Jeweils vier Bewohner müssen sich Wascheinrichtungen, Toilette und einen Wasserhahn teilen. Der Ort liegt weit entfernt von den Arbeitsplätzen der Leute, und die Verkehrsanbindung ist schlecht. Viele der Bewohner leiden unter HIV/Aids, können aber keine Klinik aufsuchen.
In der südafrikanischen Presse wurden diese eingezäunten und polizeilich bewachten Gebiete bereits als Konzentrationslager bezeichnet. Ziettha Meyer wurde von einer Sozialarbeiterin in die „Blechdosenstadt“ gebracht. Diese drohte ihr mit Gefängnis, sollte sie sich weigern, mitzukommen. „Sie setzte uns wie einen Hühnerhaufen ab“, sagt sie, „wir hatten keine Wahl.“ Nach dem neuen Slumgesetz kann jeder, der den Anweisungen zum Unzug nicht folgt, für fünf Jahre ins Gefängnis wandern. Für den Stadtrat von Kapstadt dagegen ist Blikkiesdorp das „vorübergehende Umsiedlungsgebiet Symphony Way“.
Er hat versucht, Menschen aus schwarzen Townships wie Joe Slovo „umzusiedeln“, die sich entlang der Strecke vom Internationalen Flughafen Kapstadt bis in die Stadtmitte ziehen. Joe Slovo ist eine seit langem bestehende „informelle Siedlung“ in Langa, dem ältesten schwarzen Township in der Provinz Westkap. Die Organisatoren der Fußball-WM nennen sie einen „Schandfleck“ und wollen, dass sie verschwindet. Aber die 20.000 Einwohner dort haben Widerstand geleistet. Sie haben, seit die Austragung der Fußball-WM in Südafrika bekannt gegeben wurde, erfolgreich ihre Umsiedlung verhindert.
Über 70.000 der bei Projekten der Fußball-WM beschäftigten Arbeiter sind für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen in den Streik getreten. „Wir kämpfen nicht für Brot – wir kämpfen für die Krumen“, sagt Lesiba Seshoka, ein Sprecher der Bergarbeitergewerkschaft.
Es wurden 500.000 Arbeitsplätze versprochen, aber bis jetzt im Stadionbau nur 22.000 geschaffen. Da das Statistische Amt Südafrikas feststellte, dass die Beschäftigung im Baugewerbe von 2007 bis 2008 um 22.000 Arbeitsplätze gesunken ist, ist der Zuwachs also gleich null.
Die höchstbezahlten Tätigkeiten gehen an weiße Arbeiter. Subunternehmer und Arbeitsvermittler dürfen im Gegenzug für die „Schaffung von Arbeitsplätzen“ die Arbeiter mit Dreimonatsverträgen anstellen. Auf diese Weise ist es leichter, sie wieder loszuwerden. Zudem ist die Arbeit gefährlich – Arbeitsmediziner und Sicherheitsinspektoren bezeichneten 52 Prozent der Fußball-WM-Baustellen als mangelhaft.
Aber die Arbeiter haben sich gewehrt. Sie traten in den vergangenen drei Jahren 26-mal in den Streik und konnten ernsthafte Zugeständnisse, wie kostenlose Werksfahrten, eine 12-prozentige Lohnerhöhung und Zuschläge erkämpfen. Auch Arbeiter in der Hotelbranche hielten eine Reihe Streiks und Demonstrationen ab. Sie drohen mit Streiks während der Fußball-WM, wenn ihre Forderungen nach Lohnerhöhung nicht erfüllt werden.
Zodwa Nsibande ist Chefin der Jugendliga von Abahlali base Mjondolo (AbM). AbM ist Teil der Protestbewegung von Slumbewohnern. Die Organisation wurde zum Schutz der Bewohner gegründet und leistet ihnen juristischen Beistand. Zodwa Nsibande ist wütend: „Die Menschen werden aus ihren Häusern gezwungen und wie Tiere behandelt.
Wir leben unter permanenter Bedrohung. Die Menschen haben Angst, irgendwohin zu gehen, denn wenn sie zurückkommen, wird dort irgendetwas hingebaut sein.“ Es gibt Widerstand gegen die Umsiedlung, denn Millionen Menschen in „informellen Siedlungen“ haben ihr Leben lang an dem Aufbau eines Gemeinschaftswesens und den damit verbundenen Organisationen gearbeitet.
Von offizieller Seite werden die Umsiedlungsgebiete als „vorübergehend“ bezeichnet. Aber viele Leute leben dort jetzt schon seit vier oder fünf Jahren, ohne dass es Anzeichen für eine Rückumsiedlung in richtige Wohnungen gibt. All das ist inzwischen zu einem üblichen Muster bei internationalen Großereignissen geworden. In den vergangenen 20 Jahren wurden allein für die Olympischen Spiele etwa zwei Millionen Menschen entwurzelt.
In Südafrika wurde die Polizei auch angewiesen, für die Fußball-WM die Straßen von Obdachlosen zu säubern. Der obdachlose Isaac Lewis wurde im vergangenen Monat sechsmal wegen „Herumlungerns“ verhaftet. „Die Polizeischikanen nehmen zu“, sagt er. „Sie wollen einen guten Eindruck auf die ausländischen Besucher machen. Wir sind für sie wie lästige Insekten.“
Um die Kriminalität während der Fußball-WM einzudämmen, hat der Polizeichef Südafrikas, Bheki Cele, gefordert, dass seine Beamten sogar den gezielten Tötungsschuss abgeben dürfen. In der Provinz Kwazulu-Natal (KZN) wurden Einheiten mit dem Namen „Rote Ameisen“ gebildet, die Barackensiedlungen abreißen. Der Stadtmanager von KZN, Mike Sutcliffe, verbot die erste Slumbewohnerdemonstration im November 2009. Als die Bewohner dennoch losmarschierten, schoss die Polizei.
All diese Maßnahmen werden allein zum Schutz der Milliarden-Euro-Investitionen in das Sportereignis ergriffen. Das neue Stadion von Kapstadt ist der teuerste Bau, der jemals in Südafrika errichtet wurde. Das „Giraffenstadion“ („Giraffe“ wegen seiner Trägerkonstruktion) in Nelspruit wurde auf 118 Hektar historischem Land der Matsafene, einem Swazi-Stamm, gebaut.
Die Swazi wurden gewaltsam von ihrem Land vertrieben. Der vom African National Congress, der alten Widerstandsorganisation der Schwarzen, dominierte Stadtrat bot ihnen als Entschädigungszahlung umgerechnet 10 Cent an.
Die Betroffenen klagten. Der Richter am Obersten Gerichtshof, Ntendeya Mavundla, verglich die Mitglieder des Stadtrats mit „Kolonialisten, die sich das Land der afrikanischen Ureinwohner für ein paar glänzende Knöpfe und Handspiegel unter den Nagel reißen“.
Die Fifa bezieht als Ausrichterin der Fußball-WM 94 Prozent ihrer Einnahmen aus Sponsorengeschäften und setzt ihre „Rechte“ rücksichtslos durch. In Südafrika spricht die Fifa davon, gegen „Eventpiraten“ vorzugehen, die „versuchen, Profit aus einem Ereignis zu schlagen, zu dem sie nichts beigetragen haben“. Die sogennanten Eventpiraten sind arme Straßenhändler, von denen es in Südafrika eine halbe Million gibt. Von ihrer Arbeit hängt das Überleben von Millionen Menschen und ihren Familien ab.
In der Provinz Kwazulu-Natal werden beispielsweise täglich 28.000 Tonnen gekochte Maiskolben auf den Straßen verkauft. Die Fifa wird darauf bestehen, dass kein „inoffizieller“ Straßenhändler in den Stadionbereich hinein kommt. Schon jetzt wurden Straßenküchen mit billigem Essen, die die Bauarbeiter in den Stadien versorgten, vertrieben und durch teure private Cateringfirmen ersetzt.
Die Stadien sind hunderte Kilometer voneinander entfernt, die Sportfans werden also in der Regel per Flugzeug zwischen den Stadien hin und her pendeln. Diese zusätzlichen Reisen werden einen Kohlenstoffausstoß von schätzungsweise 2,8 Millionen Tonnen mit sich bringen.
Auf diese Weise wird die Fußball-WM 2010 mit die größten ökologischen Auswirkungen der Sportgeschichte haben. Was tut die Regierung dagegen? Das Bildungsministerium ist eine „Partnerschaft“ mit Coca-Cola eingegangen, um Schülern das Recyceln beizubringen – dafür erhalten sie kostenlos Eintrittskarten für die Fußball-WM.
Die „Partnerschaft“ wird aber nichts dazu beitragen, die ökologischen Folgen oder die durch den Fluch der Fußball-WM weiter wachsende Armut zu lösen. Am Ende wird das südafrikanische Schulsystem lediglich ein wunderbares Werbefeld für Coca-Cola sein.
Bauunternehmer des Stadions räumten eine örtliche Schule und benutzen die Klassenzimmer seitdem als Büros. Die Kinder erhalten jetzt in drei Kilometer entfernten Schiffscontainern Unterricht. Die Container sind stickig und feucht. Ständig werden Schüler ohnmächtig. Als Nelson Mandela freigelassen wurde, versprach er der herrschenden Klasse der Welt, dass der ANC zwar die Apartheid, nicht aber den Kapitalismus abschaffen werde.
Der Kampf gegen die Apartheid war einer der mutigsten des 20. Jahrhunderts gewesen. Ein rücksichtsloses rassistisches System wurde am Ende durch die Bewegung der schwarzen Arbeiter und die Aufstände in den Gemeinden geschlagen. Solange das kapitalistische System jedoch bestehen bleibt, bleibt auch die Ungleichheit. Die kommende Fußball-WM in Südafrika erinnert die Menschen täglich daran, was die Herrschaft des Neoliberalismus bedeutet. Nach 46 Jahren Apartheid und 15 Jahren ungehemmter Marktwirtschaft wartet die Mehrheit der Südafrikaner immer noch auf Freiheit.
Abahlali baseMjondolo52
ist, gemeinsam mit der Bewegung der Landlosen (Gauteng), dem ländlichen Netzwerk (KwaZulu-Natal) und der Anti-Räumungs-Kampagne (AEC) des Westlichen Kap Teil der Allianz der Armen (Poor People‘s Alliance), ein Netzwerk radikaler Armenbewegungen.
Kurze Geschichte der Bewegung der BewohnerInnen der Barackensiedlungen
Die Bewegung Abahlali baseMjondolo (BarackenbewohnerInnen) begann Anfang 2005 in Durban, Südafrika. Obwohl sie überwiegend in und um die große Hafenstadt Durban angesiedelt ist, ist sie, gemessen an der Anzahl von Menschen, die sie mobilisiert, die größte Organisation militanter Armer in Südafrika nach dem Ende der Apartheid. Alles begann mit einer Straßenblockade, die von der Kennedy Road-Siedlung organisiert wurde aus Protest gegen den Verkauf eines Stücks angrenzenden Landes, das vom lokalen Stadtrat schon lange den BarackenbewohnerInnen als Baugrund versprochen worden war, an einen lokalen Industriellen.
Nach eineinhalb Jahren hatte die Bewegung bereits zehntausende Mitglieder aus über 30 Siedlungen. Sie war immer wieder mit Verhaftungen, Polizeiüberfällen, Todesdrohungen konfrontiert. Im März 2006 organisierte sie einen Wahlboykott bei den Lokalwahlen unter dem Motto „Kein Land, kein Haus, keine Stimme“. Sie hat die Verwaltung vieler Siedlungen demokratisiert, die Räumung zahlreicher Siedlungen verhindert, Zugang zu Schulen durchgesetzt und die industrielle Verbauung des Landes neben der Kennedy Road-Siedlung gestoppt.
Die Bewegung hat sich gegen die verbliebenen NGOs (die sich aus SpenderInnen aus dem Norden, AkademikerInnen etc. zusammensetzen) durchgesetzt, die sich anmaßen, die lokalen Kämpfe der Armen anzuführen. Der Schlüssel der Bewegung ist die Forderung nach „Land und Wohnungen in der Stadt“, sie kämpft damit auch gegen Zwangsabsiedlungen, für Zugang zu Bildung, Wasser, Elektrizität, Sanitäranlagen, Gesundheitsversorgung und für eine Demokratie von unten. In einigen Siedlungen hat die Bewegung auch erfolgreich Projekte wie Gärtnereien, Nähkollektive, Unterstützung von Menschen, die mit AIDS leben, eine Fußballliga, vierteljährlich stattfindende Musikveranstaltungen und so weiter organisiert.
Am 3.3.2010 veröffentlicht die Bewegung im Internet (siehe oben) das folgende Statement:
Die dritte Kraft gewinnt an Stärke
Ihr Ziel haben die Angreifer vom 26. September 2009 nicht erreicht. Auf unsere Bewegung wurde ein Überraschungsangriff durchgeführt, der spontane Widerstand wurde von der Polizei gebrochen, unser Büro wurde zerstört, hunderte unserer Mitglieder und UnterstützerInnen aus Kennedy Road verjagt, dreizehn unserer GenossInnen verhaftet und illegal in Haft behalten, und uns wurde verboten, uns offen in der Siedlung zu organisieren, in der unsere Bewegung gegründet wurde. Aber unsere Bewegung war nie nur in Kennedy Road. Vor dem Angriff gab es 15 Siedlungen in Durban und über 50 quer durch Durban, Pinetown, Tongaat, Howick, Pietermaritzburg und Kapstadt, die Mitglieder unserer Bewegung waren. Ziel des Angriffs war es, unsere Bewegung zu bestrafen wegen unseres Sieges über das Slum-Gesetz, uns diesen Sieg – Kennedy Road zu erhalten – streitig zu machen, und uns vor dem Jahr 2010 zu neutralisieren. Aber unsere Bewegung existiert immer noch. Tatsächlich wächst sie weiter. Seit dem Angriff haben wir vier neue Zweige und bald werden vier weitere dazukommen.
In Kennedy Road gibt es jetzt keine politische Freiheit. Abahlali ist aus der Siedlung verbannt und wer meint, sich loyal zur Siedlung zu verhalten, läuft Gefahr, angegriffen zu werden und dass sein/ihr Haus zerstört oder abgebrannt wird. Wir haben immer politische Freiheit zugelassen. Als wir die „Kein Land, kein Haus, keine Stimme“-Kampagne organisiert haben, erlaubten wir denjenigen BewohnerInnen, die politische Parteien unterstützen wollten, das zu tun. Entweder bist du Demokrat oder du bist es nicht, der wahre Test deiner demokratischen Haltung ist, ob du unterschiedliche Sichtweisen zulässt. Niemand kann bestreiten, dass wir in der Vergangenheit diesen Test bestanden haben. Niemand kann bestreiten, dass der ANC ihn nicht bestanden hat.
Alle Dienstleistungen, die wir in Kennedy Road angeboten haben, gibt es nicht mehr. Kein drop-in-Zentrum für Menschen, die mit HIV und AIDS leben, keine Kinderkrippen, keine Lebensmittelpakete für hungernde Familien, keine kollektiv organisierte Versorgung der Kranken. Es wird kein Brot mehr für die Hungrigen gebacken. Keine OKM mehr.53
Jetzt hängen die Leute sich irgendwo an (gemeint ist: an das Elektrizitätsnetz) – und manchmal müssen sie dafür bezahlen. Sogar die Halle, die wir so sorgfältig hergerichtet haben, nachdem sie jahrelang verfallen war, versinkt wieder in Trostlosigkeit. Das Gras wurde nicht geschnitten. Überall sammelt sich Dreck. Wer es sich nicht leisten kann, seine/ihre Kinder in Kinderkrippen zu schicken, überlässt sie nun Leuten, die mit Wasserholen, Backen und Bierbrauen beschäftigt sind. Das ist nicht die gleiche Betreuung. In unserer Kinderkrippe haben wir englisch und rechnen unterrichtet, wir haben den Kindern die Medikamente gegeben, die sie benötigt haben. Wir hatten eine Vollzeitlehrerin von der community, die ihre Verantwortung für diesen ernsten Job wahrgenommen hat. Sie hat auch Kurse zur Kleinkinderbildung gegeben. Es ist erstaunlich, dass wir, als Arme, sobald uns erlaubt wird, uns selbst zu regieren, all das machen können. Aber wenn die politische Partei, die all das Geld hat, die Kontrolle über die community übernimmt – denn für sie ist es eine community von RebellInnen – kann sie nicht mal eine Kinderkrippe führen. Es ist klar, dass ihre Tagesordnung damit beginnt, die politische Kontrolle über die Leute aufrecht zu erhalten, und damit endet sie auch schon wieder.
Am 19. Februar 2010 erschienen die Kennedy 12 wieder vor dem Gericht. Diesmal gab das Gericht offen zu, dass dieser Fall unter massiver politischer Einmischung und Druck steht. Er konnte aber keine Details dazu erläutern. Wir werden uns darum bemühen, darüber Öffentlichkeit herzustellen.
Der Fall wurde auf den 4. Mai vertagt. Dann werden unsere fünf GenossInnen, die immer noch im Westville-Gefängnis sitzen, sieben Monate in Haft verbracht haben, ohne dass vom Gericht irgendein Beweis ihrer Schuld vorgelegt worden wäre. Das ist ein Verbrechen. Diejenigen, die sie beschuldigen, kennen sie teilweise seit 20 Jahren, sie haben im gleichen Fußballteam gespielt, waren Nachbarn. Die Frage war nicht, ob sie sie kennen, sondern ob sie irgendwelche konkreten Beschuldigungen vorbringen konnten. Das konnten sie nicht.
Natürlich zielen wir auf einen politischen Prozess ab. Wenn es offene Einschüchterung im Gericht gibt – sogar Todesdrohungen – wenn Politiker offen der Staatsanwaltschaft Ratschläge erteilen, und wenn es immer wieder Verzögerungen gibt, damit die Leute im Knast bleiben, weil der ermittelnde Polizist „vergessen hat, ins Gericht zu kommen“, weil „die Schreibkraft nicht verfügbar ist“ oder weil die Staatsanwältin „nicht verfügbar“ ist (tatsächlich kann jeder sehen, dass sie vor dem Gericht eine Zigarette raucht) weiß mensch, dass mensch es hier nicht mit etwas zu tun hat, das den Namen Gericht verdient. Der ermittelnde Polizist ist viermal nicht vor Gericht erschienen. Er sagt, er hat vergessen, sich darum zu kümmern. Aber wenn mensch ihm nichtmal zutrauen kann, dass er sich um Gerichtstermine kümmert, wie sollte ihm zugetraut werden, dass er sich um eine komplexe Situation wie den Angriff auf AbM in Kennedy Road kümmert? In der Verfassung unserer Bewegung steht, dass jemand, die/der in eine verantwortliche Position innerhalb der Bewegung gewählt wird, und drei Treffen ohne Entschuldigung fernbleibt, diese Position verliert. Muss ein Polizist, der es nicht schafft, sich um den Fall, den er zu untersuchen hat, zu kümmern, nicht ebenfalls von diesem Fall abgezogen werden?
Die üblichen Regeln der Gerichtsbarkeit wurden auf diesen Fall nicht angewandt. Ebenso wurden die üblichen Regeln über Räumungen oder das Recht auf Demonstrationen in unserem Fall nicht angewandt. Es ist offensichtlich, dass die üblichen Regeln niemals auf die Armen angewandt werden.
Die Polizei und die Staatsanwaltschaft sollen der Öffentlichkeit dienen. Wir sind uns ganz sicher, dass wir, vor allem wenn wir wegen „öffentlicher Gewalt“ verhaftet werden, wenn wir die grundlegenden Rechte wahrnehmen, die uns in der Verfassung zugesichert werden, ebenfalls Öffentlichkeit sind. Wenn diese Idee von „Öffentlichkeit“ irgendeine Bedeutung haben soll, dann muss sie für alle gelten. Aber es ist offensichtlich, dass die Polizei und Staatsanwaltschaft nicht für uns arbeiten – sie arbeiten für die Politiker – für Willies Mchunu und die Schläger, die gegen uns geschickt wurden. Es ist offensichtlich, dass die Armen in diesem Land akzeptieren sollen, dass die üblichen Regeln für uns nicht gelten. Ebenso offensichtlich ist, dass in diesem Land die mobilisierten Armen, diejenigen, die sich selbst organisiert haben, um für sich selbst zu sprechen und selbst zu agieren, von den Politikern zu Feinden der Gesellschaft erklärt werden.
Es ist eine Schande, wie für diesen Fall 12 Termine ausgeschrieben wurden. Vermutlich versuchen sie sicherzustellen, dass wir kein Geld mehr für einen guten Anwalt haben, wenn es endlich zur Verhandlung kommt.
Wieso sollen wir uns an das Gesetz halten, wenn der Staat das nicht macht? Was sollen wir tun, wenn BürgerInnen dazu gezwungen werden, das Gesetz zu beachten, wenn der Staat das nicht macht? Wie sollen wir unsere Kämpfe schützen, wenn der Staat keinen Respekt vor dem Gesetz hat? Wie sollen wir auch nur Geld verdienen, um AnwältInnen zu bezahlen, die für uns argumentieren: dass wir ebenfalls verdienen, nach dem Gesetz behandelt zu werden?
Letztes Jahr haben wir vor dem Verfassungsgericht einen großen Sieg errungen. Dieser Sieg hat den Staat gezwungen anzuerkennen, dass er die „Slums nicht bis 2014 säubern“ kann, und zu versprechen, unseren Forderungen nachzukommen, uns Zugang zu Land innerhalb der Städte zu gewähren sowie darauf Häuser zu errichten. Aber während wir vor dem Verfassungsgericht ein faires Verfahren bekommen können, gibt es weiter unten keine Fairness. Trotzdem glauben wir, dass die Macht bei uns bleibt. Wenn das Gesetz für uns kein Mittel ist, werden wir unsere politische Macht nutzen.
Die Leute im Gefängnis sind doppelt Opfer. Sie müssen die Haft ertragen und sie müssen die Angriffe ertragen, denen sie im Gefängnis ausgesetzt sind. Wieder einmal werden ihre BesucherInnen zu den Besuchszeiten aus dem Gefängnis gejagt – GenossInnen ebenso wie Familienangehörige. Deshalb haben wir dafür gesorgt, dass am Dienstag eine Gruppe von Priestern aus Südafrika und dem Ausland sie im Gefängnis besucht.
Für die bei den Angriffen Vertriebenen ist die Situation immer noch schwierig. Sie haben ihre gesamte Infrastruktur verloren, die ein Mensch für ein erträgliches Leben braucht. Viele von ihnen haben alles verloren. Viele von ihnen suchen immer noch nach einem sicheren Ort, an dem sie bleiben können.
Der Angriff zielte darauf ab, unsere Bewegung zu zerstören – uns zurück zu drängen in die dunkle Stille, aus der unsere Bewegung gekommen ist. Nun gut, wir haben eine sehr schlechte Nachricht für unsere Angreifer und die, die sie unterstützt haben – für Leute wie Jackson Gumede, John Mchunu und Willies Mchunu. Die schlechte Nachricht lautet, dass wir seit dem Angriff vier weitere Zweige erhalten haben. Vier neue Zweige in Hillary, Cato Crest (Umkhumbane), Lindelani (Ntuzuma) und Port View (Diakonia Avenue, CBD).
Wir bereiten uns auf die Errichtung von drei weiteren neuen Zweigen vor in The Ridge View Transit Camp (Chesterville), New Dunbar (Mayville) und Albert Park. Und es gibt eine Untergrundorganisierung, über die wir nicht sprechen.
Wir gehen nicht in die Barackensiedlungen, die Blöcke oder Hütten, oder die alten Blechhütten, um die Leute zu mobilisieren. Die Leute kommen zu uns. Sie mobilisieren uns, zu kommen und unsere Kampferfahrungen mit ihnen zu teilen. Was wir tun: wir gestatten uns selbst, uns mobilisieren zu lassen. Es sind die Lebensbedingungen der Menschen, die sie für diesen Kampf rekrutieren.
Am Sonntag haben wir ein neues Büro im Transitlager in Siyanda B. eröffnet. Vor einigen Wochen haben wir unser neues Hauptquartier in CBD eröffnet. Wir haben beim Angriff eine Menge Bücher verloren, aber unsere Bibliothek arbeitet weiter.
Seit den Angriffen haben wir den Kampf gegen Räumungen weiter geführt. Räumungen in Tumbleweed (Howick), Hillary (Durban) und Motala Heights (Pinetown) wurden gestoppt. In all diesen Gegenden geht der Kampf weiter.
Am 17. März 2010 wird es ein Jahr sein, seit das Obergericht das Transportministerium dazu verpflichtet hat, den Menschen, die es aus Siyanda in das Richmond Farm Transit-Lager vertrieben hat, permanente Wohnmöglichkeiten zu geben. Aber es gibt immer noch keinerlei Pläne, diese Menschen unterzubringen. Das Gericht hat das Ministerium auch dazu verpflichtet, grundlegende Versorgung zur Verfügung zu stellen. Aber fast ein Jahr danach gibt es immer noch kein Wasser, keine Toiletten. Das Gericht hat angeordnet, dass alle drei Monate dem Gericht ein Bericht zukommen muss, aber es gab keinen einzigen derartigen Bericht. Das Transportministerium ist gegenüber dem Gericht in Verzug. Wir werden diesen Kampf in die Straßen und vor Gericht tragen. Wir werden verlangen, dass das Ministerium für die Menschen, die wie Ölsardinen in das Richmond Farm Transit-Lager gezwungen wurden, ebenso verantwortlich ist wie gegenüber dem Obergericht.
Wir sind auf Massenaktionen gut vorbereitet. Es wird öffentlichen Protest geben und in einer Gegend einen Mietboykott. Wir werden bald diese Aktionen ankündigen.
Rund 150 Menschen, die aus Kennedy Road deportiert wurden, treffen sich einmal wöchentlich mit dem exilierten, aber demokratisch gewählten Kennedy Road-Komitee. Sie haben folgende Forderungen aufgestellt:
* Das Recht auf sichere und dauerhafte Rückkehr in die Kennedy Road-Siedlung
* Das Recht auf Zugang zum umliegenden Land, wenn jemand anders auf ihrem Land gebaut hat.
* Das Recht auf vollen und gleichen Schutz für jedeN durch die südafrikanische Polizei.
* Das Recht, die gemeinsame Erklärung zu erhalten, die zwischen dem Kennedy Road Entwicklungskomitee und dem Stadtrat eThekwini im Februar letzten Jahres unterzeichnet worden ist, und die als anerkanntes, legales Dokument gilt.
* Das Recht auf freie politische Aktivität für alle in der Siedlung.
* Das Recht, den Putsch des ANC als Putsch anzuerkennen, der keinerlei rechtliche Grundlage hat. Das ANC-Komitee soll abgesetzt werden und eine glaubwürdige Organisation von außerhalb sollte freie und faire Wahlen für ein neues Komitee abhalten.
* Das Recht, unser Land und unsere Häuser anzuerkennen, das wir mit unserem Kampf gewonnen haben.
* Das Recht, den Kampf für die Umsetzung dieser legitimen Forderungen fortzuführen, in- und außerhalb der Gerichte.
* Das Recht, den Angriff und den offenkundig unfairen und unrechtmäßigen gerichtlichen Prozess, der folgte, von einer glaubwürdigen und unabhängigen Untersuchungskommission untersuchen zu lassen.
In Kennedy Road ist die Situation jetzt sehr schlecht. Es gibt keine Führung mehr – bloß politische Kontrolle von oben. Die Zerstörung der Häuser von AbM-UnterstützerInnen geht weiter. Der ANC von außerhalb ist nicht mehr in Kennedy Road. Die Siedlung wurde den lokalen Kneipenbesitzern und den lokalen ANC-Leuten, die den Angriff durchführten, überlassen. Es ist beschämend, wie die herrschende Klasse die sozialen Bedürfnisse der Menschen übersehen und wie sie nur an Politik interessiert ist – in der Kontrolle der Menschen von oben herab. Die Kriminalitätsrate ist jetzt in der Siedlung sehr hoch. Die Situation ist vor allem für Frauen sehr gefährlich. Sie betrifft auch Menschen von außerhalb der Siedlung. Die Mittelklasse neben der Siedlung ist sehr beunruhigt über diese Zunahme an Kriminalität.
Es gibt ernsthafte Debatten in der Siedlung. Die Leute fragen, wo Willies Mchunu nun ist, da die Siedlung keine Führung hat und unsicher ist. Im Februar hat er versprochen, dass er den Menschen Wohnraum verschaffen wird, aber er hat diese Versprechen nicht eingehalten. Tatsächlich sagte John Mchunu, nachdem wir angegriffen worden sind, dass die Leute aus Kennedy Road in das Transitlager in Chatsworth gebracht würden. Die Leute fragen sich nun, ob es tatsächlich sein kann, dass wir angegriffen werden, damit das Land, das wir gewonnen haben, uns wieder weggenommen wird.
Der Staat hat gegenüber dem weltweit vorgetragenen Ruf nach einer unabhängigen Untersuchungskommission versagt. Am Freitag wird AbM Kirchenführer treffen, um den Vorschlag, dass die Kirchen ihre eigene Untersuchung durchführen sollen, weiterzubringen.
Vielleicht wegen der Eskalation der Kriminalität in der Siedlung, vielleicht, weil diese nun die Mittelklasse in der Nachbarschaft der Siedlung beeinträchtigt, oder vielleicht weil gerade einige Polizisten wirklich ihre Arbeit ernsthaft betreiben möchten, jedenfalls beginnt die Polizei nun, gegen die Anführer des Putsches vorzugehen. Am Donnerstag letzter Woche wurden zwei Leute – ein Kneipenbesitzer und ein bekannter Krimineller, beide waren am Angriff beteiligt – verhaftet wegen Zerstörung des Hauses eines AbM-Unterstützers. Das ist ein wichtiger Durchbruch. Bisher hat sich die Polizei einfach geweigert, Verfahren einzuleiten für Leute, deren Häuser zerstört worden sind. S‘bu Zikode war die einzige Person, der es gelang, ein solches Verfahren einzuleiten. Andere wurden einfach verjagt. Mashumi Figlan wurde schwer verletzt, als er versuchte, ein Verfahren einzuleiten. Mnondli Mbiko wurde versprochen, dass es ein Verfahren geben werde, aber es geschah nichts. Deshalb begrüßen wir diese Verhaftungen und sprechen der Polizei ein Lob aus. Sie sind ein Anzeichen dafür, dass die lokale Polizei beginnt, sich dem politischen Druck zu widersetzen und eher dem Gesetz zu gehorchen als den Politikern. Es sind nicht die ersten Anzeichen. Letzte Woche wurden zwei andere Leute, beide Mitglieder des neuen ANC-Komitees in Kennedy Road, wegen Angriffen auf unsere GenossInnen verhaftet. Wenn die Polizei das Gesetz befolgen kann, anstatt Anordnungen der herrschenden Partei nachzukommen, dann sind das kleine, aber wichtige Hoffnungsschimmer.
Die Verhafteten sind: Sizwe Motaung (Kneipenbesitzer), Linga ‚Mnqundu‘ Hitsa (bekannter Krimineller), Zibuyile Ngcobo und Nana Ngcobo (beide Mitglieder des lokalen ANC und Teil des neuen ANC-Komitees, das nach dem Putsch installiert wurde).
Es ist interessant festzuhalten dass, während wir unsere Bewegung wiederaufbauten und uns um die Vertriebenen und Verhafteten kümmerten, Menschen in ganz Südafrika gekämpft haben. Wenn wir die dritte Kraft sind, dann ist klar, dass die dritte Kraft überall ist. Und wenn die dritte Kraft überall ist, dann ist klar, dass die dritte Kraft nur ein anderer Name für die organisierte Armut ist. Es gibt keinen Zweifel, dass die Armen sich erheben werden. Nichts wird Lanesdowne Road oder den Golden Highway für das Geschäft der Reichen sicher machen, solange die Armen in Armut gehalten werden. Die einzige Frage ist, wofür werden sich die Armen erheben? Werden wir uns gegeneinander erheben oder gegen die Ungerechtigkeit? Es ist so traurig, dass in Uganda und Kenia die Reichen und ihre Priester und Maulanas (islamische Priester) versuchen, die Menschen gegeneinander zu hetzen. Hier in Südafrika empfehlen wir diejenigen, die wie Sikhula Sonke einen klaren Standpunkt gegen Fremdenfeindlichkeit eingenommen haben und für einen Kampf, der die Armen dazu ermächtigt, von den Reichen in- und außerhalb der Regierung unsere Würde zurück zu gewinnen.
Ebenso ist es interessant zu bemerken, dass während wir unsere Bewegung wiederaufgebaut haben, Haiti von diesem schrecklichen Erdbeben zerstört wurde. Es ist klar, dass von Haiti bis zu Kennedy Road den Armen nicht erlaubt wird, ihre eigenen Führer zu wählen, und ihre eigene Macht aufzubauen. Von Haiti bis Kennedy Road ist uns nur eine Demokratie erlaubt, wenn Wählen bedeutet, dass wir eine Fraktion von Reichen gegen eine andere unterstützen. Von Haiti bis Kennedy Road macht uns unsere politische Schwäche verwundbar durch Katastrophen wie Feuer, Flutwellen und Erdbeben. Und von Haiti bis Kennedy Road werden Katastrophen missbraucht, um noch mehr Kontrolle über unsere communities zu erlangen, im Namen von helfenden Menschen, die zur Verzweiflung getrieben wurden. Für Haiti bis Kennedy Road lautet die Lösung, die echte Lösung: politische Selbstermächtigung der Armen durch die Armen und für die Armen.
Unser Kampf begann 2005 mit Märschen gegen Yakoob Baig, den Vorsteher des 25. Bezirks. Wir hörten, dass unlängst sein Haus wieder in den Besitz der Bank übergegangen ist. Zwei Tage später sah ihn einer unserer Leute im Suncoast Casino. Die Reichen, nur sie sind echte Menschen. Sie denken, dass nur sie echte Bürger sind. Sie denken, dass wir dreckig und dumm sind und dass wir es lieben, wie Schweine im Dreck zu leben. Aber tatsächlich ist der einzige Unterschied zwischen den Armen und den Reichen, dass die Reichen Geld haben und die Armen nicht. Es gibt keinen weiteren Unterschied. Einige arme Leute wachen eines Tages auf und stellen fest, dass sie reich sind. Einige reiche Leute wachen eines Tages auf und stellen fest, sie sind arm. Geld kann kommen und gehen, aber du bist immer noch von der gleichen Mutter geboren worden, und du hast immer noch den gleichen Verstand. Wir laden Yakoob Baig öffentlich dazu ein, zu kommen und mit uns zu sprechen, wenn er einen Platz zum Leben braucht. Wir können ihm zeigen, wie er am Müllplatz zu ein paar Paletten kommt und ihm ein wenig Land arrangieren, wo er eine Baracke für seine Familie aufstellen kann.
Wir möchten allen Menschen in Südafrika und auf der ganzen Welt danken, die uns nach diesem Angriff unterstützt haben. Ihr Engagement war nicht vergebens. Unser Kampf geht weiter.
Jede Volksbewegung, die ernsthaft die Macht der Armen aufbauen möchte, und die ernsthaft die volle Anerkennung gleicher Menschlichkeit für die Armen verlangt, wird eine Menge Herausforderungen und Prüfungen überstehen müssen. Wir haben seit 2005 viele Herausforderungen angenommen und überstanden. Der Angriff auf unsere Bewegung in Kennedy Road war die bisher größte Prüfung. Aber wir haben sie bestanden.
Für weitere Informationen kontaktiert uns: Mnikelo Ndabankulu: 079 745 0653, Mazwi Nzimande: 074 222 8601. Genaue Informationen über die spezifische Situation in Kennedy Road erhaltet ihr bei Mzwake Mdlalose: 072 132 8458
Wenn ihr die vertriebenen oder verhafteten Leute des Angriffs auf Abahlali baseMjondolo in Kennedy Road unterstützen möchtet, kontaktiert das Kennedy Road Entwicklungskomitee via Mzwake Mdlalose. Der Solidaritätsfonds von Bischof Rubin Phillip ist immer noch aktiv und freut sich über Unterstützungen. Online findet ihr in unter: http://abahlali.org/node/5783
Anmerkungen
1 Der Tafelberg ist das Wahrzeichen von Kapstadt
2 http://dok-werk.com/de/film/im_schatten_des_tafelberges
3 Aus dem Transkript der Diskussion nach der Filmvorführung
4 „Wiederaufbau und Entwicklung“
5 Gear bedeutet übersetzt in etwa „in Gang setzen“
6 Wachstum, Beschäftigung, Umverteilung
7 d.h. die Abkürzung als Wort (s.o.)
8 Democratic Alliance, Abspaltung vom ANC
9 wegen Nichtbezahlung der Wassergebühr
10 Quelle im folgenden, wo nicht anders angegeben: http://antieviction.org.za, Martin Legassick, veröffentlicht in South African Labour Bulletin Nr. 27, 6.12.2003.
11 AbM besetzte am 18. Mai 2009 Land im Staatseigentum in Macassar Village. Am Tag der Besetzung wurden vier Leute, darunter Martin Legassick, verhaftet.
12 Quelle: Wikipedia
13 39 Rand = 4 Euro, zu beachten ist, dass der Bericht 2003 verfasst wurde.
14 MEC for safety and security, fast ein Wortspiel: safety steht für die „eigene“ Sicherheit, während security für die „Sicherung durch andere“ steht, also in etwa soziale Sicherheit und Polizei
15 Wahrheits- und Versöhnungskommission, wurde auf Initiative des ANC im Jahr 1996 durch Präsident Nelson Mandela eingesetzt.
16 Anti-Korruptionstruppe innerhalb der südafrikanischen Polizei
17 Chris Hani kam nach 27 Jahren Exil 1990 zurück nach Südafrika und wurde 1991 Generalsekretär der SACP (KP Südafrikas), eine der beliebtesten Führungsfiguren innerhalb des ANC mit guten Kontakten zu den Townships. 1993 wurde er von dem polnischen Einwanderer Janusz Walus ermordet. Dahinter stand ein Komplott des Parlamentsabgeordneten Clive Derby-Lewis, das auf die Verhinderung der Beendigung der Apartheid abzielte und das Land an den Rand des Bürgerkriegs brachte.
18 South African National Civic Organisation, Bürgerrechtsbewegung
19 South African Commercial, Catering and Allied Workers Union, Motto: „Einheit, Demokratie, Sozialismus“
20 South African Clothing and Textile Workers‘ Union
21 Westkap ist eine südafrikanische Provinz im Südwesten der Republik. Sie grenzt sowohl an den Atlantik als auch an den Indischen Ozean, und wurde 1994 aus Teilen der Kapprovinz gebildet.
22 Das Volk der Xhosa wanderte ca. um das 11. Jahrhundert aus weiter nördlich gelegenen Gebieten in das heutige Südafrika ein.
23 „Rassen“trennung
24 Von den Rassisten erzwungene „Siedlungsgebiete“ für AfrikanerInnen
25 Die rassistische Rassentrennung in Südafrika hatte viele Abstufungen, z.B. „weiß“, „farbig“, „indisch“, „jüdisch“, „schwarz“. Diese Klassifizierung wurde in den Reisepässen festgehalten.
26 Pondokkie werden Baracken (aus Wellblech, Kartons etc. gebaut) genannt
27 Nationale Partei, regierte von 1948 – 1994, Partei der Apartheid, 2005 aufgelöst.
28 Kurz: In der Kapregion wurde die afrikanische Bevölkerung gezwungen, in die eigens eingerichteten „locations“ zu übersiedeln.
29 Wie bereits ausgeführt, unterschied das Apartheid-Regime streng zwischen „black“ und „coloured people“.
30 United Democratic Front, in den 80er Jahren das wichtigste außerparlamentarische Oppositionsbündnis in Südafrika, 1983 als nicht-rassengebundenes Bündnis von über 400 Organisationen gegründet.
31 Gemeint sind schwarze Kollaborateure des Apartheid-Regimes
32 Inkatha Freedom Party, 1975 von Mangosuthu Buthelezi gegründet, verstand sich als Gegenbewegung zum ANC, war strikt antikommunistisch und arbeitete immer wieder mit dem Apartheid-Regime zusammen. Mit dem absehbaren Ende der Apartheid rief Buthelezi seine Anhänger zum Kampf gegen den ANC auf, bei dem über 7.000 Menschen starben. Erst die Einbindung in die Regierung Mandela machte diesem Schlachten ein Ende. Von 1994 bis 2004 war die Inkatha drittstärkste Partei in Südafrika und stellte in KwaZulu Natal den Premierminister. Bei den Wahlen 2009 erhielt sie nur noch 4,55% der Stimmen.
33 Provinz im Nordosten Südafrikas. Im Zuge der Apartheid-Politik wurden Teile der Provinz abgetrennt und zu „homelands“ erklärt.
34 Der Beitrag ist von März 2004
35 Federal National Bank
36 Allesamt Privatbanken, die in den späten 80ern, aufgrund der Privatisierungsbestrebungen und der Weigerung des Apartheid-Regimes, für als „Afrikaner“ klassifizierte Menschen zu bauen, Grundstücke und Häuser für private Grundstückerschließungsgesellschaften finanzierten, die von den Bewohnern abgezahlt werden müssen
37 South African Municipal Workers Union (Gewerkschaft der Gemeindebediensteten)
38 Südafrikanische Provinz
39 Neue Nationale Partei, Nachfolgepartei der Nationalen Partei mit Frederik Willem de Klerk als erstem Parteivorsitzenden (er hatte gemeinsam mit Nelson Mandela den Friedensnobelpreis erhalten). Die NNP verstand sich als nicht-rassistisch, verlor aber 2004 einen Großteil ihrer Stimmen und löste sich 2005 auf.
40 Anti-Privatisierungs-Forum
41 Wurde in den 60er Jahren zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt, die er auf Robben Island absaß. Wurde als orthodoxer Marxist sowjetischer Ausrichtung beschrieben. Nach seiner Freilassung arbeitete er zwei Jahre im Untergrund für den ANC und wurde 1977 Mitglied des Exekutivkomitees des ANC. In den späten 80er Jahren lebte er im Exil in Sambia und war Chef des ANC-Geheimdienstes. Er soll bei Verhören von (echten oder vermeintlichen) KollaborateurInnen brutale Methoden bis zu Scheinexekutionen eingesetzt haben. 1999 wurde er Vizepräsident unter Mbeki, 2005 endete dieses Amt für ihn, weil er der Korruption angeklagt wurde (z.B. die Annahme von Schmiergeldern). Im September 2008 stellte ein Gericht die Untersuchung gegen ihn ein. Schon 2007 wurde Zuma an die Spitze des ANC gewählt und setzte sich damit gegen Mbeki durch. Am 9. Mai 2009 wurde er vom südafrikanischen Parlament zum Präsident gewählt.
42 Oberschule der Volksmacht
43 Education Rights Project
44 Western Cape Education Department
45 In Südafrika: MaturantInnen
46 In den 90er Jahren entstandene südafrikanische Musikszene, die Musik basiert auf langsamen House-Beats und –Akkorden.
47 Hier folgt die Stellungnahme, die die AEC an Jara geschickt hat (im Prinzip eine Kurzfassung dieses Berichts mit Angriffen u.a. auch auf die SACP, wo sie sich in den Augen der AEC falsch verhalten hat).
48 Gekürzt aus: http://www.facebook.com/note.php?note_id=140978521687, EAC, 20.9.2009
49 Südafrikanischer Tanz, der eigentlich aus Simbabwe kommt. Berühmt, weil er bei politischen Protesten in der Apartheidzeit verwendet wurde. Toyi-toying beginnt mit stampfenden Füssen und spontanen Parolen oder – oft improvisierten – Liedern. In Simbabwe hat Robert Mugabe 2004 toyi- toyi verboten. In Südafrika wird toyi- toyi als Ausdruck des Protests gegen die gegenwärtige Regierung weiter gepflegt, die AEC, AbM und Gewerkschaften tanzen ihn, das Anti-Privatisierungs-Forum hat eine CD mit toyi- toyi-Musik herausgegeben.
50 http://amandla.blogsport.de/
51 Der Artikel erschien zuerst auf Englisch in der britischen Zeitung „Socialist Worker“, Ausgabe vom 13.02.2010. Übersetzung ins Deutsche von Rosemarie Nünning (Marx21.de), 5.3.2010.
52 Übers. von der website: abahlali.org
53 Die OKM (Operation Khanyisa Movement) ist eine Wahlplattform, die 2006 von einigen Mitgliedern des APF (Anti-Privatisierungs-Forum) gegründet wurde. Ihr Ziel ist der Kampf für die Unterstützung der der Interessen der ArbeiterInnenklasse in- und außerhalb des Johannesburger Stadtrates. Der Name kommt vom APF-Programm, diejenigen zusammenzubringen, denen wegen Nichtbezahlung der Rechnung der Strom abgestellt wurde. Aktive Mitglieder der OKM sind: das Soweto Electricty Crisis Committee, das Thembelihle Crisis Committee, die Wynberg Concerned Residents und die Kliptown Concerned Residents. Früher wollten einige Stadträte des ANC Mitglieder der OKM werden, was aus politischen und technischen Gründen abgelehnt wurde. Stadträtin der OKM ist Zodwa Madiba, Parteichef Genosse Authur Lekalake. (Quelle: http://amadlandawonye.wikispaces.com)