Roberto Zanini; Vorbemerkung, Übersetzung aus dem Italienischen und Einfügungen in eckigen Klammern: Antifa-AG der Uni Hannover; antifa.unihannover.tripod.com
Zum Verbot der linksnationalistischen baskischen Partei Batasuna durch den spanischen Staat bzw. einer große Koalition aus der regierenden Volkspartei PP von Aznar und der oppositionellen sozialdemokratischen PSOE herrscht im linken und linksliberalen Lager weitgehendes “Schweigen im Walde”. Die meisten linksliberalen Intellektuellen sind diesbezüglich auf Tauchstation gegangen und die Izquierda Unida (Vereinigte Linke – IU), zu der auch die spanische KP (PCE) gehört, hat sich bei der Abstimmung über diesen eklatanten Vorgang im Parlament “kämpferisch” enthalten. Um so interessanter ist das Durchbrechen dieser Mauer des Schweigens durch den, auch im deutschsprachigen Raum sehr bekannten Schriftsteller und PCE-Mitglied Manuel Vazquez Montalban, u.a. in einem Interview für die linke italienische Tageszeitung “il manifesto” vom 29.8.2002:
Dieses linke Schweigen
Eine politische Partei zu illegalisieren, ist keine alltägliche Sache. In Spanien z.B. geschah das seit dem Ende des Franco-Regimes nicht mehr. Auch daß fast niemand über die legale Beseitigung einer Partei in einem Land Europas beunruhigt ist, ist keine alltägliche Sache. Im seit Jahren durch Bomben in den Supermärkten, Morde an Gemeinderäten und sinnlose Gewalt gezeichneten Spanien ist die Stille das auch von denjenigen gewählte Instrument, die das äußerst strenge / schreckliche “Ley de partidos” (Par­tei­engesetz), das das Verbot von Batasuna, der baskischen nach Unabhängigkeit strebenden Formation determinierte, nicht geteilt haben. Unter den wenigen, die die Stimme behalten haben, ist Manuel Vasquez Montalban.
Warum schweigen die Intellektuellen?
Ich habe keinerlei Sympathie für die Batasunos, aber es geht nicht um Sympathie oder Antipathie. Sie zu verbieten, kompliziert das baskische Problem und ist eine reine Wahlkampfaktion der Rechten.
Das Parlament beschließt die “Illegali­sierung” einer Partei, ein Richter beschließt die Schließung der Büros, Zeitungen und Aktivitäten. Das sollte eine Sache sein, die Entsetzen verbreitet, und doch ist niemand entsetzt. Warum?
Das Fehlen neuer Erwartungen für das baskische Problem begünstigt die Tatsache, daß eine Maßnahme wie die Illegalisierung von Batasuna als triftig und politisch effektiv erscheinen kann. Die Volkspartei (PP) ebenso wie die Sozialisten der PSOE sind gezwungen, die eigene Ohnmacht in dieser Sache zu verbergen, die auf polizeilichem Wege zu lösen ihnen bis heute nicht gelungen ist. Denken Sie nur daran, daß die Parlamentssitzung, die die Illegalisierung beschlossen hat, im August stattfand – einem Monat, in dem Spanien aufhört zu existieren. Unser Land ist wie Brigadoon (der verzauberte Ort in Schottland, der alle 100 Jahre für einen Tag erscheint). Spanien versteckt sich im Juli und erscheint bis Oktober nicht wieder.
Die spanische Sozialistische Partei (PSOE) ist einer der Väter dieser Wende gegen Batasuna. Izquierda Unida (Vereinigte Linke – IU) hat sich enthalten, während die Kommuniques von Batasuna dazu aufrufen, “die Faschisten daran zu hindern, sich unsere Parteibüros anzueignen”. Warum sagt die spanische Linke, wenn man von den Basken spricht, fast nichts?
Die spanische Linke ist, wie fast alle traditionellen Linken, staatsorientiert: Einheitliche Arbeiterklasse – einheitlicher Staat. Außer in Katalonien, wo das nationale Problem (sehr in der Spur des Austromarxismus) zu einer Korrektur dieses Axioms gezwungen hat, hat dieses Prinzip eine dialektische Interpretation der zentrifugalen nationalistischen Forderungen verhindert. Andererseits hat der Terrorismus der ETA sozialistische Funktionäre und Aktivisten ermordet und dies macht den Abstand, der für eine politische Antwort notwendig ist, sehr schwierig. Die dramatische Tatsache ist, daß die PSOE bezüglich des Problems des baskischen Unabhängig­keitsstrebens keine andere Interpretation und kein anderes politisches Projekt als die PP hat. In diesem Sinne ist die flexibelste Entwicklung diejenige von Izquierda Unida gewesen.
Glauben Sie, daß Europa in irgendeiner Weise reagieren wird? Es gibt in Europa nicht viele per Gesetz aufgelöste Parteien. Der Front National von Le Pen oder Haiders FPÖ, die rassistische Formationen sind, sind nicht nur legal, sondern haben sogar gewonnen oder den Sieg bei den entsprechenden Wahlen gestreift.
Es ist eine Gemeinheit, daß die Parlamente beschließen, politische Parteien nicht bereits für das zu illegalisieren was ideologisch offensichtlich ist, sondern – wie im Fall von Batasuna – für Schweigen in humanitären Fragen. Diese Rolle als Illegalisierer muß auf juristischem Wege zustande kommen und nicht das Spiel der parlamentarischen Mehrheiten und Minderheiten kompromittieren. Es erscheint wie Hohn, aber auf diese Weise ist es leicht, Batasuna zu verbieten, indem man von einigen quantitativen demokratischen Kriterien ausgeht, und unmöglich dasselbe mit Haider oder Le Pen zu machen.
Der “Kampf gegen den Terrorismus” scheint die magische Parole zu sein, mit der die rechten Regierungen in Europa wie in den Vereinigten Staaten sich von jedem unbequemen Argument befreien. Gehört auch der Fall Batasuna in diesen Rahmen?
Ja. Ohne das von der Bush-Strategie der ‘dauerhaften Freiheit’ gelieferte Alibi wäre Aznar nicht so weit gegangen. Er weiß jedoch, daß die Illegalisierungvon Batasuna ihm im restlichen Spanien unter der Klientel Stimmen bringt, die stärker gegen die Separatismen oder stärker durch die Brutalität der ETA und die kritische Unsensibilität Batasunas terrorisiert ist.
Was zeigt das Schweigen der spanischen Intellektuellen (und nicht von ihnen) gegenüber dem “Parteiengesetz” und den Gerichtsurteilen, die von da herrühren? Wir sprechen von der zwangsweisen Beseitigung einer politischen Partei, d.h. – über ihre Praktiken hinaus – auch die Beseitigung ihrer Ideen. Wieso entflammen Palästina, Nordirland, aber auch Angola oder sogar die Taliban die Debatte und das Baskenland nicht?
Ein Gutteil der spanischen Intellektuellen ist für das Verbot von Batasuna und diejenigen, die dagegen sind, wollen keinen Heidenkrach hervorrufen, indem sie das sagen. Diese Illegalisierung stellt sich in die Logik der ‘political correctness’.
Die ETA ist sicher nicht dieselbe Formation wie in den Ursprüngen und Batasuna ist eine andere Partei als die, die 1978 entstand. Das Attentat auf Carrero Blanco mit der kaltblütigen Ermordung eines Gemeinderates der Volkspartei zu vergleichen, ist einfach undenkbar. Welche Verantwortung haben die Separatisten für die Entscheidung Madrids?
Viel. Batasunas Verhalten bezüglich der ETA ist inakzeptabel und unheilvoll. Sie haben es nicht gewagt oder konnten es nicht wagen, der wahllosen Gewalt ‘auf algerische Art’, die die Aktionen der ETA – angefangen beim Hyperco-Anschlag (Eine Bombe der ETA ein ein absolut ziviles Ziel, einen Supermarkt in Barcelona, richtete im Juni 1987 ein Gemetzel an; Anmerkung der Redaktion) – charakterisiert hat, entgegenzutreten. Ich habe keinerlei Sympathie für die Batasunos, aber es geht nicht um Sympathie oder Antipathie. Sie zu verbieten, kompliziert das baskische Problem und ist eine reine Wahlkampfaktion der Rechten. Seitens der PSOE ist es nicht einmal das. Für die PSOE geht es darum, beim Sprungspiel nicht über das Seil zu stolpern, das ihre Rolle als Partei mit Staatsräson bildet.