The Independent, AFP, Reuters, AP, Al-Jazeera, Al-Arayiba und Abu Dhabi, Übers.: Info-Verteiler, 04/2003
Demonstrationen gegen die Besatzungsmacht
Leider haben wir erst wenig über den Widerstand der IrakerInnen (abseits des Militärs) in Erfahrung bringen können. Fest steht, daß der US-Plan, aus dem Land eine oder mehrere direkte Kolonien zu machen, nicht nur auf den Widerstand der europäischen Imperialisten stößt, sondern erst recht auf den der betroffenen Bevölkerung.
Am 15.4.2003 töteten amerikanische Soldaten mindestens 10 Iraker und verletzten dutzende weitere, als sie in eine politische Demonstration in Mossul schossen. „Möglicherweise sind 100 verletzt und 10 bis 12 tot“, sagte Ayad al-Ramadhani, der Direktor des republikanischen Krankenhauses in Mossul.
Am 18.4.2003 demonstrierten bereits hunderttausende Menschen im Irak nach dem Freitagsgebet. Da gab es Schiiten aus den östlichen Teilen der Stadt und Sunniten aus dem Westen und Zentralbagdad: Priester, moslemische Organisationen, aber auch Mitglieder von Berufsvereinigungen, Kleinhändler, untere Schichten der Baath-Partei und Studenten, von denen einige vom linken Flügel der Irakischen Nationalen Befreiungsfront waren.
Allein in Bagdad waren schätzungsweise 100.000 Menschen auf den Straßen, Demonstrationen gab es auch in Mossul, An-Nasiriyah, Basra, An-Najaf, Tikrit und Al-Kut.
Die größte Demonstration gab es, als 50.000 Leute die Straßen von Al-Sadr-City füllten, bekannt als Saddam City, sie wurden begleitet von Kalaschnikow-schwingenden Patrouillen. „Verlaßt unser Land, wir wollen Frieden“, stand auf einem Transparent. „Kein Bush, kein Saddam, Ja, Ja zum Islam“, lautete ein anderes. Einige der Organisatoren der „Vereinigungsmärsche“ im Zentrum Bagdads nannten sich selbst Irakische Nationale Vereinigte Bewegung und sagten, sie repräsentierten die Mehrheiten sowohl der Schiiten als auch der Sunniten. Die Moscheen und deren Umgebung werden nun von Kalaschnikow-schwingenden Freiwilligen bewacht, die die Plünderungen unter Kontrolle zu bringen versuchen. Diese meist jungen Iraker haben auch die Demonstrationen beschützt.
Viele Aktivisten schimpfen über die Rolle der US- und der britischen Regierung im Irak, gleichzeitig sagen sie aber, daß sie nicht gegen die Völker in den USA und GB sind.
Laut Al-Jazeera sind die IrakerInnen zunehmend kritisch den USA gegenüber eingestellt, denen es nicht gelingt, die Ordnung wieder herzustellen und grundlegende Dienstleistungen wie die Wasser- und Elektrizitätsversorgung wieder in Gang zu bringen.
Bei anderen Demonstrationen wurde erklärt, die IrakerInnen seien nicht bloß gegen die US-Präsenz wegen deren Versagen beim Verhindern der Plünderungen, sondern auch, weil die USA das Land grundlos angegriffen haben, um die Ölreserven in Besitz zu nehmen und um eine von Washington abhängige Regierung einzusetzen.
Die Baath-Partei zählte 2 Millionen Mitglieder, von denen etwa 60.000 sehr aktiv waren und viele immer noch aktiv sind. Viele fühlen sich von ihrer Führung in ihrem Kampf gegen die Invasoren betrogen. „Auf den heutigen Demonstrationen war eindeutig zu erkennen, daß viele Baath-Mitglieder teilnahmen und daß sie diejenigen sind, die die Parole ausgeben: „Vergessen wir die Differenzen der Vergangenheit, wir haben einen gemeinsamen Feind.“ Bereits jetzt sagen viele Leute in Bagdad: „Unter Saddam hatten wir nicht solche Probleme.“
Der von den USA favorisierte irakische Exilpolitiker Chalabi verteidigt die USA und greift die UNO an: „Der Sicherheitsrat war bei der Befreiung des Irak weniger als hilfreich. Er verhandelte mit Saddam Hussein, als führe dieser einen normalen Staat. Die UNO ist unfähig und unglaubwürdig, der moralischen Imperativ liegt bei den USA.“ Er beschuldigt Frankreich und Deutschland, „de facto Alliierte von Saddam Hussein“ zu sein. Maitham Hadi, bis 1986 irakischer Armeebrigadier, sagt zu Chalabi: „Er ist in diesem Land ein Fremder“.
Am 29.4.2003 schossen US-Soldaten in eine Demonstration in Falluja, die De­mons­trant­In­nen hatten den Abzug der US-Truppen aus dem Ort gefordert. Mindestens 13 Personen wurden getötet, dutzende weitere verletzt.