Prozesserklärungen
Auszüge aus der Prozesserklärung des 5. Beschuldigten1
Kapitalismus
In der globalen freien Marktwirtschaft wird alles in Geld bewertet und finanziellen Interessen untergeordnet: Rohstoffe, Waren und Produktionsmittel (nichtmenschlicher Natur) und (menschliche) Arbeit. Je nach Umsetzungsvariante der momentan neoliberalen Doktrin werden Menschen mehr oder weniger subtil mittels struktureller Zwänge in die kapitalistische Verwertungslogik integriert: Von totalitären Regimen oder sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen bis hin zur „Sozialpartnerschaft“ zeigt die kapitalistische Hydra das jeweils nötige Gesicht. Während in der hiesigen „sozial“ genannten Marktwirtschaft Menschen qua Personenstatus über eigene unveräußerliche (Menschen-)Rechte verfügen, die sie vor ungebremster Ausbeutung schützen (und vom sozialen Aufstand abhalten), ist über die „Ware Tier“ frei verfügbar:
Laut öTSchG muss zur Durchführung schwerwiegender Eingriffe – bis hin zur Tötung – lediglich ein „vernünftiger Grund“ gegeben sein. Entgegen der Intention der Gesetzgebung reichen in der Praxis aber bereits bloße „wirtschaftliche Gründe“ aus: z.B. bei der millionenfachen Tötung der männlichen Eintageskücken, die für eine Mast schlicht zu „unrentabel“ sind. (ZDF, 2006)
Quantitativ und qualitativ betrachtet findet der mit Abstand größte und schlimmste Teil der Tierausbeutung in kommerziellem Rahmen statt. Effiziente Tierrechtsarbeit geht daher immer mit signifikantem Einfluss auf Konsum, Marktverhältnisse, Produktionsbedingungen und Gesetzgebung einher.
Stetig steigende Sensibilität der Menschen für Tierschutz bzw. Tierrechte schlägt sich unweigerlich in ethisch bewussterem Konsumverhalten wieder. Die Lobby der Nutztierindustrie AMA kann noch so oft subventionsgestützt plakatieren „Fleisch bringt‘s“, die Bilder aus den österreichischen Tierfabriken sprechen für sich: Fleisch bringt Leid, Schmerz und Tod.
Politische Erfolge gehen notwendigerweise über Bewusstseinsbildung hinaus: Das neue Bundestierschutzgesetz, Tierversuchsverbot an Menschenaffen, Verbot von Pelzfarmen/-importen, Legebatterien, Wildtieren in Zirkussen, u.v.a. sind in Anbetracht der dahinterstehenden wirtschaftlichen Interessen massive Veränderungen an den Produktionsbedingungen. Tierschutz ist innerhalb eines speziesistischen kapitalistischen Systems nur innerhalb der Profitlogik möglich: Den Gewinn schmälernde, aber notwendige Tierschutzmaßnahmen werden niemals freiwillig umgesetzt. Hingegen propagiert die Tierindustrie die Lüge weiter, dass nur glückliche Tiere produktiv seien: Als ob leidende Hühner nicht mehr menstruierten, traumatisierte Kühe nicht mehr laktierten oder kranke Schweine nicht mehr wüchsen...
Es liegt also in der Natur der Sache, dass jene, die von (Tier-)Ausbeutung profitieren, nur wenig Interesse an der Veränderung oder Einstellung ihrer Unternehmungen haben. Letztlich läuft politische Arbeit also oft auf eine Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses am Tierschutz gegen partikuläre (finanzielle) Interessen von Unternehmen oder Einzelpersonen hinaus.
Doch allein schon die Herstellung und Veröffentlichung des für diesen Diskurs erforderlichen objektiven Wissens über die Lebensbedingungen der sog. „Nutztiere“ in Österreich wird massiv behindert.
Die Erkenntnis der normalen alltäglichen Ungerechtigkeiten gegen nicht-menschliche Tiere hat mich gezwungen selber politisch aktiv zu werden und freiwillig und ehrenamtlich große Teile meiner Freizeit der Tierrechtsarbeit zu widmen
[…]
Doch was ist das Ergebnis von 10 Jahren Unterschriften sammeln, Frieren am Infotisch,
Tierschutzunterricht, aktiver Teilnahme an philosophischen, politischen und strategischen Diskussionen, Recherchen, ehrenamtlicher Unterstützung in Tierschutzbüros, Schlachthausblockaden, Tiertransportkontrollen und Jagdsabotagen?
Was ist das Ergebnis des hilflosen Versuchs Gegeninformation zur wirkmächtigen Propaganda der Tierindustrie und kommerzieller Medien zu schaffen?
Was ist das Ergebnis von einem klitzekleinen Bisschen demokratischen Einfluss auf Wirtschaft und Politik? Jahrelange Ermittlungen bis hin zu Peilsendern, Personenobservation und großen Lauschangriffen, 27 Hausdurchsuchungen (davon vier(!) allein bei mir), 40 beschuldigte MitstreiterInnen, Gefängnis für mich und andere neun TierrechtsaktivistInnen. Und jetzt – einGerichtsverfahren, das mit Haftstrafen von mindestens sechs Monaten bis fünf Jahren droht. Freispruch oder Verurteilung: Berufung folgt dann durch StA oder uns in jedem Fall. Der persönliche, finanzielle und berufliche Ruin hat sich so oder so bereits jetzt schon eingestellt.
[…]
Exkurs: Animal Liberation Front
Ich selber habe mich nie an strafbaren Aktivitäten beteiligt und werde solchen auch nicht bezichtigt.
Das folgende Kapitel dient lediglich zum Verständnis, was „die A.L.F.“ in Wirklichkeit ist, da sie im Strafantrag mit der „kriminellen Organisation“ gleichgesetzt wird.
Es ist nur verständlich moralphilosophisch und strategisch diskussionswürdig wenn einzelne Menschen aus Verzweiflung über speziesistische, undemokratische Praktiken oder nicht-exekutierte Gesetze Normen übertreten und auch praktisch damit aufhören Tiere als besitzbares Eigentum zu betrachten (Newkirk, 2000), (Best, 2004), (Mann, 2007).
„Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht“ (Bertolt Brecht und Parole der Anti-AKW-Bewegung)
Im Zusammenhang mit den daraus resultierenden Tierbefreiungen, Sachbeschädigungen und anderen Formen ökonomischer Sabotage ist dringend festzuhalten, dass dabei noch niemand zu körperlichem Schaden gekommen ist.
Dass es sich bei der konkreten Tierverteidigung um eine friedliche, gewaltfreie Befreiungsbewegung handelt, spiegelt sich beispielsweise in den Grundsätzen der Animal Liberation Front (A.L.F.) wieder:
Die direkten Aktionen der A.L.F. dienen entweder der konkreten Befreiung von Tieren oder ökonomischer Sabotage tierquälerischer Unternehmungen, üblicher Weise durch Sachbeschädigung.
Einerseits ist es das Ziel der A.L.F. so viele Tiere wie möglich aus unfreien Lebensbedingungen zu befreien und konkret Tierquälereien zu stoppen. Andererseits schmälert ökonomische Sabotage den Profit, weswegen Tierausbeutung überhaupt oft erst stattfindet.
Die A.L.F. ist gewaltfrei: Weder Menschen noch nicht-menschliche Tiere kommen bei den Aktionen zu schaden.
Da im Gegensatz zu tierlichen Interessen der Besitz von Privateigentum im gegenwärtigen Rechtssystem geschütztes Rechtsgut ist, sind Tierbefreiungen oder Sachbeschädigungen an Tierausbeutungsinstitutionen fast immer illegal. Daher ist die A.L.F. keine Organisation, sondern konstituiert sich aus Aktionen voneinander völlig unabhängiger Zellen oder Einzelpersonen, die den folgenden Richtlinien entsprechen (A.L.F., 2009):
1. Die Befreiung von Tieren aus den Stätten, in denen sie gequält werden, z.B. Laboratorien, Tierfabriken, Pelzfarmen etc. Die Tiere müssen in ein gutes Zuhause übergeben werden, wo sie frei von Leiden bis zu ihrem natürlichen Ende leben können.
2. Das Zufügen ökonomischer Schäden für all jene, die von der Not und der Ausbeutung der Tiere profitieren.
3. Das Aufzeigen des Horrors und der Gräueltaten, denen Tiere hinter verschlossen Türen ausgesetzt sind, mit Hilfe von gewaltfreien, direkten Aktionen und Befreiungen.
4. Und das Ergreifen aller notwendigen Vorsichtsmaßnahmen, damit weder Menschen noch nicht-menschliche Tiere durch die Aktionen Schaden nehmen.
So werden beispielsweise entgegen der ständig wiederholten Propaganda der JägerInnen Hochstände nicht an- sondern umgesägt und vollständig zerstört um jegliche Verletzungsmöglichkeit auszuschließen.
In Wahrheit gibt es dagegen unzählige dokumentierte Fälle von struktureller und physischer Gewalt gegen TierschützerInnen, VeganerInnen und TierrechtsdemonstrantInnen (VGT, 2009).
„Gewalt“ gegen Sachen ist eine fundamental andere Kategorie als Gewalt gegen Menschen oder andere leidensfähige Tiere. Die Allermeisten interpretieren Gewalt wohl auch als etwas die eigene physische Integrität Bedrohendes.
Für manche ist dann ein Graffiti, eine eingeschlagene Scheibe oder eine Stinkbombe nicht schlimmer als die – legalisierte, aber deshalb nicht zwingend richtige – institutionalisierte Gewalt und Folter in Schlachthäusern und Tierfabriken. Manche schmerzt ein umgesägter Hochstand weniger als der von JägerInnen verursachte Mord und Schmerz.
Anmerkung
1 Die vollständige, 44seitige Prozesserklärung findet sich auf: http://tierrechtsprozess.noblogs.org/
Prozesserklärung des 6. Beschuldigten
Ich engagiere mich seit vielen Jahren dafür, dass Tiere um ihrer selbst Willen leben können. Tiere gelten in weiten Teilen unserer Gesellschaft als eine frei verfügbare Ressource. Sie werden einzig und allein zum Nutzen von Menschen in Käfigen gezüchtet, in Labors seziert und in Schlachthöfen gewaltsam umgebracht und zerstückelt. Ich halte es daher für notwendig sich für die Freiheit der Tiere und eine gewaltfreie Gesellschaft einzusetzen!
In die Ermittlungen bin ich geraten, da zwei Freunde von mir miteinander telefonierten: Einer war in der Funkzelle eingeloggt, als in einer Kleider Bauer Filiale im Norden Wiens eine unangemeldete Demonstration stattfand. Diese Demo wird uns im Verfahren noch beschäftigen, weil sie ohne, dass Schaden feststellbar war, als „Sachbeschädigung“ geführt wird. Mein zweiter Freund hat mit mir gemeinsam einen Handy-Partnervertrag, der auf mich angemeldet ist. Und da ich der Polizei als Tierrechtsaktivist bekannt bin, war das Anlass genug mich ab dann durchgehend und immer umfangreicher zu überwachen.
Offensive gegen die Pelzindustrie
Durch die staatliche Überwachung wurde ich mit der Offensive gegen die Pelzindustrie (OGPI, www.anti-pelz.org) in Verbindung gebracht. Deswegen wurde meine Überwachung immer wieder verlängert, so als wäre eine Unterstützung der OGPI an sich schon strafbar. Ich werde als Hauptaktivist, Pressesprecher und „Kontochecker“ der OGPI betitelt. Nichts davon stimmt!
Die OGPI ist völlig legaler Zusammenschluss von kleinen öffentlichen Tierrechtsgruppen, die sich gegen den Pelzhandel engagieren. Die OGPI dokumentiert alle Aktivitäten rund um das Thema Pelz. Außerdem kann Infomaterial (Flyer, Poster etc.) zu aktuellen Kampagnen gegen Pelzverkauf bestellt werden. Weder beinhaltet die Website der OGPI Aufrufe zu Straftaten, noch sonst irgendwelche illegalen Inhalte.
Kampagnen
Als soziale Bewegung ist es normal und gerechtfertigt Kampagnen zu organisieren, wie es die OGPI tut. Durch Öffentlichkeitsarbeit, wie Kundgebungen, Vorträge, Flugblätter, zivilen Ungehorsam, etc. wird versucht gesellschaftliche Probleme aufzugreifen und zur Diskussion zu stellen. Zum Beispiel habe auch ich mich an der Kampagne gegen den Pelzverkauf bei Kleider Bauer beteiligt. Ich habe immer wieder an Kundgebungen vor Kleider Bauer und dem Tochterunternehmen Hämmerle teilgenommen, aber keine Sachbeschädigung oder Nötigung begangen, wie mir vorgeworfen wird. Das wird im Laufe des Verfahrens noch gezeigt werden.
In den vergangenen Jahren habe ich mich auch an Aktionen des Zivilen Ungehorsams beteiligt. So zum Beispiel habe ich mich im Eingang von Escada in Wien angekettet und ich sehe dies auch als gerechtfertigtes Mittel an, gesellschaftliche Probleme an die Öffentlichkeit zu bringen. Genau diese Kampagnentätigkeit wird mir und den anderen Angeklagten jetzt vor Gericht vorgeworfen. Wir organisieren Demos und setzen Aktionen des Zivilen Ungehorsams und deswegen werden wir kriminalisiert, landen in Untersuchungshaft und auf der Anklagebank.
Die Basis einer jeden seriösen Kampagne ist Recherche, auch das wird mir hier zum Vorwurf gemacht. Nur mit Recherche kann vermieden werden, dass Falschinformationen verbreitet werden. Außerdem müssen Firmengeflechte durchschaut und Wissen über GeschäftspartnerInnen angeeignet werden, um Flugblätter zur Kampagne zu gestalten, Medienarbeit zu machen, sowie Artikel zu schreiben. Letzteres ist ein weiterer Vorwurf gegen mich.
Ansonsten wird mir vorgeworfen:
Die Teilnahme an Treffen, der Besuch von Konferenzen und das Abhalten von Vorträgen, das Verfassen eines Artikels, die Kontaktaufnahme mit Unternehmen und anderen AktivistInnen, sowie das Weiterleiten von Aktionsaufrufen. Die Anschuldigungen sind dermaßen absurd, dass ich gar nicht weiß, was ich dazu kommentieren soll. All das ist ganz normale Tierrechtsarbeit und hat keinerlei Verbindungen zu strafbaren Handlungen!
Soko Bekleidung
Für uns war sehr schnell klar, dass unsere Kampagne gegen Pelz bei Kleider Bauer von höchster Stelle nicht erwünscht oder geduldet wird. Schon zu Beginn der Kampagne trafen sich die Chefs von Kleider Bauer mit Spitzen-BeamtInnen des Bundesministeriums für Inneres. Neben dem Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, waren der Wiener Polizeipräsident, BeamtInnen vom Bundeskriminalamt, sowie des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung anwesend. Als Resultat aus diesem Treffen wurde eine 32-köpfige Sonderkommission gegründet und die Anwendung des Paragraphen 278a beschlossen. Die Ermittlungsergebnisse der folgenden Monate wurden danach dementsprechend interpretiert und zum Teil verdreht.
Ein Beispiel: Ich soll der Chef der Basisgruppe Tierrechte (BAT, www.Basisgruppe-Tierrechte.org) sein, dabei gibt es in unserer Gruppe explizit keine Führungspersonen! Das ergibt sich aus unserem politischen Selbstverständnis, das basisdemokratische Entscheidungsstrukturen vorsieht, wo alle gleichberechtigt mit entscheiden. So wurden von der Soko Rollen (Chef, Computer-Experte etc.) zugewiesen, da diese Arbeitsteilung und Hierarchie eine Voraussetzung für die Anwendung von §278a ist.
Dies zeigt den Verfolgungswillen der Soko sehr gut. Dabei muss klar gesagt werden: Es gibt keine Kriminelle Organisation und es gab sie auch nie!
Vielmehr sollen lästige DemonstrantInnen vor Hämmerle oder Kleider Bauer kriminalisiert werden, und §278a ist das passende Mittel dafür. Es werden keine Straftaten aufgeklärt, sondern indirekt denen zugeschoben, die bekannt dafür sind, dass sie Tierausbeutung ablehnen. In Wirklichkeit wird unsere Meinung als ein Merkmal der Mitgliedschaft in einer von Staatsanwaltschaft und Soko herbeikonstruierten Kriminellen Organisation gewertet.
Unsere Gruppe macht seit vielen Jahren regelmäßig Kundgebungen und Infotische. Dabei sind wir kaum mehr als ein Dutzend AktivistInnen. Auf unseren Kundgebungen wurden niemals strafbare Handlungen gesetzt. Dass wir nicht bedrohlich wirken, zeigt die große positive Resonanz der Öffentlichkeit, die uns immer wieder unterstützt hat: Wir haben tausende Unterschriften gesammelt, Flyer verteilt und mit dem Megaphon die Öffentlichkeit informiert.
Doch der Widerstand der Behörden war schon lange spürbar: Kundgebungen wurden mit fadenscheinigen Begründungen untersagt (Bei der Soko-Gründung wurde beschlossen, dass „alle administrativen Mittel ausgeschöpft werden sollen“ um unsere Demos zu untersagen, auch wenn der Wiener Polizeipräsident klarstellte, dass „kein klarer Zusammenhang zwischen den Demos und den Straftaten“ nachweisbar wäre) und alle Kundgebungen wurden vom Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung beobachtet. Der Soko-Leiter Böck hatte laut den Akten sogar die Order gegeben, dass alle Kundgebungen zum Thema Tierschutz/Tierrechte von der Wiener Einsatzgruppe Alarm (WEGA) flankiert werden sollen, um somit der Öffentlichkeit gezielt den Eindruck „außergewöhnlich gefährlicher Demonstranten“ zu vermitteln und uns damit im Hinblick auf die geplanten Hausdurchsuchungen und Haftbefehle ein gefährliches Image zu verpassen.
Unverhältnismäßige Ermittlungen
Die völlige Unverhältnismäßigkeit der Ermittlungen zeigt die Eskalation der Überwachung: Mein Handy wurde überwacht, mein Konto geöffnet, an meinem Haus war eine Kamera heimlich installiert worden, ich wurde über Monate observiert und schließlich noch Ziel eines Großen Lauschangriffs. Ich war also rund um die Uhr überwacht! Dass keine strafbaren Aktivitäten beobachtet wurden, war für die Soko aber kein Hinweis auf Unschuld, stattdessen auf die besonders hohe „Konspirativität“. Der Große Lauschangriff kommt in meinem Abschlussbericht und Strafantrag gar nicht mehr vor. Ganz einfach, weil sich daraus nichts Belastendes ergeben hat. Dies ist das typische Vorgehen der Soko.
Warum all das? Der Verfolgungswille ist extrem groß: Nervende DemonstrantInnen sollen ruhig gestellt werden, der Paragraph 278a ist das passende Instrument dafür.
Wir alle wurden nicht ermittelt, sondern waren der Polizei ohnehin bekannt! §278a wird ganz einfach auf die bekanntesten TierrechtlerInnen angewendet. So ein riesen Ermittlungsaufwand, solch enorm hohen Kosten müssen gerechtfertigt werden. Der Erfolgsdruck war und ist sehr groß.
Es gab umfangreiche Ermittlungsmaßnahmen und völlig ausufernde Überwachung. Doch wo sind all die Ergebnisse? Verdeckte ErmittlerInnen, Peilsender auf Autos, Handy-Bewegungsprofile, videoüberwachte Häuser…. Da sich viele Ermittlungsergebnisse nicht in den Akten befinden, ist davon auszugehen, dass sie Entlastendes lieferten. Während jedes Telefonat, das zur Belastung genutzt werden kann, aufgeblasen und gewertet wird, fehlen durchwegs die entlastenden Fakten. In den Gerichtsakten landet immer nur das, was eine schiefe Optik fördert und zum Stimmung machen genutzt werden kann. Um uns in ein schlechtes Licht zu stellen wurde überall das Schlimmste hineininterpretiert.
Freie Meinungsäußerungen werden als Beleg der Mitgliedschaft in einer Kriminellen Organisation gewertet, die Unschuldsvermutung wird systematisch untergraben. Das ist es, was wir hier erleben. Dem ganzen Prozess liegt ein Strafantrag zugrunde, der nur so von Fehlinterpretationen und unbelegten Behauptungen strotzt. Das werden wir im Laufe des Prozesses noch zeigen.
In diesem Verfahren wird über den Umweg des Paragraphen 278a die Freie Meinungsäußerung und das Versammlungsrecht untergraben, das Recht auf Privatsphäre abgeschafft und journalistische Tätigkeiten kriminalisiert.
Weil ich das nicht mittragen werde, mache ich ab sofort von meinem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern.
Prozesserklärung des 7. Beschuldigten
Es gibt einige wenige Sachen die im Strafantrag zu meiner Person der Wahrheit entsprechen. Beispielsweise stimmt es, dass ich seit über 10 Jahren politisch aktiv bin und mich auch für die Rechte von Tieren einsetze. Tiere sind fühlende Individuen die jedoch in unserer Gesellschaft zu Waren verdinglicht werden. Tiere werden zu Verkaufsobjekten degradiert, die nur dazu da sind, Kapital aus ihnen zu schlagen. Sie werden jeden Tag millionenfach z.B. in Schlachthäusern, auf sogenannten Pelzfarmen oder bei der Jagd umgebracht, zerteilt und zu „Fleisch“ oder „Pelz“ gemacht.
Natürlich stimmt es, dass ich mich dafür einsetze, dass sich diese Situation grundsätzlich verändert. Hierbei geht es nicht um größere Käfige oder bessere Tierschutzgesetze, sondern darüber hinaus das Mensch-Tier-Verhältnis als solches in Frage zu stellen. Eine Befreiung der Tiere ist dabei ohne eine Überwindung des Kapitalismus nicht denkbar. Diese politische Arbeit werde ich auch weiterhin leisten. Ich spreche mich entschieden dagegen aus, dass das Engagement für eine gewaltfreie Gesellschaft durch die Ermittlungen gegen mich und viele andere Menschen und durch diesen Prozess grundsätzlich in Frage gestellt wird.
Richtig ist auch, dass ich mich in den letzten Jahren an unzähligen Demos beteiligt habe. Ich habe Flugblätter verteilt, Artikel geschrieben und immer wieder an Aktionen des zivilen Ungehorsams teilgenommen. Das alles war Teil meiner politischen Arbeit und wird es auch in Zukunft sein.
Ich war jahrelang in der Redaktion der Zeitschrift „Tierbefreiung“ und habe dort mehrere Hintergrundartikel über Tierausbeutung und auch über diverse Firmengeflechte geschrieben. Eine Recherche ohne Firmenbuchauszüge, ohne das Herausfinden von Firmenverantwortlichen ist da einfach undenkbar. Neben dem Sammeln von Informationen für Zeitungsartikel sind Recherchearbeiten auch generell für Kampagnenarbeit unabdingbar.
Will man eine Demo oder eine Kampagne gegen ein Unternehmen planen oder auch nur ein Flugblatt oder eine Presseerklärung schreiben, sich also inhaltlich mit einem Unternehmen beschäftigen, muss man zwangsläufig auch Informationen dazu sammeln, um solide Grundlagen für die politische Kritik zu haben. Alles andere wäre unprofessionell. Es liegt ja nicht in meinem Interesse, Unwahrheiten über ein Unternehmen zu verbreiten, sondern im Gegenteil: Ich will, dass die Menschen die Wahrheit über die Gewalt erfahren, die einem Teil der Profite von Bekleidungsunternehmen wie Kleider Bauer zugrunde liegt.
Ich habe aus der Zeit, in der ich in Deutschland gelebt habe, einige einschlägige Vorstrafen. Auch das entspricht grundsätzlich der Wahrheit. Dabei handelte es sich jedoch ausschließlich um Strafen wegen Aktionen des zivilen Ungehorsams wie z.B. Ankettungsaktionen und Sitzblockaden. In Österreich würden deswegen lediglich Verwaltungsstrafen vergeben.
Jahrelang war ich im Vorstand von dem in Deutschland eingetragenen Verein „die tierbefreier e.V.“ – auch das stimmt. Der Verein organisierte viele Demonstrationen und Infostände sowie Aktionen des zivilen Ungehorsams. Er unterhält mehrere Ortsgruppen, betreibt einen Shop und ist Herausgeber des Magazins „tierbefreiung“. Der Verein berichtet aber auch seit über 20 Jahren über Aktionen der Animal Liberation Front (ALF). Daran ist jedoch nichts kriminell – auch das wird im Strafantrag hinzugedichtet.
Der Verein erfährt anonym per Fax, Brief oder E-Mail von den Aktionen und leitet die Informationen dann an die Medien weiter, bzw. veröffentlicht die Berichte auf seiner Homepage www.tierbefreier.de. Der Verein möchte, dass über die ethischen und politischen Hintergründe zu solchen Aktionen in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Es handelt sich dabei um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung. Dem Verein ist nicht bekannt, wer hinter den Aktionen steckt – die Aktionen werden weder direkt noch indirekt unterstützt. Über die Berichterstattung und das Veröffentlichen von BekennerInnenschreiben im Magazin und auf der Homepage hat die höchste dafür zuständige Instanz – das OLG Hamm – im Jahr 2009 entschieden, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung über wirtschaftliche Interessen zu setzen ist und, dass diese daher nicht untersagt werden darf.
Mir werden als belastende Momente private Telefonate vorgehalten, in denen ich mich über ALF-Aktionen bei pelzverkaufenden Unternehmen oder Tierbefreiungen auf sogenannten Pelztierfarmen freue. Dazu möchte ich nur Eines sagen: Auch heute hat sich an dieser Freude nichts geändert. Z.B. muss ich bei einer Meldung über eine Befreiung von Nerzen sofort an die Zustände auf solchen Farmen denken und natürlich freue ich mich für jeden Nerz, der nicht bis November unter diesen Zuständen leben und schließlich sterben muss. Auch das fällt unter Meinungsfreiheit.
Mir ist klar, dass der Staatsanwalt eine ganze Reihe von unterschiedlichsten Aktionsformen im Strafantrag erwähnen muss, um das Konstrukt der Doppelstrategie aufrecht erhalten zu können. Die Doppelstrategie ist aber ausschließlich eine Strategie der Staatsanwaltschaft, um die eben erwähnten Aktionen als kriminell darzustellen und um eine Handhabe zu schaffen, politischem Aktivismus ein Ende zu bereiten.
Es gibt eine Menge an Punkten im Strafantrag, die nicht annähernd der Realität entsprechen und die an den Haaren herbeigezogen wurden um dieses Ausmaß an Repression und Kriminalisierung rechtfertigen zu können. So basieren Großteile des Strafantrages auf reinen Behauptungen und zum Teil frei erfundenen Vorwürfen, die nur dazu dienen sollen ein gewisses Bild von mir und den anderen Angeklagten zu zeichnen.
So wird z. B. auf Seite 61 im Strafantrag behauptet, dass ich am 03. 02. 2006 in Meerbusch/Deutschland IN der Wohnung eines leitenden P&C-Mitarbeiters angetroffen worden sei. Nachdem ich anfangs überhaupt nicht wusste, was damit gemeint sein könnte und natürlich wie an vielen Stellen im Strafantrag keine Quellen angeführt sind, kam ich dann nach einiger Recherche darauf, dass damit wohl ein Vermerk vom deutschen Bundeskriminalamt gemeint sein muss. Laut diesem soll ich an dem besagten Tag in Meerbusch Flugblätter verteilt haben. Dies natürlich auf der Straße und nicht in irgendeiner Wohnung von einem P&C-Mitarbeiter. Da stellt sich natürlich die Frage wie aus Flugblatt-Verteilen in einem deutschen Dorf, wegen dem es nie ein Strafverfahren gab, nun fast vier Jahre später in einem österreichischen Strafantrag ein Eindringen in eine Privatwohnung werden kann. Das ist entweder ein Faux Pas oder ein bewusst eingesetztes Mittel, um ein Bild von mir zu zeichnen, das zu einer Kriminellen Organisation passen könnte – das mit mir aber rein gar nichts zu tun hat.
Auch die Begründung des Beginns der umfassenden Überwachung meiner Person, lässt sich wunderbar in die Liste der für mich leider sehr konsequenzenreichen Kuriositäten einreihen. Laut Akt wurden am 20. 12. 2006 in der KleiderBauer-Filiale in der Shopping-City-Nord Parolen skandiert und Papierschnitzel geworfen. War es Anfangs noch laut Polizeiberichten ein Verdacht auf Sachbeschädigung, wurde sehr schnell festgestellt, dass es überhaupt keinen Sachschaden gab. „Kein Sachschaden – Keine Sachbeschädigung“ würde man meinen. Trotzdem reichte dies aus, dass eine Funkzellenauswertung durchgeführt, mein Handy ermittelt und ab dann fortgehend bis zu meiner Verhaftung inhaltlich überwacht werden konnte. Das Vorgefallene – eine nicht angemeldete Demonstration – wäre ohne das Heranziehen des §278a höchstens eine Verwaltungsstrafe gewesen.
In den darauf folgenden Monaten wurde die Überwachung von Telefonen auf einen immer größeren Personenkreis ausgeweitet. Zusätzlich wurden Kameras vor Privatwohnungen und Peilsender unter PKWs installiert. Es wurden unzählige Menschen von Observationsteams beschattet und schlussendlich sogar Mikrofone in einer Wohnung eingebaut. Begründet wurde diese immer umfassender werdende und immer stärker in die Privatsphäre der betroffenen Menschen eingreifende Überwachung paradoxerweise damit, dass die bisherige Überwachung zu keinem Erfolg geführt habe.
Daraus wurde nicht das geschlossen, was eigentlich auf der Hand liegt: Dass es keine Kriminelle Organisation gibt, dass die überwachten Personen nichts mit kriminellen Handlungen zu tun haben und, dass die Ermittlungen eingestellt werden müssen. Stattdessen wurde, um weiter ermitteln zu können, behauptet, dass die „Kriminelle Organisation“ angeblich auch noch so konspirativ sei, dass man ihren vermeintlichen Mitgliedern mit den herkömmlichen Ermittlungsmethoden nicht auf die Spur kommen könne.
Doch auch der „große Lauschangriff“ lieferte natürlich keine Ergebnisse. Anschließend war allerdings keine weitere Eskalation der Überwachungsmethoden mehr möglich. In der Folge blieb den Strafverfolgern scheinbar keine andere Möglichkeit mehr als die brutale Stürmung durch vermummte Einheiten mit gezogenen Pistolen und die anschließende dreieinhalbmonatige Untersuchungshaft für 10 der nun hier sitzenden Angeklagten.
Drei Wochen Prozess sind bisher vergangen und die Art der Ermittlungen scheint sich kontinuierlich in der Prozessführung fortzusetzen. Die Unschuldsvermutung scheint quasi ausgesetzt – die Beschuldigten sollen ihre Unschuld beweisen und das am Besten für alles, was in den letzten 15 Jahren im Zusammenhang mit Tierrechtspolitik oder Tierschutz vorgefallen ist. In großen Teilen geht es in den Einvernahmen um die politischen Einstellungen der Angeklagten. Es geht darum, ob jemand die Jagd ablehnt, sich für Veganismus einsetzt oder wie seine oder ihre Meinung zu Sachbeschädigungen ist und nur peripher um konkrete Straftaten.
Es wirkt fast schon wie Realsatire, wenn von den Angeklagten verlangt wird sich ja nicht politisch zu äußern und nach Möglichkeit die Fragen nur mit Ja oder Nein zu beantworten. Längeren Antworten wird in der Regel ohnehin nicht zugehört.
Eines möchte ich von meiner Seite noch klarstellen: Die vermeintlich kriminelle Organisation gibt es nicht. Sie existiert ausschließlich in den Köpfen der SOKO und des Staatsanwalts. Folglich kann ich auch kein Teil dieser Kriminellen Organisation sein. Ich habe mich nicht an den mir vorgeworfenen Sachbeschädigungen beteiligt. Weder direkt als unmittelbarer Täter noch indirekt wie mir im Strafantrag vorgeworfen wird, in dem ich an einem unbekannten Ort, zu einem unbekannten Zeitpunkt, an unbekannte Personen Daten weitergegeben haben soll. Somit kann auch niemand in meinem Auftrag oder mit Hilfe meiner Unterstützung eine schwere Sachbeschädigung begangen haben. Diese Behauptung wird im Strafantrag an keiner Stelle belegt.
Von Anfang an ging es in diesem Verfahren einzig und allein darum, eine politische Bewegung zu kriminalisieren. Demos wurden ohne Zusammenhang zu den Sachbeschädigungen untersagt und bereits bei der Gründung der SOKO war klar, dass die Ermittlungen das Ziel haben sollten, eine Anklage gemäß § 278a zu erheben. Die Ermittlungsergebnisse mussten den Rahmenbedingungen des Paragraphen angepasst werden. Sie wurden solange zurecht gebogen, bis dieses extrem wackelige Konstrukt einer Kriminelle Organisation dabei herausgekommen ist, aufgrund dessen wir heute hier sitzen. Und da kriminelle Organisationen in Mafia-Filmen immer einen Chef mit einer Kommandozentrale haben und tote Briefkästen sowie geheime Orte nutzen, mussten die in unserem Fall einfach erfunden werden.
Es ging in diesem Verfahren von Anfang an nur darum, mich und meine FreundInnen sowie andere TierrechtsaktivistInnen zu kriminalisieren. Nachdem ich fast ein Jahr abgehört und bespitzelt, durch vermummte Einheiten aus meinem Bett geholt und dreieinhalb Monate weg gesperrt wurde und dies nun die unabhängige, faire Instanz sein soll, die die Vorwürfe des Staatsanwaltes überprüft, bin ich weiterhin nicht bereit zu kooperieren und werde weiter, wie bisher, die Aussage verweigern.
Prozesserklärung der 8. Beschuldigten
Dass hier eine politische Position angeklagt ist, haben wir schon mehrmals ausgeführt bekommen. Es wurde gefragt ob man für oder gegen die Jagd ist, also für oder gegen Mord und Gewalt an Tieren. Ich bin dagegen. Ich setze nicht Gewalt ein, weil ich Tierrechtlerin bin, wie es hier ständig suggeriert wird, sondern ich lehne Gewalt ab und lebe deshalb seit vielen Jahren vegan und bin tierrechtsaktiv.
Gewalt gegen Tiere ist allgegenwärtig in unserer Gesellschaft. Die Filme über Pelzfarmen und Legebatterien haben schon auf den ersten Blick gezeigt wie grausam solche Orte sind und welcher Brutalität Tiere tagtäglich ausgesetzt sind. Die Frage, die hier gestellt werden sollte, ist nicht warum setze ich mich für Tierrechte ein, sondern warum setzen sich so viele Leute nicht dafür ein, um dem bewusst herbeigeführten Leid in dieser Gesellschaft ein Ende zu setzen? Tiere werden als Dinge betrachtet, über die man beliebig verfügen kann. Es zählt nicht, dass sie gequält werden und leiden, ihnen wird das Recht auf Freiheit und Leben abgesprochen.
Ich war in den letzten Jahren an Tiertransportblockaden, Dachbesetzungen, Ankettaktionen und Demonstrationen beteiligt. Ich habe mich in verschiedenen Kampagnen zur Abschaffung von Tierausbeutung engagiert. Ich habe aus meiner politischen Haltung nie ein Geheimnis gemacht, an Infoständen öffentlich mit Leuten über meine Positionen diskutiert und vielen Menschen die Augen über Tierleid geöffnet. Ich finde es völlig absurd, diese Fakten hier aufzählen zu müssen, aber leider taucht im Strafantrag all das als Vorwurf der Unterstützung einer Kriminellen Organisation auf. Aktionen, an denen ich teilgenommen habe, hatten öffentlichen Charakter. Über diese von mir niemals verheimlichten Tätigkeiten hinaus gibt es keine strafrechtsrelevanten Taten, die mir vorgeworfen werden könnten! Unter dem Deckmantel des Vorwurfs der sogenannten „Doppelstrategie“ soll hier legitimer Protest illegalisiert und kriminalisiert werden. Nur so kann ich mir erklären, dass die Staatsanwaltschaft auf die absurde Idee einer „Kriminellen Organisation“ kommt. Diese Kriminelle Organisation gibt es nicht und gab es nie und ich war und bin auch kein Mitglied.
Ich habe jetzt über meine nicht kriminellen Tätigkeiten erzählt, man könnte meinen jetzt müsste ich zum Punkt meiner kriminellen Arbeit kommen. Die gibt es aber nicht! Trotzdem rückt die Anklage völlig legale Tätigkeiten von mir in ein kriminelles Licht. Beispielsweise wird mir das Einholen und Bereitstellen von Informationen zur Last gelegt. Eine Arbeit, die für jede politische Gruppe oder NGO völlig normal und unabdingbar ist. Wie soll man denn politisch handeln können, ohne ausreichend informiert zu sein?
Ein weiterer Punkt der Anklage lautet, ich hätte umfangreiches Material über die ALF archiviert. Mir ist nicht im geringsten verständlich, was die Staatsanwaltschaft mir vorwerfen will. Aber offensichtlich ist sich Herr Handler nicht zu schade, mir das bloße Sammeln von Zeitungsartikeln zur Last zu legen! Ein Recht, dass sowohl unter der Meinungsfreiheit als auch unter der Informationsfreiheit geschützt ist. Auch über diesen Prozess werde ich im übrigen einen Ordner anlegen. Mit dem gleichen Ziel: der Dokumentation! Somit erwarte ich auch hier dass dieses bloße Sammeln meinen verfassungsmäßigen Rechten entspricht!
Weiters werden mir koordinierende Tätigkeiten zur Last gelegt. Ich frage mich, wie soll man denn Kampagnenarbeit machen, ohne koordinierend tätig zu sein? Es ist faktisch nicht möglich.
Auch Home Demos sind nicht illegal, sondern eine weitverbreitete Aktionsform von sozialen Bewegungen. Den Vorwurf der schweren Nötigung möchte ich deutlich zurückweisen! Ich habe niemanden genötigt. Das wird sich noch im Zuge des Beweisverfahrens zeigen.
Wie ich dargelegt habe, bleiben keine Vorwürfe gegen mich übrig, die eine strafrechtliche Relevanz hätten. Dass ich dennoch hier sitzen muss und für meine legale politische Arbeit kriminalisiert werde zeigt mir eindeutig, dass hier unliebsamer politischer Aktivismus mundtot gemacht werden soll. Für diesen Schauprozess werde ich mich nicht hergeben und habe deshalb darüber hinaus in diesem Prozess nichts mehr zu sagen.
Prozesserklärung des 9. Beschuldigten
Ich möchte zuerst kurz auf meine Motivation zu sprechen kommen. Meine Motivation warum ich mich seit Jahren für Befreiung der Tiere einsetze, sei es durch Demonstrationen, Recherchen, Diskussionen, publizistische Tätigkeiten, Aktionen des zivilen Ungehorsams wie z. B. Run Ins oder die damit einhergehende theoretische Arbeit. Danach werde ich auf einzelne Punkte aus dem Strafantrag eingehen.
Wir haben im Verfahren bereits Filme gesehen von Nerzen, Füchsen und Hühnern, die entindividualisiert und zu Waren gemacht werden. Sie werden ein Leben lang eingesperrt. Der gewaltsame Tod ereilt sie, sobald sich die jeweiligen Unternehmen einen maximierten Profit versprechen. Solange sie noch leben, sind sie in dieser Gesellschaft für nichts anderes da, als auf den Zeitpunkt des Verkaufs ihrer toten Körper zu warten. Diese Bilder und diese Käfige stehen dabei symbolisch für das Mensch – Tier Verhältnis und damit auch für den gewaltförmigen Aufbau dieser Gesellschaft. Für die Befreiung der Tiere, bedeutet auch für eine befreite, gewaltfreie Gesellschaft einzustehen.
Diese Einsicht und der Wunsch diese Verhältnisse zu ändern ist der Grund für mich politisch aktiv zu sein. Aktiv jenseits der Möglichkeiten sich durch Wahlen am Stimmzettel oder an der Supermarktkasse betrügen zu lassen. Denn ich lasse mir nicht mehr vorgaukeln, dass diese Freiheit der Wahl die bestmögliche Freiheit sei. Dies ist der Grund dafür, dass ich mich an Kampagnen beteiligt habe und mich weiterhin daran beteiligen werde. Das ist Menschen, die an den gewaltvollen gesellschaftlichen Verhältnissen festhalten wollen, auch weil sie um ihre Privilegien fürchten, ein Dorn im Auge.
Der Wille ungenehmen politischen Aktivismus mundtot zu machen, zieht sich wie ein roter Faden durch die Ermittlungen gegen uns. Seit Ende der 1990er wurde die Tierrechtsbewegung vom Staatsschutz observiert und in seinen Berichten analysiert. Spätestens damals begannen gezielte Ermittlungen gegen die Personen, die wegen ihres politischen Engagements und den damit einhergehenden öffentlichen Auftritten den Behörden namentlich bekannt waren. Mit der SOKO Gründung wurden diese Ermittlungen noch intensiviert. Seit Jahren wurden von Seiten der Polizei erhebliche Anstrengungen unternommen, um freie Meinungsäußerungen wie Demonstrationen und Informationsveranstaltungen im Rahmen von Tierrechts-Kampagnen zu unterbinden oder zu kriminalisieren.
Nachdem es für die Zuordnung von Straftaten keine Beweise gab und gibt wurde zum Paragrafen 278a gegriffen mit Hilfe dessen sich legale Handlungen strafrechtlich verfolgen lassen. Mit den von Seiten der Anklage vorgebrachten Behauptungen und Indizien wird sich meine Anwältin im Laufe des Beweisverfahrens entsprechend noch ausführlich auseinander setzen. Sie wird zeigen, dass die vorgeworfenen Straftaten, insbesondere die Existenz einer „kriminellen Organisation“ haltlose Behauptungen sind.
Ich engagiere mich in verschiedenen politischen Initiativen und Gruppen, vor allem auch in der Basisgruppe Tierrechte. Das ist eine kleine basisdemokratische Gruppe, die sich für Tierrechte einsetzt. Wir beteiligen uns an Kampagnen, machen Demos, Vorträge, Radiosendungen und führen Aktionen des zivilen Ungehorsams durch. Die Kampagnen, an denen ich mich beteiligt habe, sind unter anderem die der Offensive gegen die Pelzindustrie und SHAC. Ich habe auch wiederholt an Demonstrationen und Aktionen des zivilem Ungehorsam teilgenommen und solche Aktionen mitorganisiert. Daraus habe ich nie ein Geheimnis gemacht. Wieso auch? Obwohl beide Kampagnen nach wie vor mit öffentlichen Demos und Veranstaltungen aktiv und präsent sind wird mir dies nun im Strafantrag vorgeworfen.
Dort heißt es unter anderem, dass meine „Teilnahme an strategischen Sitzungen“ dazu gedient habe, Kampagnen oder Aktionen zu planen. Kampagnen sind in den meisten sozialen Bewegungen gang und gäbe. Eine Kampagne bedeutet, dass kontinuierlich auf ein Etappenziel hin gearbeitet wird. An vielen Kampagnen beteiligen sich verschiedene Gruppen und Individuen eigenverantwortlich und selbstständig um so ihren Protest kund zu tun. Wenn ich mir die einzelnen Vorwürfe ansehe und mir überlege wie politischer Aktivismus oder Kampagnenarbeit ohne Handlungen wie Recherchen und Planung – Handlungen die mir nun vorgeworfen werden – auskommen soll, kann ich nur sagen „gar nicht“. Offenkundig geht es dem Staat darum politische Arbeit in Form von Tierrechts-Kampagnen zu unterbinden.
Mir wird vorgeworfen, dass ich Recherchen zu aktuellen politischen Kampagnen betrieben habe. In den Polizeiberichten ist zu lesen, dass bei der Durchsuchung meiner Wohnung, die von vermummten Spezialeinheiten aufgebrochen wurde, Firmenbuchauszüge sicher gestellt wurden. In Telefonaten soll ich mich erkundigt haben, wo im Internet ich Jahresberichte von Firmen finden kann und anderes. All dies sind vollkommen öffentlich zugängliche Informationen.
Aus den vorliegenden Überwachungsergebnissen ist sicher bekannt, dass sich Flugblätter auch mit Firmenverflechtungen z. B. der Firma KLEIDER BAUER auseinander setzen. Es ist bei politischen Kampagnen wichtig eine Ansprechperson für Gespräche zu haben – oder eine Person an die der Protest adressiert werden kann. Protestbriefe oder die gesammelten Unterschriften gegen den Pelzverkauf können an das Christkind oder an die Personen, die in einer Firma die Entscheidungen treffen adressiert werden. Anders als das Christkind können die Verantwortlichen in Firmen sehr wohl die Entscheidung treffen, aus dem Pelzverkauf auszusteigen und damit den Mord an den so genannten Pelztieren zu beenden. Gerne hätte ich auch Informationen z. B. über Zulieferfirmen, den PelzlieferantInnen veröffentlicht um es der Öffentlichkeit zu ermöglichen sich umfassend über deren blutige Machenschaften zu informieren und auch um Diskussionen anzuregen.
Kampagnen und Aktivismus leben nun Mal von Informationen – um aufzuklären, zu informieren, zu skandalisieren und auch um Folgerecherchen durchführen zu können. Weiterhin können solche Informationen, auch das Recherchieren von Adressen, Grundlage sein, um Demonstrationen und Aktionen des zivilen Ungehorsams durchzuführen.
Mir wird vorgeworfen, dass ich Demonstrationen angemeldet habe, weil diese dem Ziel der vermeintlichen kriminellen Organisation dienen sollen. Da tun sich gleich mehrere Fragen auf: Seit wann greifen kriminelle Organisationen auf das Protestmittel von Demonstrationen zurück? Wie soll ich einer kriminellen Organisation dienen, die es nicht gibt? Wie soll ich eine Demonstration anmelden, wenn ich nicht weiß wer der Adressat ist, und wo? Wie soll ich mir politische Arbeit vorstellen, wenn es anscheinend strafbar ist Demonstrationen anzumelden?
Aber auch wenn Demonstrationen nicht angemeldet werden wird das zum Vorwurf gemacht. Dabei taucht immer wieder das Schreckgespenst der „illegalen Home Demos“ auf. „Illegal“ ist hier nur Stimmungsmache! Demos oder home demos sind nicht illegal auch wenn die SOKO, der Herr Staatsanwalt und die Richterin immer wieder davon sprechen. Hier werden auch solche Meinungsäußerungen zu kriminalisieren versucht.
Mir wird vorgeworfen durch Beteiligung an einer Demonstration den Versuch einer schwere Nötigung begangen zu haben. Schließlich wollte ich die Geschäftspolitik der Firma KLEIDER BAUER beeinflussen – eben wie schon gesagt in dem Sinne, dass sie aufhören Pelze zu verkaufen. Bei einer anderen, unangemeldeten Demonstration, dem so genannten „Faktum 7“ wurden bei einer unangemeldeten Demonstration in einem Geschäft Flugblätter geworfen und in Folge eine Sachbeschädigung behauptet. Aufgrund dieser vermeintlichen Sachbeschädigung wurden umfangreiche Überwachungsmaßnahmen angeordnet. Überwachungsmaßnahmen, die auf schamlose Weise in die Privat- und Intimsphäre von Dutzenden Menschen eindrangen. Für diese Sachbeschädigung kann auch nach jahrelanger, intensiver Ermittlungsarbeit der SOKO kein Sachschaden gefunden werden.
Aber um welche Aktionen es sich auch immer handeln mag, sei es das Schreiben von Protestbriefen oder Aktionen des zivilen Ungehorsam – politischer Aktivismus ist verdächtig und wird kriminalisiert, sobald er unbequem wird und nicht mehr einfach zu ignorieren ist.
Ich soll auch im Rahmen einer Radiosendung „zu einen unbekannten Zeitpunkt“ über Sachbeschädigungen und die ALF berichtet haben. In jedem Medium ist es üblich über Straftaten zu berichten und genau das wird mir hier nun vorgeworfen. Weil ich mich von derartigen Aktionen nicht distanziere, sondern laut Strafantrag um Sympathie dafür werbe. Aktionen, die das Ziel haben Gewalt gegen Tiere zu beenden und dabei von Menschen durchgeführt werden, die Gewalt gegen Menschen und Tiere kategorisch ablehnen. Mir sind keine Personen bekannt, die in Anbetracht der unaussprechbaren Gewalt, die Tieren angetan wird, zu derartigen Mitteln greifen Trotzdem, ich freue mich von ganzem Herzen für jedes Tier, dem durch den Einsatz mutiger AktivistInnen Gefangenschaft oder ein gewaltsamer Tod erspart bleiben. Aus dieser Meinung habe ich nie einen Hehl gemacht und werde das auch in Zukunft nicht tun sondern weiterhin zu ihr stehen. Bedeutet das, dass ich wegen meiner politischen Meinung nicht mehr über bestimmte Themen berichten darf? Das ich wegen meiner Meinung keine Meinungsfreiheit mehr habe?
Ich habe weder Personen genötigt noch andere mit Informationen versorgt, damit diese Sachbeschädigungen durchführen können. Mir wird auch nicht vorgeworfen eine Sachbeschädigung begangen zu haben. Mir wird nur mein politisches Engagement vorgeworfen. Trotzdem beschäftigt sich der Strafantrag großteils mit Gedanken, Meinungen und Anschauungen und dem Umgang mit Publikationen oder im Internet verbreiteter BekennerInnenschreiben. Das Weiterleiten und Publizieren von BekennerInnenschreiben ist nicht strafbar. Zu derartigen Vorwürfen muss und will ich mich nicht äußern.
Es gibt keine wie auch immer gearteten „kriminellen Organisation“ wie sie der Herr Staatsanwalt entwirft. Ich bin auch nicht Mitglied. Es gibt eine derartige Organisation ganz einfach nicht. Ich werde einen derartigen Schauprozess nicht aktiv unterstützen, auch weil hier vor Gericht die Unschuldsvermutung offenbar außer acht gelassen wird. Anstatt unsere „Schuld“ zu beweisen wird uns nahe gelegt unsere Unschuld zu beweisen.
Meine Anwältin wird noch detailliert darlegen, dass die Anklage ohne jegliche Substanz ist. Nachdem insbesondere die Ermittlungen wie auch das bisherige Verfahren tendenziös geführt wurden und offenbar alleine dazu dienen, eine politische Meinung und Aktivismus zu kriminalisieren, werde ich ab jetzt keine Aussagen mehr machen.
Prozesserklärung des 10.Beschuldigten
Zum ersten Mal wurde mir bewusst, dass ich in dieses Verfahren, überhaupt in irgendein Strafverfahren, hineingeraten war, als ich in den frühen Morgenstunden des 21. Mai 2008 durch das Gebrüll von vermummten Männern geweckt wurde, die in meine Wohnung eingedrungen waren und Schusswaffen auf mich und meine Mutter richteten, mich in weiterer Folge verhafteten und abtransportierten und in meiner Abwesenheit damit begangen, die Wohnräume von mir und meiner Mutter zu durchwühlen und unzählige persönliche Gegenstände von mir – und meiner Mutter – beschlagnahmten.
Wie war ich da nur hineingeraten? Will man dem von Soko und Staatsanwalt Handler verfassten Akt Glauben schenken, so hatte das Vorgehen gegen mich mit dem Abhören meines Mobiltelefons durch die Polizei angefangen. Warum war ich abgehört worden? Weil mich ein Freund angerufen hatte und dessen Telefon bereits von der Polizei abgehört worden war. Warum war mein Freund abgehört worden? Sein Handy war angeblich – rückwirkend – Ende 2006 in der Nähe einer Straftat geortet worden. Nun war das eine seltsame Straftat – laut Akt eine schwere Sachbeschädigung, allerdings war und ist es trotz Ermittlungen nicht möglich, das Ausmaß des Schadens anzugeben. Eine schwere Sachbeschädigung also – ohne dass dabei irgendeine Sache beschädigt worden war? Was war geschehen? Jemand hatte anscheinend in einer Kleider Bauer-Filiale Papierschnipsel – Konfetti also – geworfen – dieses „Faktum“ wurde und wird noch immer im Akt als schwere Sachbeschädigung geführt. Und das Handy meines Freundes soll da in der Nähe gewesen sein. Und das reichte aus, seine Telefongespräche zu überwachen und in weiterer Folge auch meine. Und nicht nur das: ich habe mit einem anderen Freund einen HandypartnerInnenvertrag. Selbstverständlich läuft mein Vertrag auf meinen Namen, leider scheint das aber der Soko entgangen zu sein, sie hat nämlich einfach angefangen, unser beider Telefone zu überwachen. Natürlich war ihnen bald klar, wer da unter welcher Nummer zu erreichen war, unsere Kontakte untereinander haben aber anscheinend ausgereicht, um uns alle zu überwachen. Das war also die Verdachtslage, die ausreichte, um eine ganze Lawine an Überwachungsmaßnahmen los zu treten.
Was nach Monaten der Überwachung zur eingangs erwähnten Stürmung meiner Wohnung geführt hatte. Es gab einen Haftbefehl gegen mich, unterzeichnet von Staatsanwalt Handler. Findet sich in diesem Papier irgendeine vernünftige Rechtfertigung für dieses massive Vorgehen? Vielleicht irgendein Hinweis auf besondere Gefährlichkeit oder auch nur irgendein konkreter Vorwurf gegen mich? Irgendeine Begründung warum ausgerechnet ich verhaftet werden sollte? Nein, dieser Haftbefehl basierte nicht auf angeblichen Ergebnissen von Ermittlungen in Bezug auf Straftaten, sondern steht tatsächlich weit am Anfang des Aktes dieses Verfahrens. Allerdings war bereits zu Beginn der Ermittlungen schon festgelegt worden, dass es Haftbefehle und Hausdurchsuchungen geben sollte, tatsächlich stand auch schon von Anfang an fest, wen es treffen sollte – sogar noch vor Beginn der Ermittlungen! Und das, obwohl ausdrücklich keine konkreten Verdachtsmomente in irgendeiner Form vorhanden waren. Darauf wird noch zurückzukommen sein.
Aber dennoch: Wie ist das möglich? Ermittlungen, Verhaftungen, monatelange Haft überhaupt ohne konkrete Verdachtsmomente in Bezug auf Verantwortlichkeiten für konkrete Straftaten? Möglich wurde das durch den Einsatz eines sogenannten Organisationsparagrafen, des mittlerweile berüchtigten § 278a, der ohne konkrete Verdachtslage massivste Überwachungs- und Repressionsmaßnahmen ermöglicht, der es ermöglicht hat, kollektiv und unter Umkehrung der Unschuldsvermutung alle sich im Bereich der Kampagnenführung für den Schutz und die Befreiung der Tiere engagierende AktivistInnen zu verdächtigen und zu verfolgen. Alle unaufgeklärten, auf nicht nachvollziehbare Weise dem Bereich des „Tierschutzes“ zugeordneten Straftaten der letzten Jahrzehnte wurden einer konstruierten „Kriminellen Organisation“ angelastet und letztlich dadurch „aufzuklären“ versucht, indem schlichtweg behauptet wird, die bekannten, öffentlich und legal agierenden AktivistInnen wären dafür verantwortlich. Die hier Beschuldigten sollen kollektiv für Straftaten haftbar gemacht werden, mit denen sie nichts zu tun haben – aus unserer politischen Einstellung allein soll hier Schuld abgeleitet werden.
Staatsanwalt Handler und die Soko stellen es so dar, als hätten sie uns ausgeforscht, als hätten ihre Ermittlungen sie zu uns geführt, als hätten sie unsere Handys orten und abhören müssen, um zu erfahren, wie unsere politische Aktivität aussieht. Als hätten sie uns verhaften, unsere Wohnungen verwüsten, unsere privatesten Habseligkeiten durchwühlen und entwenden müssen, um zu „ermitteln“, dass wir eine Kampagne führen. Als hätten wir im Geheimen agiert, als hätten ihre Ermittlungen irgendetwas ergeben, was nicht schon zuvor bekannt war. Nichts könnte weiter entfernt von der Realität sein: Wir alle haben unter unserem Namen Demonstrationen angemeldet oder sind öffentlich mit unseren vollen bürgerlichen Namen aufgetreten. Die Soko hat uns nicht „ausgeforscht“ – sie hat von Anfang an festgelegt, dass *wir* Ziel dieses Repressionsschlages werden sollten, und nachdem diese Entscheidung feststand, hat sie nach einem Paragrafen gesucht, der sie auch ohne Verdachtslage zu Ermittlungen gegen uns legitimiert – und diesen im § 278a gefunden. Auch ich war öffentlich durch die Anmeldung von Demonstrationen aufgetreten, Demonstrationen, die anscheinend einem Konzernchef auf die Nerven gegangen waren, gegen die aber im Rahmen des Rechtsstaates nicht vorzugehen war, und die auch bis zu meiner Verhaftung und darüber hinaus noch weitergegangen waren.
Der durch § 278a ermöglichte kollektive Vorwurf der „Kriminellen Organisation“ ist auch der Grund dafür, dass fast alle im Strafantrag breitgetretenen Straftaten vor diesem Gericht gar nicht konkret verhandelt werden. Warum werden sie dann überhaupt angeführt? Um Stimmung zu machen und ein Bedrohungsszenario herbei zu phantasieren, um das Schreckensbild einer angeblichen Gefahr durch sogenannte „Tierschutzkriminalität“ zu zeichnen, das mit mir nichts zu tun hat.
Tatsächlich wollte Staatsanwalt Handler noch viel mehr Straftaten anführen, der Akt ist voll damit. Von welcher Qualität die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft allerdings sind, zeigt schon allein die Tatsache, dass mir beispielsweise lange Zeit eine große Anzahl Vorwürfe gemacht worden, die schließlich allesamt zurückgenommen werden, der Verdacht war nicht aufrechtzuerhalten – weil es in Wahrheit nie eine Basis für diese Verdächtigungen gegeben hatte. Allerdings: Ohne diese massiven Behauptungen, die aus jedem ausgeschnittenen Zeitungsartikel einen Hinweis auf Schuld ableiten, die aus jedem Urlaubsfoto einen Hinweis auf Straftaten im Ausland, aus jeden Tropfen Wandfarbe einen Hinweis auf Sachbeschädigungen, aus jedem Haushaltsgegenstand eine Tatwaffe machen – ohne all das hätte es diesen Fall nie gegeben! Diese beeindruckende Liste an haltlosen Vorwürfen war der Ersatz dafür, dass Staatsanwalt Handler gar nicht wusste, was er genau vorwerfen sollte, weil im Grunde alle Vorwürfe willkürlich und einfach nur behauptet sind.
Mit dieser Liste an unbelegten Vorwürfen ist Staatsanwalt Handler von Haftprüfung zu Haftprüfung und sogar zum Oberlandesgericht gezogen und hat Verdachtslagen behauptet, die fast alle mittlerweile stillschweigend zurückgezogen werden mussten, weil sie nicht mehr haltbar waren, weil sie von Anfang an keine Basis gehabt hatten. Auch das in diesem Gericht bereits erwähnte OGH-Urteil geht von vollkommen falschen Annahmen aus, jeder mir darin vorgeworfene Punkt ist falsch und wurde bereits widerlegt oder wird es noch werden. Auf dieses OGH-Urteil kann sich dieses Gericht nicht beziehen.
Aber auch der vorliegende, an Vorwürfen bereits weit zurückgestutzte Strafantrag strotzt nur so von tendenziösen Formulierungen, Fehlinterpretationen und schlicht unwahren Behauptungen. Darüber haben wir ja schon einiges gehört und im Laufe des Verfahrens wird sich immer wieder zeigen: Es gibt eine lange, lange Liste von Unkorrektheiten in diesem Akt.
Beim Lesen des Strafantrags ist auch und vor allem eines offensichtlich: Die Vorwürfe bilden in keinster Weise die Realität ab, sondern wurden am § 278a und an den juristischen Kommentaren dazu entlang gebastelt. Dies erklärt auch, warum sie so absurd und willkürlich über die zu kriminalisierenden Personen übergestülpt wirken. Die Vorwürfe sind zum Teil so grotesk, dass Staatsanwalt Handler sich in vollkommen unlesbare monströse Satzkonstruktionen flüchten muss, um überhaupt strafbares Verhalten in legitime Kampagnentätigkeit hineinzukonstruieren.
Im Folgenden werde ich einige Punkte zu den Vorwürfen mir gegenüber anführen, das Gesagte gilt aber im Prinzip für alle Beschuldigten, da es sich bei der beschriebenen Vorgehensweise um einen generellen Modus operandi von Soko und Staatsanwalt handelt.
Ein zentraler Vorwurf, der mir in diesem Strafantrag gemacht wird, ist der, ich wäre ein „EDV-Experte“ der behaupteten „Kriminellen Organisation“ gewesen. Dabei ist es Soko und Staatsanwalt nicht zu billig, als wesentlichen Beleg ein einziges Telefonat anzuführen, indem ich mich selbst als so genannter „Internetchecker“ – was auch immer Staatsanwalt Handler sich darunter vorstellen mag – bezeichnet haben soll. Dieses Zitat habe ich viele, viele Male lesen müssen: in Zwischenberichten der Soko, als zentrales Argument in Entscheiden der Haftprüfungen für die Verlängerung meiner Untersuchungshaft oder in den Beschlüssen des Oberlandesgerichts und des Obersten Gerichtshofs. Wäre diese Bemerkung als Indiz schon erbärmlich genug, so ist das eigentlich Erschreckende daran, dass ich mich selbst nie so bezeichnet habe – und das ist aus dem betreffenden Telefonüberwachungsprotokoll selbst ersichtlich! Auch wenn hier nicht gesagt werden darf, im Strafantrag würde bewusst gelogen, so ist es doch offensichtlich, dass Soko und Staatsanwalt in ihrem Kriminalisierungswillen schon so eine verzerrte Wahrnehmung haben, dass sie nicht einmal in der Lage sind, ihre eigenen Ergebnisse korrekt zu lesen. Was die mir von Staatsanwalt Handler im Rahmen seiner Aufgabenverteilung bei der Erfindung der „Kriminellen Organisation“ zugedachte Rolle eines „Computerexperten“ vollends lächerlich macht, ist die Tatsache, dass ich selbst vor meiner Verhaftung gar keinen Computer besessen habe: Der bei meiner Hausdurchsuchung beschlagnahmte und mir zugedachten PC war der meiner Mutter. Das hat die Staatsanwaltschaft mittlerweile auch zugegeben und ihn konsequenterweise auch wieder meiner Mutter ausgefolgt. Hinzugefügt sei noch, dass sie diesen Computer beim Diskonter Hofer gekauft hat und es sich dabei auch noch um einen Windows-Rechner handelt, was insofern relevant erscheint, da ich laut Akt ein Experte für das Betriebssystem Linux sein sollte. Ein Computerexperte ohne Computer, der den Hofer-Windows-PC seiner Mutter mitbenutzen darf, um damit eine „Kriminelle Organisation“ bei der Einrichtung von Linux zu beraten?
Zu den weiteren Vorwürfen gegen mich weigere ich mich, Stellung zu beziehen, da es sich um vollkommen legale politische Arbeit handelt und ich nicht einsehe, mich dafür rechtfertigen zu müssen. Kampangnenführung ist kein Verbrechen, auch die „Offensive gegen die Pelzindustrie“ (OgPI) hat nichts mit Straftaten zu tun. Staatswaltschaft und Soko versuchen aus ihrer aus Bespitzelung und Überwachung gewonnenen Dokumentation unserer aktivistischen Tätigkeiten ohne jede Strafrechtsrelevanz im Nachhinein ein Verbrechen zu machen – so wird aus vollkommen legaler Tätigkeit durch den Kunstgriff des § 278a die Unterstützung einer behaupteten „Kriminellen Organisation“ gemacht, die Ausübung verfassungsmäßig garantierter Rechte wird uns zum Vorwurf gemacht und als belastend angeführt – von Polizei und Staatsanwalt, die vorgeblich doch die Ausübung dieser Rechte garantierten und durchsetzen sollen.
Insgesamt bestanden die so genannten „Ermittlungen“ der Soko nämlich nur aus der totalen Aufhebung unserer Privatsphäre: Überwachung, Bespitzelung, Observation, Lauschangriff, Peilsender, Beschlagnahmung unzähliger privater Gegenstände und so weiter. Und doch hat sich kein einziger konkreter Hinweis auf die Begehung irgendwelcher Straftaten gefunden. Konsequenterweise wird der Großteil der gewonnenen Erkenntnisse auch zurückgehalten, Entlastendes wird im Akt grundsätzlich verschwiegen. Einem vernünftigen Prinzip zufolge müsste aus der Abwesenheit von Hinweisen auf strafbare Handlungen geschlossen werden, dass die betreffenden Personen auch keine strafbaren Handlungen begehen würden. Soko und Staatsanwaltschaft hingegen schlussfolgern aus den mangelnden Hinweisen auf Straftaten, dass diese sehr wohl begangen, aber besonders perfide verheimlicht würden. Ein solches Erklärungsmuster gehört in den Bereich der Verschwörungstheorien. Wie jede Verschwörungstheorie kann auch diese Theorie von „Krimineller Organisation“ und „Doppelstrategie“ nicht rational widerlegt werden, da sie aus dem fehlenden Beleg für Schuld nur das Vorhandensein einer noch größere Schuld ableitet, mithin vollkommen dem Reich des Irrationalen entstammt.
Jedenfalls: Jetzt stehe ich hier vor Gericht. Ist es ein Wunder, dass ich kein Vertrauen in die Objektivität dieses Verfahrens habe? Dass ich nicht kooperiere an einem Verfahren, das es von Anfang an, eingestandenermaßen ohne konkrete Verdachtslage, nur darauf abgesehen hatte, mich zu verfolgen, zu bespitzeln, mich einzusperren, mich meiner persönlichen Gegenstände zu berauben, die mich und meine Mutter mit Waffen bedrohen, mich beschuldigen und zu verurteilen versuchen…? Weil ich einem Konzernchef durch Versammlungen auf die Nerven gegangen war? Ist es tatsächlich die von Staatsanwaltschaft und Gericht vertretene Auffassung der Unschuldsvermutung, dass über mich unbelegte Behauptungen angeführt werden, die ich hier und jetzt widerlegen muss, dass ich mich im Sinne einer Schuldsvermutung erst freibeweisen muss?
In diesem Sinn weise ich alle Vorwürfe zurück. Ich habe mich in keinerlei Form an irgendwelchen Straftaten beteiligt, haben auch nie versucht, irgendjemanden zu nötigen und war nie Mitglied irgendeiner „Kriminellen Organisation“. Ich schließe mich vollinhaltlich den Erklärungen des Sechst-, Siebt-, der Acht- und des Neuntbeschuldigten an und werde bis auf weiteres keine weiteren Aussagen mehr machen.