http://www.info.gov.za/aboutsa/history.htm
Geschichte
Diese Geschichte folgt der derzeit offiziellen südafrikanischen Geschichtsschreibung.Sie scheint uns etwas zu einseitig auf ‚Rassenwidersprüche’ angelegt, wir haben aber bisher keine bessere Zusammenfassung der Geschichte Südafrikas gefunden. Je näher wir in dieser Darstellung zur Gegenwart kommen, desto offensichtlicher wird, dass es sich um eine Geschichtsschreibung des ANC (oder zumindest ANC-naher Kreise) handelt. So werden die Fraktionskämpfe im Exil ebenso ausgeklammert wie die zunehmende Korruption, seit der ANC an der Macht ist. Die folgenden Beiträge werden diese Darstellung zum Teil stark konterkarieren und so wieder ein Stück weit zurechtrücken.
UreinwohnerInnen und vorkoloniale Geschichte
Seit über 100.000 Jahren leben ‚moderne Menschen’ in der Region des heutigen Südafrika. Vorfahren der Khoikhoi und San (in der früheren europäischen Geschichtsschreibung ‚Hottentotten’ und ‚Buschmänner’) waren kleine, mobile Gruppen von SteinzeitjägerInnen und sammlerInnen. Bekannt sind sie unter dem gemeinsamen Namen Khoisan. Vor ca. 2.000 Jahren entwickelten sie sich zum Teil zu ViehhalterInnen mit Schaf- und später auch Rinderherden, die sich in den Grasländern zwischen dem heutigen Namibia und dem Ostkap aufhielten. Ungefähr zur gleichen Zeit begannen bantusprachige LandwirtInnen und ViehzüchterInnen Südafrika zu besiedeln, sie brachten die Eisenkultur und domestizierte Pflanzen mit und etablierten sich in der wasserreichen Region am Ostkap. Mit der Zeit dehnten sie ihr Siedlungsgebiet über das innere Plateau (‚highveld’) aus.
Es entwickelten sich Stammesfürstentümer, die auf der Kontrolle über Vieh basierten und hierarchische Autoritäten innerhalb der Gemeinschaften schufen. Metallurgische Fähigkeiten (Gewinnung und Verarbeitung von Eisen, Kupfer, Zinn und Gold) förderten die Spezialisierung und schufen die Voraussetzungen für regionales Handwerk und Handel. Offenbar gab es bereits mehrere Jahrhunderte vor dem Vordringen der Europäer Handelsbeziehungen mit Ostafrika. Während in den fruchtbaren Küstenregionen verstreute Bauernhöfe das bevorzugte Siedlungsmodell darstellten, entstanden an den Rändern der Wüsten im Westen bereits Städte. Bis zur Ankunft der Europäer blieben die westliche Wüste und die südwestlichen Regionen mit ihrem Winterregen den Khoisan vorbehalten.
Kolonialisierung
Im späten 15. Jahrhundert erkundeten portugiesische Seefahrer die Seeroute nach Indien, sie waren die ersten Europäer an der südafrikanischen Küste. Andere folgten. 1652 errichtete die holländische Ostindische Gesellschaft (VOC) eine Station an der Tafelbucht (Bucht unter dem Tafelberg, heute Kapstadt) zur Versorgung vorbeifahrender Schiffe. Fünf Jahre später begann die begrenzte Vergabe von Farmland in der Region Ostkap durch die Kolonialbehörden. Wein und Weizen wurden zu den Hauptprodukten, und bald wurden Forderungen der Siedler nach mehr Arbeitskräften erhoben. Diesen kam die VOC durch die Einfuhr von Sklaven aus Ostafrika, Madagaskar und Ostindien nach.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts begannen die Kolonialisten, sich in das Hinterland auszubreiten, die mobilen FarmerInnen (trekboers) lebten als Viehzüchter und Jäger und entzogen sich weitgehend der Kontrolle durch die holländischen Behörden. Je weiter sie in das Landesinnere vordrangen, desto mehr indigene EinwohnerInnen wurden enteignet und als DienerInnen in die Kolonialökonomie gepresst. Krankheiten wie die Pocken, die 1713 von den Europäern eingeschleppt wurden, dezimierten die Khoisan und führten zum Verfall ihrer Kulturen.
Mitte des 18. Jahrhunderts gab es am Kap mehr SklavInnen als ‚freie BürgerInnen’ (europäische KolonistInnen). Die asiatischen SklavInnen wurden in den Städten konzentriert, während afrikanische zum größeren Teil auf den Farmen in den entlegenen Bezirken zu finden waren. Im späten 18. Jahrhundert setzten die Khoisan dem Vordringen der Kolonialisten entschlossenen Widerstand entgegen. Ab den 70er Jahren kamen die SiedlerInnen in Kontakt und Konflikt mit bantusprachigen Fürstentümern. Es folgte ein Jahrhundert sporadischer Kriege, in denen die Kolonialisten die Übermacht erst über die Khoisan und danach über die xhosasprachigen Fürstentümer des Ostens errangen. Doch erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Unterwerfung dieser afrikanischen Gesellschaften realisiert.
In den 20er Jahren des 19. Jarhhunderts entwickelte sich das Zulu-Königreich als ein stark zentralisierter Staat und dehnte unter seinem Führer Shaka seinen Einfluss auf ein großes Gebiet des Südostens von Südafrika aus. Danach zerfiel die bisherige Ordnung in Zentral- bis Südafrika, Splittergruppen eroberten auf ihren Zügen Gemeinschaften und bedeutende Staaten wie Lesotho und andere Fürstentümer in Sotho-Tswana entstanden. Diese Periode der Zerrüttung und Staatengründung wird Mfecane genannt.
Die britische Kolonialära
1795 besetzten die Briten das Kap als strategische Basis gegen die Franzosen, und kontrollierten so die Seeroute nach dem Osten. Nach einer kurzen Rückkehr der Holländer im Zuge der Napoleonischen Kriege wurde das Kap 1806 von den Briten während der dem Krieg folgenden territorialen Ansprüche wiedererobert. Das enge und regulierte ökonomische System der holländischen Periode wurde weggeschwemmt, als die Kap-Kolonie in das dynamische Handelsimperium des sich industrialisierenden Britannien integriert wurde.
Protestantische Missionare predigten die Integration der indigenen Menschen in die europäisch-christliche Kultur und 1828 wurden den ‚farbigen Menschen’ gleiche Bürgerrechte innerhalb der Kolonie zugesichert. 1834 wurde die Emanzipation, die Abschaffung der Sklaverei, mit einer vierjährigen Übergangsphase verkündet. Dagegen kämpften die Sklavenhalter an, sie erhielten vom britischen Schatzamt Entschädigungszahlungen, die die Konjunktur ankurbelten und zur massenhaften Gründung von Banken, Versicherungen sowie Investitionen in Land und Wollschafe führten. Wolle wurde zum Exportschlager, von dem die weitere Entwicklung der Kapkolonie Mitte des 19. Jahrhunderts abhing.
Die besitzlosen ehemaligen Sklaven mussten feststellen, dass sie von der Sklaverei in die Lohnsklaverei transferiert worden waren. Sie formten die ‚Farbigen’, die die gemeinsamen Nachkommen von indigenen und europäischen Menschen sowie eine bedeutende moslemische Minderheit umfasste, die vom indonesischen Archipel stammte. Diese ‚Farbigen’ wurden sowohl wegen ihrer ‚rassischen’ Identität als auch als Angehörige der ArbeiterInnenklasse diskriminiert.
Als Puffer gegen die Xhosa-Fürstentümer wurden 1820 mehrere tausend britische SiedlerInnen an der Grenze des Ostkap angesiedelt, doch viele von ihnen zogen es vor, Handwerker und Händler zu werden. Einige stiegen zur Klasse der Großhändler, Großfarmer und Spekulanten auf. Ihre Gier nach Land wurde unersättlich. Sie schielten auf das Land der Xhosa und förderten mit allen Mitteln den Krieg gegen die Fürstentümer. Die Xhosa griffen zu Überfällen, um ihre Ansprüche auf das Land zu unterstreichen. Der Grenzkrieg wurde das gesamte 19. Jahrhundert hindurch endemisch. Auch in Natal wurden Mitte des 19. Jahrhunderts Forderungen der Siedler nach mehr Land laut.
In der Zwischenzeit erweiterte eine große Anzahl an früheren Kolonialisten, die Buren, die weiße Besetzung der Kap-Grenzen im Norden, eine Bewegung, die als der Große Treck Mitte der 30er Jahre bekannt wurde. Dem britischen Imperialismus entfremdet und ökonomisch von den britischen Siedlern enteignet, begannen mehrere tausend BurInnen aus den inneren Bezirken, begleitet von einer Anzahl von Khoisan-Dienern, eine Serie von Migrationsbewegungen in den Norden. Sie bewegten sich nach Highveld und Natal, und umgingen auf ihrem Weg die großen Konzentrationen an schwarzen Farmern, indem sie Gegenden bevorzugten, die während der Mfecane zerrüttet worden waren.
Als die Briten, die um die Kontrolle des Verkehrs durch Port Natal (Durban) Sorgen hatten, das Territorium von Natal 1843 besetzten, wandten sich diese burischen Migranten, die gehofft hatten, sich dort niederzulassen, Richtung Landesinneres. Diese Voortrekkers (wie sie später genannt wurden) vereinigten sich in zwei Binnenrepubliken, der Südafrikanischen Republik (Transvaal) und dem Oranje-Freistaat. Hier blieben die Prinzipien exklusiver rassischer Bürgerschaft absolut, trotz der Abhängigkeit der Trekker von schwarzer Arbeitskraft. Nach außen nahmen die Burenrepubliken Beziehungen zu einigen schwarzen Fürstentümern auf, um ihre Stellung zu behaupten.
In der Kolonie Natal ließ sich die Rassenherrschaft per Assimilation aufgrund der Größe der schwarzen Bevölkerung nicht verwirklichen, deshalb wurden die Fürstentümer überredet, sich kolonialem Schutz zu unterwerfen, sie bildeten Enklaven im Herzen des Kolonialterritoriums. Außerhalb dieser Fürstentümer waren schwarze Menschen nahezu rechtlos. Dieses System wird allgemein als Modell für die Segregation2, die sich im 20. Jahrhundert durchsetzte, betrachtet.
Die Wirtschaft von Natal erhielt einen Schub mit der Entwicklung von Zuckerplantagen in den subtropischen Niederungen an der Küste. Seit 1860 wurden indische Kontraktarbeiter auf die Plantagen geholt, und viele indische Händler und Gemüseanbauer folgten ihnen. Diese Inder, die von Anfang an segregiert und diskriminiert waren, wurden ein weiteres wichtiges Element der südafrikanischen Bevölkerung. In Südafrika entwickelte der indische Aktivist und Führer Mahatma Ghandi seit Mitte der 90er Jahre die Techniken des passiven Widerstands, die er später erfolgreich in Indien anwandte. Obwohl Inder teilweise nach Transvaal und anderso gingen, blieb der größte Teil von ihnen in Natal.
1853 erhielt die Kap-Kolonie eine mit der britischen Politik verbundene gesetzgebende Gewalt, der 1872 die Selbstverwaltung folgte. Das Wahlrecht war formal nicht-rassistisch, es basierte aber auf Einkommen und Bildung. Deshalb waren die Afrikaner und die Farbigen eine Minderheit unter den Wahlberechtigten – obwohl an bestimmten Orten eine bedeutende.
Eine Anzahl von Afrikanern innerhalb der Kap-Kolonie war gebildet genug oder hatte genug Eigentum, um sich für das Wahlrecht zu qualifizieren. In den Wahlkreisen des östlichen Kap waren politische Allianzen quer durch die Rassen üblich. Deshalb überrascht es nicht, dass das Ostkap ein Saatbeet des afrikanischen Nationalismus wurde, sobald die Ideen und Versprechungen der Aufnahme in die Gesellschaft von den später rassistischen Parteien verletzt wurden.
Die mineralische Revolution
In den späten 60er Jahren wurden erst angeschwemmte Diamanten im Vaal-Fluss und danach trockene Ablagerungen von Diamanten in Kimberley entdeckt. Sie zogen zehntausende Menschen, schwarze und weiße, zum ersten industriellen Zentrum in Afrika, zur größten Diamantenablagerung der Welt. 1871 annektierten die Briten die Diamantenfelder. 1888 wurde das Diamantenmonopol De Beers unter Kontrolle von Cecil Rhodes gegründet, der von 1890 bis 1896 Premierminister der Kap-Kolonie wurde und danach das heutige Zambia und Simbabwe eroberte.
Die mineralischen Entdeckungen veränderten den gesamten Subkontinent. Ein Netz von Eisenbahnen entstand, das das Landesinnere mit den Küstenstädten verband. Es befeuerte die Landwirtschaft und die Küstenstädte. Nun wurden unabhängige afrikanische Fürstentümer systematisch unterjocht, 1897 wurde Zululand in Natal eingegliedert. Sotho und Swazi wurden ebenfalls unter britische Herrschaft gebracht, behielten aber ihren Status als (vom Imperialismus abhängige) Fürstentümer.
Die Entdeckung der Goldfelder von Witwatersrand bedeutete einen Wendepunkt in der Geschichte Südafrikas, sie waren der Grund für den Krieg der Briten gegen die Burenrepubliken. Den Vorwand lieferte die Forderung nach Wahlrecht für englischsprachige Migranten auf den Goldfeldern (bekannt als uitlander). Angestachelt von den Magnaten des Tiefen-Bergbaus, denen die burische Regierung hinderlich und ineffizient schien, und von der Erwartung eines Aufstands der uitlander, führte Rhodes Ende Dezember 1895 einen Feldzug nach Transvaal durch. Der Fehlschlag dieses Feldzugs bedeutete das Ende von Rhodes’ politischer Karriere, aber Sir Alfred Milner, der britische Hochkommissar in Südafrika seit 1897, war entschlossen, die Regierung Kruger zu stürzen und die britische Herrschaft auf den gesamten Subkontinent auszudehnen. Die Burenregierung wurde schließlich im Oktober 1899 zur Kriegserklärung gezwungen.
Die Mineralfunde hatten einen enormen Bedarf an Arbeitskräften geweckt. Viele Afrikaner gingen in die Minen, andere setzten auf Landwirtschaft, um die für die neuen Märkte zu produzieren. Für die weißen Behörden war die Haupterwägung die Sicherung von verfügbarer Arbeit und die Unterminierung der schwarzen Konkurrenz am Land. Eroberungen, Enteignung von Land, Besteuerung und Passgesetze zielten darauf ab, schwarze Menschen vom Land in die Arbeitsmärkte zu zwingen, vor allem um die Bedürfnisse der Minen(besitzer) zu befriedigen.
Langsam wurden die verfügbaren Alternativen für Afrikaner verschlossen, und der Verfall der heimischen Ökonomie machte die Lohnarbeit immer wichtiger für das Überleben. Die Integration der Afrikaner in die aufstrebende städtische und industrielle Gesellschaft Südafrikas hätte diesen Entwicklungen folgen müssen, aber kurzfristige, periodische Arbeitsmigration passte den Arbeitgebern und den Behörden besser in den Kram, sie sollte das System verfestigen.
Die geschlossenen Gelände, die auf den Diamantenfeldern als Mittel zur Kontrolle migrantischer Arbeit erprobt worden waren, wurden in den Goldminen wiederholt. Der Erhalt kommunaler Areale, aus denen Migranten rausgeworfen werden konnten, führte zu Lohnsenkungen, indem den Afrikanern die Rechte innerhalb der städtischen Gebiete vorenthalten und ihre Familienangehörigen auf Subsistenzfeldern in den Reservaten gehalten wurden.
Burenkrieg (Oktober 1899 – Mai 1902)
Nachdem die Burenrepubliken rasch von den Briten erobert worden waren, folgte an lang andauernder Guerillakrieg. Kleine, mobile Gruppen von Buren weigerten sich, den Sieg der imperialistischen Truppen anzuerkennen, indem sie Eisenbahnverbindungen und Nachschublinien unterbrachen. Ihre Kommandos drangen tief in das Kolonialterritorium ein, und riefen überall, wohin sie kamen, Aufstände hervor. Die Briten waren im Nachteil, weil sie mit dem Terrain nicht vertraut waren und ihnen die Buren als Reiter und Scharfschützen überlegen waren. Die Briten antworteten mit einer Politik der verbrannten Erde, plünderten und brannten Farmen nieder und errichteten Konzentrationslager für NichtkämpferInnen, in denen an die 26.000 burische Frauen und Kinder an Krankheiten starben. Die Einkerkerung von schwarzen (und farbigen) Menschen im Gefolge des Kriegs in rassisch getrennte Lager wurde in den konventionellen Aufzählungen weggelassen und erst kürzlich zur Kenntnis genommen. Auch sie litten an entsetzlichen Bedingungen und rund 14.000 (vielleicht aber viel mehr) sind schätzungsweise ums Leben gekommen.
Der Krieg lehrte auch viele Afrikaner, dass die Kräfte der Enteignung zurückgedrängt werden konnten, wenn die Umstände dafür reif waren. Er gab schwarzen Gemeinden die Möglichkeit, kolonisiertes Land wieder in Besitz zu nehmen, was es ihnen ermöglichte, nach dem Krieg die Lohnarbeit zu verweigern. Viele Afrikaner unterstützten die Briten im Glauben, dass Britannien gegenüber Schwarzen der Ausweitung von Bürger- und politischen Rechten verpflichtet war. Und so waren sie unzufrieden, als im Vertrag der ‚Vereeniging’, der den Krieg beendete, die Briten übereinkamen, den Punkt der Rechte für Afrikaner von zukünftigen, selbstregierenden (weißen) Behörden klären zu lassen. Insgesamt bedeutete der anglo-burisch/südafrikanische Krieg eine radikalisierende Erfahrung für Afrikaner.
Die britische Wiederaufbauregierung schuf eine weiße Herrschaft, indem sie die früheren Burenrepubliken (nunmehr beide britische Kolonien) mit Natal und dem Kap vereinigte.
Vorrangig war die Wiedererrichtung weißer Kontrolle über das Land und das Zurückdrängen der Afrikaner in die Lohnarbeit. Das System der Arbeitsanwerbung wurde weiterentwickelt, sowohl intern als auch extern. mit den portugiesischen Behörden in Mozambique wurden Anwerbungsabkommen geschlossen, und von dort kamen viele Arbeitskräfte in die Minen.
Die Auswirkung des anglo-burisch/südafrikanischen Krieges als wichtiger Einfluss auf die Entwicklung der nationalistischen afrikanischen Politik wurde in den Folgejahren offensichtlich.
Die burischen Führer – allen voran Louis Botha, Jan Smuts und J.B.M. Hertzog – spielten im nächsten halben Jahrhundert eine hervorragende Rolle in der Politik des Landes. Nachdem anfängliche Pläne der Anglisierung der geschlagenen Afrikaaner als nicht durchführbar befunden wurden, versuchten die Briten, die Afrikaaner als Kollaborateure zur Sicherung der imperialistischen politischen und ökonomischen Interessen zu gewinnen.
Segregation
Die Regierungspolitik in der Union von Südafrika entwickelte sich nicht isoliert, sondern vor dem Hintergrund schwarzer politischer Initiativen. Die Segregation und Apartheid waren teilweise eine weiße Antwort auf die zunehmende Teilnahme der Afrikaner am ökonomischen Leben des Landes und der Geltendmachung ihrer politischen Rechte. Trotz der Anstrengungen der Regierung, den Traditionalismus zu stützen und sie zu retribalisieren, wurden die Schwarzen mehr und mehr in die städtische und industrielle Gesellschaft des Südafrika des 20. Jahrhunderts integriert, als anderswo am Kontinent. Eine ausgebildete Elite von Priestern, Lehrern, Geschäftsleuten, Journalisten und Professionisten wuchs zu einer großen Kraft in der schwarzen Politik heran. Christliche Missionen und ihre angeschlossenen Bildungseinrichtungen übten einen starken Einfluss auf das afrikanische politische Leben aus, und separatistische Kirchen wurden frühe Vehikel für afrikanische politische Ansprüche. Die Erfahrungen von Auslandsstudien, und vor allem das Zusammenkommen mit Schwarzen, die anderswo in Afrika, den USA und der Karibik um ihre Rechte kämpften, spielten eine große Rolle. Eine lebhafte schwarze Presse entstand, in ihren Anfangsjahren verbunden mit Pionieren wie J.T. Jabavu, Pixley Seme, Dr. Abdullah Adurahman, Sol Plaatje und John Dube, und diente der schwarzen lesenden Öffentlichkeit.
Gleichzeitig bedeuteten kommunale afrikanische Kämpfe um den Zugang zu Land in den ländlichen Gebieten eine starke Herausforderung für den weißen Staat. Traditionelle Autoritäten führten oft Volkskämpfe gegen eine aufdringliche und manipulative Politik an. Regierungsversuche zur Kontrolle und Einbeziehung der Häuptlinge scheiterten oft. Um die Jahrhundertwende begannen erste Schritte zur Formierung einer nationalen politischen Organisation der Farbigen erste Erfolge zu zeitigen, mit der Formierung der African Political Organisation 1902 von Dr. Abdurahman vor allem in der Kapprovinz.
1912 wurde der African National Congress (ANC) gegründet, er wurde zur wichtigsten schwarzen Organisation, die die traditionellen Autoritäten und die gebildete afrikanische Elite zu einer gemeinsam Sache zusammenbrachte.
Die Militanz der Arbeiter stieg im Sog des 1. Weltkriegs an und dauerte die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts hindurch an. Sie beinhaltete Streiks und eine anti-Pass-Kampagne, der von Frauen, vor allem im Freistaat, Schwungkraft verliehen wurde und die den Passgesetzen Widerstand entgegensetzte. Die Industrial and Commercial Workers’ Union unter Führung von Clements Kadalie war (trotz ihres Namens) die erste populistische, landesweite Organisation, die Schwarze in ländlichen Gebieten ebenso vertrat wie in städtischen. Aber sie war nur von kurzer Dauer.
1921 wurde die Kommunistische Partei gegründet, und seither ist sie eine Kraft sowohl für Nicht-Rassismus als auch als Arbeiterorganisation, und sie hielt sich viel länger. In anderen Bereichen der schwarzen Bevölkerung brachte die Jahrhundertwende ebenfalls eine erstarkende Opposition. Ghandis Führung bei Protesten gegen diskriminierende Gesetze förderte die Schaffung von provinzweiten indischen Kongressen, darunter den 1894 von Ghandi gegründeten Natal Indian Congress.
Die Prinzipien segregationalistischen Denkens wurden 1905 in einem Bericht der South African Native Affairs Commission festgelegt und angesichts dieses ökonomischen, sozialen und politischen Drucks weiter entwickelt. In Übereinstimmung mit seinen Empfehlungen schuf die erste Unionsregierung 1913 den grundlegenden Land Act. Dieses Gesetz definierte die Überbleibsel des Landbesitzes der Afrikaner nach der Besetzung und erklärte jeden Landkauf und jede Pacht (von Afrikanern) außerhalb dieser Reservate für illegal.
Die Reservate (“homelands”, wie sie später genannt wurden) umfassten vielleicht 13% der Landfläche Südafrikas. Der administrative und gesetzgebende Dualismus verstärkten die Teilung zwischen weißen Bürgern und schwarzen Nicht-Bürgern, eine Rechtssprechung, die vom Generalgouverneur personifiziert wurde, der als „oberster Chef“ über die afrikanische Mehrheit des Landes eingesetzt wurde, um diese mittels administrativer Gebote und Dekrete zu regieren.
Die Regierung regulierte weiters die farbigen Arbeitsschranken, indem sie Facharbeit den Weißen vorbehielt und afrikanischen Arbeitern das Organisierungsrecht absprach. Die Gesetzgebung, die im Natives Act 1923 (für städtische Gebiete) festgelegt war, schrieb die städtische Segregation fest und kontrollierte die afrikanische Mobilität mittels Passgesetzen. Die Passgesetze dienten dazu, Afrikaner zur Arbeit zu zwingen und sie unter Bedingungen und auf Lohnniveaus zu halten, die den weißen Arbeitgebern passten, sowie um ihnen jegliche Verhandlungsmacht zu nehmen. So und mit anderen Mitteln wurden die Fundamente der Apartheid gelegt, durch die folgenden Regierungen, die den Kompromiss vertraten, der von der National Convention 1908 – 1909 festgehämmert worden war, um die Vereinigung von englisch- und afrikaanssprachigen Weißen umzusetzen. Aber trotzdem blieben die Spaltungen innerhalb der weißen community signifikant. 1914 erfolgte die Gründung der National Party (NP) als Abspaltung von der herrschenden Südafrikanischen Partei.
Bald zeigten sich Ergebnisse. 1920 streikten an die 71.000 schwarze Minenarbeiter aus Protest gegen die steigenden Lebenshaltungskosten, aber der Streik wurde schnell niedergeschlagen, indem die Anlagen, in denen die migrantischen Arbeiter lebten, isoliert wurden. Eine andere Bedrohung für die Regierung kam von den weißen Arbeitern. Migrantische weiße Arbeiter mit Erfahrung in den Minen im Ausland machten einen großen Teil der Facharbeiter in den Minen aus. Als die Mineneigentümer versuchten, die Kosten zu senken, indem sie schwarze Arbeitskraft bei Semifacharbeiterjobs einsetzten, wurden die weißen Arbeiter zusehends militant. Diese Spannungen kulminierten 1922 in einer blutigen und dramatischen Rebellion in den Goldfeldern, die die Smuts-Regierung mit militärischen Kräfte niederschlug. 1924 verdrängte eine Koalitionsregierung unter Hertzog, die afrikaanische Nationalisten und Vertreter der migrantischen Arbeiter einschloss, die Smuts-Regierung.
1934 fusionierten die wichtigsten weißen Parteien, um die lokalen Auswirkungen der weltweiten Depression zu bekämpfen. Es folgte eine neue afrikaanisch-nationalistische Abspaltung unter Dr. D.F. Malan. 1936 wurde die weiße Vorherrschaft von der United Party durch die Entfernung der Afrikaner aus der Kapprovinz und ihre Entfernung aus den Wählerlisten weiter abgesichert. Inzwischen wurde die Abspaltung Malans von der NP vergrößert durch ein afrikaanisches Revival, das von dem geheimen, männlichen Afrikaner Broederbond und anderen kulturellen Organisationen während des Jahres der Gedenkfeiern an die Voortrekker (1938) angeführt wurde, sowie durch Anti-Kriegs-Gefühle 1939.
Apartheid
Nach dem 2. Weltkrieg gewann die NP 1948 mit ihrer Ideologie von Apartheid, die einen noch schlimmeren und autoritäreren Zugang hatte als die segregationistische Politik vergangener Regierungen, die allgemeinen Wahlen. Und zwar vor dem Hintergrund eines Revivals von Massenmilitanz während der 40er Jahre, nach einer Periode relativer Ruhe in den 30ern, als schwarze Gruppen versuchten, untereinander Einheit herzustellen.
Die Veränderung wurde 1943durch die Gründung der ANC-Jugendliga markiert, die Figuren wie Anton Lembede, AP Mda, Nelson Mandela, Oliver Tambo und Walter Sisulu förderte, die den Kampf für Jahrzehnte inspirieren sollten. In den 40ern brachten BesetzerInnen-Bewegungen in städtischen Randbezirken die Massenpolitik zurück in die städtischen Zentren. Der Streik der Minenarbeiter 1946 war ein Wendepunkt in der Politik der Massenmobilisierung.
Wie bereits im 1. Weltkrieg schürten auch die Erfahrung des 2. Weltkriegs und die Schwierigkeiten der Nachkriegsökonomie die Unzufriedenheit. Für die Unterstützer der NP lag deren vorrangige Anziehungskraft in ihrer Bestimmung, die weiße Vorherrschaft angesichts des Erstarkens der Massenmilitanz der sich erhebenden armen Afrikaner aufrecht zu erhalten, die Vormachtstellung der englischsprachigen Weißen im öffentlichen Leben herauszufordern und die verbliebenen imperialistischen Bindungen zu kappen.
Der Staat wurde zu einer Maschine der Patronage für afrikaanische Beschäftigung. Die Afrikaner Broederbond koordinierte das Programm der Partei und stellte sicher, dass afrikaanische nationalistische Interessen und Politik innerhalb der zivilen Gesellschaft stärker wurden.
1961 erklärte die NP-Regierung unter Premierminister H.F. Verwoerd Südafrika als Republik, nachdem ein nur unter Weißen durchgeführtes Referendum über diesen Punkt gewonnen worden war. Eine neue Währung, der Rand, und eine neue Fahne, Hymne und Wappen wurden formell eingeführt. Das Republik gewordene Südafrika musste sich um eine weitere Mitgliedschaft im Commonwealth bewerben. Angesichts der Forderungen nach einem Ende der Apartheid zog Südafrika seine Bewerbung zurück und ein Präsident ersetzte die britische Königin (die vom lokalen Generalgouverneur vertreten worden war) als Staatsoberhaupt.
In den meisten Punkten war die Apartheid, wenn auch in systematischerer und brutalerer Form,eine Fortsetzungder segregationistischen Politik vergangener Regierungen. Für neue Besorgnis sorgten Gesetze mit pur rassistischem Hintergrund, die sexuelle Aktivitäten zwischen den Rassen verboten, und die bei der Registrierung der Bevölkerung verlangten, dass jedeR SüdafrikanerIn einer rassischen Kategorie zugeordnet werden musste.
Zum ersten Mal wurden farbige Menschen, die immer informeller Diskriminierung ausgesetzt gewesen waren, unter den Geltungsbereich diskriminierender Gesetzgebung gedrängt. Mitte der 50er änderte die Regierung die Verfassung von 1910 und verschaffte sich die Möglichkeit, farbige Wähler aus den allgemeinen Wahllisten zu streichen. Weiters verschärfte sie die Segregation am Wohnort, enteignete Häuser und führte massive Umsiedlungen in farbige „Gegenden“ durch.
Bis in die 40er Jahre war die Rassenpolitik Südafrikas nicht allzu verschieden von der in der restlichen kolonialisierten Welt. Aber in den 50er Jahren, in denen es eine Entkolonialisierung und den globalen Rückschlag gegen den Rassismus gab, geriet das Land bei Fragen über Menschenrechte dramatisch in Gegensatz zur restlichen Welt. Die Architekten der Apartheid, unter denen Dr. Verwoerd hervorstechend war, antworteten mit einer ausgeklügelten Theorie von Multinationalismus.
Ihre Politik, die sie “separate Entwicklung” nannten, spaltete die afrikanische Bevölkerung in künstlich geschaffene ethnische “Nationen”, von denen jede ihr eigenes “homeland” und die Aussicht auf “Unabhängigkeit” erhielt, angeblich um mit den Trends anderswo am Kontinent mitzuhalten.
Diese teile-und-herrsche-Strategie zielte darauf ab, die ‚rassische’ Basis der herrschenden Politik zu verschleiern, indem Rasse durch Sprache oder Ethnie ersetzt wurde. Begleitet wurde das durch eine Menge ethnografischer Arbeit, mit der versucht wurde, tribale Strukturen wiederherzustellen. Mit diesem Prozess gedachte die Regierung eine bedeutende kollaborierende Klasse zu schaffen.
Die Wahrheit war, dass die ländlichen Reservate zu dieser Zeit schwer von Überbevölkerung und Bodenerosion in Mitleidenschaft gezogen waren. Das hinderte vier der „homeland“-Strukturen (Transkei, Bophuthatswana, Venda und Ciskei) nicht daran, sich für „unabhängig“ erklären zu lassen, ein Status, den die große Mehrheit der Südafrikaner, und damit auch die internationale Gemeinschaft sich weigerten anzuerkennen. In jedem Fall beinhaltete dieser Prozess die Unterdrückung der Opposition und die Anmassung der Regierung, Leute in Ämter zu nominieren und damit ‚gewählte’ Versammlungen mit einem Kontingent an kollaborierenden Figuren vollzustopfen.
Gewaltsame Vertreibungen aus “weiß” betrafen an die 3,5 Millionen Menschen, und in den homelands wurden riesige ländliche Slums geschaffen, die als Müllkippen für Schwarze verwendet wurden. Die Passgesetze und die Kontrolle der Importe wurden ausgedehnt und verschärft, und Arbeitsbüros wurden eingesetzt, um die Arbeit dorthin zu lenken, wo sie benötigt wurde. Hunderttausende Menschen wurden aufgrund der Passgesetze jedes Jahr verhaftet oder verurteilt, zwischen Mitte der 60er und Mitte der 70er Jahre erreichte ihre Zahl mehr als eine halbe Million. Industrielle Dezentralisierung an die Wachstumspunkte an den Grenzen zu den (aber nicht innerhalb der) homelands wurde propagiert als ein Mittel, die Schwarzen außerhalb des „weißen“ Südafrika zu halten.
In jeder Sphäre, von Wohnen über Bildung zu Gesundheit, übernahm die Zentralregierung die Kontrolle über das Leben der Schwarzen, sie wies ihnen die Rolle von „zeitweisen Gästen“ zu, im „weißen“ Südafrika nur willkommen, um die Bedürfnisse der Arbeitgeber zu befriedigen. Aber dieselben Programme der Kontrolle wurden zum Fokus des Widerstands. Besonders die Kampagne gegen die Passgesetze schuf einen Eckstein für den Kampf.
Das Ende der Apartheid
Die Einführung der Apartheid geschah zur selben Zeit als der ANC 1949 sein Aktionsprogramm annahm, das die erneuerte Militanz der 40er wiederspiegelte. Das Programm beinhaltete die Ablehnung der weißen Vorherrschaft und den Aufruf zur Aktion in Form von Protesten, Streiks und Demonstrationen. Es folgte ein Jahrzehnt turbulenter Massenaktionen des Widerstands gegen die Einführung immer schlimmerer Formen von Segregation und Unterdrückung.
Die ‚Kampagne der Missachtung’ 1952 brachte die Massenmobilisierung, unter der Fahne des gewaltfreien Widerstands, zu neuen Höhen gegen die Passgesetze. Diese Aktionen waren teilweise beeinflusst von der Philosophie Mahatma Ghandis.
Ein kritischer Schritt beim Auftauchen des Nicht-Rassismus war die Formierung der Kongress-Allianz, darunter der ANC; der Südafrikanische Indische Kongress; der Kongress der Farbigen; eine kleine weiße Kongressorganisation (der Kongress der Demokraten); und der Südafrikanische Kongress der Gewerkschaften. Die Allianz drückte auf formaler Ebene die zunehmende Einheit quer durch Rassen und Klassen aus, die sich in der Kampagne der Missachtung und anderen Massenprotesten manifestierte, darunter auch gegen Bantu-Ausbildung zu dieser Zeit, und auch der Widerstand der Frauen nahm einen organisierteren Charakter an mit der Gründung der Föderation des Südafrikanischen Frauen.
1955 wurde die Freiheitscharta auf dem Kongress der Völker in Soweto verabschiedet. Die Charta drückte die Prinzipien des Kampfes aus und band die Bewegung an eine Kultur der Menschenrechte und des Anti-Rassismus. In den nächsten Jahrzehnten wurde die Freiheitscharta zu einem wichtigen Symbol des Freiheitskampfes. Der Pan-African Congress (PAC), gegründet von Robert Sobukwe und auf einer Philosophie des “Afrikanismus” und Anti-Kommunismus gebaut, scherte 1959 aus der Kongress-Allianz aus.
Die erste Antwort des Staates, so schlimm sie auch war, war noch nicht so drakonisch, wie sie später werden sollte. Der Versuch, über 150 anti-Apartheid-Führer wegen Verrat zu verfolgen, begann 1956 mit einem Strafverfahren, das 1961 mit Freisprüchen endete. Aber zu dieser Zeit war die organisierte Massenopposition bereits verboten. Die Sache spitzte sich im März 1960 in Sharpeville zu, wo 69 DemonstrantInnen gegen die Passgesetze ermordet wurden, als die Polizei in eine Demonstration schoss, zu der der PAC aufgerufen hatte. Der Notstand wurde verhängt und es wurden Gefängnisstrafen ohne Gerichtsverfahren verhängt.
Die schwarzen politischen Organisationen wurden verboten und ihre Führer gingen ins Exil oder wurden verhaftet. In diesem Klima beendeten der ANC und der PAC ihre bereits lange währende Festlegung auf gewaltfreien Widerstand und wandten sich dem bewaffneten Kampf zu, verbunden mit einer Untergrundorganisierung und –mobilisierung, sowie mit der Mobilisierung der internationalen Solidarität. Die obersten Führer, darunter Mitglieder des neu gegründeten militärischen Arms Umkhonto we Sizwe (MK) (Speer der Nation) wurden 1963 verhaftet. Im „Rivonia-Verfahren“ wurden acht ANC-Führer, darunter Nelson Mandela, der Sabotage (anstatt des Verrats, der ursprünglichen Anklage) schuldig befunden und zu lebenslangem Gefängnis verurteilt.
In dieser Periode wurden Führer anderer Organisationen, darunter des PAC und der Bewegung Neue Einheit, ebenfalls zu langjährigen Haftstrafen verurteilt und/oder verbannt. Die 60er Jahre waren ein Jahrzehnt überwältigender Repression und relativer politischer Verwirrung unter den Schwarzen im Land. Der Staat führte bewaffnete Aktionen durch.
Die staatliche Repression spielte eine zentrale Rolle bei der Eindämmung des Widerstands im Land, und die Führung des Kampfes bewegte sich zunehmend hin zu den Missionen im Exil. Gleichzeitig begann die ANC-Führung mit einer Kampagne, um das Land über das damalige Rhodesien zu infiltrieren. Im August 1967 drang eine gemeinsame Streitmacht des MK und der Revolutionären Volksarmee Zimbabwes (Zipra) der Zimbabwe African People’s Union (Zapu) in Zimbabwe ein und griff zwei Monate lang die vereinigten rhodesischen und südafrikanischen Sicherheitskräfte an.
Obwohl es der MP-Zipra-Streitmacht nicht gelang, Südafrika zu erreichen, war das die erste militärische Konfrontation zwischen Militärkräften der ANC-geführten Allianz und weißen Sicherheitskräften. Das Wiederaufleben der Politik des Widerstands von Beginn der 70er Jahre an war dramatisch. Die Black Consciousness-Bewegung, angeführt von Steve Biko (der 1977 in Haft ermordet wurde) weckte den Sinn der Schwarzen für Stolz und Selbstachtung wieder auf. Die Nachrichten über den brutalen Mord an Biko hallten um die gesamte welt und führten zu beispielloser Empörung.
Während die kapitalistische Ökonomie in der Ölkrise 1973 zu stottern begann, lebten schwarze Gewerkschaften auf. Eine Streikwelle zeigte eine neue Militanz. Sie brachte eine bessere Organisierung mit sich, bezog neue Sektoren, vor allem Intellektuelle und die Studentenbewegung, in den Massenkampf ein und löste Debatten über die Prinzipien aus. Demonstrationen an schwarzen Universitäten zur Unterstützung der Frelimo, der Befreiungsbewegung in Mozambique, waren Ausdruck wachsender Militanz. Das Jahr 1976 steht für eine anhaltende Revolte gegen die Apartheid. Im Juni erhoben sich die SchülerInnen in Soweto gegen die Apartheid-Bildung, ihnen folgten Aufstände im ganzen Land. Trotz der schlimmen Repression, die daraufhin einsetzte, fuhren die Studenten mit der Organisierung fort, was zur Gründung von Organisationen für SchülerInnen (Kongress der Südafrikanischen Studenten) und Studenten (Azanian Students Organisation) 1979 führte. In den 80er Jahren begannen die unterschiedlichen Kampfformen – bewaffneter Kampf, Massenmobilisierung und internationale Solidarität – sich zu integrieren und ineinander zu fließen.
Die Vereinigte Demokratische Front und der informelle Schirm, die Demokratische Massenbewegung, traten als legale Vehikel des Befreiungskampfs der demokratischen Kräfte auf. Priester spielten in diesen Bewegungen eine prominente Rolle. Die Einmischung der Arbeiter in den Widerstand eröffnete mit der Gründung des Kongress der Südafrikanischen Gewerkschaften und dem National Council of Trade Unions neue Dimensionen.
Der Volkszorn richtete sich gegen alle, die meinten, zum Erreichen ihrer Ziele mit der Regierung kollaborieren zu müssen, und die schwarzen townships wurden faktisch unregierbar. Von Mitte der 80er Jahre an wurde regional und landesweit der Ausnahmezustand verhängt.
Die Entwicklungen in benachbarten Staaten, in denen der Massenwiderstand gegen die weiße Minderheit und koloniale Herrschaft Mitte der 70er zur portugiesischen Dekolonisierung führte, und die Abdankung des weißen Minderheitsregimes 1980 führten dazu, dass Südafrika als letzte Bastion weißer Vorherrschaft übrig blieb.
Angesichts des wachsenden Drucks und der internationalen Isoliertheit begann die Regierung eine Doppelstrategie: Begrenzte Reformen, gepaart mit verstärkter Repression und der Militarisierung der Gesellschaft, mit dem Ziel, den Druck einzudämmen und ihre eigene Unterstützerbasis auszubauen, während sie den organisierten Widerstand zu zerschlagen gedachte.
Ein frühes Beispiel für Reformen war die Anerkennung der schwarzen Gewerkschaften im Versuch, die Arbeitsbeziehungen zu stabilisieren. 1983 wurde die Verfassung geändert, um farbigen und indischen Minderheiten die begrenzte Teilnahme an separaten und untergeordneten Häusern des Parlaments zu erlauben.
Die große Mehrheit dieser Gruppen demonstrierte ihre Ablehnung des Dreikammernsystems mittels massivem Wahlboykott, aber trotz dieses sichtbaren Mangels an Legitimität wurde es vom Apartheidregime eingesetzt. Versuche zur Legitimierung von Gemeinderäten als Mittel zur Teilnahme an Lokalregierungen von Afrikanern außerhalb der Bantustans erlitten ein ähnliches Schicksal.
Die Militarisierung beinhaltete die zunehmende Bedeutung des State Security Council, das in wichtigen Fragen die Rolle der Exekutive übernahm, und eine Reihe von Notständen als Teil der Einführung einer umfassenden Aufstandsbekämpfungsstrategie, um das zu bekämpfen, was seit Mitte der 80er Jahre ein endemischer aufständischer Geist im Lande war.
Seit Ende der 80er Jahre nahm der Volkswiderstand trotzdem die Fom von Massen-Verweigerungskampagnen an, während Kämpfe um lokale Fragen eine große Anzahl von Gemeinden zu vereinigten Aktionen brachten. Die Unterstützung entlassener politischer Gefangener und des bewaffneten Kampfes wurden offen ausgedrückt.
Angesichts der steigenden Flut an Widerstand verstärkte die internationale Gemeinschaft ihre Unterstützung des Anti-Apartheidkampfes. Sanktionen und Boykotte wurden initiiert, sowohl unilateral durch Länder quer über den Globus, als auch durch die Vereinten Nationen. Diese Sanktionen wurden in einer koordinierten Strategie von der internen und der externen anti-Apartheid-Bewegung in Südafrika gefordert.
F. W. de Klerk, der 1989 P.W. Botha als Staatspräsident ablöste, kündigte bei der Eröffnung des Parlaments im Februar 1990 die Anerkennung der Befreiungsbewegungen und die Entlassung politischer Gefangener, darunter Nelson Mandela, an. Eine Anzahl an Faktoren führten zu diesem Schritt. Die internationalen finanziellen, Handels-, Sport- und kulturellen Sanktionen wirkten.
Aber selbst wenn Südafrika nicht vor dem Kollaps gestanden wäre, weder militärisch noch ökonomisch, so hatten mehrere Jahre von Ausnahmezustand und schlimmster Repression eindeutig weder die Strukturen des organisierten Widerstands zerstört, noch hatten sie dazu beigetragen, das Apartheidregime und seine Kollaborateure zu legitimieren. Stattdessen verstärkte sich der Volkswiderstand, darunter die Massenaktionen und die bewaffneten Aktionen.
Der ANC, der als die führende Befreiungsorganisation Anerkennung und Legitimität im Volk genoss, wurde zunehmend als eine in Warteposition befindliche Regierung betrachtet. Die internationale Unterstützung für die Befreiungsbewegung kam aus verschiedenen Ländern der Welt, vor allem aus ehemals sozialistischen Ländern und aus nördlichen Ländern sowie aus der Bewegung der Blockfreien. Die anderen Befreiungsbewegungen erlagen zunehmend innerem und äußerem Druck und konnten nicht auf die Unterstützung des Volkes zählen.
Für außenstehende Beobachter und für eine wachsende Anzahl von weißen Südafrikanern war das Apartheid-Regime moralisch bankrott, nicht mehr zu verteidigen und nicht reformierbar. Der Zusammenbruch des globalen Kommunismus, der ausverhandelte Rückzug von kubanischen Truppen aus Angola und der Höhepunkt des Befreiungskampfes der Südwestafrikanischen Volksorganisation3mit der ausverhandelten Unabhängigkeit Namibias – früher Südwestafrika, seit 1919 aufgrund eines Mandats des Völkerbunds von Südafrika verwaltet – trug sehr zu einer Änderung der Geisteshaltung der Weißen bei. Sie konnten den ANC und PAC nicht länger als Fronten für den internationalen Kommunismus dämonisieren.
Das weiße Südafrika hatte sich ebenfalls sehr verändert. Der afrikaanische Nationalismus hatte viel von seinem Daseinszweck eingebüßt. Viele Afrikaaner waren urbane Mittelklasse und relativ fortschrittlich. Ein großer Teil der Basis der NP war bereit, eine weiter gefasste nationale Identität zu akzeptieren, sogar über die Schranken der rassistischen Trennlinien hinaus, und suchte nach internationaler Anerkennung. 1982 spalteten sich desillusionierte Hardliner von der NP ab und gründeten die Konservative Partei, wodurch die NP flexibler gegenüber modernisierenden Einflüssen wurde.
Eine Anzahl von Geschäftsleuten, StudentInnen und AkademikerInnen hielt nun offene und private Treffen mit dem ANC im Exil ab. Geheimgespräche zwischen dem inhaftierten Mandela und Ministern über eine neue Machtverteilung in Südafrika fanden statt, wobei die Schwarzen den wichtigeren Teil übernehmen sollten. Massenaktionen wurden im Land alltäglich. Unbedeutendere Apartheid-Gesetze wurden offen herausgefordert – und entfernt. Zusammen mit einer dahindümpelnden Wirtschaft und zunehmendem internationalen Druck machten diese Entwicklungen eine historische Veränderung unausweichlich.
Nach einem langen Verhandlungsprozess, der trotz starker Gewaltausübung durch die extreme Rechte und ihre Stellvertreter durchhielt, wurden im April 1994 die ersten demokratischen Wahlen in Südafrika unter einer neuen Interimsverfassung abgehalten.
Der ANC erhielt bei der Wahl 62% der Stimmen. Die größte Opposition kam von der NP mit 20% der Stimmen landesweit und einer Mehrheit in Westkap. Die Inkatha Freiheitspartei (IFP) erhielt 10%, vor allem in KwaZulu-Natal. Die NP und die IFP waren bis 1996, als sich die NP zurückzog, Teil der Regierung der Nationalen Einheit.
Soweit zur Vorgeschichte. Im weiteren Verlauf dieser Darstellung findet sich jede Menge Lobhudelei gegenüber der ANC-geführten Regierung, kein Wort über den Kurswechsel hin zu einer neoliberalen Politik ab 1998 oder über die Kämpfe der Armen, die das hauptsächliche Thema dieser Darstellung bilden werden. Wir beenden diese Geschichte mit dem Programm des ANC aus dem Jahr 1955:
Die Freiheitscharta des ANC4
Angenommen vom Volkskongress in Kliptown am 26. Juni 1955
Wir, das Volk von Südafrika, erklären, damit unser ganzes Land und die Welt es wissen:
Dass Südafrika allen gehört, die darin leben, schwarz oder weiß, und dass keine Regierung rechtmäßigerweise ihre Autorität behaupten kann, wenn sie nicht auf dem Willen aller Menschen beruht;
Dass unser Volk seines per Geburtsrecht eigenen Landes beraubt wurde, seiner Freiheit und seines Friedens, durch eine Form von Regierung, die auf Ungerechtigkeit und Ungleichheit beruht;
Dass unser Land niemals gedeihend oder frei sein wird, ehe nicht alle Menschen in einer Bruderschaft leben, sich gleicher Rechte und Möglichkeiten erfreuen werden;
Dass nur ein demokratischer Staat, der auf dem Willen des Volkes beruht, allen alle ihre Geburtsrechte sichern kann, ohne Unterscheidung hinsichtlich Farbe, Rasse, Geschlecht oder Glauben;
Und deshalb nehmen wir, das Volk von Südafrika, Schwarze und Weiße gemeinsam, als Gleiche, EinwohnerInnen und Brüder diese Freiheitscharta an;
Und wir geloben uns selbst, dass wir uns gemeinsam anstrengen werden, es weder an Stärke noch Courage fehlen lassen werden, bis die demokratischen Änderungen, die hier ausgeführt werden, gewonnen sein werden.
Die Menschen sollen regieren!
Jeder Mann und jede Frau haben das Recht zu wählen und sich als KandidatInnen aufstellen zu lassen, für alle Körperschaften, die Gesetze erlassen;
Alle Menschen sollen berechtigt sein, an der Verwaltung des Landes teilzunehmen;
Die Rechte der Menschen sollen gleich sein, unabhängig von Rasse, Farbe oder Geschlecht;
Alle Körperschaften von Minderheitenherrschaft, räten und autoritäten sollen durch demokratische Organe der Selbstregierung ersetzt werden.
Alle nationalen Gruppen haben gleiche Rechte!
Es soll den gleichen Status in den staatlichen Institutionen, in den Gerichten und in den Schulen geben, für alle nationalen Gruppen und Rassen;
Alle Menschen sollen das gleiche Recht haben, ihre eigene Sprache zu verwenden und ihre eigene Kultur und Gebräuche auszuüben;
Alle nationalen Gruppen sollen gesetzlich gegen Verunglimpfungen ihrer Rasse und ihres nationalen Stolzes geschützt werden;
Das Predigen und die Praxis nationaler, rassischer oder farbiger Diskriminierung und Missachtung soll ein strafbares Verbrechen sein;
Alle Apartheidgesetze und praktiken sollen beendet werden.
Die Menschen sollen sich den Reichtum des Landes teilen!
Der nationale Reichtum unseres Landes, das kulturelle Erbe Südafrikas soll allen Menschen zugänglich sein;
Die Mineralschätze unter der Erde, die Banken und die Monopolindustrie sollen in das Eigentum des gesamten Volkes übergeführt werden;
Die gesamte weitere Industrie und der Handel sollen kontrolliert werden, um dem Wohlbefinden des Volkes zu dienen;
Alle Menschen haben gleiche Rechte zu handeln, wo sie wollen, zu produzieren und in jedes Geschäft, Handwerk und Profession einzusteigen.
Das Land soll unter denen aufgeteilt werden, die es bearbeiten!
Beschränkungen von Landeigentum auf rassischer Basis sollen beendet werden, und das gesamte Land unter denen, die es bearbeiten, um Hunger und Landhunger zu beenden, neuverteilt werden;
Der Staat soll den BäuerInnen mit Arbeitsgeräten, Saatgut, Traktoren und Dämmen helfen, um die Erde zu schützen und den Schösslingen zu helfen;
Die Bewegungsfreiheit soll allen garantiert werden, die am Land arbeiten;
Alle sollen das Recht haben, Land zu besetzen, wo immer sie möchten;
Die Menschen sollen nicht ihres Viehs bestohlen werden, und Zwangsarbeit und Farmgefängnis sollen abgeschafft werden.
Alle sollen vor dem Recht gleich sein!
Niemand soll ohne faire Verhandlung verhaftet, deportiert oder Restriktionen unterworfen werden; niemand soll auf Befehl irgendeines Regierungsbeamten hinauf verurteilt werden;
Die Gerichte sollen Vertretungen des gesamten Volkes sein;
Verhaftungen sollen nur bei ernsthaften Verbrechen gegen das Volk verhängt werden, und sie sollen auf Umerziehung, nicht auf Rache abzielen;
Die Polizeikräfte und die Armee sollen allen auf gleicher Basis offen stehen und sollen die Helfer und Beschützer des Volkes sein;
Alle Gesetze, die aufgrund von Rasse, Farbei oder Glauben diskriminieren, sollen ersetzt werden.
Alle sollen sich gleicher Menschenrechte erfreuen!
Das Gesetz soll allen das Recht garantieren zu sprechen, sich zu organisieren, einander zu treffen, zu veröffentlichen, zu predigen, zu beten und ihre Kinder zu erziehen;
Die Privatheit der Wohnung vor Polizeirazzien soll gesetzlich gewährleistet sein;
Alle sollen frei sein, ohne Restriktionen vom Land in die Stadt zu reisen, von Provinz zu Provinz, und von Südafrika ins Ausland;
Passgesetze, Passierscheine und andere Gesetze, die diese Freiheiten einschränken, sollen abgeschafft werden.
Es soll Arbeit und Sicherheit geben!
Alle, die arbeiten, sollen frei sein, Gewerkschaften zu gründen, ihre Leiter zu wählen und Lohnabkommen mit ihren Arbeitgebern abzuschließen;
Der Staat soll das Recht und die Pflicht aller zu arbeiten anerkennen, und soll volle Arbeitslosenunterstützung gewähren;
Männer und Frauen aller Rassen sollen für gleiche Arbeit den gleichen Lohn erhalten;
Es soll für alle ArbeiterInnen eine 40-Stunden-Arbeitswoche geben, einen nationalen Mindestlohn, bezahlten jährlichen Urlaub sowie Krankenstand, und einen Mutterschaftsurlaub mit voller Lohnfortzahlung für alle arbeitenden Mütter;
Minenarbeiter, HausarbeiterInnen, FarmarbeiterInnen und Staatsbedienstete sollen die gleichen Rechte haben wie alle anderen, die arbeiten;
Kinderarbeit, ‘compound’-Arbeit, das Tot-System und Kontraktarbeit sollen verboten werden.
Die Tore zu Bildung und Kultur sollen geöffnet werden!
Die Regierung soll die nationale Begabung für die Bereicherung unseres kulturellen Lebens entecken, entwickeln und ermutigen;
Alle Kulturschätze der Menschheit sollen allen offenstehen, durch freien Austausch von Büchern, Ideen und Kontakten mit anderen Ländern;
Das Ziel der Bildung soll es sein, die Jugend zu lehren, ihr Volk und seine Kultur zu lieben, die menschliche Gemeinschaft, Freiheit und den Frieden hoch zu halten;
Bildung soll für alle Kinder gratis, verpflichtend und gleich sein; höhere Ausbildung und technisches Training sollen allen offenstehen, der Staat soll sie fördern und auf Basis der Verdienste sollen Stipendien vergeben werden;
Analphabentum der Erwachsenen soll durch einen staatlichen Massenbildungsplan beendet werden;
LehrerInnen sollen alle Rechte der anderen BürgerInnen haben;
Die Schranken der Farbe im kulturellen Leben, beim Sport und in der Bildung sollen abgeschafft werden.
Es soll Häuser, Sicherheit und Annehmlichkeit geben!
Alle Menschen sollen das Recht haben, dort zu leben, wo sie wollen, in anständigen Wohnungen, und ihre Familien annehmlich und sicher unterzubringen;
Nicht benutzter Wohnraum soll dem Volk zugänglich gemacht werden;
Die Mieten sollen gesenkt werden, genug Essen soll vorhanden sein und niemand soll hungern;
Vom Staat soll ein präventives Gesundheitsprogramm durchgeführt werden;
Freie medizinische Betreuung und Unterbringung in Spitälern soll allen zur Verfügung stehen, mit besonderer Berücksichtigung der Mütter und Kleinkinder;
Slums sollen abgerissen werden, und neue Vorstädte errichtet, in denen alle Zugang zu Transportmitteln, Straßen, Beleuchtung, Spielplätzen, Kinderkrippen und sozialen Zentren haben;
Für die Alten, die Waisen, die Behinderten und die Kranken soll der Staat sorgen;
Ruhe, Freizeit und Erholung sollen das Recht aller sein;
Eingezäunte Orte und Ghettos sollen abgeschafft werden, und Gesetze, die Familien auseinanderreissen, sollen aufgehoben werden.
Es soll Frieden und Freundschaft geben!
Südafrika soll ein voll unabhängiger Staat sein, der die Rechte und die Souveränität aller Nationen respektiert;
Südafrike soll sich bemühen, den Weltfrieden aufrecht zu erhalten und die Schlichtung aller internationalen Konflikte durch Verhandlungen – nicht durch Krieg;
Frieden und Freundschaft unter all unseren Menschen sollen sichergestellt werden durch das Hochhalten gleicher Rechte, Möglichkeiten und Stellung aller;
Die Menschen der Protektorate Basutoland, Bechuanaland und Swaziland sollen frei sein, selbst über ihre eigene Zukunft zu entscheiden;
Das Recht aller Völker Afrikas auf Unabhängigkeit und Selbstregierung soll anerkannt werden, und soll die Basis enger Zusammenarbeit sein;
Lasst nun alle Menschen, die ihr Volk und ihr Land so wie wir lieben, sagen:
Für diese Freiheiten werden wir kämpfen, Seite an Seite, unser ganzes Leben lang, bis wir unsere Freiheit errungen haben
Anmerkungen
1 http://www.info.gov.za/aboutsa/history.htm
2 Segregation bedeutet „den Vorgang der Entmischung von unterschiedlichen Elementen in einem Beobachtungsgebiet“ (wikipedia.org), gesellschaftlich die Trennung von Menschen „unterschiedlicher Rassen“ wie in den Südstaaten der USA oder eben in Südafrika.
3 South-West African People’s Organisation
4 http://maravi.blogspot.com/2009/03/anc-freedom-charter.html
Geschichte
Diese Geschichte folgt der derzeit offiziellen südafrikanischen Geschichtsschreibung.Sie scheint uns etwas zu einseitig auf ‚Rassenwidersprüche’ angelegt, wir haben aber bisher keine bessere Zusammenfassung der Geschichte Südafrikas gefunden. Je näher wir in dieser Darstellung zur Gegenwart kommen, desto offensichtlicher wird, dass es sich um eine Geschichtsschreibung des ANC (oder zumindest ANC-naher Kreise) handelt. So werden die Fraktionskämpfe im Exil ebenso ausgeklammert wie die zunehmende Korruption, seit der ANC an der Macht ist. Die folgenden Beiträge werden diese Darstellung zum Teil stark konterkarieren und so wieder ein Stück weit zurechtrücken.
UreinwohnerInnen und vorkoloniale Geschichte
Seit über 100.000 Jahren leben ‚moderne Menschen’ in der Region des heutigen Südafrika. Vorfahren der Khoikhoi und San (in der früheren europäischen Geschichtsschreibung ‚Hottentotten’ und ‚Buschmänner’) waren kleine, mobile Gruppen von SteinzeitjägerInnen und sammlerInnen. Bekannt sind sie unter dem gemeinsamen Namen Khoisan. Vor ca. 2.000 Jahren entwickelten sie sich zum Teil zu ViehhalterInnen mit Schaf- und später auch Rinderherden, die sich in den Grasländern zwischen dem heutigen Namibia und dem Ostkap aufhielten. Ungefähr zur gleichen Zeit begannen bantusprachige LandwirtInnen und ViehzüchterInnen Südafrika zu besiedeln, sie brachten die Eisenkultur und domestizierte Pflanzen mit und etablierten sich in der wasserreichen Region am Ostkap. Mit der Zeit dehnten sie ihr Siedlungsgebiet über das innere Plateau (‚highveld’) aus.
Es entwickelten sich Stammesfürstentümer, die auf der Kontrolle über Vieh basierten und hierarchische Autoritäten innerhalb der Gemeinschaften schufen. Metallurgische Fähigkeiten (Gewinnung und Verarbeitung von Eisen, Kupfer, Zinn und Gold) förderten die Spezialisierung und schufen die Voraussetzungen für regionales Handwerk und Handel. Offenbar gab es bereits mehrere Jahrhunderte vor dem Vordringen der Europäer Handelsbeziehungen mit Ostafrika. Während in den fruchtbaren Küstenregionen verstreute Bauernhöfe das bevorzugte Siedlungsmodell darstellten, entstanden an den Rändern der Wüsten im Westen bereits Städte. Bis zur Ankunft der Europäer blieben die westliche Wüste und die südwestlichen Regionen mit ihrem Winterregen den Khoisan vorbehalten.
Kolonialisierung
Im späten 15. Jahrhundert erkundeten portugiesische Seefahrer die Seeroute nach Indien, sie waren die ersten Europäer an der südafrikanischen Küste. Andere folgten. 1652 errichtete die holländische Ostindische Gesellschaft (VOC) eine Station an der Tafelbucht (Bucht unter dem Tafelberg, heute Kapstadt) zur Versorgung vorbeifahrender Schiffe. Fünf Jahre später begann die begrenzte Vergabe von Farmland in der Region Ostkap durch die Kolonialbehörden. Wein und Weizen wurden zu den Hauptprodukten, und bald wurden Forderungen der Siedler nach mehr Arbeitskräften erhoben. Diesen kam die VOC durch die Einfuhr von Sklaven aus Ostafrika, Madagaskar und Ostindien nach.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts begannen die Kolonialisten, sich in das Hinterland auszubreiten, die mobilen FarmerInnen (trekboers) lebten als Viehzüchter und Jäger und entzogen sich weitgehend der Kontrolle durch die holländischen Behörden. Je weiter sie in das Landesinnere vordrangen, desto mehr indigene EinwohnerInnen wurden enteignet und als DienerInnen in die Kolonialökonomie gepresst. Krankheiten wie die Pocken, die 1713 von den Europäern eingeschleppt wurden, dezimierten die Khoisan und führten zum Verfall ihrer Kulturen.
Mitte des 18. Jahrhunderts gab es am Kap mehr SklavInnen als ‚freie BürgerInnen’ (europäische KolonistInnen). Die asiatischen SklavInnen wurden in den Städten konzentriert, während afrikanische zum größeren Teil auf den Farmen in den entlegenen Bezirken zu finden waren. Im späten 18. Jahrhundert setzten die Khoisan dem Vordringen der Kolonialisten entschlossenen Widerstand entgegen. Ab den 70er Jahren kamen die SiedlerInnen in Kontakt und Konflikt mit bantusprachigen Fürstentümern. Es folgte ein Jahrhundert sporadischer Kriege, in denen die Kolonialisten die Übermacht erst über die Khoisan und danach über die xhosasprachigen Fürstentümer des Ostens errangen. Doch erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Unterwerfung dieser afrikanischen Gesellschaften realisiert.
In den 20er Jahren des 19. Jarhhunderts entwickelte sich das Zulu-Königreich als ein stark zentralisierter Staat und dehnte unter seinem Führer Shaka seinen Einfluss auf ein großes Gebiet des Südostens von Südafrika aus. Danach zerfiel die bisherige Ordnung in Zentral- bis Südafrika, Splittergruppen eroberten auf ihren Zügen Gemeinschaften und bedeutende Staaten wie Lesotho und andere Fürstentümer in Sotho-Tswana entstanden. Diese Periode der Zerrüttung und Staatengründung wird Mfecane genannt.
Die britische Kolonialära
1795 besetzten die Briten das Kap als strategische Basis gegen die Franzosen, und kontrollierten so die Seeroute nach dem Osten. Nach einer kurzen Rückkehr der Holländer im Zuge der Napoleonischen Kriege wurde das Kap 1806 von den Briten während der dem Krieg folgenden territorialen Ansprüche wiedererobert. Das enge und regulierte ökonomische System der holländischen Periode wurde weggeschwemmt, als die Kap-Kolonie in das dynamische Handelsimperium des sich industrialisierenden Britannien integriert wurde.
Protestantische Missionare predigten die Integration der indigenen Menschen in die europäisch-christliche Kultur und 1828 wurden den ‚farbigen Menschen’ gleiche Bürgerrechte innerhalb der Kolonie zugesichert. 1834 wurde die Emanzipation, die Abschaffung der Sklaverei, mit einer vierjährigen Übergangsphase verkündet. Dagegen kämpften die Sklavenhalter an, sie erhielten vom britischen Schatzamt Entschädigungszahlungen, die die Konjunktur ankurbelten und zur massenhaften Gründung von Banken, Versicherungen sowie Investitionen in Land und Wollschafe führten. Wolle wurde zum Exportschlager, von dem die weitere Entwicklung der Kapkolonie Mitte des 19. Jahrhunderts abhing.
Die besitzlosen ehemaligen Sklaven mussten feststellen, dass sie von der Sklaverei in die Lohnsklaverei transferiert worden waren. Sie formten die ‚Farbigen’, die die gemeinsamen Nachkommen von indigenen und europäischen Menschen sowie eine bedeutende moslemische Minderheit umfasste, die vom indonesischen Archipel stammte. Diese ‚Farbigen’ wurden sowohl wegen ihrer ‚rassischen’ Identität als auch als Angehörige der ArbeiterInnenklasse diskriminiert.
Als Puffer gegen die Xhosa-Fürstentümer wurden 1820 mehrere tausend britische SiedlerInnen an der Grenze des Ostkap angesiedelt, doch viele von ihnen zogen es vor, Handwerker und Händler zu werden. Einige stiegen zur Klasse der Großhändler, Großfarmer und Spekulanten auf. Ihre Gier nach Land wurde unersättlich. Sie schielten auf das Land der Xhosa und förderten mit allen Mitteln den Krieg gegen die Fürstentümer. Die Xhosa griffen zu Überfällen, um ihre Ansprüche auf das Land zu unterstreichen. Der Grenzkrieg wurde das gesamte 19. Jahrhundert hindurch endemisch. Auch in Natal wurden Mitte des 19. Jahrhunderts Forderungen der Siedler nach mehr Land laut.
In der Zwischenzeit erweiterte eine große Anzahl an früheren Kolonialisten, die Buren, die weiße Besetzung der Kap-Grenzen im Norden, eine Bewegung, die als der Große Treck Mitte der 30er Jahre bekannt wurde. Dem britischen Imperialismus entfremdet und ökonomisch von den britischen Siedlern enteignet, begannen mehrere tausend BurInnen aus den inneren Bezirken, begleitet von einer Anzahl von Khoisan-Dienern, eine Serie von Migrationsbewegungen in den Norden. Sie bewegten sich nach Highveld und Natal, und umgingen auf ihrem Weg die großen Konzentrationen an schwarzen Farmern, indem sie Gegenden bevorzugten, die während der Mfecane zerrüttet worden waren.
Als die Briten, die um die Kontrolle des Verkehrs durch Port Natal (Durban) Sorgen hatten, das Territorium von Natal 1843 besetzten, wandten sich diese burischen Migranten, die gehofft hatten, sich dort niederzulassen, Richtung Landesinneres. Diese Voortrekkers (wie sie später genannt wurden) vereinigten sich in zwei Binnenrepubliken, der Südafrikanischen Republik (Transvaal) und dem Oranje-Freistaat. Hier blieben die Prinzipien exklusiver rassischer Bürgerschaft absolut, trotz der Abhängigkeit der Trekker von schwarzer Arbeitskraft. Nach außen nahmen die Burenrepubliken Beziehungen zu einigen schwarzen Fürstentümern auf, um ihre Stellung zu behaupten.
In der Kolonie Natal ließ sich die Rassenherrschaft per Assimilation aufgrund der Größe der schwarzen Bevölkerung nicht verwirklichen, deshalb wurden die Fürstentümer überredet, sich kolonialem Schutz zu unterwerfen, sie bildeten Enklaven im Herzen des Kolonialterritoriums. Außerhalb dieser Fürstentümer waren schwarze Menschen nahezu rechtlos. Dieses System wird allgemein als Modell für die Segregation2, die sich im 20. Jahrhundert durchsetzte, betrachtet.
Die Wirtschaft von Natal erhielt einen Schub mit der Entwicklung von Zuckerplantagen in den subtropischen Niederungen an der Küste. Seit 1860 wurden indische Kontraktarbeiter auf die Plantagen geholt, und viele indische Händler und Gemüseanbauer folgten ihnen. Diese Inder, die von Anfang an segregiert und diskriminiert waren, wurden ein weiteres wichtiges Element der südafrikanischen Bevölkerung. In Südafrika entwickelte der indische Aktivist und Führer Mahatma Ghandi seit Mitte der 90er Jahre die Techniken des passiven Widerstands, die er später erfolgreich in Indien anwandte. Obwohl Inder teilweise nach Transvaal und anderso gingen, blieb der größte Teil von ihnen in Natal.
1853 erhielt die Kap-Kolonie eine mit der britischen Politik verbundene gesetzgebende Gewalt, der 1872 die Selbstverwaltung folgte. Das Wahlrecht war formal nicht-rassistisch, es basierte aber auf Einkommen und Bildung. Deshalb waren die Afrikaner und die Farbigen eine Minderheit unter den Wahlberechtigten – obwohl an bestimmten Orten eine bedeutende.
Eine Anzahl von Afrikanern innerhalb der Kap-Kolonie war gebildet genug oder hatte genug Eigentum, um sich für das Wahlrecht zu qualifizieren. In den Wahlkreisen des östlichen Kap waren politische Allianzen quer durch die Rassen üblich. Deshalb überrascht es nicht, dass das Ostkap ein Saatbeet des afrikanischen Nationalismus wurde, sobald die Ideen und Versprechungen der Aufnahme in die Gesellschaft von den später rassistischen Parteien verletzt wurden.
Die mineralische Revolution
In den späten 60er Jahren wurden erst angeschwemmte Diamanten im Vaal-Fluss und danach trockene Ablagerungen von Diamanten in Kimberley entdeckt. Sie zogen zehntausende Menschen, schwarze und weiße, zum ersten industriellen Zentrum in Afrika, zur größten Diamantenablagerung der Welt. 1871 annektierten die Briten die Diamantenfelder. 1888 wurde das Diamantenmonopol De Beers unter Kontrolle von Cecil Rhodes gegründet, der von 1890 bis 1896 Premierminister der Kap-Kolonie wurde und danach das heutige Zambia und Simbabwe eroberte.
Die mineralischen Entdeckungen veränderten den gesamten Subkontinent. Ein Netz von Eisenbahnen entstand, das das Landesinnere mit den Küstenstädten verband. Es befeuerte die Landwirtschaft und die Küstenstädte. Nun wurden unabhängige afrikanische Fürstentümer systematisch unterjocht, 1897 wurde Zululand in Natal eingegliedert. Sotho und Swazi wurden ebenfalls unter britische Herrschaft gebracht, behielten aber ihren Status als (vom Imperialismus abhängige) Fürstentümer.
Die Entdeckung der Goldfelder von Witwatersrand bedeutete einen Wendepunkt in der Geschichte Südafrikas, sie waren der Grund für den Krieg der Briten gegen die Burenrepubliken. Den Vorwand lieferte die Forderung nach Wahlrecht für englischsprachige Migranten auf den Goldfeldern (bekannt als uitlander). Angestachelt von den Magnaten des Tiefen-Bergbaus, denen die burische Regierung hinderlich und ineffizient schien, und von der Erwartung eines Aufstands der uitlander, führte Rhodes Ende Dezember 1895 einen Feldzug nach Transvaal durch. Der Fehlschlag dieses Feldzugs bedeutete das Ende von Rhodes’ politischer Karriere, aber Sir Alfred Milner, der britische Hochkommissar in Südafrika seit 1897, war entschlossen, die Regierung Kruger zu stürzen und die britische Herrschaft auf den gesamten Subkontinent auszudehnen. Die Burenregierung wurde schließlich im Oktober 1899 zur Kriegserklärung gezwungen.
Die Mineralfunde hatten einen enormen Bedarf an Arbeitskräften geweckt. Viele Afrikaner gingen in die Minen, andere setzten auf Landwirtschaft, um die für die neuen Märkte zu produzieren. Für die weißen Behörden war die Haupterwägung die Sicherung von verfügbarer Arbeit und die Unterminierung der schwarzen Konkurrenz am Land. Eroberungen, Enteignung von Land, Besteuerung und Passgesetze zielten darauf ab, schwarze Menschen vom Land in die Arbeitsmärkte zu zwingen, vor allem um die Bedürfnisse der Minen(besitzer) zu befriedigen.
Langsam wurden die verfügbaren Alternativen für Afrikaner verschlossen, und der Verfall der heimischen Ökonomie machte die Lohnarbeit immer wichtiger für das Überleben. Die Integration der Afrikaner in die aufstrebende städtische und industrielle Gesellschaft Südafrikas hätte diesen Entwicklungen folgen müssen, aber kurzfristige, periodische Arbeitsmigration passte den Arbeitgebern und den Behörden besser in den Kram, sie sollte das System verfestigen.
Die geschlossenen Gelände, die auf den Diamantenfeldern als Mittel zur Kontrolle migrantischer Arbeit erprobt worden waren, wurden in den Goldminen wiederholt. Der Erhalt kommunaler Areale, aus denen Migranten rausgeworfen werden konnten, führte zu Lohnsenkungen, indem den Afrikanern die Rechte innerhalb der städtischen Gebiete vorenthalten und ihre Familienangehörigen auf Subsistenzfeldern in den Reservaten gehalten wurden.
Burenkrieg (Oktober 1899 – Mai 1902)
Nachdem die Burenrepubliken rasch von den Briten erobert worden waren, folgte an lang andauernder Guerillakrieg. Kleine, mobile Gruppen von Buren weigerten sich, den Sieg der imperialistischen Truppen anzuerkennen, indem sie Eisenbahnverbindungen und Nachschublinien unterbrachen. Ihre Kommandos drangen tief in das Kolonialterritorium ein, und riefen überall, wohin sie kamen, Aufstände hervor. Die Briten waren im Nachteil, weil sie mit dem Terrain nicht vertraut waren und ihnen die Buren als Reiter und Scharfschützen überlegen waren. Die Briten antworteten mit einer Politik der verbrannten Erde, plünderten und brannten Farmen nieder und errichteten Konzentrationslager für NichtkämpferInnen, in denen an die 26.000 burische Frauen und Kinder an Krankheiten starben. Die Einkerkerung von schwarzen (und farbigen) Menschen im Gefolge des Kriegs in rassisch getrennte Lager wurde in den konventionellen Aufzählungen weggelassen und erst kürzlich zur Kenntnis genommen. Auch sie litten an entsetzlichen Bedingungen und rund 14.000 (vielleicht aber viel mehr) sind schätzungsweise ums Leben gekommen.
Der Krieg lehrte auch viele Afrikaner, dass die Kräfte der Enteignung zurückgedrängt werden konnten, wenn die Umstände dafür reif waren. Er gab schwarzen Gemeinden die Möglichkeit, kolonisiertes Land wieder in Besitz zu nehmen, was es ihnen ermöglichte, nach dem Krieg die Lohnarbeit zu verweigern. Viele Afrikaner unterstützten die Briten im Glauben, dass Britannien gegenüber Schwarzen der Ausweitung von Bürger- und politischen Rechten verpflichtet war. Und so waren sie unzufrieden, als im Vertrag der ‚Vereeniging’, der den Krieg beendete, die Briten übereinkamen, den Punkt der Rechte für Afrikaner von zukünftigen, selbstregierenden (weißen) Behörden klären zu lassen. Insgesamt bedeutete der anglo-burisch/südafrikanische Krieg eine radikalisierende Erfahrung für Afrikaner.
Die britische Wiederaufbauregierung schuf eine weiße Herrschaft, indem sie die früheren Burenrepubliken (nunmehr beide britische Kolonien) mit Natal und dem Kap vereinigte.
Vorrangig war die Wiedererrichtung weißer Kontrolle über das Land und das Zurückdrängen der Afrikaner in die Lohnarbeit. Das System der Arbeitsanwerbung wurde weiterentwickelt, sowohl intern als auch extern. mit den portugiesischen Behörden in Mozambique wurden Anwerbungsabkommen geschlossen, und von dort kamen viele Arbeitskräfte in die Minen.
Die Auswirkung des anglo-burisch/südafrikanischen Krieges als wichtiger Einfluss auf die Entwicklung der nationalistischen afrikanischen Politik wurde in den Folgejahren offensichtlich.
Die burischen Führer – allen voran Louis Botha, Jan Smuts und J.B.M. Hertzog – spielten im nächsten halben Jahrhundert eine hervorragende Rolle in der Politik des Landes. Nachdem anfängliche Pläne der Anglisierung der geschlagenen Afrikaaner als nicht durchführbar befunden wurden, versuchten die Briten, die Afrikaaner als Kollaborateure zur Sicherung der imperialistischen politischen und ökonomischen Interessen zu gewinnen.
Segregation
Die Regierungspolitik in der Union von Südafrika entwickelte sich nicht isoliert, sondern vor dem Hintergrund schwarzer politischer Initiativen. Die Segregation und Apartheid waren teilweise eine weiße Antwort auf die zunehmende Teilnahme der Afrikaner am ökonomischen Leben des Landes und der Geltendmachung ihrer politischen Rechte. Trotz der Anstrengungen der Regierung, den Traditionalismus zu stützen und sie zu retribalisieren, wurden die Schwarzen mehr und mehr in die städtische und industrielle Gesellschaft des Südafrika des 20. Jahrhunderts integriert, als anderswo am Kontinent. Eine ausgebildete Elite von Priestern, Lehrern, Geschäftsleuten, Journalisten und Professionisten wuchs zu einer großen Kraft in der schwarzen Politik heran. Christliche Missionen und ihre angeschlossenen Bildungseinrichtungen übten einen starken Einfluss auf das afrikanische politische Leben aus, und separatistische Kirchen wurden frühe Vehikel für afrikanische politische Ansprüche. Die Erfahrungen von Auslandsstudien, und vor allem das Zusammenkommen mit Schwarzen, die anderswo in Afrika, den USA und der Karibik um ihre Rechte kämpften, spielten eine große Rolle. Eine lebhafte schwarze Presse entstand, in ihren Anfangsjahren verbunden mit Pionieren wie J.T. Jabavu, Pixley Seme, Dr. Abdullah Adurahman, Sol Plaatje und John Dube, und diente der schwarzen lesenden Öffentlichkeit.
Gleichzeitig bedeuteten kommunale afrikanische Kämpfe um den Zugang zu Land in den ländlichen Gebieten eine starke Herausforderung für den weißen Staat. Traditionelle Autoritäten führten oft Volkskämpfe gegen eine aufdringliche und manipulative Politik an. Regierungsversuche zur Kontrolle und Einbeziehung der Häuptlinge scheiterten oft. Um die Jahrhundertwende begannen erste Schritte zur Formierung einer nationalen politischen Organisation der Farbigen erste Erfolge zu zeitigen, mit der Formierung der African Political Organisation 1902 von Dr. Abdurahman vor allem in der Kapprovinz.
1912 wurde der African National Congress (ANC) gegründet, er wurde zur wichtigsten schwarzen Organisation, die die traditionellen Autoritäten und die gebildete afrikanische Elite zu einer gemeinsam Sache zusammenbrachte.
Die Militanz der Arbeiter stieg im Sog des 1. Weltkriegs an und dauerte die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts hindurch an. Sie beinhaltete Streiks und eine anti-Pass-Kampagne, der von Frauen, vor allem im Freistaat, Schwungkraft verliehen wurde und die den Passgesetzen Widerstand entgegensetzte. Die Industrial and Commercial Workers’ Union unter Führung von Clements Kadalie war (trotz ihres Namens) die erste populistische, landesweite Organisation, die Schwarze in ländlichen Gebieten ebenso vertrat wie in städtischen. Aber sie war nur von kurzer Dauer.
1921 wurde die Kommunistische Partei gegründet, und seither ist sie eine Kraft sowohl für Nicht-Rassismus als auch als Arbeiterorganisation, und sie hielt sich viel länger. In anderen Bereichen der schwarzen Bevölkerung brachte die Jahrhundertwende ebenfalls eine erstarkende Opposition. Ghandis Führung bei Protesten gegen diskriminierende Gesetze förderte die Schaffung von provinzweiten indischen Kongressen, darunter den 1894 von Ghandi gegründeten Natal Indian Congress.
Die Prinzipien segregationalistischen Denkens wurden 1905 in einem Bericht der South African Native Affairs Commission festgelegt und angesichts dieses ökonomischen, sozialen und politischen Drucks weiter entwickelt. In Übereinstimmung mit seinen Empfehlungen schuf die erste Unionsregierung 1913 den grundlegenden Land Act. Dieses Gesetz definierte die Überbleibsel des Landbesitzes der Afrikaner nach der Besetzung und erklärte jeden Landkauf und jede Pacht (von Afrikanern) außerhalb dieser Reservate für illegal.
Die Reservate (“homelands”, wie sie später genannt wurden) umfassten vielleicht 13% der Landfläche Südafrikas. Der administrative und gesetzgebende Dualismus verstärkten die Teilung zwischen weißen Bürgern und schwarzen Nicht-Bürgern, eine Rechtssprechung, die vom Generalgouverneur personifiziert wurde, der als „oberster Chef“ über die afrikanische Mehrheit des Landes eingesetzt wurde, um diese mittels administrativer Gebote und Dekrete zu regieren.
Die Regierung regulierte weiters die farbigen Arbeitsschranken, indem sie Facharbeit den Weißen vorbehielt und afrikanischen Arbeitern das Organisierungsrecht absprach. Die Gesetzgebung, die im Natives Act 1923 (für städtische Gebiete) festgelegt war, schrieb die städtische Segregation fest und kontrollierte die afrikanische Mobilität mittels Passgesetzen. Die Passgesetze dienten dazu, Afrikaner zur Arbeit zu zwingen und sie unter Bedingungen und auf Lohnniveaus zu halten, die den weißen Arbeitgebern passten, sowie um ihnen jegliche Verhandlungsmacht zu nehmen. So und mit anderen Mitteln wurden die Fundamente der Apartheid gelegt, durch die folgenden Regierungen, die den Kompromiss vertraten, der von der National Convention 1908 – 1909 festgehämmert worden war, um die Vereinigung von englisch- und afrikaanssprachigen Weißen umzusetzen. Aber trotzdem blieben die Spaltungen innerhalb der weißen community signifikant. 1914 erfolgte die Gründung der National Party (NP) als Abspaltung von der herrschenden Südafrikanischen Partei.
Bald zeigten sich Ergebnisse. 1920 streikten an die 71.000 schwarze Minenarbeiter aus Protest gegen die steigenden Lebenshaltungskosten, aber der Streik wurde schnell niedergeschlagen, indem die Anlagen, in denen die migrantischen Arbeiter lebten, isoliert wurden. Eine andere Bedrohung für die Regierung kam von den weißen Arbeitern. Migrantische weiße Arbeiter mit Erfahrung in den Minen im Ausland machten einen großen Teil der Facharbeiter in den Minen aus. Als die Mineneigentümer versuchten, die Kosten zu senken, indem sie schwarze Arbeitskraft bei Semifacharbeiterjobs einsetzten, wurden die weißen Arbeiter zusehends militant. Diese Spannungen kulminierten 1922 in einer blutigen und dramatischen Rebellion in den Goldfeldern, die die Smuts-Regierung mit militärischen Kräfte niederschlug. 1924 verdrängte eine Koalitionsregierung unter Hertzog, die afrikaanische Nationalisten und Vertreter der migrantischen Arbeiter einschloss, die Smuts-Regierung.
1934 fusionierten die wichtigsten weißen Parteien, um die lokalen Auswirkungen der weltweiten Depression zu bekämpfen. Es folgte eine neue afrikaanisch-nationalistische Abspaltung unter Dr. D.F. Malan. 1936 wurde die weiße Vorherrschaft von der United Party durch die Entfernung der Afrikaner aus der Kapprovinz und ihre Entfernung aus den Wählerlisten weiter abgesichert. Inzwischen wurde die Abspaltung Malans von der NP vergrößert durch ein afrikaanisches Revival, das von dem geheimen, männlichen Afrikaner Broederbond und anderen kulturellen Organisationen während des Jahres der Gedenkfeiern an die Voortrekker (1938) angeführt wurde, sowie durch Anti-Kriegs-Gefühle 1939.
Apartheid
Nach dem 2. Weltkrieg gewann die NP 1948 mit ihrer Ideologie von Apartheid, die einen noch schlimmeren und autoritäreren Zugang hatte als die segregationistische Politik vergangener Regierungen, die allgemeinen Wahlen. Und zwar vor dem Hintergrund eines Revivals von Massenmilitanz während der 40er Jahre, nach einer Periode relativer Ruhe in den 30ern, als schwarze Gruppen versuchten, untereinander Einheit herzustellen.
Die Veränderung wurde 1943durch die Gründung der ANC-Jugendliga markiert, die Figuren wie Anton Lembede, AP Mda, Nelson Mandela, Oliver Tambo und Walter Sisulu förderte, die den Kampf für Jahrzehnte inspirieren sollten. In den 40ern brachten BesetzerInnen-Bewegungen in städtischen Randbezirken die Massenpolitik zurück in die städtischen Zentren. Der Streik der Minenarbeiter 1946 war ein Wendepunkt in der Politik der Massenmobilisierung.
Wie bereits im 1. Weltkrieg schürten auch die Erfahrung des 2. Weltkriegs und die Schwierigkeiten der Nachkriegsökonomie die Unzufriedenheit. Für die Unterstützer der NP lag deren vorrangige Anziehungskraft in ihrer Bestimmung, die weiße Vorherrschaft angesichts des Erstarkens der Massenmilitanz der sich erhebenden armen Afrikaner aufrecht zu erhalten, die Vormachtstellung der englischsprachigen Weißen im öffentlichen Leben herauszufordern und die verbliebenen imperialistischen Bindungen zu kappen.
Der Staat wurde zu einer Maschine der Patronage für afrikaanische Beschäftigung. Die Afrikaner Broederbond koordinierte das Programm der Partei und stellte sicher, dass afrikaanische nationalistische Interessen und Politik innerhalb der zivilen Gesellschaft stärker wurden.
1961 erklärte die NP-Regierung unter Premierminister H.F. Verwoerd Südafrika als Republik, nachdem ein nur unter Weißen durchgeführtes Referendum über diesen Punkt gewonnen worden war. Eine neue Währung, der Rand, und eine neue Fahne, Hymne und Wappen wurden formell eingeführt. Das Republik gewordene Südafrika musste sich um eine weitere Mitgliedschaft im Commonwealth bewerben. Angesichts der Forderungen nach einem Ende der Apartheid zog Südafrika seine Bewerbung zurück und ein Präsident ersetzte die britische Königin (die vom lokalen Generalgouverneur vertreten worden war) als Staatsoberhaupt.
In den meisten Punkten war die Apartheid, wenn auch in systematischerer und brutalerer Form,eine Fortsetzungder segregationistischen Politik vergangener Regierungen. Für neue Besorgnis sorgten Gesetze mit pur rassistischem Hintergrund, die sexuelle Aktivitäten zwischen den Rassen verboten, und die bei der Registrierung der Bevölkerung verlangten, dass jedeR SüdafrikanerIn einer rassischen Kategorie zugeordnet werden musste.
Zum ersten Mal wurden farbige Menschen, die immer informeller Diskriminierung ausgesetzt gewesen waren, unter den Geltungsbereich diskriminierender Gesetzgebung gedrängt. Mitte der 50er änderte die Regierung die Verfassung von 1910 und verschaffte sich die Möglichkeit, farbige Wähler aus den allgemeinen Wahllisten zu streichen. Weiters verschärfte sie die Segregation am Wohnort, enteignete Häuser und führte massive Umsiedlungen in farbige „Gegenden“ durch.
Bis in die 40er Jahre war die Rassenpolitik Südafrikas nicht allzu verschieden von der in der restlichen kolonialisierten Welt. Aber in den 50er Jahren, in denen es eine Entkolonialisierung und den globalen Rückschlag gegen den Rassismus gab, geriet das Land bei Fragen über Menschenrechte dramatisch in Gegensatz zur restlichen Welt. Die Architekten der Apartheid, unter denen Dr. Verwoerd hervorstechend war, antworteten mit einer ausgeklügelten Theorie von Multinationalismus.
Ihre Politik, die sie “separate Entwicklung” nannten, spaltete die afrikanische Bevölkerung in künstlich geschaffene ethnische “Nationen”, von denen jede ihr eigenes “homeland” und die Aussicht auf “Unabhängigkeit” erhielt, angeblich um mit den Trends anderswo am Kontinent mitzuhalten.
Diese teile-und-herrsche-Strategie zielte darauf ab, die ‚rassische’ Basis der herrschenden Politik zu verschleiern, indem Rasse durch Sprache oder Ethnie ersetzt wurde. Begleitet wurde das durch eine Menge ethnografischer Arbeit, mit der versucht wurde, tribale Strukturen wiederherzustellen. Mit diesem Prozess gedachte die Regierung eine bedeutende kollaborierende Klasse zu schaffen.
Die Wahrheit war, dass die ländlichen Reservate zu dieser Zeit schwer von Überbevölkerung und Bodenerosion in Mitleidenschaft gezogen waren. Das hinderte vier der „homeland“-Strukturen (Transkei, Bophuthatswana, Venda und Ciskei) nicht daran, sich für „unabhängig“ erklären zu lassen, ein Status, den die große Mehrheit der Südafrikaner, und damit auch die internationale Gemeinschaft sich weigerten anzuerkennen. In jedem Fall beinhaltete dieser Prozess die Unterdrückung der Opposition und die Anmassung der Regierung, Leute in Ämter zu nominieren und damit ‚gewählte’ Versammlungen mit einem Kontingent an kollaborierenden Figuren vollzustopfen.
Gewaltsame Vertreibungen aus “weiß” betrafen an die 3,5 Millionen Menschen, und in den homelands wurden riesige ländliche Slums geschaffen, die als Müllkippen für Schwarze verwendet wurden. Die Passgesetze und die Kontrolle der Importe wurden ausgedehnt und verschärft, und Arbeitsbüros wurden eingesetzt, um die Arbeit dorthin zu lenken, wo sie benötigt wurde. Hunderttausende Menschen wurden aufgrund der Passgesetze jedes Jahr verhaftet oder verurteilt, zwischen Mitte der 60er und Mitte der 70er Jahre erreichte ihre Zahl mehr als eine halbe Million. Industrielle Dezentralisierung an die Wachstumspunkte an den Grenzen zu den (aber nicht innerhalb der) homelands wurde propagiert als ein Mittel, die Schwarzen außerhalb des „weißen“ Südafrika zu halten.
In jeder Sphäre, von Wohnen über Bildung zu Gesundheit, übernahm die Zentralregierung die Kontrolle über das Leben der Schwarzen, sie wies ihnen die Rolle von „zeitweisen Gästen“ zu, im „weißen“ Südafrika nur willkommen, um die Bedürfnisse der Arbeitgeber zu befriedigen. Aber dieselben Programme der Kontrolle wurden zum Fokus des Widerstands. Besonders die Kampagne gegen die Passgesetze schuf einen Eckstein für den Kampf.
Das Ende der Apartheid
Die Einführung der Apartheid geschah zur selben Zeit als der ANC 1949 sein Aktionsprogramm annahm, das die erneuerte Militanz der 40er wiederspiegelte. Das Programm beinhaltete die Ablehnung der weißen Vorherrschaft und den Aufruf zur Aktion in Form von Protesten, Streiks und Demonstrationen. Es folgte ein Jahrzehnt turbulenter Massenaktionen des Widerstands gegen die Einführung immer schlimmerer Formen von Segregation und Unterdrückung.
Die ‚Kampagne der Missachtung’ 1952 brachte die Massenmobilisierung, unter der Fahne des gewaltfreien Widerstands, zu neuen Höhen gegen die Passgesetze. Diese Aktionen waren teilweise beeinflusst von der Philosophie Mahatma Ghandis.
Ein kritischer Schritt beim Auftauchen des Nicht-Rassismus war die Formierung der Kongress-Allianz, darunter der ANC; der Südafrikanische Indische Kongress; der Kongress der Farbigen; eine kleine weiße Kongressorganisation (der Kongress der Demokraten); und der Südafrikanische Kongress der Gewerkschaften. Die Allianz drückte auf formaler Ebene die zunehmende Einheit quer durch Rassen und Klassen aus, die sich in der Kampagne der Missachtung und anderen Massenprotesten manifestierte, darunter auch gegen Bantu-Ausbildung zu dieser Zeit, und auch der Widerstand der Frauen nahm einen organisierteren Charakter an mit der Gründung der Föderation des Südafrikanischen Frauen.
1955 wurde die Freiheitscharta auf dem Kongress der Völker in Soweto verabschiedet. Die Charta drückte die Prinzipien des Kampfes aus und band die Bewegung an eine Kultur der Menschenrechte und des Anti-Rassismus. In den nächsten Jahrzehnten wurde die Freiheitscharta zu einem wichtigen Symbol des Freiheitskampfes. Der Pan-African Congress (PAC), gegründet von Robert Sobukwe und auf einer Philosophie des “Afrikanismus” und Anti-Kommunismus gebaut, scherte 1959 aus der Kongress-Allianz aus.
Die erste Antwort des Staates, so schlimm sie auch war, war noch nicht so drakonisch, wie sie später werden sollte. Der Versuch, über 150 anti-Apartheid-Führer wegen Verrat zu verfolgen, begann 1956 mit einem Strafverfahren, das 1961 mit Freisprüchen endete. Aber zu dieser Zeit war die organisierte Massenopposition bereits verboten. Die Sache spitzte sich im März 1960 in Sharpeville zu, wo 69 DemonstrantInnen gegen die Passgesetze ermordet wurden, als die Polizei in eine Demonstration schoss, zu der der PAC aufgerufen hatte. Der Notstand wurde verhängt und es wurden Gefängnisstrafen ohne Gerichtsverfahren verhängt.
Die schwarzen politischen Organisationen wurden verboten und ihre Führer gingen ins Exil oder wurden verhaftet. In diesem Klima beendeten der ANC und der PAC ihre bereits lange währende Festlegung auf gewaltfreien Widerstand und wandten sich dem bewaffneten Kampf zu, verbunden mit einer Untergrundorganisierung und –mobilisierung, sowie mit der Mobilisierung der internationalen Solidarität. Die obersten Führer, darunter Mitglieder des neu gegründeten militärischen Arms Umkhonto we Sizwe (MK) (Speer der Nation) wurden 1963 verhaftet. Im „Rivonia-Verfahren“ wurden acht ANC-Führer, darunter Nelson Mandela, der Sabotage (anstatt des Verrats, der ursprünglichen Anklage) schuldig befunden und zu lebenslangem Gefängnis verurteilt.
In dieser Periode wurden Führer anderer Organisationen, darunter des PAC und der Bewegung Neue Einheit, ebenfalls zu langjährigen Haftstrafen verurteilt und/oder verbannt. Die 60er Jahre waren ein Jahrzehnt überwältigender Repression und relativer politischer Verwirrung unter den Schwarzen im Land. Der Staat führte bewaffnete Aktionen durch.
Die staatliche Repression spielte eine zentrale Rolle bei der Eindämmung des Widerstands im Land, und die Führung des Kampfes bewegte sich zunehmend hin zu den Missionen im Exil. Gleichzeitig begann die ANC-Führung mit einer Kampagne, um das Land über das damalige Rhodesien zu infiltrieren. Im August 1967 drang eine gemeinsame Streitmacht des MK und der Revolutionären Volksarmee Zimbabwes (Zipra) der Zimbabwe African People’s Union (Zapu) in Zimbabwe ein und griff zwei Monate lang die vereinigten rhodesischen und südafrikanischen Sicherheitskräfte an.
Obwohl es der MP-Zipra-Streitmacht nicht gelang, Südafrika zu erreichen, war das die erste militärische Konfrontation zwischen Militärkräften der ANC-geführten Allianz und weißen Sicherheitskräften. Das Wiederaufleben der Politik des Widerstands von Beginn der 70er Jahre an war dramatisch. Die Black Consciousness-Bewegung, angeführt von Steve Biko (der 1977 in Haft ermordet wurde) weckte den Sinn der Schwarzen für Stolz und Selbstachtung wieder auf. Die Nachrichten über den brutalen Mord an Biko hallten um die gesamte welt und führten zu beispielloser Empörung.
Während die kapitalistische Ökonomie in der Ölkrise 1973 zu stottern begann, lebten schwarze Gewerkschaften auf. Eine Streikwelle zeigte eine neue Militanz. Sie brachte eine bessere Organisierung mit sich, bezog neue Sektoren, vor allem Intellektuelle und die Studentenbewegung, in den Massenkampf ein und löste Debatten über die Prinzipien aus. Demonstrationen an schwarzen Universitäten zur Unterstützung der Frelimo, der Befreiungsbewegung in Mozambique, waren Ausdruck wachsender Militanz. Das Jahr 1976 steht für eine anhaltende Revolte gegen die Apartheid. Im Juni erhoben sich die SchülerInnen in Soweto gegen die Apartheid-Bildung, ihnen folgten Aufstände im ganzen Land. Trotz der schlimmen Repression, die daraufhin einsetzte, fuhren die Studenten mit der Organisierung fort, was zur Gründung von Organisationen für SchülerInnen (Kongress der Südafrikanischen Studenten) und Studenten (Azanian Students Organisation) 1979 führte. In den 80er Jahren begannen die unterschiedlichen Kampfformen – bewaffneter Kampf, Massenmobilisierung und internationale Solidarität – sich zu integrieren und ineinander zu fließen.
Die Vereinigte Demokratische Front und der informelle Schirm, die Demokratische Massenbewegung, traten als legale Vehikel des Befreiungskampfs der demokratischen Kräfte auf. Priester spielten in diesen Bewegungen eine prominente Rolle. Die Einmischung der Arbeiter in den Widerstand eröffnete mit der Gründung des Kongress der Südafrikanischen Gewerkschaften und dem National Council of Trade Unions neue Dimensionen.
Der Volkszorn richtete sich gegen alle, die meinten, zum Erreichen ihrer Ziele mit der Regierung kollaborieren zu müssen, und die schwarzen townships wurden faktisch unregierbar. Von Mitte der 80er Jahre an wurde regional und landesweit der Ausnahmezustand verhängt.
Die Entwicklungen in benachbarten Staaten, in denen der Massenwiderstand gegen die weiße Minderheit und koloniale Herrschaft Mitte der 70er zur portugiesischen Dekolonisierung führte, und die Abdankung des weißen Minderheitsregimes 1980 führten dazu, dass Südafrika als letzte Bastion weißer Vorherrschaft übrig blieb.
Angesichts des wachsenden Drucks und der internationalen Isoliertheit begann die Regierung eine Doppelstrategie: Begrenzte Reformen, gepaart mit verstärkter Repression und der Militarisierung der Gesellschaft, mit dem Ziel, den Druck einzudämmen und ihre eigene Unterstützerbasis auszubauen, während sie den organisierten Widerstand zu zerschlagen gedachte.
Ein frühes Beispiel für Reformen war die Anerkennung der schwarzen Gewerkschaften im Versuch, die Arbeitsbeziehungen zu stabilisieren. 1983 wurde die Verfassung geändert, um farbigen und indischen Minderheiten die begrenzte Teilnahme an separaten und untergeordneten Häusern des Parlaments zu erlauben.
Die große Mehrheit dieser Gruppen demonstrierte ihre Ablehnung des Dreikammernsystems mittels massivem Wahlboykott, aber trotz dieses sichtbaren Mangels an Legitimität wurde es vom Apartheidregime eingesetzt. Versuche zur Legitimierung von Gemeinderäten als Mittel zur Teilnahme an Lokalregierungen von Afrikanern außerhalb der Bantustans erlitten ein ähnliches Schicksal.
Die Militarisierung beinhaltete die zunehmende Bedeutung des State Security Council, das in wichtigen Fragen die Rolle der Exekutive übernahm, und eine Reihe von Notständen als Teil der Einführung einer umfassenden Aufstandsbekämpfungsstrategie, um das zu bekämpfen, was seit Mitte der 80er Jahre ein endemischer aufständischer Geist im Lande war.
Seit Ende der 80er Jahre nahm der Volkswiderstand trotzdem die Fom von Massen-Verweigerungskampagnen an, während Kämpfe um lokale Fragen eine große Anzahl von Gemeinden zu vereinigten Aktionen brachten. Die Unterstützung entlassener politischer Gefangener und des bewaffneten Kampfes wurden offen ausgedrückt.
Angesichts der steigenden Flut an Widerstand verstärkte die internationale Gemeinschaft ihre Unterstützung des Anti-Apartheidkampfes. Sanktionen und Boykotte wurden initiiert, sowohl unilateral durch Länder quer über den Globus, als auch durch die Vereinten Nationen. Diese Sanktionen wurden in einer koordinierten Strategie von der internen und der externen anti-Apartheid-Bewegung in Südafrika gefordert.
F. W. de Klerk, der 1989 P.W. Botha als Staatspräsident ablöste, kündigte bei der Eröffnung des Parlaments im Februar 1990 die Anerkennung der Befreiungsbewegungen und die Entlassung politischer Gefangener, darunter Nelson Mandela, an. Eine Anzahl an Faktoren führten zu diesem Schritt. Die internationalen finanziellen, Handels-, Sport- und kulturellen Sanktionen wirkten.
Aber selbst wenn Südafrika nicht vor dem Kollaps gestanden wäre, weder militärisch noch ökonomisch, so hatten mehrere Jahre von Ausnahmezustand und schlimmster Repression eindeutig weder die Strukturen des organisierten Widerstands zerstört, noch hatten sie dazu beigetragen, das Apartheidregime und seine Kollaborateure zu legitimieren. Stattdessen verstärkte sich der Volkswiderstand, darunter die Massenaktionen und die bewaffneten Aktionen.
Der ANC, der als die führende Befreiungsorganisation Anerkennung und Legitimität im Volk genoss, wurde zunehmend als eine in Warteposition befindliche Regierung betrachtet. Die internationale Unterstützung für die Befreiungsbewegung kam aus verschiedenen Ländern der Welt, vor allem aus ehemals sozialistischen Ländern und aus nördlichen Ländern sowie aus der Bewegung der Blockfreien. Die anderen Befreiungsbewegungen erlagen zunehmend innerem und äußerem Druck und konnten nicht auf die Unterstützung des Volkes zählen.
Für außenstehende Beobachter und für eine wachsende Anzahl von weißen Südafrikanern war das Apartheid-Regime moralisch bankrott, nicht mehr zu verteidigen und nicht reformierbar. Der Zusammenbruch des globalen Kommunismus, der ausverhandelte Rückzug von kubanischen Truppen aus Angola und der Höhepunkt des Befreiungskampfes der Südwestafrikanischen Volksorganisation3mit der ausverhandelten Unabhängigkeit Namibias – früher Südwestafrika, seit 1919 aufgrund eines Mandats des Völkerbunds von Südafrika verwaltet – trug sehr zu einer Änderung der Geisteshaltung der Weißen bei. Sie konnten den ANC und PAC nicht länger als Fronten für den internationalen Kommunismus dämonisieren.
Das weiße Südafrika hatte sich ebenfalls sehr verändert. Der afrikaanische Nationalismus hatte viel von seinem Daseinszweck eingebüßt. Viele Afrikaaner waren urbane Mittelklasse und relativ fortschrittlich. Ein großer Teil der Basis der NP war bereit, eine weiter gefasste nationale Identität zu akzeptieren, sogar über die Schranken der rassistischen Trennlinien hinaus, und suchte nach internationaler Anerkennung. 1982 spalteten sich desillusionierte Hardliner von der NP ab und gründeten die Konservative Partei, wodurch die NP flexibler gegenüber modernisierenden Einflüssen wurde.
Eine Anzahl von Geschäftsleuten, StudentInnen und AkademikerInnen hielt nun offene und private Treffen mit dem ANC im Exil ab. Geheimgespräche zwischen dem inhaftierten Mandela und Ministern über eine neue Machtverteilung in Südafrika fanden statt, wobei die Schwarzen den wichtigeren Teil übernehmen sollten. Massenaktionen wurden im Land alltäglich. Unbedeutendere Apartheid-Gesetze wurden offen herausgefordert – und entfernt. Zusammen mit einer dahindümpelnden Wirtschaft und zunehmendem internationalen Druck machten diese Entwicklungen eine historische Veränderung unausweichlich.
Nach einem langen Verhandlungsprozess, der trotz starker Gewaltausübung durch die extreme Rechte und ihre Stellvertreter durchhielt, wurden im April 1994 die ersten demokratischen Wahlen in Südafrika unter einer neuen Interimsverfassung abgehalten.
Der ANC erhielt bei der Wahl 62% der Stimmen. Die größte Opposition kam von der NP mit 20% der Stimmen landesweit und einer Mehrheit in Westkap. Die Inkatha Freiheitspartei (IFP) erhielt 10%, vor allem in KwaZulu-Natal. Die NP und die IFP waren bis 1996, als sich die NP zurückzog, Teil der Regierung der Nationalen Einheit.
Soweit zur Vorgeschichte. Im weiteren Verlauf dieser Darstellung findet sich jede Menge Lobhudelei gegenüber der ANC-geführten Regierung, kein Wort über den Kurswechsel hin zu einer neoliberalen Politik ab 1998 oder über die Kämpfe der Armen, die das hauptsächliche Thema dieser Darstellung bilden werden. Wir beenden diese Geschichte mit dem Programm des ANC aus dem Jahr 1955:
Die Freiheitscharta des ANC4
Angenommen vom Volkskongress in Kliptown am 26. Juni 1955
Wir, das Volk von Südafrika, erklären, damit unser ganzes Land und die Welt es wissen:
Dass Südafrika allen gehört, die darin leben, schwarz oder weiß, und dass keine Regierung rechtmäßigerweise ihre Autorität behaupten kann, wenn sie nicht auf dem Willen aller Menschen beruht;
Dass unser Volk seines per Geburtsrecht eigenen Landes beraubt wurde, seiner Freiheit und seines Friedens, durch eine Form von Regierung, die auf Ungerechtigkeit und Ungleichheit beruht;
Dass unser Land niemals gedeihend oder frei sein wird, ehe nicht alle Menschen in einer Bruderschaft leben, sich gleicher Rechte und Möglichkeiten erfreuen werden;
Dass nur ein demokratischer Staat, der auf dem Willen des Volkes beruht, allen alle ihre Geburtsrechte sichern kann, ohne Unterscheidung hinsichtlich Farbe, Rasse, Geschlecht oder Glauben;
Und deshalb nehmen wir, das Volk von Südafrika, Schwarze und Weiße gemeinsam, als Gleiche, EinwohnerInnen und Brüder diese Freiheitscharta an;
Und wir geloben uns selbst, dass wir uns gemeinsam anstrengen werden, es weder an Stärke noch Courage fehlen lassen werden, bis die demokratischen Änderungen, die hier ausgeführt werden, gewonnen sein werden.
Die Menschen sollen regieren!
Jeder Mann und jede Frau haben das Recht zu wählen und sich als KandidatInnen aufstellen zu lassen, für alle Körperschaften, die Gesetze erlassen;
Alle Menschen sollen berechtigt sein, an der Verwaltung des Landes teilzunehmen;
Die Rechte der Menschen sollen gleich sein, unabhängig von Rasse, Farbe oder Geschlecht;
Alle Körperschaften von Minderheitenherrschaft, räten und autoritäten sollen durch demokratische Organe der Selbstregierung ersetzt werden.
Alle nationalen Gruppen haben gleiche Rechte!
Es soll den gleichen Status in den staatlichen Institutionen, in den Gerichten und in den Schulen geben, für alle nationalen Gruppen und Rassen;
Alle Menschen sollen das gleiche Recht haben, ihre eigene Sprache zu verwenden und ihre eigene Kultur und Gebräuche auszuüben;
Alle nationalen Gruppen sollen gesetzlich gegen Verunglimpfungen ihrer Rasse und ihres nationalen Stolzes geschützt werden;
Das Predigen und die Praxis nationaler, rassischer oder farbiger Diskriminierung und Missachtung soll ein strafbares Verbrechen sein;
Alle Apartheidgesetze und praktiken sollen beendet werden.
Die Menschen sollen sich den Reichtum des Landes teilen!
Der nationale Reichtum unseres Landes, das kulturelle Erbe Südafrikas soll allen Menschen zugänglich sein;
Die Mineralschätze unter der Erde, die Banken und die Monopolindustrie sollen in das Eigentum des gesamten Volkes übergeführt werden;
Die gesamte weitere Industrie und der Handel sollen kontrolliert werden, um dem Wohlbefinden des Volkes zu dienen;
Alle Menschen haben gleiche Rechte zu handeln, wo sie wollen, zu produzieren und in jedes Geschäft, Handwerk und Profession einzusteigen.
Das Land soll unter denen aufgeteilt werden, die es bearbeiten!
Beschränkungen von Landeigentum auf rassischer Basis sollen beendet werden, und das gesamte Land unter denen, die es bearbeiten, um Hunger und Landhunger zu beenden, neuverteilt werden;
Der Staat soll den BäuerInnen mit Arbeitsgeräten, Saatgut, Traktoren und Dämmen helfen, um die Erde zu schützen und den Schösslingen zu helfen;
Die Bewegungsfreiheit soll allen garantiert werden, die am Land arbeiten;
Alle sollen das Recht haben, Land zu besetzen, wo immer sie möchten;
Die Menschen sollen nicht ihres Viehs bestohlen werden, und Zwangsarbeit und Farmgefängnis sollen abgeschafft werden.
Alle sollen vor dem Recht gleich sein!
Niemand soll ohne faire Verhandlung verhaftet, deportiert oder Restriktionen unterworfen werden; niemand soll auf Befehl irgendeines Regierungsbeamten hinauf verurteilt werden;
Die Gerichte sollen Vertretungen des gesamten Volkes sein;
Verhaftungen sollen nur bei ernsthaften Verbrechen gegen das Volk verhängt werden, und sie sollen auf Umerziehung, nicht auf Rache abzielen;
Die Polizeikräfte und die Armee sollen allen auf gleicher Basis offen stehen und sollen die Helfer und Beschützer des Volkes sein;
Alle Gesetze, die aufgrund von Rasse, Farbei oder Glauben diskriminieren, sollen ersetzt werden.
Alle sollen sich gleicher Menschenrechte erfreuen!
Das Gesetz soll allen das Recht garantieren zu sprechen, sich zu organisieren, einander zu treffen, zu veröffentlichen, zu predigen, zu beten und ihre Kinder zu erziehen;
Die Privatheit der Wohnung vor Polizeirazzien soll gesetzlich gewährleistet sein;
Alle sollen frei sein, ohne Restriktionen vom Land in die Stadt zu reisen, von Provinz zu Provinz, und von Südafrika ins Ausland;
Passgesetze, Passierscheine und andere Gesetze, die diese Freiheiten einschränken, sollen abgeschafft werden.
Es soll Arbeit und Sicherheit geben!
Alle, die arbeiten, sollen frei sein, Gewerkschaften zu gründen, ihre Leiter zu wählen und Lohnabkommen mit ihren Arbeitgebern abzuschließen;
Der Staat soll das Recht und die Pflicht aller zu arbeiten anerkennen, und soll volle Arbeitslosenunterstützung gewähren;
Männer und Frauen aller Rassen sollen für gleiche Arbeit den gleichen Lohn erhalten;
Es soll für alle ArbeiterInnen eine 40-Stunden-Arbeitswoche geben, einen nationalen Mindestlohn, bezahlten jährlichen Urlaub sowie Krankenstand, und einen Mutterschaftsurlaub mit voller Lohnfortzahlung für alle arbeitenden Mütter;
Minenarbeiter, HausarbeiterInnen, FarmarbeiterInnen und Staatsbedienstete sollen die gleichen Rechte haben wie alle anderen, die arbeiten;
Kinderarbeit, ‘compound’-Arbeit, das Tot-System und Kontraktarbeit sollen verboten werden.
Die Tore zu Bildung und Kultur sollen geöffnet werden!
Die Regierung soll die nationale Begabung für die Bereicherung unseres kulturellen Lebens entecken, entwickeln und ermutigen;
Alle Kulturschätze der Menschheit sollen allen offenstehen, durch freien Austausch von Büchern, Ideen und Kontakten mit anderen Ländern;
Das Ziel der Bildung soll es sein, die Jugend zu lehren, ihr Volk und seine Kultur zu lieben, die menschliche Gemeinschaft, Freiheit und den Frieden hoch zu halten;
Bildung soll für alle Kinder gratis, verpflichtend und gleich sein; höhere Ausbildung und technisches Training sollen allen offenstehen, der Staat soll sie fördern und auf Basis der Verdienste sollen Stipendien vergeben werden;
Analphabentum der Erwachsenen soll durch einen staatlichen Massenbildungsplan beendet werden;
LehrerInnen sollen alle Rechte der anderen BürgerInnen haben;
Die Schranken der Farbe im kulturellen Leben, beim Sport und in der Bildung sollen abgeschafft werden.
Es soll Häuser, Sicherheit und Annehmlichkeit geben!
Alle Menschen sollen das Recht haben, dort zu leben, wo sie wollen, in anständigen Wohnungen, und ihre Familien annehmlich und sicher unterzubringen;
Nicht benutzter Wohnraum soll dem Volk zugänglich gemacht werden;
Die Mieten sollen gesenkt werden, genug Essen soll vorhanden sein und niemand soll hungern;
Vom Staat soll ein präventives Gesundheitsprogramm durchgeführt werden;
Freie medizinische Betreuung und Unterbringung in Spitälern soll allen zur Verfügung stehen, mit besonderer Berücksichtigung der Mütter und Kleinkinder;
Slums sollen abgerissen werden, und neue Vorstädte errichtet, in denen alle Zugang zu Transportmitteln, Straßen, Beleuchtung, Spielplätzen, Kinderkrippen und sozialen Zentren haben;
Für die Alten, die Waisen, die Behinderten und die Kranken soll der Staat sorgen;
Ruhe, Freizeit und Erholung sollen das Recht aller sein;
Eingezäunte Orte und Ghettos sollen abgeschafft werden, und Gesetze, die Familien auseinanderreissen, sollen aufgehoben werden.
Es soll Frieden und Freundschaft geben!
Südafrika soll ein voll unabhängiger Staat sein, der die Rechte und die Souveränität aller Nationen respektiert;
Südafrike soll sich bemühen, den Weltfrieden aufrecht zu erhalten und die Schlichtung aller internationalen Konflikte durch Verhandlungen – nicht durch Krieg;
Frieden und Freundschaft unter all unseren Menschen sollen sichergestellt werden durch das Hochhalten gleicher Rechte, Möglichkeiten und Stellung aller;
Die Menschen der Protektorate Basutoland, Bechuanaland und Swaziland sollen frei sein, selbst über ihre eigene Zukunft zu entscheiden;
Das Recht aller Völker Afrikas auf Unabhängigkeit und Selbstregierung soll anerkannt werden, und soll die Basis enger Zusammenarbeit sein;
Lasst nun alle Menschen, die ihr Volk und ihr Land so wie wir lieben, sagen:
Für diese Freiheiten werden wir kämpfen, Seite an Seite, unser ganzes Leben lang, bis wir unsere Freiheit errungen haben
Anmerkungen
1 http://www.info.gov.za/aboutsa/history.htm
2 Segregation bedeutet „den Vorgang der Entmischung von unterschiedlichen Elementen in einem Beobachtungsgebiet“ (wikipedia.org), gesellschaftlich die Trennung von Menschen „unterschiedlicher Rassen“ wie in den Südstaaten der USA oder eben in Südafrika.
3 South-West African People’s Organisation
4 http://maravi.blogspot.com/2009/03/anc-freedom-charter.html