Shora-e defah azMobarezat-e Khalqai-e Iran – Rat zur Verteidigung des Kampfes der Völker im Iran, Wien, 1. Mai 2006; shorayedefah@yahoo.com
Neue Entwicklungen im Iran und die Rolle Ahmadinejads
Die Entstehung und Konsolidierung des Regimes der Islamischen Republik und ihre 27jährige wirtschaftliche und politische Praxis, sowie die brutalen Reaktionen auf die Kämpfe der Arbeiter/innen und Werktätigen, der anderen unterdrückten Schichten und Klassen und nationalen und religiösen Minderheiten sind Beweis dafür, dass dieses Regime eindeutig die Interessen der kapitalistischen Klasse vertritt, genauso wie sein Vorgänger, das Schah-Regime, und wenn es sich noch so sehr als Protagonist und Beschützer der verarmten Massen, der sogenannten Mostasefinaufspielt.
Das Regime ist eine Kreatur des Westens. Auf einem dreitägigen Treffen, an dem Frankreich, die USA, Deutschland und England teilnahmen und das im Jahre 1979 im französischen Guadeloupe stattfand, wurde beschlossen, daß der Schah von der Szene verschwinden sollte. Gleichzeitig wurde das Konzept eines islamischen Regimes geschaffen, das im Sinn des Westens eine präventive Funktion haben sollte, es sollte einen drohenden Aufstand kanalisieren, und umlenken. Das Regime hatte vom Anfang an die strategische Unterstützung des Westens.
US-General Huyser wurde damit beauftragt, die Resultate des Treffens der iranischen Regierung, sowie den Kommandanten der drei Waffengattungen des iranischen Heeres zu übermitteln. In der Folge nahm Huyser mit den Führern der islamischen Bewegung Bazargan, Beheshti, Rafsandjani und Mussavi Ardebili1Kontakt auf.
Der ehemalige ranghohe Schah-General Amir Hossein Rabiibestätigte bei seinem Verhör vor dem Revolutionsgericht, daß es eine gemeinsame Sitzung von General Huyser und den Kommandanten der drei Waffengattungen gegeben habe. Huyser habe, so berichtet er, von den Militärs auf dieser Sitzung verlangt, sie sollten der neuen Regierung ihre Loyalität aussprechen. Er habe ihnen zwei Telefonnummern gegeben, berichtete Rabii weiter, bei denen sie weitere Anweisungen erhalten würden. Die beiden Telefonnummern waren die von Bazargan,dem ersten Ministerpräsidenten des islamischen Regimes und von Ayatollah Beheshti.
Beheshti war die Person, die von den Amerikanern beauftragt wurde, die Entscheidungen von Guadeloupe im Iran umzusetzen.
Von Anfang an hatte er die Aufgabe, den revolutionären Prozess aufzuhalten, dessen Ziel der Sturz der imperialistischen Herrschaft und die konsequente Demokratisierung der Gesellschaft war. Die Bevölkerung sollte getäuscht werden, mit der religiösen Demagogie sollte eine Ideologie aufgebaut werden, die das Fundament für die künftige Macht bilden sollte. Mit dieser Strategie konnte die Volksbewegung zerschlagen werden.
Sobald seine Macht etabliert war, begann das Regime damit, die maximale Ausbeutung der Arbeitskraft und die Plünderung der Rohstoffe im Dienste des imperialistischen Kapitals und der bürokratischen Kompradorenbourgeoisie in vollem Umfang wiederherzustellen. Zur Realisierung dieses Vorhabens schufen die Machthaber der Islamischen Republik eine Verfassung, mit der die Unantastbarkeit der kapitalistischen Klasse festgeschrieben wurde, in der aber die bürgerlichen und demokratischen Rechte der Mehrzahl der Bevölkerung keinen Platz fand, und vor allem dienten die Gesetze dazu, die Frauen zu Befehlsempfängerinnen der Wünsche und Vorgaben des Mannes zu deklassieren. Ihre Funktion ist es, sich im Dienste der Familie zu opfern, und bei der geringsten Abweichung vom islamischen Moralkodex werden sie durch die Sittenwächter verhaftet und in vielen Fällen mit Steinigung oder Tötung bestraft. Damit sind sie per Gesetz vollständig entrechtet und ganz und gar dem in den Köpfen der Männer verwurzelten Patriarchat ausgeliefert.
Dieses barbarische und mittelalterliche Verhalten wird im Westen als kulturelles Spezifikum dieser Länder verharmlost: Kulturrelativismus reinsten Wassers. In solchen Gesellschaften sei dies die Norm, dies müsse man akzeptieren. Ja es kommt so weit, dass solche Systeme als demokratische Mustergesellschaften herausgestellt werden. Der deutsche Bundestagspräsident Thiersesagte während der Europareise Khatamis,der über acht Jahre als Spitzenvertreter der „Liberalen“ und „Reformer“ gehandelt wurde, die Welt sei Khatami und dem Iran dankbar, und er lobte die demokratische Entwicklung und konstruktive Rolle des Iran in der Region.
Wer und was wird hier gelobt? Während der achtjährigen Präsidentschaft von Khatamiwurden Dutzende Frauen und Mädchen gesteinigt und hingerichtet, nur weil sie gewagt hatten, selbst über ihr eigenes Leben und ihre Beziehungen zu entscheiden.
Während der bald 27 Jahre andauernden Herrschaft der Islamischen Republik war, egal wer jeweils an der Spitze stand, immer die Hauptfrage, wie die günstigsten Bedingungen für Auslandsinvestitionen geschaffen werden konnten. Die Sonderwirtschaftszonen, die praktisch in allen Grenzregionen errichtet wurden2, sind ein Beispiel dafür, wie dem Kapital ohne irgendwelche Einschränkungen Tür und Tor geöffnet werden.
Die Kreditvorgaben durch IWF und Weltbank sind für Länder wie den Iran mit hohen Zinszahlungen verbunden, die durch den völligen Ausverkauf der Rohstoffe, vor allem Öl und Gas, und die Ausbeutung billiger Arbeitskraft finanziert werden.
Dieser Typ von Wirtschaftspolitik und die damit verbundenen politischen Maßnahmen wurden von allen bisherigen Regierungen systematisch durchgezogen.
Um im Lande die reibungslose Zirkulation des Kapitals zu gewährleisten, müssen die Proteste und Demonstrationen von Arbeitern und Arbeiterinnen, Bauern, Frauen und Jugendlichen, die tagtäglich gegen die bestehenden Verhältnisse ankämpfen, brutal niedergeschlagen werden.
Wir sind der Meinung, dass zwar mit der Ersetzung des Schah-Regimes durch die islamische Republik ideologische Veränderungen im Überbau eingetreten sind, sich aber die ökonomische Grundlage des kapitalistischen Systems des Iran, das ein integraler Bestandteil des internationalen Kapitals ist, im wesentlichen nicht geändert hat. Im Gegenteil: Ausbeutung und Unterdrückung wurden noch intensiviert.
Was die aktuellen internationalen Pseudodebatten angeht, so meinen wir, im Unterschied zu zahlreichen ehemaligen Linken, die sich an Organisationen angeschlossen haben, die seit langem angepaßt sind (Fedayin Mehrheit, Tudeh-Partei, Republikaner), und auch im Unterschied zu systeminternen Reformkräften (Nationale Islamisten3, Nationale Front4), dass die wesentliche Auseinandersetzung nicht zwischen „Demokratie“ und „Fundamentalismus“ verläuft, wie ständig propagiert wird, und am allerwenigsten meinen wir, dass es sich um einen Widerspruch handelt, in dem auf der Seite des iranischen Regimes ein antiimperialistischer Widerstand vorhanden sei, wie manche linken Kräfte in Europa zu entdecken vermeinen. Beinah durchgehend demonstrieren Regimes, wie das in der Islamischen Republik Iran, das der Taliban in Afghanistan, der islamischen Republik in Pakistan oder auch die neue Herrschaft unter der Besatzung im Irak mit ihren theokratischen Rechtssprechungen und durch das tödliche Beispiel ihres politischen Praxis, dass „Demokratie“ und „Fundamentalismus“ nur unterschiedliche Erscheinungsformen sind im Wechselspiel der imperialistischen Herrschaft. Sie schließen einander nicht aus, sondern ergänzen einander, jeweils nach Bedarf und als Antwort auf bestimmte Situationen, zur Sicherung der politischen Macht des Imperialismus.
Es ist kein Geheimnis, und die Imperialisten haben es immer offen gesagt: Immerwährend und von Dauer sind nicht irgendwelche Freundschaften oder Feindschaften: das einzig wirklich Dauerhafte ist das wirtschaftliche und politische Interesse.
Das bedeutet, dass der Bewegungsradius solcher und ähnlicher Regimes im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung des Kapitals begrenzt ist, und dass die Staatsmaschinerie des Iran zum Schutz und zur Verwaltung der politischen und ökonomischen Interessen des internationalen Kapitals und der Monopole fungiert.
Die Gewichtung der politischen Kräfte innerhalb solcher Regimes wird ebenfalls extern gesteuert.
Der Aufstieg und Fall des Regimes der Taliban, der des jetzigen Präsidenten Hamid Karsai in Afghanistan, der gewaltsame Sturz des Regimes Saddam Husseins im Irak und die Einsetzung der neuen Machthaber, ebenso wie der Fall des Pahlawi-Regimes und der Aufstieg der Islamischen Republik im Iran zeigen uns bloß eine Reihe von Marionetten, die nach den jeweiligen strategischen und wirtschaftlichen Interessen des Kapitals ausgetauscht wurden.
Obwohl der Imperialismus immer auf adäquate, absolut konforme abhängige Regimes aus ist, so entstehen dennoch auf der Ebene dieser imperialistischen Steuerung stets neue Konflikte und Widersprüche. Da dieses Verhältnis kein einfaches geometrisches und geradliniges ist, sondern in dem komplexen System einer menschlichen Gesellschaft stattfindet, wird es durch Faktoren besonderer Art beeinträchtigt. Dabei handelt es sich um die objektiven, realen Widersprüche, die sich in der Gesellschaft ständig entwickeln und zuspitzen: Die unterdrückten und verarmten Massen stellen ihre eigenständigen Forderungen gegen dieses Gesamtsystem, lehnen die aufgezwungene Herrschaft ab und widersetzen sich ihr.
Der derzeitige Reibungswiderstand auf staatlich-diplomatischer Ebene ist in diesem Sinn das Echo der ungelösten Klassenwidersprüche, die ein Störfaktor sind, der sich auf die Beziehungen zwischen den imperialistischen Finanzgruppierungen und ihren Lakaien im Iran auswirkt. Causa prima ist die globale strukturelle Krise des Imperialismus, von der auch Wirtschaft und Politik des Iran determiniert werden.
Um diese Krise zu bewältigen, schickt das Regime der islamischen Republik, der jeweiligen konkreten Situation entsprechend, bestimmte, mit neuen Taktiken ausgestattete Figuren auf die politische Bühne.
Eines der rezenten Beispiele ist die Politik Khatamis mit seiner taktischen Demagogie des „Dialogs der Kulturen und Zivilisationen“, die jetzt, nach acht Jahren, eindeutig widerlegt ist. Nun kommt Ahmadinejad mit seinen sozialdemagogischen Versprechungen und rassistischen und antisemitischen Sprüchen, stellt sich als „Retter der Nation und des Landes gegen die Bedrohung und Angriffe der fremden Mächte“ hin und versucht, bestimmte Teile der Gesellschaft für seine Politik zu mobilisieren.
In solchen Ländern wie dem Iran, wo politische Repression und Diktatur herrscht, können tatsächlich gewisse Teile der Bevölkerung mobilisiert werden, da ein Großteil der Menschen, vor allem in Armee und Milizen, samt ihren Familien von der Staatsbürokratie wirtschaftlich abhängig ist und unter Druck gesetzt, erpresst und für die politischem Ziele des Regimes missbraucht werden kann.
Diese Taktiken dienen alle dazu, die Bevölkerung in die Irre zu führen und den Zusammenbruch des Systems noch für eine gewisse Spanne aufzuschieben.
Ahmadinejadhat seine Taktik für die Präsidentschaftswahl auf vier Punkte konzentriert: 1. Soziale Gerechtigkeit und Wohlstand für die breiten Massen der Bevölkerung; 2. Die Erlöse aus den Ölexporten sollen den armen Menschen zugute kommen; 3. Kampf gegen Korruption und Ämterschacherei und 4. Beharren auf dem nationalen Atomprogramm, damit verbunden eindeutig antisemitische Äußerungen.
1. Zur Propagierung sozialer Gerechtigkeit.
Zuerst sollten wir uns klarmachen, unter welchen Bedingungen solche Versprechungen und Drohungen stattfinden. In der heutigen iranischen Gesellschaft sind 2/3 der 68 Millionen EinwohnerInnen Jugendliche unter 25 Jahre. Für sie gibt es keine Perspektive auf ein menschenwürdiges Leben. Mehr als die Hälfte von ihnen leben unter der offiziellen Armutsgrenze (von 250.000 Toman, ca. 200 Euro) bzw. sechs Millionen Menschen unter der absoluten Armutsgrenze (900 Toman, d.h. ein Euro pro Tag). Die Inflationsrate übersteigt nach Regierungsangaben 30%. Die Preise für die notwendigen Waren zur Deckung der Grundbedürfnisse steigen kontinuierlich. Korruption, Drogenhandel, Drogenabhängigkeit, Armut und Obdachlosigkeit, Erniedrigung und Entrechtung für die breite Masse der Bevölkerung, totale Rechtlosigkeit und damit verbundene politische Repression und Unterdrückung sind zu den prägenden Merkmalen der iranischen Gesellschaft geworden und die Kluft zwischen Armen und Reichen wird immer größer. 80% des produzierten Reichtums liegt in der Hand der 20% Reichsten. Die wirtschaftliche und soziale Lage der ArbeiterInnen wird immer schlechter und treibt viele Menschen in Elend und Armut. Medizinische Versorgung und Ausbildung sind zu Waren degradiert, sind somit für große Teile der Bevölkerung nicht zugänglich. Das alles, trotz 90 Millionen Dollar, die tagtäglich aus dem Ölexport erwirtschaftet werden und in die Staatskassen fließen.
In so einer Situation wird Ahmadinejad auf den Präsidentensessel gehievt und beliefert die Bevölkerung mit leeren demagogischen Versprechungen, rassistischen und chauvinistischen Sprüchen. Aber die große Mehrheit der iranischen Bevölkerung kennt diese Phrasen seit vielen Jahren und fordert bei ihren Protesten, Streiks, Demonstrationen und Aufständen Arbeit, Wohnung und Brot, das Ende der nationalen und religiösen Unterdrückung, der sexuellen Apartheid und die völlige Emanzipation der Frauen, freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit. Sie lehnen die theokratische Staatsmacht ab und kämpfen für einen demokratischen säkulären Staat.
In zahlreichen Betrieben protestierten heuer ArbeiterInnen wie Arbeitslose. Im vorigen Jahr wurden an die 5000 Streiks, Proteste und Massenmobilisierungen registriert.
Seit Wochen gibt es in Teheran Auseinandersetzungen zwischen der Verkehrsarbeitergewerkschaft Vahedund der Polizei und paramilitärischen Kräften. Vahedwurde Juni 2005 gegründet. Es ist die erste unabhängige Gewerkschaft, die im islamischen Regime entstanden ist. Seit ihrer Gründung wird sie ständig angegriffen, ihre Büros wurden verwüstet. Vor kurzem sind 500 Aktivisten verhaftet und gefangengenommen worden, da sie, zur Durchsetzung ihrer Forderungen, gestreikt hatten.
Die Busfahrer fordern ein monatliches Mindestgehalt von 500.000 Toman (ca. 420 Euro), die Legalisierung ihrer Gewerkschaft, gültige Kollektivverträge, soziale und medizinische Vorsorge und Absicherung, Wohnungen und die Freilassung ihres Vorsitzenden Mansour Assanlouund aller verhafteten Streikenden, sowie die Wiedereinstellung der entlassenen Arbeiter. Ihre Losung war (sinngemäß): Einer kämpft für alle, alle kämpfen für einen!
2. Zur versprochenen Umverteilung der Erträge aus dem Erdöl.
Da kann man nur sagen, daß es die Karikatur eines früheren Modells ist, das schon Rafsandjani unter dem Namen „Chinesisches Modell“ angekündigt hatte. Nach der Beendigung des Iran-Irak-Krieges war der Wiederaufbau an der Tagesordnung. Wodurch fand er aber seinen Ausdruck? Durch den Massenmord an politischen Gefangenen im Sommer 1988. Das war ihr politischer Wiederaufbau! Mithilfe der Investitionen, die dann stattfanden und der Riesenprofite wurde ein Verarmungsprozeß größten Ausmaßes eingeleitet.
Heute stellt sich die Frage: Was mag hinter den Versprechungen Ahmadinejads stehen? Auf der Tagesordnung des islamischen Parlaments stehen jedenfalls das knallharte Durchziehen von Strukturreformen und die Abschaffung der Subventionen für Öl und Benzin, auf Druck von Weltbank und IWF. Der Preis für Benzin und Öl soll dem des europäischen „freien Marktes“ angepasst werden. Zwischen den iranischen und europäischen Benzinpreisen ist das Verhältnis 1:15, ein Autobusfahrer in Westeuropa verdient mindestens 7 mal so viel wie sein Kollege in Teheran. Maßnahmen, wie sie hier angekündigt werden, würden natürlich ein explosives Anwachsen der Lebenserhaltungskosten mit sich bringen. Auf diesem Hintergrund sind die populistischen und demagogischen Versprechungen Ahmedinejads wohl nur als präventive Maßnahmen gegen künftige politische Proteste einzustufen, die sich mit Sicherheit gegen die kommenden rapiden Preiserhöhungen richten werden.
Ahmadinejad hat im Rahmen seiner Wahlversprechen einen sog. „Fonds der Liebe“ eingerichtet, über den an junge heiratswillige Paare Kredite vergeben werden sollen, damit sie ihre Hochzeit finanzieren können. Dieses Projekt rangiert unter den breitgestreuten sogenannten Kleinprojekten der Weltbank und wurde im Rahmen eines Weltbankprogramms mit 100 Mio US $ subventioniert. Diese vorübergehende Ausstattungsmaßnahme dient auch dazu, den sozialen Antagonismus, vor allem der Jugendlichen, zu dämpfen. Aus dem Fonds der Liebe werden an Privatpersonen Einzelkredite vergeben, die hochverzinst zurückbezahlt werden müssen. Es ist wohl zu befürchten, dass durch solche und ähnliche Projekte die immensen Ausgaben für den bürokratischen und militärischen Apparat und die anderen Repressionsorgane mitfinanziert werden.
3. Der Kampf gegen Korruption
Ein weiterer Teil des Programms war der Kampf gegen die Korruption. Das müsste aber alle Bürokraten und Funktionäre umfassen. Das System ist aber durch und durch geprägt von Diebstahl, Bestechlichkeit und Postenschacherei, sodaß eine jede noch so kleine Maßnahme gegen Korruption das gesamte Staatsgefüge destabilisieren würde. Dieser Programmpunkt wurde auch ganz schnell auf den Vorschlag des Justizministers zurückgezogen. Der Minister warnte eindringlich vor einer möglichen Gefährdung des Regimes.
Hier wurde auch wieder die Theologie eingesetzt - die zwischen der sogenannten „Kleinen Korruption“ (der Terminus stammt aus der Scharia und kommt ursprünglich aus dem Koran, dort heißt es fesadeh asgar), also einem relevant harmlosen und irrelevanten Vergehen und der„Großen Korruption“ (fesadeh akbar) unterscheidet. Unter Letzteres wird etwa der Kapitaltransfer ins Ausland subsumiert. Die Große Korruptionwird extrem angeprangert, gleichzeitig wird das Andere verharmlost. Der Kleinen Korruptionwird grünes Licht gewährt. Mit dieser pseudotheologischen Rechtfertigung wurde der populistische antikorruptionistische Ansatz Ahmadinejads wieder ausgehebelt.
4. Nuklearpolitik und antisemitische Hetze
Die Wahrheit am Nuklearterror ist, daß sich Atomtechnologie und damit real existierende atomare Massenvernichtungsmittel in großen Dimensionen im Monopol einiger großer imperialistischer Mächte befinden. Dieses Massenvernichtungsarsenal dient ausschließlich den imperialistischen Mächten, einerseits gegeneinander, zum Schutz ihrer jeweiligen Interessen und zur Wahrung ihrer Einflussbereiche, andererseits zur Führung präventiver Schläge in regionalen Raubkriegen wie in Jugoslawien, Afghanistan und dem Irak, wo die schrecklichste Waffe der Menschheit, Munition aus abgereichertem Uran, eingesetzt wird.
Angesichts des wachsenden Energiebedarfs der kapitalistischen Industrie und des drohenden Mangels an fossiler Energie - mit Letzterem wird gern argumentiert - ist die Nuklearindustrie zu einem wesentlichen Zweig innerhalb der imperialistischen Weltwirtschaft geworden. Um die Hegemonie in diesem Bereich besteht eine starke Konkurrenz unter den großen Herstellern von Atomreaktoren.
Was die Atomindustrie des Iran betrifft, so ist sie keineswegs neu. Sie wurde bereits in der Zeit des Schah mit westlicher Technologie geplant und zum Teil bereits aufgebaut. Nach einer kurzen Periode politischer Umwälzungen kamen – bereits im Khomeini-Regime . neue Anlagen hinzu.
Nach dem Ende des Kalten Krieges wurden die Einflusszonen der imperialistischen Mächte entsprechend ihren geopolitischen Interessen neu abgesteckt, da die Eroberung der frei gewordenen Märkte neu durchgesetzt werden mußte. Dementsprechend wurden die Beziehungen zu ihren Handlangern in den abhängigen Ländern neu geregelt.
Was den „Atomstreit“ zwischen dem Iran und den westlichen Ländern, vor allem der USA und der EU betrifft, so handelt es sich hier um eine Neuregelung der obigen Art: Wie kann die politische Macht in abhängigen Ländern wie dem Iran stabilisiert werden, wie ist es möglich, die abhängigen Regionen enger an die imperialistischen Mächte anzubinden und die Trübungen in den Beziehungen zwischen Metropole und abhängigen Ländern zu überwinden?
Die Nuklearpropaganda und die neue Drohkultur Ahmadinejads haben eindeutig eine interne Befriedungsfunktion. Ziemlich irrelevante Konflikte werden maßlos aufgeblasen, und mit allem Einsatz der Propagandamaschinerie sollen, soweit es geht, die Menschen von ihren eigentlichen Problemen ablenkt werden. Die Nuklearfrage wird zur nationalen Kernfrage, und damit wird ein neuer Nationalismus aufgebaut. Indem behauptet wird, die nationale Souveränität und staatliche Integrität des Iran sei in Gefahr, wird gerade der abhängige Charakter des Regimes verdeckt. Es ist eine Irreführung großen Stils, mit der die angestaute und explosive Unzufriedenheit der Massen noch einmal umgelenkt werden soll.
Das gibt der bürokratischen und abhängigen kapitalistischen Klasse die Gelegenheit, ihre Interessen in Abstimmung mit den Interessen des Imperialismus neu zu regeln und damit ihre politische Macht zu stabilisieren.
Was die antisemitischen Drohungen betrifft, so sind sie bloß die Fortsetzung einer Politik, die bereits unter Khomeini praktiziert wurde.
Damals wurde der letzte Tag des Ramadan zum Ghods-Tag(Jerusalem-Tag) ernannt. Seither wurden an diesem Tag, vorgeblich zur Unterstützung des palästinensischen Widerstands, Demonstrationen im Iran und im Ausland abgehalten. Der historische Hintergrund: Während des von den imperialistischen Mächten gesteuerten achtjährigen Iran-Irak-Krieges wurden Tausende meist sehr junge Menschen mit der Parole „Die Befreiung von Ghods führt über Kerbala“ auf die Minenfelder geschickt, wo sie elendiglich umkamen. Khatami, damals Propagandaminister, ist für Zehntausende Tote mitverantwortlich.
Da nun aber Kerbala nicht durch die iranische Armee und die Pasdaran, sondern durch den „großen Satan“ - Amerika und seine Verbündeten - mit militärischer Gewalt erobert und besetzt worden ist und die befreundeten iranischen schiitischen Kräfte eine zentrale Position im Repressionsapparat der Invasoren erhalten haben, kann nun leider von der Befreiung von Ghods über Kerbala keine Rede mehr sein.
Wie sieht die neue Konstellation aus? Gemeinsam gehen die - mehrheitlich von schiitischen Kräften dominierte - Kolonialregierung des Irak, der CIA, der Mossad, die reaktionären irakisch-kurdischen Führer und die vom Iran gelenkte Badr-Armee gegen die Widerstandsbewegung im Irak vor.
Das ist die reale Politik, die hinter all der Drohpolitik steht, und daran sieht man, auf welcher Seite die Islamische Republik in Wirklichkeit steht.
Während die ArbeiterInnen und andere unterdrückten Schichten das islamische Regime im gesellschaftlichen und Produktionsbereich mit ihren Kämpfen zu einer maßgeblichen Entscheidung herausfordern, versucht der bürgerliche Journalismus der Metropolen, das Nuklearprogramm des Iran als Hauptgefahr darzustellen. Ein logischer Bestandteil des demagogischen und populistischen Programms des Regimes ist die extrem rassistische und antisemitische Propaganda, die Leugnung des Holocaust und des millionenfachen Mordes an Jüdinnen, Roma, Sinti, Antifaschistinnen und Kommunistinnen in den Gaskammern des deutschen Faschismus.
Was die Position der linken und revolutionären Organisationen des Iran gegenüber dem palästinensischen Widerstand gegen den rassistischen Siedlerstaat Israel betrifft, so unterstützen wir, wie in der Vergangenheit auch jetzt, den Kampf des palästinensischen Volkes, das seit über 50 Jahren unter Besatzung und Vertreibung lebt. Gleichzeitig grenzen wir uns von den Kräften wie dem Regime im Iran und seinen Verbündeten im Nahen Osten scharf ab, die sowohl von ihrer Ideologie her als auch in ihrer Kampfperspektive keinerlei positiven Beitrag zur Befreiung des palästinensischen Volkes leisten können. Im Gegenteil, nach unserer Einschätzung schaden sie einer demokratischen und revolutionären Entwicklung und stellen sich dem Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes in den Weg. Denn es ist immer nur vom „Islam“ die Rede, nie aber von einer Änderung der Besitzverhältnisse, geschweige denn von einem Sturz des Systems! Wir sind auch der Meinung, dass für Palästina nur die Losung „ein demokratischer säkulärer Staat Palästina“ in Frage kommt, in dem alle ethnischen und religiösen Gruppen friedlich miteinander leben und ihre Politik bestimmen können.
Es stellt sich die Frage, mit welchem Recht ein Regime, das Arbeiterstreiks und Proteste landesweit brutal bekämpft und keine unabhängigen Gewerkschaften zulässt, als Verfechter der Rechte des palästinensischen Volkes auftreten kann?
Das schlagendste Beispiel ist die Gewerkschaft der Busfahrer von Teheran. Die Streikposten wurden durch Schlägerbanden der Regierung überfallen, mehr als 1.200 AktivistInnen verhaftet. Nächtliche Überfälle auf die Häuser der Streikenden sind tagtägliche Praxis des Regimes, der Geheimpolizei und Polizei.
Ebenso verfährt man mit den Textilarbeiterinnen von Sanandadj und mit der Belegschaft der Maschinenfabrik Khodroo und zahlreichen Anderen.
Wie kann man sich als Verteidiger des nationalen Selbstbestimmungsrechtes des palästinensischen Volkes ausgeben, aber gleichzeitig die Forderung nach nationaler Selbstbestimmung des kurdischen, turkmenischen, arabischen Volkes und anderer religiöser und nationaler Minderheiten im eigenen Land mit militärischer Gewalt und Verfolgung beantworten?
Wie ernst kann man ein Regime nehmen, das seine eigenen Kurden aus ihren Städten vertreibt, aber gleichzeitig den moralischen und politischen Anspruch erhebt, gegen die Vertreibung und Erniedrigung der Palästinenser aufzutreten?
Wie kann man Millionen Menschen, vor allem Jugendliche und Frauen, die für ihre Befreiung und das Recht auf Gleichberechtigung und die Aufhebung der reaktionären und patriarchalischen islamischen Gesetze kämpfen, unterdrücken und mit Füßen treten, sich aber gleichzeitig als Herold der Freiheit und Beseitigung der Apartheid für das palästinensische Volk ausgeben?
Durch die Nominierung (nicht Wahl!) Ahmadinejads zum Staatspräsidenten sind all diejenigen politischen Steuerungsorgane, die das Zentrum der Macht ausmachen, wie Velayat-e-Faqi(die oberste theokratische Instanz), Wächterrat, Expertenrat, Schlichtungsrat, Regierung, Parlament, Judikative, völlig gleichgeschaltet und zu einem homogenen Block geworden.
Das eröffnet ungeahnte Chancen für ein massives Vorgehen der konsolidierten Staatsmacht gegen die Protestierenden und Aufständischen. Damit profiliert sich die Macht als potentielle Alternative gegenüber weiteren, jedoch marginaleren Optionen des Imperialismus, wie sie im Inland vorhanden sind (Nationale Islamisten, Nationale Front und Republikaner) und im Ausland (Nationale Widerstandsbewegung6und Monarchisten7)
Den Unterdrückten und Armen des Iran sind all diese Kräfte zur Genüge bekannt und sie erwarten sich von ihnen nichts. Aber was sie wollen und in zunehmendendem Maße stärker anstreben, das ist der Sturz dieses Regimes.
Wir meinen, dass die Gewaltverhältnisse dieser Gesellschaft nur dann zum Verschwinden gebracht werden können, wenn die Ausbeuterklasse entmachtet wird und wenn sich die Völker des Iran in einem großen Befreiungsprozeß der imperialistischen Herrschaft entledigen, die derzeit noch ihr Land verwüstet.
Anmerkungen
1Ardebiliwar oberster Richter und Vorsitzender des Revolutionären Gerichts
2Kish, Qeshm, Chabahar, Anzali, Aras, Arvand, Sarkhs
3Die Nationalen Islamistenbasieren auf der Politik der ersten Ministerpräsidenten Khomeinis, Mehdi Bazargan: Er spielt eine wichtige Rolle beim Übergang vom - von ihm nicht allzu scharf bekämpften – Schahregime zum von ihm anfänglich voll unterstützten Khomeini-Regime, von dem die Kader der Nationalen Islamisten später allerdings an den Rand gedrängt wurden
4Tendenz in der Nachfolge der Nationalen Front von Mossadegh
5Ghods ist die iranische Entsprechung von Al-Quds (Jerusalem)
6autoritär islamistische antikommunistische Großsekte
7werden von den USA finanziell und politisch unterstützt