UPM-Statement, 18 August 2012, Ayanda Kota, 078 825 6462
Das Massaker an den Minenarbeitern von Marikana – eine massive Eskalation des Kriegs gegen die Armen
Zwei Tage sind nun vergangen seit dem brutalen, herzlosen und erbarmungslosen kalten Blutbad an 45 Minenarbeitern in Marikana durch die südafrikanische Polizei. Das war ein Massaker!
Südafrika ist das am meisten ungleiche Land der Welt. Das Ausmaß an Armut ist maßlos. In jeder township gibt es Baracken ohne Sanitäranlagen und Strom. Die Arbeitslosigkeit liegt bei rund 40%. Die ökonomische Ungleichheit wird begleitet von politischer Ungleichheit. Überall sehen sich AktivistInnen ernsthafter Unterdrückung durch die Polizei und lokale Parteistrukturen ausgesetzt.
Der Bergbau war zentral in der Geschichte der Unterdrückung in Südafrika. Bergbau hat Sandtonzu Sandton gemacht und die Bantustans von Ost-Kap zu den verwüsteten Orten, die sie immer noch sind. Der Bergbau in Südafrika hat auch die Eliten in England reich gemacht, indem sie die ArbeiterInnen in Südafrika ausbeuteten. Mensch kann nicht verstehen, warum das ländliche Ost-Kap arm ist, wenn mensch nicht versteht, warum Sandton und die City of London reich sind.
Unlängst war der Bergbau in den Schlagzeilen in Südafrika. Malema, ein korrupter und autoritärer Demagoge, der eine Fraktion der BEE-Elite2vertritt, hat die Verstaatlichung gefordert. Fortschrittliche Kräfte in- und außerhalb der Allianz stellen sich gegen Malema, weil er die räuberischste Fraktion der Eliten vertritt und nach einer massiven Rettungsaktion für seine Freunde sucht, die auf unprofitablen Minen sitzen. Wir stehen für die Vergesellschaftlichung der Minen unter der Kontrolle der ArbeiterInnen. Wir stehen auch für Reparationen wegen der hundert Jahre Ausbeutung.
Die Dinge beginnen sich zu ändern, aber nicht zum Besseren. Khulubuse Zuma, der Neffe des Präsidenten und Zondwa Mandela, ein Enkel des früheren Präsidenten, und viele andere mit engen Familienbanden zu PolitikerInnen wurden über Nacht zu Minen-Magnaten. China ist ebenfalls auf den fahrenden Zug aufgesprungen und plündert unsere Ressourcen.
Frans Baleni, der General(sekretär) der National Union of Mineworkers (NUM), verdient monatlich 105.000 Rand. Die NUM ist zu einer Straße, die in hohe Posten in der Regierung führt, geworden, ja sogar zu Posten in den Vorstandsetagen der Minenunternehmen. Die Gewerkschaft verliert in den Minen rasch jegliche Glaubwürdigkeit. Es ist offensichtlich, dass sie bereits in das System eingebunden ist, und dass sie Teil der Kontrollstrukturen geworden ist. Die Polizei setzt die NUM ein, um sich an die ArbeiterInnen zu wenden. Baleni‘s Verrat an den ArbeiterInnen hat ihn zu einem reichen Mann gemacht – ein reicher Mann, der die Kämpfe der Armen verurteilt und versucht, sie zu unterdrücken. Es ist keine Überraschung, dass die ArbeiterInnen die NUM ablehnen und versuchen, eine alternative Gewerkschaft aufzubauen, oder auf sich selbst gestellt zu agieren, ohne irgendeine Gewerkschaft, die sie vertritt. Die ArbeiterInnen haben recht, wenn sie die NUM-Führer von ihren Streiks davonjagen.
Die Marikana-Mine ist die reichste Platinmine der Welt, und doch leben ihre ArbeiterInnen in Baracken. Die meisten der ärmsten Arbeiter sind die Mineure, sie verrichten die schwierigste und gefährlichste Arbeit in der Mine. Sie verrichten die gefährlichste Arbeit in der Mine und erhalten doch nur 4.000 Rand Monatslohn. Mit ihrem Blut und ihrem Schweiß in den Minen schaffen sie nicht nur einen Wohlstand, der ihnen entfremdet wird, sie schaffen die fetten Katzen, die auf nackten Körpern fressen und saufen, und das sushi nennen.
Die Arbeiter, die den Hügel besetzt haben, kamen von vielen Orten, darunter Swaziland und Mozambique. Aber die meisten von ihnen kamen aus dem ländlichen Ost-Kap, aus den früheren Bantustans, wo die Menschen ihr Leben als lebende Leichen verbringen unter den Bossen, ohne Arbeit, ohne Land und ohne Hoffnung. Jeder Rand, den sie sich von den Kapitalisten zurückholen, ist ein Rand, der in den ärmsten Teil des Landes fließt. Den Teil des Landes, der über ein Jahrhundert lang am meisten zerstört worden ist durch die Minen. Wir feiern jeden Rand, den die Arbeiter zurückgenommen haben von den Kapitalisten, und unterstützen ihre Forderung nach 12.500 Rand Monatslohn voll. Würden Baleni oder Nzimande oder Zuma einen Lohn von 4.000 Rand akzeptieren? Wenn nicht, warum sollte es dann irgendjemand sonst?
Die Streikenden betrachten die NUM-Führer als Verräter. Sie haben sich von der NUM abgekoppelt, weil sie gesehen haben, dass sie sich von der Allianz der Kapitalisten und BEE-Eliten, die den ANC führt, abkoppeln müssen. Die Entscheidung, sich abzukoppeln, was sehr couragiert! Wir werden uns in jedem Sektor abkoppeln müssen, wenn wir eine echte Bewegung für Veränderung aufbauen wollen.
Die ArbeiterInnen unter der Allianz der drei Parteien werden vom Sozialismus ferngehalten, sie werden lediglich dazu ermutigt, für die herrschende Partei zu stimmen. Es geschieht nichts, um ihr soziales Bewusstsein in ihrem Kampf zu schärfen. Sie werden gefördert, an Sensationspolitik teilzunehmen, der Politik, wer führen soll und wer entfernt werden soll. Sie werden gefördert, communities und ArbeiterInnen, die sich unabhängig organisieren, als ihre Feinde zu betrachten.
Es ist leicht, sich dafür zu entscheiden, nicht zu entscheiden. Es ist viel schwieriger, eine Entscheidung zu treffen, die riskant und vielversprechend ist. Für die MinenarbeiterInnen war die Entscheidung, sich von Typen wie Baleni und der Dreiparteienallianz abzukoppeln, eine mutige Entscheidung. Sie verstehen, dass Courage ein wichtiges Element jeden Kampfes ist. Sie verstehen, dass es keine schnelle Lösung im Kampf um eine gerechte Gesellschaft gibt, eine Gesellschaft, die die Rechte der ArbeiterInnen und der Natur respektiert und hochhält, eine Gesellschaft, die auf den Prinzipien beruht, dass jedeR nach ihren/seinen Bedürfnissen leben kann. Diese Gesellschaft beruht darauf, wie die politischen Beziehungen einer/s jeden zu den Eliten aussieht, die vom ANC und seinen Allianz-Partnern besetzt sind.
Wenn die Streikenden unter der Fahne der Dreiparteienallianz protestiert hätten, wären sie nicht abgeschlachtet worden. Streiks der COSATU3waren oft gewalttätig, aber ihre Mitglieder werden nicht wie Tiere abgeschossen. Tatsächlich war die Kampagne zur Unterstützung von Zuma in seinen Prozessen wegen Vergewaltigung und Korruption voll von Drohungen und Gewalt, und trotzdem sind die Zuma-UnterstützerInnen nicht niedergeschossen worden.
Ehe die Mineure den Hügel besetzt haben, haben sie geschworen, dass keine Kugel sie von dort entfernen wird können. Sie waren bereit zu kämpfen und zu sterben, um einen Anteil am Wohlstand dieser Mine für sich selbst und ihre Familien zu ergattern. Das zeigt, dass sie Menschen waren, die sich des Risikos, das ihre Entscheidung bedeutete, bewusst waren, die sorgfältig über dieses Risiko nachgedacht haben, die von ihrem eigenen Bewusstsein geleitet waren und dass sie bereit waren, die Konsequenzen, die daraus entstehen konnten, zu tragen.
Hellen Kellers Worte scheinen wahr: „So etwas wie eine komplette Gesellschaft gibt es nicht, doch wenn es sie gäbe, wie schön könnte das Leben sein. Ein Charakter kann sich nicht in Ruhe und Stille entwickeln. Nur durch Erfahrung von Versuch und Leid wird die Seele gestärkt, die Sehnsucht inspiriert, und der Erfolg.“ Sie sagt weiter: „Um unsere Gesichter auf Veränderung und ein Verhalten wie freie Geister auszurichten, angesichts des Schicksals und Elends, ist die Stärke unbesiegbar.“
Die immense Courage der Mineure, die sich am Nkaneng-Hügel versammelt haben, war unglaublich. Sie waren dazu bereit, wirklich zu widerstehen. Sie waren bereit, ein echtes Risiko einzugehen. Diese Courage finden wir in der Linken nicht. Tatsächlich haben die meisten Linken den echten Kampf in echten communities aufgegeben, zugunsten von Treffen, Konferenzen und e-mails. Die Linke ist zu etwas geworden, was NGOs betreiben. So etwas wie arme schwarze Menschen zu Treffen zu fahren, über die sie keine Kontrolle haben, und aus denen sie nur zu oft wieder rausgeschmissen werden. Wenn es zu echten Kämpfen kommt, an Orten wie den Barackensiedlungen von Zakheleni, eTwatwa oder Kennedy Road, dann ist der Großteil der Linken nicht anwesend. Aber wenn es eine große Konferenz gibt, sind sie alle da.
Die ANC-Regierung hat ArbeiterInnen ermordet, weil sie von einem bekannt ausbeuterischen und sehr, sehr reichen Unternehmen eine Gehaltserhöhung gefordert haben. Die ArbeiterInnen verdienen 4.000 Rand im Monat, sie verrichten die gefährlichste Arbeit. Der ANC-Präsident und die Kabinettsmitglieder verdienen nicht weniger als 2 Millionen Rand im Jahr. Und an dieser Spitze ist Korruption gang und gäbe. Unsere PolitikerInnen sind Teil der globalen Elite. Der schlechtestbezahlte ANC-Angestellte verdient nicht weniger als 20.000 Rand, abgesehen von diversen Zuschlägen.
Die ArbeiterInnen der Marikana-Mine lebten mit ihren Familien in Baracken. Der ANC-Präsident hat unlängst auf seinem Anwesen eine Villa gebaut, eine Villa, die die SteuerzahlerInnen nicht weniger als 200 Millionen Rand kostet.
Es ist die ANC-Regierung, die schießt und Protestierende umbringt, wenn sie um die Anerkennung ihrer Menschlichkeit kämpfen. Unlängst haben sie Andries Tatane ermordet. Sie haben seit 2000 mindestens 25 weitere Protestierende umgebracht. Wenn du arm und schwarz bist, zählt dein Leben für den ANC nichts.
Welche Lektion kann aus dem Massaker an den Minenarbeitern von Marikana gelernt werden? Die Rücksichtslosigkeit dieser Regierung lässt nicht nach, sondern im Gegenteil, sie nimmt zu mit der Anzahl an ArbeiterInnen, die arbeitslos sind, die hungern. Sie kriminalisieren unsere Kämpfe und militarisieren ihre Polizei. Es ist klar, dass jedeR, die/der sich außerhalb des ANC organisiert, in communities oder am Arbeitsplatz, sich ernsthafter und gewalttätiger Unterdrückung durch die Partei und die Polizei ausgesetzt sehen wird.
Die NUM und die SACPhaben ganz klar gemacht, auf welcher Seite sie stehen. Indem sie das Massaker unterstützen und nach weiterer Repression gegen die Arbeiter rufen, haben sie klargemacht, dass sie auf der Seite der rücksichtslosen Allianz von Kapital und Politik stehen. Sie haben erklärt, sehr klar erklärt, dass sie den Krieg gegen die Armen unterstützen. Ihre Reaktionen auf das Massaker sind eine einzige Schande. Keine glaubwürdige linke Gruppe in Südafrika oder irgendwo anders auf der Welt kann mit der NUM oder der SACP wieder zusammenarbeiten. Die Entscheidung der Mineure von Marikana, sich von der korrupten und rücksichtslosen Politik der Allianz abzukoppeln, war gerechtfertigt.
Es wird nicht besser werden, sondern schlimmer. Wenn die Macht der Eliten bedroht ist, werden sie mit immer mehr Gewalt antworten. Der Krieg ist erklärt worden gegen die Armen und gegen alle, die sich außerhalb der Kontrolle des ANC organisieren. Wir können uns nur selbst befreien. Wir müssen uns organisieren und weiterhin außerhalb des ANC zusammenkommen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, in welcher Situation wir uns befinden, klar und couragiert. Viel mehr von uns werden in den kommenden Jahren eingesperrt und umgebracht werden.
Was sie getan haben, kann niemals vergessen oder vergeben werden.
Anmerkungen
1 Sandton ist ein Stadtteil von Johannesburg, gegründet 1969. Er ist das wichtigste Finanzzentrum des Landes, seit den späten 90er Jahren befindet sich hier auch die Börse von Johannesburg. Sandton ist das wohlhabendste Viertel von Johannesburg, nicht weit entfernt von Alexandra, dem wohl ärmsten township des Landes. (de.wikipedia.org)
2 BEE = Black Economic Empowerment. Ein Programm der südafrikanischen Regierung, um die Ungleichheiten der Apartheid wiedergutzumachen, indem zuvor benachteiligten Gruppen (schwarzen AfrikanerInnen, Farbigen, InderInnen und einigen ChinesInnen) ökonomische Privilegien eingeräumt werden, die sie zuvor nicht hatten. (…) Das BEE-System hat zur Schaffung einer neuen „Klasse“, oft als „BEE-Elite“ bezeichnet, geführt. Diejenigen, die davon profitiert haben, haben das auf Kosten der Armen getan.
3 COSATU = Dachverband der südafrikanischen Gewerkschaften, unter ANC-Kontrolle