Auszüge aus: „Die Arbeit der Gewalt“ von Kerry Chance, erstveröffentlicht von der Schule für Entwicklungsstudien im Juli 2010, ISBN 978 1 86840 693 7, erhältlich über die website www.sds.ukzn.ac.za
Die Arbeit der Gewalt: Eine Zeitachse der bewaffneten Angriffe auf Kennedy Road
„Sie hatten jede Form von Waffe, die du dir vorstellen kannst …“ ein Teilnehmer am Abahlali Jugendlager, September 2009.
Am 26. September 2009 wurde die Siedlung Kennedy Road von einer Gruppe Bewaffneter überfallen. Kerry Chance hat aufgrund von rund 100 ZeugInnenaussagen versucht, den Ablauf zu rekonstruieren, wobei sie besonderes Gewicht auf die unterschiedlichen Darstellungen seitens offzieller ‚Akten’ und der Betroffenen legte.
9:00 – Beginn des Kennedy Road Heritage Day1-Wochenendes bei der Gemeindehalle
10:00 – Treffen zum Slum-Gesetz beginnt bei der Halle
18:00 – Abahlali Jugendlager beginnt bei der Halle
20:00 – Polizei und der Nachrichtenoffizier der Provinz treffen ein und verhaften eine Person
22:00 – Eine bewaffnete Gruppe umstellt Häuser des Kennedy Road Entwicklungskomitees (KRDC), des Abahlali Exekutivkomitees und von Mitgliedern des Sicherheitskomitees in der Siedlung
23:00 – Die bewaffnete Gruppe marschiert die Kennedy Road runter
1:00 – Die bewaffnete Gruppe dringt in die Halle ein
3:30 – Vereinzelte Handgemenge, mehrere Verwundete, Häuser und Werkstätten zerstört
4:00 – Geschätzt tausend Menschen beginnen (die Siedlung) zu verlassen
9:00 – Eine Ambulanz trifft ein, und die BewohnerInnen kommen zur Halle
Am 26. September 2009 führten gewalttätige Angriffe einer bewaffneten Gruppe zu zwei toten Männern und geschätzt tausenden Vertriebenen aus der Barackensiedlung Kennedy Road in der südafrikanischen Stadt Durban.2Was über diese Nacht öffentlich gemacht wurde ist, dass einige Mitglieder einer bewaffneten Gruppe, die sich selbst als Unterstützer des herrschenden African National Congress (ANC) bezeichneten, die Volkszugehörigkeit mobilisierten und anti-ImPondo-Parolen riefen.3Das Hauptquartier von Abahlali baseMjondolo, einer sozialen Bewegung der Armen, die nach eigenen Angaben 10.000 Mitglieder landesweit hat, wurde zerstört, dann geplündert.4Gewählte FührerInnen der Bewegung und ihre Familien, insgesamt siebenundfünfzig Eltern und Kinder, deren Häuser von bewaffneten Männern zerstört wurden, gingen in „Verstecke“.5Die Aktivitäten der Bewegung gingen „im Untergrund“ weiter. Dreizehn Mitglieder von Abahlali wurden verhaftet. Bis Juli 2010, noch zehn Monate später, mussten fünf von ihnen im Westville Gefängnis auf ihre Verhandlung warten. In Presseaussendungen der Bewegung behauptete Abahlali, dass die Angriffe von einer „ANC-Miliz“ durchgeführt worden waren und von der Polizei und „hochrangigen“ Beamten unterstützt wurden. An lokalen Universitäten und vor südafrikanischen Botschaften von London über New York bis Moskau versammelten sich DemonstrantInnen unter Abahlali-Fahnen. Kirchenführer und AkademikerInnen vom Erzbischof von Kapstadt bis zu Noam Chomsky verurteilten die Angriffe, ebenso Amnesty International und andere soziale Bewegungen und Gruppen der Zivilgesellschaft.
In den Tagen und Wochen, die dem 29. September 2009 folgten, gaben staatliche Behörden – lokale, auf Gemeinde- und Provinzebene – öffentliche Stellungnahmen ab, die aber eine andere Geschichte erzählten, eine, die behauptete, dass die Gewalt in Kennedy Road eine intensive, lokale kriminelle Angelegenheit sei, verübt von einer „Bürgerwehrgruppe“ mit Verbindungen zu Abahlali. Diese „Bürgerwehrgruppe“ – die dreizehn Abahlali-Mitglieder, die verhaftet worden waren, einer von ihnen ist inzwischen von allen Vorwürfen, die von Mord über Überfall und heimtückische Zerstörung von Eigentum bis zu Raub reichen, freigesprochen worden – hielte die BewohnerInnen von Kennedy Road unter einer Ausgangssperre, halte sie unter Androhung von Gewalt von Fernsehen, Kochen oder Spaziergängen nach 19:00 Uhr ab. Nach den Angriffen verkündete der Provinzminister für Transport und Sicherheit, die Siedlung sei „befreit“, und dass eine Resolution verfasst worden sei, nach der „Abahlali baseMjondolo aufzulösen sei“.6Am 28. September 2009hielten die Behörden ein Treffen und eine Pressekonferenz im Gemeindehaus von Kennedy Road ab, mit 33 „Interessensvertretern“, alle in Naheverhältnissen zum ANC oder zu staatlichen Körperschaften.8In einer offiziellen Presseerklärung, die an diesem Tag veröffentlicht wurde, behauptete der Sprecher des Provinzministers: „laut den Akten [sic] gibt es keine xenophobe oder ethnische Politik in Kennedy Road.“ „Kriminelle“, sagte er, „würden bald zur Rechenschaft gezogen werden, da mag [der Präsident von Abahlali, S’bu] Zikode darunter sein oder nicht.“9Ein Vertreter des eThekwini Wohnungsamtes warnte auf dem Treffen, indem er Ethnophobie schürte, dass der infeme-Chor – in dem einige der dreizehn Verhafteten Mitglieder waren – „in unserer Kultur mit muthi [=Hexerei] in Verbindung gebracht wird.“10Er zitierte aus einer zu diesem Zeitpunkt noch nicht erledigten Entscheidung über ein von Abahlali eingebrachtes Verfahrens zum Slum-Gesetz und sagte, die Bewegung stünde der „Entwicklung“ in Kennedy Road im Wege.
Es folgt eine Zeitachse, eine Beschreibung der Angriffe, die sich in der Nacht des 26. September 2009 in ihrer gewalttätigsten Form entfalteten. Diese Beschreibung dreht sich um das Gemeindehaus, eine Ziegel- und Mörtelkonstruktion in Kennedy Road, einer Barackensiedlung von geschätzt 7.000 Haushalten im Außenbereich der des Stadtgebietes eThekwini. Die Halle war ein Ort alltäglicher Aktivitäten in der community, das nationale Hauptquartier von Abahlali und, das ist wichtig, ein ausdrückliches Ziel bewaffneter Männer. Dazu eine weitere Anmerkung zur Methode: die Zeitachse zeichnet zirka 100 Gruppen und Individuen auf, strukturierte und halbstrukturierte Interviews mit denjenigen, die zum Zeitpunkt der Angriffe anwesend waren, sowohl Männer als auch Frauen im Alter von 18 bis 65 Jahren, quer durch eine Reihe von Mitgliedschaften oder Nichtmitgliedschaften bei Abahlali, bei politischen Parteien, mit unterschiedlichen ethnischen Selbstzuschreibungen, von denjenigen, die in Kennedy Road blieben und denjenigen, die flohen.11Die Interviews wurden vom September, innerhalb der ersten Tage nach Beginn der Angriffe bis Dezember 2009 geführt, mit zeitversetzten follow-ups im März und Juli 2010. Täglich von August 2008 bis Dezember 2009 wurde Forschungsarbeit für den Doktortitel betrieben, wobei Kennedy Road die erste Adresse war, und es gab regelmäßige Besuche zwischen 2006 bis 2010.12KollegInnen stellten zusätzlich 30 transkribierte oder aufgenommene Zeugnisse zur Verfügung.13
Diese Zeitachse, die sich um die Nacht, in der die Angriffe begannen, und auf das Gemeindehaus konzentriert, schlägt drei bedeutsame Dimensionen vor: 1) die Mobilisierung von Mitgliedern politischer Parteien und das Gespenst von ethnisch Anderem, gebunden an materielle Verhältnisse, vor allem an Beschäftigung und staatliche Ressourcen; 2) neue Formen von Politik in einem darauf folgenden sozialen Drama über einen staatlich unterstützten Zusammenbruch durch kriminelle Banden und illegale Kneipen; 3) angezweifelte Ansprüche politischer Souveränität, die in Zeiten von Wahlen als „Entwicklungs“projekte artikuliert werden. Indem diese drei Dimensionen vorgeschlagen werden, diese Zeitachse, inmitten der Vorfälle dieses Tages, werden in groben Zügen Bilder entworfen, Verschiebungen in der Interaktion zwischen Abahlali baseMjondolo, einer sozialen Bewegung der Armen, und den Behörden, in der Zeit von 2008 und 2009, auf lokaler, Gemeinde- und Provinzebene. Diese Dimensionen, die sowohl die Artikulationen während der Angriffe durch bewaffnete Männer als auch die öffentlichen Stellungnahmen der Behörden danach mit sich bringen, verschmolzen, und vertrieben Mitglieder von Abahlali aus ihren Häusern und dem nationalen Hauptquartier in der Siedlung Kennedy Road.
Das ist eine annähernde Zeitlinie, weder fixiert noch endgültig. Weniger mit der Präzision einer tickenden Uhr, mit möglichen zeitlichen Fehleinordnungen bezüglich der Abfolge, ebenso mit durchschnittlicher Konsistenz, obwohl Abweichungen ebenso erwähnt werden. Es ist kein enggefasstes Lesen individueller ZeugInnenaussagen – über die viel gesagt werden könnte – sondern zielt eher auf zeitliche Verfahren, ‚dichte’ Beschreibung ab. Vor allem entfalten sich die Vorfälle, die in ihrer Komplexität in dieser Nacht begannen, weiterhin. Sie ruhen nicht sicher in einer entfernten Vergangenheit. In den Gerichten warten die Verhafteten immer noch auf ihr Verfahren, das auf November 2010 verschoben wurde, die Anhörungen wegen der Kautionen haben die Aufmerksamkeit von ANC-Unterstützern gefunden, von denen einige bewaffnet sind.14In der Siedlung Kennedy Road berichten Abahlali-Mitglieder heute immer noch von Einschüchterung. Draußen wurden diejenigen, die vertrieben bleiben, wie der Präsident von Abahlali S’bu Zikode sagte: „zu Flüchtlingen in unserem eigenen Land gemacht, in unserer eigenen Provinz, in unserer eigenen Siedlung.“15Was endgültig über den 26. September ist, ist, dass in dieser Nacht Welten erschüttert wurden, und dass der Spalt zwischen diesen Welten und den ‚offiziellen’ Akten zumindest bis zum heutigen Tag erschütternd bleibt.
9:00 – Beginn des Kennedy Road Heritage Day-Wochenendes bei der Gemeindehalle
Beginnend um 9 Uhr veranstaltete das Kennedy Road Entwicklungskomitee – ein Komitee, das im letzten Jahr bei der jährlichen Generalversammlung (AGM – annual general meeting), einem Massentreffen in der Halle gewählt worden war – die Feier des Heritage Day, die das Wochenende über andauern sollte.16Abahlali, dem das KRDC angeschlossen ist, hielt eine Woche zuvor in einer Siedlung in Pinetown, genannt eMause, eine ähnliche Feier für alle seine regionalen Zweige ab.17Nach dem 27. September zirkulierte das Gerücht unter den EinwohnerInnen von Kennedy Road, dass die Angriffe eigentlich dort beginnen hätten sollen.18
Die Wochenendfeier sollte, wie KRDC-Mitglieder während der Vorbereitung sagten, der Stärkung der Solidarität innerhalb der community, der Teilnahme der Jugendlichen und dem „anti-Ethnizismus“ dienen. Seit dem Beginn des Präsidentschaftswahlkampfes 2009 brodelten in Kennedy Road, wie in der gesamten eThekwini-Region Spannungen, die entlang gebrochener ethnischer Linien aufbrachen und rasch die Parteipräferenzen, vor allem unter der armen Jugend, neu zusammensetzten.19Ab und zu überschnitten sie sich: Wenn in Gesprächen beispielsweise – innerhalb der Siedlung und breiter im öffentlichen Diskurs – die einen den post-Polokwane-ANC20als ethnisch neues amaZulu chiffrierten, und die Parteiabspaltung COPE (Volkskongress) als amaXhosa.21Darin liegt auch ein stereotypes materielles Verhältnis.Dass nämlich diejenigen mit scheinbar fremder Sprache und Herkunft besseren Zugang zu Jobs, Frauen und anderen Ressourcen – Wohnraum und grundlegende Versorgung – hätten.23
Im November 2008 kursierten unter einigen BewohnerInnen Gerüchte – auf nationaler Ebene, als COPE seine Abspaltung vom ANC ankündigte, und lokal mit der jährlichen Generalversammlung zur Wahl der neuen Führung von Abahlali und dem KRDC – über ein ethnisch motiviertes Komplott, ein „Pondo-Komplott“,24Kennedy Road zu übernehmen.25Der Präsident von Abahlali, S’bu Zikode, wurde beim Betreten der Halle zu Mittag von drei jungen Männern – zwei von ihnen wurden von ihren eigenen Verwandten als von außerhalb der Siedlung stammend erkannt – mit einem Messer und abgeschlagenen Glasflaschen gewalttätig angegriffen. Er wurde am ganzen Körper geschlagen und von zerbrochenem Glas im Gesicht, den Ohren und am Kopf verletzt. Sein dreijähriger Sohn, der zu dieser Zeit bei ihm war, stand daneben und erlebte diese Szene mit.26
Wochen später schlugen gleich neben der Halle fünf junge Männer, die ethnizistische Beschimpfungen riefen – von BeobachterInnen als von außerhalb der Siedlung kommend erkannt – den damaligen Vizepräsident von Abahlali, Lindela „Mashumi“ Figland.27Bei der Abahlali-Generalversammlung schnappte sich ein Mitglied des ANC-BEC (lokales Exekutivkomitee) aus einem anderen Bezirk das Mikrophon, wiederholte Warnungen vor einem „Pondo-Komplott“ und kündigte an: „Jetzt ist die Zeit des amaZulu gekommen.“ TeilnehmerInnen der Versammlung schrieen ihn nieder und verlangten, dass er die Halle verlasse.28
Während Abahlali seit 2005 offiziell eine Position des Wahlboykotts vertrat, sind seine Zweige keine ‚no-go’-Zonen für politische Parteien. Die Bewegung hält ihre Mitglieder auch nicht vom Wählen oder von der Teilnahme an anderen zivilgesellschaftlichen Aktivitäten wie Gewerkschaften, Kulturvereinigungen oder kirchlichen Gruppen ab. In diesen Monaten wurden Parteimanifeste, T-Shirts, Plakate und andere Dinge verteilt und in Abahlali-Siedlungen wurden Treffen abgehalten, darunter auch in Kennedy Road. Lokale ANC-Zweige mieteten Busse für Demonstrationen in diesen Gegenden.
Im Mai und Juni 2009 brachen zwei gewalttätige Auseinandersetzungen in Kneipen in Kennedy Road aus, bei denen ethnische Beschimpfungen zwischen Gruppen junger Männer ausgetauscht wurden und drei Männer ernsthaft verletzt wurden. Abahlali- und KRDC-Mitglieder riefen im Gegenzug zu Treffen in der Halle auf und sprachen über die Gefahr willkürlicher Spaltungen unter „den Armen“, sie veranstalteten Familien-Mediationen und setzten Mütter und Großmütter dazu ein, um weitere Gewalt zu unterdrücken.
Wie es ein Bewohner von Kennedy Road ausdrückt: „Die Apartheid lehrte uns, dass wir Zulus oder Xhosas seien… Ich bin am Östlichen Kap aufgewachsen, ich spreche isiZulu; meine Frau wuchs in KwaZulu-Natal auf, sie spricht isiXhosa… unsere Kinder und wir, wir sind SüdafrikanerInnen, wir sind Schwarze, wir leben alle in diesem Ghetto.29Ethnizität, das ist klar, wurde produziert zwecks Instabilität, ihre historische Wurzel ist schlichtweg Rassismus. Der Heritage Day war laut KRDC-Mitgliedern eine weitere Intervention zum vorrangigen Selbstverständnis als undifferenzierte „Arme“, um zusammen zu kommen, und tatsächlich zur Konstituierung einer community mit dem Anspruch auf „Entwicklung“.30
Es wurde auch über ähnliche Straßenprügeleien in Gegenden, die nichts mit Abahlali zu tun haben, berichtet, wie in Palmiet, das ANC-nah ist. In Embo, einer Siedlung nahe Hillcrest flüchteten angeblich im Juni 2009 isiXhosa-sprechende Menschen aus ihren Häusern, nachdem Nachbarn ihnen ein Ultimatum zum Verlassen gestellt hatten.31In Gleblands behaupteten Besetzer, dass zwei Morde im Wahlkampf und weitere Gewalt im Wohnheim ethnische Selbst- und Zuweisungen an andere mit sich brachten, quer durch die Parteizugehörigkeit. Nach den Angriffen in Kennedy Road verbrannten angeblich ANC-Unterstützer in der Siedlung KwaShembe im township Claremont die Häuser von COPE-Mitgliedern nieder.32BewohnerInnen von Kennedy Road sprachen über diese Vorfälle, über die sie entweder in der Zeitung gelesen oder von Bekannten in diesen Gegenden gehört hatten.
Die öffentlichen Stellungnahmen seitens des Staates und der Parteiverantwortlichen zu diesen Vorfällen waren unterschiedlich.33Während in Embo die Gemeinde und die Provinz das „Aufkochen ethnischer Spannungen“34verurteilten, verschoben sich in Gleblands und Kennedy Road – als Echo der offiziellen Statements während der sogenannten „ethnischen Angriffe“ im Mai 2008 und 2009 – die Konturen der Gewalt hin zu Kriminalität, jeglichen politischen Inhalts entleert. COPE wiederum behauptete in einer Stellungnahme vom 7. Oktober 2009, dass die Getöteten in Gleblands ebenso wie die beiden Männer, die während der Angriffe in Kennedy Road ums Leben kamen, COPE-Unterstützer gewesen waren, die zum Ziel von ANC-Kadern wurden.35Konkurrierende Behauptungen über die Leichen seitens des ANC und COPE in der Provinz zeigen die Politisierung der Siedlung, nicht zuletzt als Schlachtfeld von Parteien, auf.36
Früh am Morgen war die Kennedy Halle beim Heritage-Wochenende fast voll. Es gab inter-ethnische Vorstellungen, in „traditionellen“ und „nicht-traditionellen“, städtischen und ländlichen Formen: Gummistiefel-Tänzer, Pantsula-TänzerInnen, imfene-TänzerInnen, selbstorganisierte Chöre von Schulkindern ebenso wie eine preisgekrönte isicathamiya-Gruppe, die Dlamini King Brothers.37Alle dreiundzwanzig Auftretenden erhielten kleine Pokale oder Medaillen. Einige Männer, die betrunken zur Vorstellung gekommen waren, stichelten und versuchten, die Vorstellung der imfeme-Gruppe zu unterbrechen, sie wurden aber nicht rausgeworfen. Mitglieder der community, rund eintausend, vor allem Frauen, blieben in der Halle, und sahen sich bis ca. 17 Uhr die Vorstellungen an.38
17:30 – Ende der Heritage-Vorstellungen
Die infeme-Gruppe, eine lose zusammengewürfelte Truppe, die lokale Preise gewonnen hatte und in der Siedlung erklärte Anhänger hatte, sollte in der Nacht zu einer Konkurrenz im township Claremont kommen. Sie verließen die Siedlung, immer noch kostümiert, in einem Taxi in der Nähe der Halle.
Am nächsten Tag wurden drei von ihnen bei ihrer Rückkehr verhaftet. Von den dreizehn inhaftierten Abahlali-Mitgliedern – bis heute sind das die einzigen Männer, gegen die wegen des 26. September strafrechtliche Vorwürfe erhoben werden – sind alle isiXhosa-sprechend, sechs sind Mitglieder der infeme-Gruppe, und zwei sind Mitglieder des Kennedy Road Safety and Security-Komitees.39Die Polizei von Sydenham und ein Nachrichtenoffizier der Provinz, der seit 2008 ständig in der Siedlung stationiert ist, nahmen an der Untersuchung der Angriffe und der Verhaftung dieser Männer teil.
Seit 2005 bewachten einige Freiwillige die Halle, und damit auch eine Gesundheitsklinik, genannt Clare Estate „Drop-In Centre“, eine Kinderkrippe und das Büro von Abahlali. Hier waren private Patientenblätter und teure Ausrüstung gelagert: Ein Computer, eine Faxmaschine, Fotokopierer und die Bibliothek. Das Büro beherbergte auch das Archiv von Abahlali – Transparente, Zeitungen, Fotos, die Datenbank mit den Mitgliedern, seine materielle Geschichte.
Am 26. Juli 2009 verlangten bei einem Massentreffen, dem das KRDC vorstand, EinwohnerInnen, angeführt von Frauen, die Einsetzung eines Vollzeit-Safety and Security-Komitees, entsprechend einem nationalen Aufruf für sich auf die community stützende Politik, die während des Präsidentschaftswahlkampfs 2009 von allen Parteien gemacht wurde, und der staatlichen Einführung der „Operation Wanya Tsotsi“.40
Zu dieser Zeit wurden in Kennedy Road gewalttätige Verbrechen, vor allem im Umkreis der Kneipen41wahrgenommen, die sich verstärkten: Mord, Vergewaltigung, Überfälle und Raub. Diese Verbrechen, so sagten TeilnehmerInnen am Treffen, wurden von bekannten Banden verübt und stellten vor allem für Frauen eine ernste Gefahr dar.
Beim Massentreffen wurde ein Sicherheitskomitee, bestehend aus zehn Mitgliedern, ernannt. Die Sydenham-Polizei und der Nachrichtenoffizier in der Provinz befürworteten verbal das Komitee. Bald wurde in der Halle die offizielle Aufstellung des Komitees durchgeführt, der der Superindentent der Sydenhamer Polizei, der Nachrichtenoffizier, das KRDC und EinwohnerInnen beiwohnten.42
Nach den Angriffen behauptete der Provinzminister für Sicherheit, dass das Komitee eine „Bürgerwehr-Gruppierung“ ohne legalen Hintergrund sei.Tatsächlich aber arbeitete das Komitee – in Form von routinemäßigen Treffen und Telefonaten – mit der Sydenhamer Polizei, dem Nachrichtenoffizier und dem KRDC zusammen.
Nach der Einrichtung des Komitees berichteten BewohnerInnen von Kennedy Road dem Komitee über vermutliche Straftäter – deren Fotos und Beschreibungen wurden auf Flugblättern um die Siedlung veröffentlicht. Das Komitee protokollierte jedes Verbrechen und wie darauf reagiert wurde. Verdächtige, die vom Komitee verhaftet wurden, wurden der Sydenhamer Polizei übergeben. Manchmal ersuchte die Polizei das Komitee, jemand zu verhaften.45
Im Jänner 2009 gab es eine physische Auseinandersetzung zwischen zwei jungen Männern, die des Raubs verdächtigt wurden, und drei Mitgliedern des Komitees – alle kannten einander persönlich. Die Sydenhamer Polizei nahm Verhaftungen vor, sie verhaftete aber nicht die Verdächtigen, sondern das gesamte Sicherheitskomitee, darunter Mitglieder, die nicht anwesend gewesen waren und von dem Vorfall keine Ahnung hatten.
Es gab ein Treffen mit einer Mediation auf der Sydenhamer Polizeistation, bei dem Mitglieder von Abahlali, das KRDC und der Nachrichtenoffizier der Provinz anwesend waren. Das Komitee wurde freigelassen, und der Vorfall wurde von beiden Parteien, die gemeinsam friedlich von der Polizeistation heimmarschierten, als aufgeklärt bezeichnet.
Als Antwort auf diese Auseinandersetzung organisierte Abahlali eine Reihe von workshops für das Sicherheitskomitee, mit StudentInnen von der Universität von Südafrika (UNISA) aus dem Straßenrecht genannten Programm, bei dem es um „Menschenrechte“ und die kommunale Polizei betreffende Gesetze ging.
Wochen vor den Angriffen begannen das KRDC und das Sicherheitskomitee, nachdem sich EinwohnerInnen wieder darüber beschwert hatten, dass die Kneipen reguliert werden müssten, mit Verhandlungen mit den Kneipenbesitzern, damit diese um 22:00 Uhr ihre Lokale dicht machten.
Die Beschwerden über die Kneipen gingen zurück auf die Generalversammlung im Jahr 2008, und wurden regelmäßig bei folgenden Massentreffen wieder erhoben. Einige, vor allem ältere EinwohnerInnen sagten, die Kneipen – die als Treffpunkte der Banden dienten – sollten völlig geschlossen und ihre Besitzer aufgefordert werden, die Siedlung zu verlassen. Die Kneipenbesitzer wollten, dass ihre Geschäfte bis Mitternacht geöffnet bleiben, denn sie seien ihre einzige Einnahmequelle.
Laut den damaligen KRDC-Mitgliedern war ein Kompromiss in Sichtweite.
Nach den Angriffen behauptete der Provinzminister für Sicherheit, dass das Komitee eine siedlungsweite „Ausgangssperre“ ab 19:00 Uhr verhängt hätte. Das Nachtleben in der Siedlung umfasste wenig mehr als die Aktivitäten, die angeblich verboten worden waren, nämlich: Fernsehen (dort, wo der Strom angeschlossen war), das Kochen von Mahlzeiten auf Paraffinkochern in den Häusern oder auf offenen Feuern davor, das Schlendern auf Wegen oder der Straße zu anderen Häusern. Eine Sperrstunde wurde jedenfalls für die Kneipen vorgeschlagen, unter verbaler Unterstützung durch die Sydenhamer Polizei.
Die Einsetzung des Sicherheitskomitees bedeutete eine Änderung im Verhältnis zwischen den BewohnerInnen von Kennedy Road und der Sydenhamer Polizei, eine Verschiebung, die viele der Anwesenheit des Nachrichtenoffiziers zuschreiben.46Seit 2005 hat die Sydenhamer Polizei regelmäßig und gut dokumentiert Gewalt und Einschüchterung als Antwort auf Aktivitäten der community ausgeübt, wie die Spuren der Gummigeschosse auf den Körpern der EinwohnerInnen bezeugen. Gegen den Superintendenten der Polizeistation ist ein Zivilgerichtsverfahren anhängig, er ist vom Dienst suspendiert wegen Vorwürfen, die von Hawks gegen ihn vorgebracht wurden, wegen der Verhaftung und Folter des Abahlali-Präsidenten S’bu Zikode und des ehemaligen Vizepräsidenten Philani Zhungu im Jahr 2006. Die zivilgerichtliche Verhandlung ist für Jänner 2011 angesetzt.
Während in der Halle die Heritage-Veranstaltung ablief, übten Fußballteams am Areal, das sich zu Füssen der Siedlung hinzieht. Für das Heritage-Wochenende hatte das KRDC zusammen mit den Vorführungen ein Fußballturnier für den folgenden Tag angesetzt. Es gibt mindestens 16 organisierte Fußballmannschaften in Kennedy Road; alle waren für das Turnier angemeldet. Gegen 18 Uhr trafen sich die Teams bei der Halle für die Auslosung, um festzulegen, wer gegen wen und in welcher Reihenfolge spielt. Das siegreiche Team sollte Fußballausrüstungen erhalten (Leibchen, Hosen und Socken), eine Ausrüstung hing als Beispiel am schwarzen Brett im Abahlali-Büro. Das Turnier begann am späten Abend, weil einige an Samstagen Vollzeit oder halbtags arbeiten. Die Teams verließen den Platz und die Halle gegen 20 Uhr. Das Turnier fand niemals statt. Die Fußballausrüstung wurde, als das Abahlali-Büro später geplündert wurde, gestohlen.
18:00 – Das Jugendlager beginnt
Beginnend um 18:00 veranstaltete Abahlali ein Jugendlager, ein die ganze Nacht andauerndes Treffen, das jeden dritten Monat in der Halle stattfand. Rund dreißig Mitglieder aus Barackensiedlungen aus der Region eThekwini und einige aus Nord-KwaZulu-Natal nahmen in dieser Nacht an dem Treffen teil. Ein Filmteam aus New York, das an einer Dokumentation mit dem Titel Dear Mandela arbeitete, und ein Journalist aus Italien waren ebenfalls anwesend.
Zwei ZeugInnen behaupten unabhängig voneinander, dass zu dieser Zeit ein Mitglied des ANC-BEC (lokales Exekutivkomitee) aus einem anderen Bezirk in einem Taxi auftauchte. Es gab Gerüchte, dass nahe dem Geschäft von Simunye in der Mitte der Straße ein ANC-Treffen stattfand.
Die Abahlali-Jugendliga organisiert die Lager vor allem als die Möglichkeit für Jugendliche, einander zu treffen, obwohl Mitglieder jeden Alters, vor allem Frauen, daran teilnehmen. Zu Beginn des Lagers erstellen die TeilnehmerInnen eine Tagesordnung. Die Gespräche auf den Lagern reichen von Theorien über Armut bis zur strategischen Planung von Veranstaltungen.
Die Lager sind Orte politischer Bildung: es wird über die Geschichte der Bewegung und der community berichtet; Filme über Abahlali werden gezeigt; konzeptionelle Prinzipien des ‚Abahlalismus’ und seiner Verfassung werden diskutiert; umgedichtete Kampflieder werden gesungen.
Wie auf den zweiwöchentlich stattfindenden Treffen von Abahlali in der Halle werden auf den Camps oft die Bedingungen in den verschiedenen Gegenden besprochen – eine Räumung, ein Feuer, oder das Abklemmen von der Elektrizitätsversorgung. Die Lager dauern üblicherweise von 18:00 bis 10:00 Uhr am nächsten Morgen und haben keinen fixen Zeitplan, sodass die Mitglieder sich „aushusten“ können, oder im kollektiven Rahmen über alles mögliche sprechen können, in beliebiger Länge.
In der Nacht der Angriffe waren die Hauptpunkte auf der Tagesordnung das Slumgesetz von KwaZulu-Natal und die Fußballweltmeisterschaft 2010. Früher an diesem Tag, zwischen 10:00 und 12:00 Uhr hatten VertreterInnen aus Kennedy Road und anderen Zweigstellen im Abahlali-Büro, das sich mit der Halle einen Spielplatz und einen Hof teilt, rund 20 Leute, ein Treffen mit ihrem AnwältInnenteam abgehalten, es waren Mitglieder aus Johannesburg angereist, um das Slumgesetz zu diskutieren. VertreterInnen von Abahlali, die vom Slumgesetz-Team gewählt worden waren, sollten am Treffen des Jugendlagers darüber berichten.
Das Slumgesetz war erst Monate zuvor, am 14. Mai 2009, Gegenstand einer Anhörung vor dem Verfassungsgericht gewesen. Abahlali focht die Gesetzgebung des Premiers und des Provinzparlaments von KwaZulu-Natal an, indem es argumentierte, dass das Slumgesetz im Widerspruch zur nationalen Wohnraumpolitik und der in der Verfassung festgelegten fortschrittlichen Verwirklichung der Wohnraumfrage stand, was die Menschen verletzlicher betreffend die bereits routinemäßigen Räumungsdrohungen machte. Angeblich seien ähnliche Gesetzgebungen in anderen Provinzen im Land bereits aufgehoben worden.
Vor dem Treffen am 27. September kontaktierte das AnwältInnenteam Abahlali und sagte zur Vorbereitung: die Entscheidung könne „jeden Tag“ verkündet werden. Tatsächlich wurde die Entscheidung des Verfassungsgerichts nur zwei Wochen nach den Angriffen verkündet. Ein Teil des Gesetzes wurde für verfassungswidrig erklärt, und deshalb für null und nichtig. Abahlali erklärte die Entscheidung zu einem „Sieg“.
20:00 – Die Sydenhamer Polizei und der Nachrichtenoffizier der Provinz kommen an:
Zu dieser Zeit befanden sich die Mitglieder des KRDC und des Exekutivkomitees von Abahlali, die nicht am Jugendlager teilnahmen, zu Hause in ihren Baracken. Als das Jugendlager begann, herrschte in der Siedlung hektische Aktivität. Es war Samstag nacht, das erste klare Wetter seit Wochen, es war Monatsende, die Gehälter und Sozialleistungen wurden ausbezahlt; die Jugendlichen machten sich mit Taxis, die vor der Halle parkten, auf in die Stadt oder zu FreundInnen in anderen communities.
Gleich neben der größten Taxischlange versammelten sich zwanzig oder dreißig Männer, sie waren dort seit 18:00 Uhr und sprachen mit zwei Mitgliedern des Sicherheitskomitees. BeobachterInnen, die vorbeikamen oder an den Heritage-Veranstaltungen oder dem Training der Fußballerinnen teilgenommen hatten, kamen vorbei. Alle warteten auf die Ankunft der Sydenhamer Polizei und des Nachrichtenoffiziers der Provinz.
Ein Mann wurde von EinwohnerInnen, die ihn festgenommen hatten, beschuldigt, in betrunkenem Zustand einen anderen Mann umgebracht zu haben; obwohl der Mann selbst aussagte, er habe keinerlei Erinnerung an diesen Tag. Der Beschuldigte stand ängstlich, die Hände in den Hosentaschen, aber er wurde nicht mit Gewalt festgehalten oder angegriffen. Gegen 20:00 Uhr kamen ein Wagen der Sydenhamer Polizei und ein Zivilauto mit dem Nachrichtenoffizier an, dieser sprach mit den Mitgliedern des Sicherheitskomitees und nahm den Beschuldigten in Haft, ehe er wieder abfuhr.
Zwei Frauen standen daneben und beobachteten die Szene, sie warteten darauf, dass die Komiteemitglieder mit der Polizei und dem Offizier fertig waren, weil eine der beiden berichten wollte, dass ihr Freund, ein Taxifahrer, der sie in der Vergangenheit geschlagen hatte, nun drohte, sie zu verfolgen und umzubringen. Die Sydenhamer Polizei hatte bereits zuvor einen Anruf von der Kreuzung Sparks Road/Clare Road, außerhalb der Siedlung, erhalten, wo sich eine Menge von etwa fünfzig Leuten auf der Straße um den Körper eines blutenden Jugendlichen, der mit dem Gesicht zur Straße dalag, versammelt hatte – es war keine Ambulanz anwesend.
22:00 – Bewaffnete Gruppen in der Siedlung
Zwischen 22:30 und 24:0047Uhr wurden Mitglieder des KRDC und ihre Familien, die zu dieser Zeit in ihren Hütten schliefen, geweckt: Bewaffnete Männer schlugen mit ihren Waffen gegen Türen und Wände der Hütten, zerbrachen Fenster, schrieen „Alle zur Halle! Wir brauchen Abahlali nicht mehr! Wir brauchen das KRDC nicht mehr! Wir brauchen das Forum in Kennedy nicht mehr!“
Einzelne ZeugInnen, die über das Gelände verteilt waren, sahen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe, die Männer aus ihren Betten scheuchten, und einigen mit vorgehaltenen Waffen befahlen, sich ihnen anzuschließen. Ein Mann sagte, dass „ein Mob“, der an seine Tür klopfte, ihn aufforderte, zur Halle zu kommen. Als er hinaussah, sah er einen Lehrer, einen einfachen Bewohner, den er kannte, der bereits schwer verletzt war, er hatte Stichwunden und blutete. Die NachbarInnen trugen den Lehrer die Straße hinauf, um ihn medizinisch versorgen zu lassen. Er und andere riefen wiederholt nach der Ambulanz, er sagte, dass sie nicht vor Tagesanbruch kam.
In einem Fall eines Irrtums schlugen bewaffnete Männer mit Klingen und Stöcken auf die Mauern des Hauses einer Familie und kappten die Stromleitung. Sie verlangten, dass ein Mitglied des „Forums“ rauskomme und riefen, dass sie „töten“ wollten. Als der Mann aus dem Haus sich dem „Mob“ stellte, rief einer von ihnen, dass er nicht „vom Forum“ sei, und sie zogen ab. Er und seine Familie packten ihr Hab und Gut und flohen am nächsten Morgen aus Kennedy.
Eine Frau, die sich zu dieser allein in ihrer Baracke aufhielt, hörte Rufe und dann ein Schlagen an die Tür: Mitglieder der bewaffneten Gruppe drangen mit Gewalt ein, sie suchten ihren Mann, der eines der zehn Mitglieder des Sicherheitskomitees war. Sie beschimpften sie und drohten ihr, sagten, sie sei eine „Hure“ und ein „Miststück von einer Ehefrau eines Wanya Tsotsi“. Ein Mann sagte „wir werden dich stattdessen umbringen“. Sie gingen, versprachen aber wieder zu kommen. Sie rannte aus der Siedlung zu einer Familie im nahegelegenen Palmiet, wo sie die restliche Nacht verbrachte.
Am nächsten Tag rief ein Freund an und sagte, dass die bewaffneten Männer zurückgekehrt seien, die Zeit weiß sie nicht mehr, es war früh am Morgen. Als sie sie nicht fanden, begannen sie mit dem Plündern, nahmen Gewand, Einrichtungsgegenstände und andere Sachen mit. Später an diesem Tag wurde ihr Haus zerstört. Ihr Freund sagte, dass die Polizisten von Sydenham anwesend waren, aber die Männer nicht aufhielten.
Ein Mann, der neben einem der Ermordeten wohnte, sah Mitglieder der bewaffneten Gruppe außerhalb seiner Baracke, sich bewegende Silhouetten, die Stöcke trugen. Er und die, die bei ihm waren, blieben im Haus, sie versteckten sich. Sie hörten draußen „Schreie“. Sie riefen die Polizei. Bei Morgenanbruch flohen sie alle aus der Siedlung. Nach der staatlichen Pressekonferenz und dem Treffen der „Anspruchsberechtigten“ in der Halle am 28. September kam er zurück, um seine Sachen zu holen. Zwei Männer kamen zu seiner Hütte und warnten ihn: „Es gibt hier immer noch Kämpfe. Die Leute suchen dich. Sie sagen, du hast mit dem Forum zusammengearbeitet.“
Gegen 18:30 Uhr, wenige Stunden später, klopften zwei Polizisten an seine Tür. Sie fragten, was passiert sei. Er erzählte ihnen, dass er nicht mit dem „Forum“ zusammen arbeite – was er tatsächlich nicht tat – und dass er keine Ahnung habe. Später in der Nacht wurde seine Hütte niedergebrannt; er verlor alles, während er sich bei einem Freund außerhalb von Kennedy Road aufhielt.
Nun sah mensch an die hundert Männer dicht gedrängt durch die Siedlung laufen, sie bewegten sich in Richtung Straße und zur Halle.48Sie riefen: „Wir brauchen diese roten T-Shirts nicht mehr in Kennedy! Wir brauchen nur den ANC!“
Wie aus den gesammelten Aussagen verschiedener ZeugInnen hervorgeht, sammelten sich in der Nacht ab 22:00 Uhr bewaffnete Männer um zwei Punkte in der Siedlung: vor oder hinter dem Geschäft von Simunye, einem Flaschengeschäft in Kennedy Road, und vor oder hinter der Halle. In der Nähe dieser beiden Punkte wurde einer der beiden Männer umgebracht. Die FührerInnen des KRDC und von Abahlali, die die ausgesprochenen Ziele der bewaffneten Männer waren, wohnen um diese beiden Orte. Später, nach 3:00 Uhr früh, wurden Mitglieder der bewaffneten Gruppe anderswo in der Siedlung gesehen, weiter drinnen unterhalb des Hauptplatzes, wo möglicherweise der andere Mann erstochen wurde und mehrere Menschen verletzt wurden.
Während andere Mitglieder des KRDC in Ruhe darauf warteten, dass der „Mob“ ihre Häuser verlässt, befand sich Lindela „Mashumi“ Figland, der Vizepräsident von Abahlali und Vorsitzende des KRDC daheim, er schlief, nachdem er eine ganze Schicht Wache geschoben hatte. Seine Frau und die dreijährige Tochter schliefen ebenfalls. Gegen Mitternacht hörten sie eine Menschenmenge, es klang wie betrunkene Männer, vor dem Haus, sie hatten Waffen und riefen wiederholt „Wir werden dich imPondo töten! Wir werden dich töten!“ Figland hielt seinem Kind den Mund zu, als es zu weinen begann. Die Familie verhielt sich ruhig, um den Eindruck zu vermitteln, sie sei nicht daheim.
Einige Stunden zuvor war Figland von einem Familienmitglied und einem Nachbarn, dem er vertraute, unabhängig voneinander gewarnt worden, dass auf einem Treffen des ANC in einem Haus gegenüber dem Simunye-Geschäft beschlossen worden war, ihn am nächsten Tag als Vorsitzenden des KRDC zu entfernen. Es gab Gerüchte, dass ihm der Kopf abgeschlagen und in die Halle, sein Körper in den Umgeni-Fluss geworfen werden sollte. Die Familienmitglieder und der Freund rieten ihm zur Flucht. Aus Angst, obwohl skeptisch bezüglich der Gerüchte, verschloss er sein Haus von außen, um den Eindruck zu erwecken, dass er nicht daheim sei. Er sagte, dass der Trick funktionierte, die Männer verschwanden. Danach floh die Familie aus der Siedlung. Später, am 27. September wurde sein Haus geplündert und zerstört.
Nicht weit hinter dem Simunye-Geschäft, obwohl von Figlands Hütte aus nicht sichtbar, schliefen die Frau des Präsidenten von Abahlali, S’bu Zikode, und ihre Kinder in ihrer Baracke. Zikode besuchte zu dieser Zeit seine kranke Mutter in den Midlands. Seine Frau wachte auf und hörte die Schreie: „Phansi S’bu Zikode! Phansi Mashumi! Phansi the KRDC! Zikode verkauft uns an die AmaMpondo! Kennedy gehört den amaZulu!“ Als die Männer gingen, floh sie mit ihren Kindern in das Haus einer benachbarten Verwandten und weckte sie auf. Sie versteckten sich mit den Kindern die verregnete Nacht über im Busch aus Angst, dass sie angegriffen würden.
Aus dem Busch sahen sie später einige bewaffnete Männer zur Halle gehen. Sie sahen Schatten von Menschen zwischen den Hütten laufen, aber sie konnten nicht erkennen, was sie taten. Sie sahen junge Männer auf der Straße. Einige gingen zum Süßigkeitengeschäft eines Mitglieds des Sicherheitskomitees am Beginn der Straße. Sie sahen, wie sie auf den Container einschlugen, Sachen daraus entfernten und dann vergeblich versuchten, ihn anzuzünden. Sie sahen die Flammen. In der folgenden Nacht, um 20:30 Uhr am 27. September, wurde die Hütte der Zikodes zerstört, die Wände niedergerissen, ihr Hab und Gut gestohlen oder mit Macheten zerhackt.
Ungefähr gegen Mittag wachten ein Mann, seine Frau und ihr sechsjähriges Kind, die gegenüber dem Süßigkeitengeschäft wohnen, wegen Schreiereien auf, und sahen, dass bewaffnete Männer gegen den Container schlugen. Der „Mob“ kam auf ihr Haus zu und warf mit Flaschen. Sie riefen ihm zu „wir werden die anderen fertig machen, dann kommen wir, um dich zu holen.“ Die Familie versteckte sich. Früh am nächsten Morgen, die Stunde ist nicht bekannt, als er zurück zu seinem Haus ging, sah er einen Mann aus seinem „Dorf“ in der Region Ost-Kap laufen – ein „Mob“ war hinter ihm her. Aus Angst rannte er zur nahegelegenen Siedlung Foreman Road, von wo er seine Frau anrief. Sie sind nach Ost-Kap geflohen und nicht nach Kennedy zurückgekehrt. Aber seither haben sie ihre Jobs verloren.
Nun wurden bewaffnete Männer gesehen, die die Siedlung verließen, sie sammelten sich beim Haupt-Taxistandplatz neben der Halle. Unter ihnen wurden von mehreren ZeugInnen unabhängig voneinander erkannt, als Besitzer von Kneipen und Taxis sowie „shack-Lords“ und einige, die mit bekannten Banden in Verbindung stehen – alle in irgendeiner Weise lokale „Geschäftsmänner“ – sowie, wie bereits zuvor, betrunkene Jugendliche. Einige Mitglieder der bewaffneten Gruppe waren aus Kennedy Road; andere waren aus anderen Gegenden her bekannt, wie aus dem nahegelegenen Sydenham Heights und aus Burnwood. Später wurde eine kleine Zahl an Frauen, vermutlich fünf, darunter die Vorsitzende des ANC-Gemeindetoilettenprojekts, unter den Männern erkannt.49
23:00 – Die bewaffnete Gruppe marschiert die Kennedy Road runter
Zwischen 23:00 und 23:30 Uhr hörten die TeilnehmerInnen des Jugendlagers Rufe und Trommeln auf die Plastiktoiletten an der Kennedy Road neben der Halle. TeilnehmerInnen, die dem Lärm nachgingen, sahen, was sie als einen „Mob“ beschrieben, geschätzte vierzig Männer mit Stöcken und Buschmessern – später mit Schusswaffen, Flaschen und anderen behelfsmässigen Waffen.
Die bewaffnete Gruppe ging an der Halle vorbei und marschierte die Kennedy Road in Richtung Umgeni Road und sang „Der Kampf Erlaubt Es“,50ehe sie in einen breiten Weg in die Siedlung hinein einbog. Die TeilnehmerInnen des Lagers wurden wachsam, einige verängstigt, aber sie machten weiter mit der Diskussion um die Fußballweltmeisterschaft 2010.
Weil die bewaffneten Männer auf die VIP-Toiletten einschlugen, dachten einige TeilnehmerInnen des Jugendcamps, dass „der Mob“ mit einem Toilettenprojekt zu tun habe, das in den vergangenen Monaten vom lokalen Bezirksrat des ANC ins Leben gerufen worden war.
Der Bezirksrat war seit 2005 in der Kennedy-Siedlung nicht willkommen, damals wurde er im Zuge einer Serie von Protesten von EinwohnerInnen, die schließlich zur Gründung von Abahlali führten, als Puppe in einem Feuerbegräbnis bestattet.51Mit der Zeit hatte Abahlali über ihr Büro staatliche bürokratische Funktionen in der Siedlung übernommen – vor allem das Ausstellen von Meldenachweisen – die die BarackenbewohnerInnen brauchten, um Bankkonten eröffnen zu können, Jobs zu finden, ID-Karten, Sozialhilfe und Unterstützung zu erhalten. Während diese Tätigkeiten ausschließlich dem Bezirksrat vorbehalten waren, behaupteten EinwohnerInnen, dass diese Dokumente nur auf der Basis von Loyalität ihm gegenüber erhältlich waren, der Währung eines eingespielten Systems von Parteipatronage im Bezirk.
Als der Bezirksrat das Toilettenprojekt begann, geschah das ohne Rücksprache mit den BewohnerInnen von Kennedy oder den gewählten Körperschaften der Siedlung, dem KRDC und Abahlali. Als Vorsitzende des Projekts setzte er eine bekannte Aktivistin bei den lokalen Strukturen des ANC ein, eine Frau, die in einem Haus in der Nähe der Siedlung wohnt. Mehrere EinwohnerInnen beschwerten sich im Abahlali-Büro, dass der Bezirksrat Jobs in unfairer Weise vergab.
Vom KRDC und Abahlali wurde das Projekt anfangs als ein Mittel betrachtet, die existierenden community-Strukturen zu untergraben, und gleichzeitig als Versuch, für die kommenden Lokalwahlen auf Stimmenfang zu gehen. Die KanditatInnen bei diesen Wahlen, die für 2011 angesetzt waren, müssen zuerst nachweisen, dass sie eine akzeptable WählerInnenbasis haben. Die Zeit für den Wahlkampf im Bezirk – wie in der Region eThekwini – war jetzt.
Bei der ANC-Regionalkonferenz eine Woche vor den Angriffen auf Kennedy warnte der Vorsitzende der eThekwini-Region vor „Konterrevolutionären … die mit dem Ziel konspirieren, den ANC und seine Verbündeten zu schwächen“, und rief die ANC-Mitglieder auf, „die Errungenschaften von Polokwane zu verteidigen“.
Unter der fetten Überschrift „KRIMINELL“ behauptete er, dass kriminelle Elemente undercover als COPE-Mitglieder in das Wohnheim in Gleblands gegangen seien, um den ANC zu provozieren.52Er fügte hinzu, und dabei bezog er sich auf Abahlali: „Die Elemente dieser NGO, die vom Westen finanziert werden, um uns zu destabilisieren, diese Elemente nutzen alle Arten von Medien und armen Leuten [sic].“ Seine Ansprache bezog sich auf öffentliche Stellungnahmen von verschiedenen Beamten zwischen 2005 und 2010, die Abahlali als illegitime Zivilorganisation bezeichneten und als gefährliche „dritte Kraft“, die darauf abzielte, die Wahlen zu stören und im allgemeinen, die ANC-Strukuren zu unterminieren.
Am 13. September 2009 war in der Halle ein Treffen zwischen Mitgliedern des KRDC, dem Bezirksrat und dem Vorsitzenden des ANC im Bezirk angesetzt, um das Toilettenprojekt zu diskutieren. Das Treffen fand nie statt. In einem Interview am 28. September 2009 mit den Filmemachern von Dear Mandela sagte der Bezirksrat, dass das Treffen abgesagt worden sei, nachdem der Bezirksvorsitzende des ANC ihn angerufen hatte, um ihm mitzuteilen, dass Männer, die Waffen trugen, ihn am Weg nach Kennedy Road überfallen hätten. Er sagte, dass er die Polizei gerufen habe, um den Bezirksvorsitzenden zu „retten“.53
Das KRDC erzählt eine andere Geschichte über das abgesagte Treffen: während sie außerhalb der Halle auf den Bezirksrat und den ANC-Bezirksvorsitzenden gewartet hatten, wurden sie angegriffen. Rund fünfzig Menschen, vor allem Männer, aus anderen Gegenden im Bezirk bekannt, marschierten die Kennedy Road in Richtung Umgeni Road, sie trugen ANC-T-Shirts und riefen ANC-Parolen. Die Marschierenden verlangten, den Bezirksvorsitzenden des ANC zu sehen, der noch nicht angekommen war. Ein KRDC-Mitglied rief ihn an, sagte das Treffen ab und sagte: „Wir erwarten eine Diskussion über dieses Projekt, nun marschieren deine Leute hier auf.“ Die Menge zerstreute sich rasch.
Das Toilettenprojekt brachte eine Veränderung im Verhältnis zum Bezirksrat, der seit 2008 im Stillen mit dem Komitee und der Bewegung kooperiert hatte. Die Mitglieder des KRDC und von Abahlali waren nicht gegen die Toiletten. Die Forderung nach Toiletten – in Kennedy Road lag das Verhältnis im Jahr 2005 bei geschätzten 6 Stück für 7.000 Haushalte – war zentral für die Straßenproteste der Bewegung und ihre weiteren Aktivitäten. Aber die Umsetzung in Wahlkampfzeiten, ohne Konsultation und eine Besprechung über die Jobs auf Basis von Parteinähe wurde in der Siedlung als „schmutzige Politik“ bezeichnet.
Nach den Angriffen behaupten BewohnerInnen von Kennedy, dass eine neue, nicht gewählte Körperschaft in der community geschaffen wurde, deren Vorsitz die Frau führt, die das Toilettenprojekt des Bezirksrates leitete. Diese Körperschaft verwendet das geplünderte Büro von Abahlali. Die Kinderkrippe und die Gesundheitsklinik wurden geschlossen. Aus den Toiletten bei der Halle, die zuvor von Abahlali-Mitgliedern in Schuss gehalten worden waren, beginnen die Abwässer in tiefer gelegene Hütten zu laufen.54
Am 11. Oktober 2009 wurde bei einem staatlichen Treffen von „Anspruchsberechtigten“ ein neues Unterforum des Community Policing Forum (CPF) mit elf Mitgliedern ernannt. Das Unterforum wurde als ein Ziel des Einsatzteams der Provinzregierung mit der Aufgabe, sich um die „Situation in Kennedy“ zu kümmern, bezeichnet. Der Sicherheitsminister fügte hinzu, dass ein Wohnungsprojekt, ein weiteres dieser Ziele, im Februar 2010 in der Siedlung etabliert würde.55
Das Toilettenprojekt, und natürlich auch das Wohnungsprojekt, das niemals in Schwung kam, verweisen auf ein umstrittenes materielles Gebiet von „Entwicklung“, vor allem wie es nach Kennedy Road gebracht wird, und von wem, ob von einer Bewegung von BarackenbewohnerInnen oder einer politischen Partei, oder einem staatlichen Büro. „Entwicklungs“projekte sind nie eine einfache sogenannte „Lieferung“, sondern durch die Einbringung von Beton und Ziegeln ebenso eine Ausübung von Souveränität.
Hinter der Polizei und dem Bezirksrat hatten sich seit 2008 die täglichen Beziehungen mit dem Staat von „der Straße“ in den „Sitzungssaal“ und den „Gerichtssaal“ verlagert. Abahlali war an zwei Komplexen von Verhandlungen mit den Behörden auf Gemeinde- und Provinzebene beteiligt, um Wohnraum und um dringende provisorische Versorgungen, sowie an einer Serie von Gerichtsverfahren, darunter einer Herausforderung der Provinzregierung, das Slumgesetz, das vor dem Verfassungsgericht verhandelt wurde.
Vor diesen Verhandlungen und Gerichtsverfahren waren die Aktivitäten der Bewegung innerhalb des Rahmens staatlicher Institutionen vor allem defensiv: wenn die Gemeinde eine Demonstration untersagte, wenn Mitglieder willkürlich verhaftet wurden, wenn eine Siedlung illegal geräumt werden sollte. Mit der Zeit, als die Bewegung anwuchs zu einer regionalen und nationalen Bewegung, mit Zweigstellen und deren Komitees, wie dem KRDC, operierten diese zunehmend autonom, während mit den bewegungsweiten Kampagnen wechselnde, gewählte Mitglieder von Arbeitsgruppen, die sich aus verschiedenen Zweigen zusammensetzten, beauftragt wurden.
Die erste Runde von Verhandlungen war die mit der Gemeindeverwaltung eThekwini durch eine nicht-regierungs-Beratungsgruppe, genannt Public Participation Trust (PPT). Diese Verhandlungen führten zur Kenntnisnahme der Forderung nach vorläufigen Dienstleistungen von vierzehn Siedlungen, darunter auch Kennedy Road, und von fünf Siedlungen, wiederum inklusive Kennedy Road nach einem permanenten Verbesserungsprojekt.
Mit den Straßenprotesten 2005 forderten die BewohnerInnen von Kennedy die „Entwicklung“ dort, wo sie lebten, und leisteten Widerstand gegen die Umsiedlung in das Parkgate Wohnungsprojekt, das sie als zu weit entfernt von Arbeitsplätzen, Transportmöglichkeiten, Geschäftten und anderen städtischen Annehmlichkeiten bezeichneten. Bei diesen Protesten verlangten die DemonstrantInnen mit einer populären Parole auf Transparenten und T-Shirts vom Staat: „Sprecht mit uns, nicht über uns.“ Die Dlamini King brothers, eine isicathamiya-Gruppe, die die Hymne von Abahlali komponiert haben, planten eine Hand-in-Hand-Kooperation [bambisana] zwischen BarackenbewohnerInnen und RegierungsbeamtInnen [uhulumeni]. Nach mehreren Jahren der Konfrontation auf der Straße begann der Staat „mit“ Abahlali „zu sprechen“.
Die Mitglieder nahmen das nicht ohne eine bestimmte Vorsicht zur Kenntnis. Bei regelmäßigen Abahlali-Treffen und bei Massentreffen in der Halle zwischen 2007 und 2009 diskutierten die Mitglieder die Möglichkeit, dass Verhandlungen statt zur Herstellung von Wasserleitungen eher zur strategischen politischen Demobilisierung führen könnten. Das bedeutet, dass sie „uns in Sitzungssälen auf Trab halten“, sagte einer der Abahlali-Führer, „damit wir nicht auf der Straße bei den Leuten sind.“
Von Mitgliedern wurde während dieser Verhandlungsjahre sowohl der PPT als auch der Stadtverwaltung gegenüber die Frage aufgeworfen, dass „Entwicklung“, die vom Staat kommt, eine Grenzziehung in der „community“ bringt, dass die BewohnerInnen zu „EmpfängerInnen“ werden, um gezählt und klassifiziert zu werden. Ein- und Ausgrenzungen bringen Haushalten, die oft wechseln, dem täglichen Leben in den Siedlungen nichts – beispielsweise bringt das Auf und Ab von verfügbarer Arbeit die BewohnerInnen oft weit weg von ihren Häusern. Darüberhinaus können diese Eingrenzungen sich verfestigen oder sie können politisiert werden, wie es einige Mitglieder bei der anstehenden Verbesserung der Metro in Durban und Kapstadt aus erster Hand erfahren haben.56
Zum Zeitpunkt der Angriffe waren die topographischen Gutachten für die Verbesserungen in Kennedy abgeschlossen, Hütten waren markiert und das erste Mal seit 2001 von der Gemeinde nummeriert worden, und Pläne, darunter die Gestaltung der Einheiten, waren bei Massentreffen abgesegnet worden.
Nach den Angriffen kündigten Verwaltungsbeamte, darunter die VertreterInnen des Wohnungsamtes von eThekwini, an, dass die Regierung innerhalb eines Jahres rechtzeitig vor den Wahlen 2011 Häuser und Strom nach Kennedy Road bringen werde. Die PPT trifft sich weiterhin mit dem KRDC und Abahlali als seinen Partnern beim Verbesserungsprojekt.
Die zweite Verhandlungsebene war mit Beamten der Provinzregierung darüber, dass politische Parteien – neben Räumungen und Toiletten ein weiterer Vorbehalt gegenüber „Entwicklung“ – gegenüber dem Staat korrupt sind beim Aufbau und der Budgetierung von Wohnungsprojekten, vor allem in den neuen Zweigstellen von Abahlali in KwaMashu und Eshowe.
Diese Verhandlungen folgen einer vom Obersten Gericht angeordneten Untersuchung der Bestechungsvorwürfe beim Khulula-Wohnprojekt in Siyanda, Sektion C, KwaMashu, im März 2009. EinwohnerInnen, die „Zuwendungen“ in Zusammenhang mit diesem Projekt erhalten hatten, wurden in ein Transitlager gebracht, nachdem, so sagen sie, ihre Häuser verkauft worden waren.57Der Staat muss jetzt eine Untersuchung durchführen.
Aus dem Blickwinkel von Abahlali-Mitgliedern hat sich die Bewegung auf vielen staatlichen Ebenen Feinde geschaffen, indem sie innerhalb dieser beiden Verhandlungsebenen mit bestimmen Beamten zusammen gearbeitet hat und andere als korrupt geoutet hat, womit sie in Form von Beweisdokumenten den politischen Gegnern eine konkrete Munition verschafft hat, egal ob zwischen den Parteien oder innerhalb des zersplitterten ANC.
Ebenfalls aus dem Blickwinkel seiner Mitglieder hat Abahlali sich einige Feinde auf Gemeinde- und Provinzebene geschaffen, indem es das Slumgesetz bekämpft hat, womit es diejenigen herausgefordert hat, die hinter dem standen, was sich als ein Stück verfassungswidriger Gesetzgebung herausgestellt hat.
Auf Basis dieser Interaktionen mit dem Staat. behauptet Abahlali, hat der Sicherheitsminister angekündigt, Abahlali „aufzulösen“ und die Kennedy-Siedlung für „befreit“ erklärt. Der Staat und ParteisprecherInnen auf lokaler und Provinzebene dementieren jede Beteiligung an den Angriffen.
00:00 – Der Nachrichtenoffizier der Provinz und die Polizei treffen ein
Nachdem sie telefoniert und heimlich durch den Busch zu den Häusern der anderen gegangen waren, trafen Mitglieder des KRDC einander vor Mitternacht bei der Halle. Zwei Mitglieder des Sicherheitskomitees, die zuvor die Verhaftung eines Bewohners durchgeführt hatten, waren bereits anwesend, innerhalb der Umzäunung, die die Halle umgibt und die nun geschlossen war.
Vor ihrer Ankunft beim Abahlali-Büro, gegenüber dem Platz, an dem immer noch das Jugendlager im Gang war, riefen sie den Nachrichtenoffizier der Provinz auf seinem Handy und die Sydenhamer Polizei an. Sie diskutierten, was in der Siedlung geschehen war. Vom Büro aus hörten sie schwere Tritte am nahen Gehweg hinter der Halle. Sie hörten das Kratzen von Klingen am Boden; einer sagte, er hörte das Laden von Schusswaffen.
Gegen Mitternacht kam eine Hundestaffel mit zwei Beamten von der städtischen Polizei zur Halle.58Die Beamten sprachen mit Mitgliedern des KRDC und des Sicherheitskomitees, sie weigerten sich, innerhalb der Siedlung „in die Dunkelheit zu gehen“ und verließen danach bald den Ort.59Der Nachrichtenoffizier der Provinz kam ebenfalls an. Nachdem er geparkt hatte, ging er die Straße rauf, um die bewaffneten Männer zu treffen, die sich am Taxistandplatz sammelten. Angeblich wurde er umzingelt. Er verließ die Siedlung und sagte zu den KRDC-Mitgliedern, dass er mit Verstärkung zurückkommen werde.
„Vielleicht stand uns in dieser Nacht Gott bei, die Polizei jedenfalls nicht“, sagte einer der BewohnerInnen von Kennedy. Die Berichte darüber, wann die Polizei in dieser Nacht ankam und verschwand, weichen weit voneinander ab, ebenso darüber, was sie tat, als sie da war. Zu bestimmten Zeitpunkten war die Polizei angeblich weg; für andere Zeitpunkte, vor allem in den folgenden Tagen, sagten verschiedene ZeugInnen, dass Schlägereien, Messerstechereien und die Zerstörung von Hütten unter ihren Augen vor sich gingen.
Ein Zeuge sagte, dass bewaffnete Männer ihn angegriffen hätten, während die Polizei daneben stand. Ein weiterer sagte, dass er sah, wie Mitglieder der bewaffneten Gruppe einen ihm bekannten Mann, mit dem er sich zuvor im Busch versteckt hatte, gejagt hätten. Er rannte zu den Polizeibeamten um Hilfe; diese sagten angeblich „warum läufst du?“ Er antwortete: „Ich flüchte vor dem Mob; sie verfolgen diesen Mann dort.“ Die bewaffneten Männer rannten an den Polizisten vorbei, sagte er, aber diese taten nichts. Der gejagte Mann wurde niedergestochen und später ins Spital gebracht.
Telefonate einfacher BewohnerInnen innerhalb der Siedlung und TeilnehmerInnen am Lager in der Halle mit der Sydenhamer Polizei zwischen 23:00 und 3:00 Uhr zeitigten keinerlei für diese Menschen sichtbaren Ergebnisse; einigen wurde gesagt, dass es nicht genügend Fahrzeuge gäbe, die geschickt werden könnten.
Der Nachrichtenoffizier der Provinz soll gemeinsam mit einer Hundestaffel gegen 1:00 Uhr zurückgekehrt sein. Zu dieser Zeit gingen er und die Metro-Polizei in die Siedlung, sie folgten dem Gesang hinter und unterhalb der Halle. Sie kamen zurück zur Halle und sagten zu den KRDC-Mitgliedern, dass sie glaubten, der Spuk sei nun vorbei, dann verschwanden sie.60
Jedesmal, wenn Polizeifahrzeuge in die Straße einfuhren, wurde es für einen Augenblick „still“ in der Siedlung. Verschiedene ZeugInnen sahen bewaffnete Männer sich in Baracken, in dunklen Wegen und im Busch verstecken.
1:00 – Die bewaffnete Gruppe kommt zur Halle zurück
Gegen 1:00 Uhr kamen schätzungsweise 50 bewaffnete Männer angeblich vor die Halle zurück. Die LagerteilnehmerInnen waren sich unsicher, ob es die selbe Gruppe war, die die Kennedy Road runtermarschiert war, oder ein „zweiter Mob“. Die bewaffnete Gruppe sang nicht mehr, sondern warf mit Gegenständen, schlug gegen die Plastiktoiletten, jeder Schlag wurde lauter. Die Männer erreichten den Zaun, der nun versperrt war, und der die Kennedy Road vom Platz, der zur Halle gehört, trennt, und schrieen.
Der Präsident der Abahlali-Jugendliga verließ das Lager, und ging hinter dem Zaun auf die bewaffneten Männer zu. Als er näher kam, konnte er erkennen, dass die Männer zusätzlich zu zerbrochenen Flaschen, Stöcken und Buschmessern Schusswaffen trugen.
Er sprach mit einigen von ihnen: „Was wollt ihr?“
Sie riefen zurück: „Wo ist Zikode?“
Er antwortete: „Er ist nicht hier – warum wollt ihr ihn?“
„Weil Zikode die AmaMpondo in Kennedy machen lasst wie es ihnen gefällt!“ sagten sie. Die Männer der bewaffneten Gruppe verlangten Schlüssel zur Halle. Der Präsident der Abahlali-Jugend antwortete, dass die Halle für jederman da sei, und dass derzeit ein Treffen von Abahlali stattfinde. Sie sagten „Nein, für ANC-Treffen, nicht für COPE-Treffen.“ Er sagte: „Wir sind Abahlali, nicht COPE.“
Bald danach hielt laut dem Präsidenten der Jugendliga, der ihre Begegnungen nachzeichnete, der Nachrichtenoffizier der Provinz vor dem Zaun in der Nähe der bewaffneten Männer an. Er ließ das Fenster seines Wagens hinunter und sprach mit Mitgliedern des Sicherheitskomitees. Der Präsident der Jugendliga fragte den Beamten, ob es sicher sei, das Tor zu öffnen, um den TeilnehmerInnen des Lagers das Verlassen zu ermöglichen, und ob die bewaffneten Männer planten, ihn zu verletzen. Der Beamte sagte „Nein, sie wissen, nach wem sie suchen.“ Er schloss das Wagenfenster und war im Begriff, davon zu fahren, als ein in der Nähe befindlicher Bewaffneter schrie: „Gebt uns S’bu!“ Der Beamte öffnete wiederum das Wagenfenster und sagte „ich schlage vor, ihr geht alle nach Hause und klärt diese Angelegenheit in der Früh. Ihr habt bereits gehört, dass Zikode nicht hier ist.“
In der Kinderkrippe war das Abahlali-Jugendlager zu Ende gegangen. Die TeilnehmerInnen lösten bange den Kreis, in dem sie saßen, auf und gingen zur Wand, wobei sie aus dem Fenster sahen. Sie versperrten die Sicherheitstüre zur Kinderkrippe, damit die Männer nicht eindringen konnten. Während sie die Rufe und das Schlagen draußen hörten, diskutierten sie, was in der Siedlung geschehen sein könnte. Knapp vor 3:00 Uhr wurde es auf der Strasse wieder ruhig. Das KRDC, das immer noch im Abahlali-Büro war, sagte, es scheine, dass die Straße für die Filmcrew sauber sei, und dass diejenigen Mitglieder, die in anderen Siedlungen lebten, zu ihren Autos gehen könnten, um abzufahren.
Während der Vorbereitungen auf die nationalen Präsidentschaftswahlen 2009 begriffen die EinwohnerInnen umliegender, dem ANC zuzurechnenden Gegenden Abahlali als eine Front für COPE. Im Norden von KwaZulu Natal bezeichneten lokale Räte und traditionelle Autoritäten Abahlali, das gerade neue Zweigstellen eröffnet hatte, als eine Front für den ANC. Abahlali wurde auch als Front für die IFP (Inkatha Freiheits-Partei) und die DA (Demokratische Alternative) bezeichnet. Praktisch weigert sich Abahlali, irgendeine politische Partei zu unterstützen oder direkt mit Parteistrukturen zusammen zu arbeiten, aber die Bewegung verrichtet ihre Arbeit in Gegenden mit einer komplexen Geschichte an Parteinähen, und das nahm zu, als sie von einer lokalen zu einer regionalen und danach zu einer Bewegung mit Zweigstellen landesweit expandierte.
Das Organisieren unter der Fahne einer sozialen Bewegung, so sagen Mitglieder von Abahlali, kann vor allem dort, wo es ein starkes System von Patronage unter eine Partei oder ‚traditionelle’ Autoritäten gibt, als Bedrohung der lokalen Behörden betrachtet werden.61Kennedy Road, eine Siedlung, in der Abahlali gegründet wurde, hatte Verbindungen zum ANC, und nach 1994 gab es einen Wählerblock für die Partei. Während der Straßenproteste, aus denen 2005 Abahlali entstand, konnte mensch einige ANC-T-Shirts gemeinsam mit denen sehen, die „Kein Land, kein Haus, keine Stimme!“ zeigten. Die Straßenproteste wurden in Pressemeldungen und von EinwohnerInnen trotzdem als antagonistisch gegenüber den lokalen und den Gemeinde-Autoritäten des ANC betrachtet.
3:30 – Die bewaffnete Gruppe betritt die Halle
Gegen 3:30 Uhr sprangen bewaffnete Männer über den Zaun und brachen in die Halle über der Kinderkrippe ein. Sie warfen Steine durch die Fenster, sie warfen Plastiksessel. Der „Mob“ vor der Halle rief nach „Zikode“, rief nach „Mashumi“, nach „Zodwa“, der Sekretärin der Jugendliga, die auch das ehemalige Abahlali-Büro verwaltete.
Der Präsident der Jugendliga sagte „jetzt waren wir einfache Ziele“, und fragte die TeilnehmerInnen, was sie zu tun gedachten – zu diesem Zeitpunkt befanden sie sich in einem kleinen Raum, der als Kinderkrippe diente, neben dem Hauptteil der Halle. Sie beschlossen, erst zu beten und dann zu entkommen zu versuchen. Sie beteten und stachen in einen Zombie, der einem Abahlali-Mitglied aus Siyanda gehörte, und verschwanden, während zwei junge Frauen aus Kennedy mit dem KRDC bei der Halle zurückblieben.
Das KRDC blieb weiterhin im verschlossenen Abahlali-Büro versteckt, am Boden, die Lichter ausgeschaltet. Nach 3:30 Uhr kam der Nachrichtenoffizier der Provinz zurück. Laut dem KRDC erklärte er ihnen, dass einige Leute bei den Angriffen verletzt worden seien, und dass mindestens eine Person in den Hütten ums Leben gekommen sei.
Zwischen 2:00 und 3:30 Uhr war in der Siedlung wiederholt Lärm zu hören, Laufen zwischen den Hütten, Schläge gegen Wände aus Holzplanken. KRDC-Mitglieder konnten hören: „Sie sind nicht da! Sie sind nicht da!“ Und dann „Da sind sie, schnappen wir sie!“ Mehrere berichteten in unterschiedlichen Gegenden der Siedlung, dass sie Männer gehört hätten: „Schießt! Schießt!“
Ein Mann sagte, um 3:30 Uhr kam eine „Menge“ zurück zur Hütte, die er mit seiner Frau – die dem KRDC nahesteht – und drei Kindern im Teenageralter teilt. Seine Familie hatte sich bereits in einer Nachbarhütte versteckt. Er schaffte es zu entkommen, wurde aber am Kopf schwer verletzt. Ihre Hütte wurde später zerstört.
Ein anderer Mann kam gegen 2:00 Uhr nach Kennedy Road zurück, nachdem er ein Auto, das in Durban kaputt gegangen war, zurück geholt hatte. Während er „Menschen hin und her laufen“ sah und „eine Menge Gewalt“, rief er seine Frau in ihrer gemeinsamen Hütte im Inneren der Siedlung an. Sie forderte ihn auf, nicht zurück zu kehren und sagte, dass sie sich mit dem Baby eingeschlossen hätte und seine Schwestern sich „im Busch“ versteckt hätten.
Wie aus den unterschiedlichen Aussagen ersichtlich wird, fächerten sich Angriffe, die mit ausdrücklichen Zielen begonnen hatten, und die die Zugehörigkeit zu politischen Parteien und Ethnien mobilisierten, zu einer Serie von Schlägereien und sich abschwächenden Angriffen in verschiedenen Gegenden der Siedlung auf. Während die Menschen flohen, sich im Busch versteckten, FreundInnen und NachbarInnen anriefen, verbreitete sich der Begriff eines sich daraus ergebenden „Krieges.“ Einige sagten „die Zulus bringen alle Xhosas um“, andere sagten „die Xhosas bringen alle Zulus um.“ Wiederum andere sagten, dass niemand wusste, wer wen angriff. Sowohl die Bedrohungen der isiXhosa- als auch der isiZulu-Sprechenden wurden in den bald darauf erscheinenden Nachrichten aufgegriffen.
4:00 – Geschätzte tausend beginnen zu fliehen
Zwischen 4:00 und 5:00 Uhr überflog ein Polizeihubschrauber die Siedlung. Mit dem Tagesanbruch hatten die EinwohnerInnen zu fliehen begonnen, zu Fuß oder in Taxis, Kinder und Schachteln auf den Rücken gebunden, einige trugen Matratzen, andere packten ihre Habseligkeiten ein, eine Prozession, die den Morgen über und mindestens weitere zwei Tage lang anhielt.
Eine Hausarbeiterin mit ihrem vier Monate alten Kind, die in einer Zwei-Zimmer-Hütte wohnte, schlief in der Nacht, aber gegen 6 Uhr sah sie eine Menge Leute an der Nazareth-Kirche, „die einen am Boden liegenden Körper betrachtete“. Sie sagte, es „war wie im Film.“ Mit Stöcken und Buschmessern bewaffnete Männer kamen bald zu ihr und suchten nach ihrem Freund.
Gegen 6:00 Uhr waren Häuser, darunter das des Sicherheitskomitees und des KRDC, zerstört. Drei Polizeiautos kamen zurück zur Siedlung, die Beamten nahmen Aussagen auf und fragten, wer wen ermordet hätte. Das KRDC, das dem Nachrichtenoffizier der Provinz berichtete, erklärte diesem, dass sie dachten, der lokale ANC stünde hinter den Angriffen.
Diejenigen mit Arbeitsplätzen im formalen Sektor – bei Sicherheitsfirmen, im Baugewerbe, in Fabriken – oder mit Arbeit innerhalb der Siedlung – eine Frau arbeitete in der Gesundheitsklinik, eine Frau verkaufte Container mit Wasser – und vor allem die Besitzer von Nähereien scheinen in diesen Stunden und in den darauffolgenden Tagen besondere Ziele gewesen zu sein.
Eine junge Frau, die in einer Hütte, die aus zwei Räumen bestand, lebte, wovon einer ein spaza-Geschäft62war, der andere der Wohnbereich, schlief in der Nacht. Gegen 9:00 Uhr kam ein „Mob“ an ihr Haus, mit Stöcken und Buschmessern, und wollte ihren Ehemann oder einen Mann sehen. Sie antwortete, dass sie weder noch habe. Draußen war die Polizei. Die Männer gingen, kamen aber später an diesem Tag zurück und meinten, sie lüge, sie „sollte einen Mann haben“. Sie forderten sie auf zu verschwinden, oder sie würden sie vergewaltigen. Ihr Hab und Gut wurde gestohlen und ihr Heim und das Geschäft zerstört. Zuvor hatte sie ihre Familie in Ostkap unterstützt, nun ist sie einkommenslos.
Eine Frau und ihr Mann, die in getrennten Hütten lebten, arbeiteten beide im spaza-Geschäft. Nachdem sie das Wochenende über weg gewesen waren, fanden sie bei der Rückkehr ihre Häuser und Geschäfte zerstört und geplündert vor. Der Mann sagte, das einzige, das er in den Trümmern fand, waren Wagenpapiere. Am nächsten Tag gingen sie nach Ostkap.
9:00 – Eine Ambulanz kommt an und die BewohnerInnen kommen zur Halle
Gegen 7:00 Uhr kamen NotfallsmedizinerInnen zu den Verletzten und brachten einige schwer Verwundete in Ambulanzen. Den KRDC-Mitgliedern, die immer noch im Abahlali-Büro waren, wurde gesagt, dass im oberen Teil der Siedlung eine weitere Person umgebracht worden sei.
Um 9:00 kam eine Gruppe EinwohnerInnen, vor allem Frauen, alle unbewaffnet, zur Halle. Sie verlangten zu erfahren, wer umgebracht worden sei und was in der Nacht geschehen sei. Die Frauen sagten, es gäbe Gerüchte, dass das Sicherheitskomitee dafür verantwortlich sei. Das KRDC erklärte ihnen, dass sie nicht wüssten, wer ermordet worden sei – erste Berichte sprachen von acht Toten. Familienmitglieder konnten einander nicht finden, weil einige BewohnerInnen sich während der Angriffe versteckt hatten.
Früh am Morgen war massenhaft Polizei anwesend. Mindestens 10 Kleinbusse und Kombis mit verschiedenen BeamtInnen wurden gesehen. Einige ZeugInnen sagten, sie sahen immer noch, wie sich bewaffnete Männer ganz oben in der Siedlung herumtrieben, die als Mitglieder der bewaffneten Gruppe der vorherigen Nacht identifiziert wurden. Einige von ihnen sprachen mit der Polizei.
Am Sonntagmorgen suchten bewaffnete Männer immer noch nach Mitgliedern des KRDC und von Abahlali, einige riefen: „Nieder mit Abahlali! Nieder mit dem KRDC!“ An diesem Tag wurden die Hütten von Abahlali-Mitgliedern, KRDC-Mitgliedern und Komiteemitgliedern zerstört. Während der Nacht nach der staatlichen Pressekonferenz in der Halle vom 28. September zerstörten bewaffnete Männer weitere Häuser.
Am darauf folgenden Morgen und in den nächsten Tagen verließen einige die Siedlung, so verängstigt, dass ihre Körper zitterten, bebten, Wörter im Mund, die sie nicht aussprechen konnten.
Hinter dieser Zeitachse, hinter der Siedlung Kennedy Road, hinter Abahlali tut sich ein immer größerer Spalt auftut zwischen den ‚offiziellen’ Akten und sozialen Bewegungen, AktivistInnen und zivilen Organisationen, denjenigen, die mit eigenen Augen die Arbeit der Gewalt in jeder größeren Stadt und in ländlichen Gebieten, auf den Straßen, in townships, in Siedlungen und Transitlagern gesehen haben. Ob in Form von Knüppelschlägen oder Gummigeschossen, willkürlichen Verhaftungen oder Übergriffen im Gefängnis, Zwangsräumungen oder Abschaltung von Dienstleistungen, ob aus der Hand der Polizei oder angeheuerter Wachdienste, durch bewaffnete Gruppen, die sprachliche Zugehörigkeit, Herkunft oder die Nähe zu einer politischen Partei mobilisieren. Die Antwort auf diese Vorfälle durch ‚offizielle’ staatliche Akten seit 1994 war manchmal eine laute Stille, und manchmal eine Verniedlichung als Kriminalität.
Diese Arbeit der Gewalt hat auf Bewegungen abgezielt, die als Modelle ziviler Partizipation und demokratischer Teilnahme wie bei der Treatment Action-Kampagne (TAC), während der, in den Tagen des ‚zivilen Ungehorsams’, HIV-Positive vor den Augen der Öffentlichkeit blutig geschlagen wurden. Sie umfasst Bewegungen, die ‚die Armen’ vertreten, wie die Bewegung der Landlosen (LPM) und zuvor bei den Protesten gegen die Privatisierungen und die neoliberale Politik die Social Movements United, die diese berühmten Bewegungen national und global bekannt werden ließen.63Ebenso Bewegungen wie die Anti-Räumungs-Kampagne (AEC), die wegen ihrer Arbeit zu ‚Xenophobie’ innerhalb ihrer eigenen communities bedroht wird.
Es steht fest, dass jede soziale Bewegung, die antagonistisch gegenüber dem Staat oder Parteistrukturen ist, gegenüber Systemen politischer oder geschäftlicher Patronage, die Ansprüche auf ‚Entwicklung’ und ‚Demokratie’ erhebt, mit dieser Arbeit der Gewalt konfrontiert wurde. Damit ist noch nichts gesagt über die ungezählten, vielen einfachen AktivistInnen, die erschossen, geschlagen und verhaftet wurden, ohne Unterstützung von Bewegungen mit AnwältInnen und Presseaussendungen. Eine 68jährige Frau, die sich den Straßenprotesten gegen die Schließung zweier Schulen, die während der Fußballweltmeisterschaft 2010 zu FIFA-Büros umfunktioniert wurden, angeschlossen hatte, wurde in ihrem Haus mit Polizeigewalt konfrontiert. Sie steht mit ihrer Geschichte alleine da.
Derzeit, so kurz nach einem Moment globaler Feierlichkeiten während der Weltmeisterschaft, ruht die Arbeit der Gewalt nicht sicher in der Vergangenheit, sondern droht, neuerlich systematisch zu werden im demokratischen Südafrika, nicht nur auf Kriminelle abzielend, sondern ebenso auf legitime zivile Gruppen und Personen, die als solche bezeichnet werden können.
Anmerkungen
1 Der 24. September ist in Südafrika ein offizieller Feiertag, an dem die Menschen eingeladen sind, ihr kulturelles Erbe und die Unterschiedlichkeit ihres Glaubens und ihrer Traditionen zu feiern als Nation, die allen südafrikanischen Völkern gehört. (wikipedia.org) – AdÜ
2 (ii) Unter denen, die flohen, waren Familien, die in die St. Philomena’s Kirche in Clare Estate flüchteten, zum Rot-Kreuz-Stützpunkt in Durban Stadt, in die Häuser von Verwandten und Bekannten, vor allem in den benachbarten townships und Barackensiedlungen, ebenso wie Wiesen und in Parks von Clare Road.
3 (iii) Siehe z.Bsp. Nigel Gibson und Raj Patel: http://www.pambazuka.org/en/category/features/59322, 26. Juli 2010. Ebenso Toussaint Losier: http://libcom.org/news/quiet-coup-south-africa%E2%80%99s-largest-social-movement-under-attack-world-cup-looms-02062010 , 26. Juli 2010; Jeff Guy: http://www.abahlali.org/node/6699, 26. Juli 2010. – Die Datumsangaben hinter den links beziehen sich auf Datum, an dem der link abgefragt wurde, AdÜ.
4 (iv) Es handelt sich dabei um eine Schätzung der gegenwärtig in der Abahlali-Datenbank registrierten Mitglieder. Das sind Mitglieder mit von Zweigstellen ausgestellten, offiziellen Mitgliedsausweisen. Die Daten vergangener Jahre sind verloren gegangen, deshalb kann auf dieser Basis nicht festgestellt werden, in welchem Ausmaß und wie sich die Zahlen über die Jahre verändert haben. Abgesehen davon beinhaltet Mitgliedschaft, sei es in einem Sportclub, einer Kirche, einer Tanzgruppe, Gewerkschaft oder sozialen Bewegung eine bedeutende Praxis, organisatorische Prinzipien und Kriterien, sowohl faktische als auch auf unterschiedliche Weise schriftlich festgelegte, mehr oder weniger sorgfältig ausgearbeitet, und vor allem, dass und wie sich soziale Gruppen mit der Zeit ändern.
5 (v) Abahlali-Mitglieder meinen, dass die Bewegung bis zu den Straßenprotesten am Menschenrechtstag 2010 „im Untergrund“ operierte. Die Straßenproteste waren von der Gemeinde eThekwini verboten worden.
6 (vi) Thando Mgaga, The Witness, 16. Oktober 2009.
7 (AdÜ) Im Original „on September 28 2010“, offenbar ein Tippfehler
8 (vii) Siehe: „The Mail & Guardian veröffentlichte eine Befragung der 88 Menschen, das sich bei dem Treffen der „Anspruchsberechtigten“ in das Anwesenheitsregister eintrugen. Neun waren VertreterInnen der Provinzregierung, 12 von der Gemeinde und acht von der Polizei. Nach Abzug von MedienvertreterInnen und anderen Foren und Teilen der Kommunalpolitik zeigte das Register 14 ANC-Mitglieder, sieben Mitglieder der Südafrikanischen nationalen Zivilorganisationen (Sanco) und sieben Leute, die behaupteten, „BewohnerInnen“ von Kennedy Road zu sein … Telefongespräche bestätigten, dass die meisten derjenigen, die behaupteten, einfache BewohnerInnen von Kennedy Road oder BewohnerInnen mit Verbindungen zum ANC zu sein, tatsächlich aus anderen Gegenden wie Puntan’s Hill, Sydenham Heights und der Siedlung Foreman Road kamen.“ http://www.mg.co.za/article/2009-10-11-kennedy-olive-branch-a-sham, 29. Juni 2010.
9 (viii) Am 28. September 2009 organisierten StudentInnen der Universität von KwaZulu Natal ein kleines Treffen am Campus, um die Sammlung von Lebensmitteln, Decken und Gewand für die bei den Angriffen in Kennedy Vertriebenen zu planen. Innerhalb von Stunden erhielt eineR der OrganisatorInnen eine email des Sprechers des Sicherheitsministers der Provinz. StudentInnen bei diesem Treffen betrachteten diese email als staatliche Einschüchterungsmaßnahme. Darin stand das obige Zitat mit einem angehängten, später veröffentlichten Pressestatement.
10 (ix) Danke an Dara Kell und Chris Nizza, die FilmemacherInnen von Dear Mandela für das Zurverfügungstellen von seltenem Filmmaterial über die Pressekonferenz und das Treffen der „Anspruchsberechtigten“. Ebenso für transkribierte Anmerkungen zum 26. September.
11 (x) Die Namen der Interviewten und Informationen, die zu ihrer Identifizierung führen könnten, wurden zurückgehalten. Diejenigen, die verlangten, dass ihre wirklichen Namen angeführt werden und ‚öffentliche’ Personen innerhalb der Bewegung sind aufgenommen worden. Funktionen innerhalb der Bewegung werden bei Einwilligung genannt. Die echten Namen von Personen, die in Interviews erwähnt wurden, wurden ebenso zurückgehalten. Staatliche oder ParteifunktionärInnen werden mit ihrem Titel genannt.
12 (xi) Ich war am 26. September bis 21:00 Uhr in der Halle in Kennedy Road anwesend.
13 (xii) Danke an Kalinica Capello und Francesco Gastaldon für Kopien von transkribierten oder aufgenommenen Aussagen derjenigen, die die Angriffe sahen, für die Abklärung und ihre Gedanken zu diesen ZeugInnenaussagen.
14 (xiii) Die Anhörungen wegen Kautionen für die 13 Verhafteten am magistratischen Gericht in Durban wurden äußerst politisiert. ANC-UnterstützerInnen, die in zwei gemieteten Bussen kamen, Parteifahnen und T-Shirts der Partei trugen, nahmen daran teil. Einige brachten Schlagstöcke und Stöcke ins Gericht mit. Während einer Anhörung über den 26. September griff eine Gruppe junger Männer sowie eine Frau, die ein Partei-T-Shirt trug und sich als ANC-Rätin eines anderen Bezirks identifizierte, einen Reverend in klerikalem Gewand, der bei Abahlali-Mitgliedern stand, mit den Worten „wir bringen dich um“ an.
15 (xiv) http://www.abahlali.org/node/5962
16 (xv) Immer im November hält das KRDC, ebenso wie Abahlali die Wahl für das Komitee in einem Massentreffen ab. Nach ihrer Verfassung können die Komiteemitglieder durch eine ad-hoc-Versammlung, die jedeR besorgte EinwohnerIn verlangen kann, jederzeit abberufen werden. Abahlali baseMjondolo entstand 2005 aus der KRDC-Struktur. Seither blieben die Funktionen und Aktivitäten des KRDC innerhalb der Kennedy-Siedlung verhaftet, während Abahlali in eine stadtweite, dann provinzweite Bewegung mit schließlich Zweigstellen im ganzen Land anwuchs und zum Knotenpunkt in einem politischen Netzwerk quer durch die communities wurde. Siehe Sarah Jane Cooper-Knock bei der Generalversammlung 2008: http://www.dailynews.co.za/index.php?fArticleId=5243863, 30. März 2010.
Ehe der Heritage-Tag 1995 zum nationalen Feiertag erklärt wurde, war es der Shaka-Tag, eine nationalistische Zulu-Feier, die von Demonstrationen und Insignien geprägt war. Nach 1994 wird am Heritage-Tag, in Nelson Mandelas Worten, ein nicht-ethnischer Nationalismus gefeiert, der wie ein Phönix „aus der Asche von Konflikt und Spaltung“ aufsteigt. Siehe die Ansprache von Mandela am Heritags-Tag 1996: http://www.info.gov.za/speeches/1996/960925_0x12696.htm, 30. März 2010.
17 (xvi) VertreterInnen der Allianz der Armen waren ebenso in eMause bei Treffen anwesend, die zwei Tage lang im Abahlali-Büro abgehalten wurden. Der Poor Peoples Alliance (PPA) gehören Abahlali-Westkap, mit Zweigstellen überall in Khayelitsha und in anderen Gegenden in- und außerhalb von Kapstadt, das Ländliche Netzwerk (Rural Network), das im ländlichen KwaZulu-Natal arbeitet, die Westkap-Anti-Räumungs-Kampagne (Anti Eviction Campaign – AEC), die in der ganzen Provinz arbeitet, und die Bewegung der Landlosen (Landless Peoples Movement – LPM) mit Zweigstellen in Johannesburg an.
18 (xvii) Bei diesen Feiern trugen die meisten Interpretationen ‚traditioneller’ Kleidung: einige beschrieben sie als ‚ethnische’ Uniform, andere als Mischform: ein T-Shirt mit Fahne, einen typischen panafrikanischen Hosenanzug, eine Obama-Gürtelschnalle, „Zulu“-Armbänder.
19 (xviii) Die geschätzten 7.000, die Kennedy Road ausmachen, sind ethnisch nicht homogen. Die BewohnerInnen bezeichnen sich selbst als amaZulu, amaXhosa oder als Mabhaca. Teile der Siedlung sind lose mit diesen drei ethnischen Gruppen verbunden, sowohl ständig als auch zeitweise. Die älteste Sektion beispielsweise datiert aus den Gründungsjahren der community in den 80ern, sie befindet sich in Nähe der Halle und besteht aus isiZulu-sprechenden Familien. Die ethnische Selbst- und Fremdzuschreibung wird mobilisiert, nicht ständig, aber in bestimmten Momenten, oft mit historisch erstarrten und neu zugeschriebenen Bedeutungen.
20 Im Dezember 2007 wurde in der Stadt Polokwane die 52. nationale Konferenz des ANC abgehalten, bei der offene Fraktionskämpfe ausbrachen. Diese Sitzung gilt als Gründungsdatum der ANC-Abspaltung COPE (Congress of the People). – Quelle: wikipedia.org, AdÜ
21 (xix) Siehe beispielsweise: http://www.mg.co.za/article/2009-03-27-cope-man-doublecrosses-to-anc, 30. März 2009.
22 (xx) Mit stereotypen materiellen Verhältnissen meine ich materielle Verhältnisse, die als Stereotype zwischen Gruppen, oft zur Grenzziehung, mobilisiert werden, in diesem Fall zwischen ethnischen Gruppen. Sie müssen sich, in anderen Worten, nicht auf aktuelle Praktiken, Interaktionen, Personen oder Formen von Kapital beziehen.
23 (xxi) Umgekehrt werden solche Ansprüche und Behauptungen von denjenigen, die offensichtlich endogam (eingeschlossen) sind, als delegetimiert betrachtet.
24 Pondo (Phondo), ethnische Gruppe in Südafrika, Xhosa-sprachig (wikipedia.org), AdÜ
(xxii) Notiz vom November 2008
26 (xxiii) Es sollte bemerkt werden, dass ethnische Selbstzuschreibungen nicht fixiert sind, sondern zu bestimmten Zeiten aktiviert werden oder nicht, und tiefe Verflechtungen beinhalten, sie sagen nichts über ethnische Fremdzuschreibungen aus, Zikode beschreibt sich selbst als Zulu-Sprechenden, weil er in Nord-KwaZulu-Natal aufwuchs und dorthin familiäre Bindungen hat. Figland beschreibt sich selbst als Xhosa-Sprechenden, nicht als imPondo, weil er mit familiären Bindungen in Ostkap aufwuchs.
27 (xxiv) Im November 2008 wurde über mehrere Zwischenfälle von Gewalt gegen Führer von sozialen Bewegungen in Westkap berichtet. Während es keine Anzeichen von Koordinierung bei diesen Zwischenfällen gibt, verweisen sie doch auf ähnlichen, strukturellen Vorwahldruck. Im gleichen Monat wurden Zikode und Figland in Kennedy Road angegriffen, der Vorsitzende von Abahlali-Westkap wurde in seinem Haus in Khayelitsha gewalttätig attackiert. Eine verbündete Bewegung, die Anti-Räumungs-Kampagne (AEC) wurde in Symphony Way mit Molotow-Cocktails angegriffen, von denen angenommen wurde, dass sie den Vorsitzenden der AEC und das Büro der Bewegung, in dem er am Boden schlief, zum Ziel hatten. Schließlich wurde ein Fahrzeug, das einem Mitglied des Joe Slovo Einsatz-Teams – einer community-basierten Organisation in Langa, die ihre Räumung wegen des Projekts der N2-Einfahrt vor dem Verfassungsgericht in bemerkenswerter Weise bekämpfte – gehörte, mit Benzinbomben angegriffen.
28 (xxv) Die Person neben dem Mikrophon antwortete mit einem Satz, der danach zum Eröffnungsaufruf bei vielen Massentreffen wurde: „Wir sind alle Mhlali, egal ob Zulu, Xhosa, InderInnen, Farbige, egal ob ANC, AD, COPE, IFP oder was auch immer.“
29 (xxvi) Persönliches Gespräch im September 2009.
30 (xxvii) Im gleichen Monat, dem Juni 2009, tauchten sogenannte „xenophobische“ Angriffe provinzweit in Westkap auf. Diese Angriffe hatten, obwohl unterschiedlich artikuliert und mit ihren jeweiligen Besonderheiten, sowohl historischen als auch aktuellen, wie ein Bericht von Amnesty International nahelegt, die gleiche Struktur. Während eines „anti-xenophoben“ Treffens in Guguletu am 15. Jun 2009, an dem ein Beamter der Vereinten Nationen und Polizei teilnahmen, und das von einem Partner von Abahlali in der Allianz der Armen – der Anti-Räumungs-Kampagne – organisiert wurde, wurde ein Interimskomitee gewählt, um sich um die Risse in den communities zu kümmern. Eine Stunde nach dem Treffen wurde ein somalischer Mann aus diesem Komitee ermordet, sein Geschäft niedergebrannt. AEC-Mitglieder, die gegen „Xenophobie“ arbeiten, wurden ebenso zur Zielscheibe. Seit Juni hat die AEC weitere Treffen und workshops abgehalten, um der „Xenophobie“ zu etwas entgegen zu setzen. In Hanover Park, wo wie in Kennedy Road seit 2008 ein Nachrichtenoffizier der Provinz stationiert ist und gegenwärtig die Einrichtung eines von der community getragenen Forums unterstützt, um Bandenaktivitäten zu bekämpfen, wurden Mitglieder der AEC angeschossen und verhaftet.
31 (xxviii) Ntokozo Mfusi, Die Community Embo möchte ein Ende der Kämpfe und die Rückehr der Xhosa in ihre Häuser, Freitag, 5. August 2009, The Mercury.
32 (xxix) Siehe Mary de Haas, 22. März 2010, Daily News: http://www.dailynews.co.za/index.php?fArticleId=539848
33 (xxx) Nationale Beamte haben keine Stellungnahme zu den Angriffen in Kennedy abgegeben.
34 (xxxi) Ntokozo Mfusi, Die Community Embo möchte ein Ende der Kämpfe und die Rückehr der Xhosa in ihre Häuser, Freitag, 5. August 2009, The Mercury.
35 (xxxii) Die Presseaussendung datiert vom 7. Oktober 2009 und stammt von COPE-Sekretär der Provinz KwaZulu-Natal.
36 (xxxiii) Von Nachbarn oder denen, die sie kannten, kann nicht bestätigt werden, ob die beiden Männer COPE-Unterstützer waren. Beide waren ununterbrochen angestellt, sie lebten in separaten Gegenden der Siedlung; sie haben sich an regulären Treffen von Abahlali nicht beteiligt. Die Klärung der Frage, wer die beiden Männer getötet hat, bleibt dem anhängigen Gerichtsverfahren vorbehalten, in dem weitere Beweise sowohl seitens der Anklage als auch der Verteidigung öffentlich gemacht werden werden. Über diese Frage gibt es unterschiedliche Varianten. Der Zweck dieser Zeitachse ist es nicht, Vorschläge zur Auflösung dieser Varianten zu machen.
37 Pantsula ist seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts eine vor allem unter Jugendlichen populäre Tanzform in Südafrika. (ehow.com) Isicathamiya ist eine Zulu-Gesangstradition, sie bedeutet „auf Zehenspitzen“ oder „beim Anschleichen“, die Ende des 19. Jahrhunderts unter migrantischen Zulu-Arbeitern entstand. (wikipedia.org) - AdÜ
38 (xxxiv) Diejenigen, die die Vorstellungen in der Halle verfolgten, sind vor allem Mitglieder von Abahlali, wie es viele EinwohnerInnen von Kennedy Road sind, sie sind in einer Mitglieder-Datenbank registriert; sie haben auch andere Naheverhältnisse zu politischen Parteien, zu Kirchengruppen, zu Gewerkschaften.
39 (xxxv) Nach anfänglichen Berichten hieß es, dass alle dreizehn Verhafteten Mitglieder des Sicherheitskomitees waren.
40 (xxxvi) Der Staat begann Anfang Juli 2009 mit der „Operation Wanya Tsotsi“, einem „Programm zur Mobilisierung der Öffentlichkeit“ gegen Verbrechen. Diese „Operation“ war Teil einer breiteren Verstärkung polizeilicher Tätigkeiten während der Vorbereitungen zur Fussballweltmeisterschaft 2010, darunter die kontrovers aufgenommene „shoot-to-kill“-Politik. Der Polizeiminister Fikile Mbalula beschrieb die „Operation“ als: „eine Waffe, um dem strategischen Gegner Angst und Respekt einzuflößen. Sie ist ein Ausdruck, dass die eigenen Kräfte für den Krieg bereit sind. Sie ist ein Zurschaustellen der Stärke! Sie ist eine Kriegserklärung!“ (Siehe: http://www.capetimes.co.za/index.php?fArticleId=5062571, http://www.mg.co.za/article/2009-07-01-criminals-in-the-dwang-war deputy-minister, 30. März 2009). Abahlali greift, wie andere soziale Bewegungen, oft staatliche Events und Kampagnen modifiziert auf: Nationale Feiertage wie der Freiheitstag werden zum Un-Freiheitstag, Wahlmobilisierungen werden zu „Kein Land, Kein Haus, Keine Stimme“, die Fussballweltmeisterschaft 2010 wird zur Weltmeisterschaft der Armen. Das Sicherheitskomitee von Kennedy Road wurde bei einfachen Gesprächen und Massenversammlungen nicht mit „Wanya Tsotsi“ oder diesen Begriffen von „Krieg“ in Zusammenhang gebracht.
41 „shebeen“: „illegale“ Kneipen, in denen Alkohol ausgeschenkt wird. (wikipedia.org)
42 (xxxvii) Ein Foto dieses Treffens wurde in der lokalen Boulevardzeitung The Rising Sun veröffentlicht.
43 Ebenfalls: minister for „safety and security“. AdÜ
44 (xxxviii) The Witness, 20. Oktober 2009, S. 7. Das Sicherheitskomitee war kein formales CPF (community policy forum), obwohl im Bezirk ein CPF existiert, das gelegentlich mit BewohnerInnen von Kennedy zusammenarbeitet.
45 (xxxix) Diese aufgezeichneten Vorfälle gingen davon, dass ein Nachbar, der früh zur Arbeit muss, sich über die laute nächtliche Musik beschwerte, über eine versuchte Vergewaltigung eines jungen Mädchens auf der Straße bis dahin, dass BewohnerInnen von Geschäften wieder nach Hause begleitet wurden.
46 (xl) Die Anwesenheit des Nachrichtenoffiziers der Provinz, der sagte, dass er sich in den 80er Jahren bei seiner nachrichtendienstlichen Tätigkeit in KwaZulu-Natal die Zähne ausgebissen hat, führte zu Vermutungen einiger EinwohnerInnen, ob er statt krimineller vielleicht politische Aktivitäten untersuchte, vor allem die von Abahlali. Die meisten BewohnerInnen und das KRDC aber sagten, dass sie ihn als sympathischen Mediator mit der Sydenhamer Polizei willkommen heißen. Jahrelang weigerte sich die Sydenhamer Polizei, Anrufe von EinwohnerInnen zu beantworten, oder in die Siedlung zu kommen. Einer Frau beispielsweise, die von ihrem Mann geschlagen worden war, wurde gesagt, sie solle zur Halle oder zur Polizei gehen, um über das Verbrechen zu berichten; sie würden nicht zu ihr nach Hause kommen.
47 (xli) Die Zeit wurde von ZeugInnen geschätzt, obwohl sie sich über einige Sachen einig sind: beispielsweise sagten KRDC-Mitglieder, zwischen 23:15 Uhr und Mitternacht, der erste Mann berichtete über ca. 23:30 Uhr; die Familie berichtete, etwas vor Mitternacht; und die Frau berichtete 23:20 Uhr. Enthalten sind Aussagen von ZeugInnen ohne Naheverhältnis zu irgendeinem Komitee – sei es das KRDC, Abahlali oder das Sicherheitskomitee – ebenso wie Abahlali-Mitglieder, FührerInnen und ihre Familien.
48 (xlii) Mensch beachte, dass “hundert Männer” eine Schätzung ist, die von voneinander unabhängigen ZeugInnen vorgebracht wurde. Ebenso sagte jemand insgesamt „dreihundert Männer“; wiederum andere sagten „zu viele“, um sie zu zählen. Die Unterschiede könnten auch den unterschiedlichen Örtlichkeiten in der Siedlung, an denen die ZeugInnen waren, geschuldet sein. Ein Mann berichtet, dass einer im Gewimmel der bewaffneten Männer „eine Schaufel“ zum Simunye-Geschäft trug, was, wie er sagte, mit muthi assoziiert wird, einem Schutz bei einer „Kriegserklärung“.
49 (xliii) Obwohl einige von ihnen, die sich beim Haupt-Taxistandplatz nahe der Halle sammelten, anti-imPondo-Parolen riefen, sagten zwei ZeugInnen, die bewaffneten Männer wären selbst ethnisch nicht homogen gewesen. Beispielsweise sagte eineR: „Sie waren Zulus, Bhacas, Xhosas, alle Arten von Menschen.“
50 (xliv) Einige sagten, sie sangen “Der Kampf erlaubt es”, andere sagten Lieder, die “Kriegsaufrufe” waren, oder “kriegsgesangähnliche” Lieder, oder “aggressive Lieder”.
51 (xlv) Zur Geschichte des Aufstiegs von Abahlali siehe Richard Pithouse, “Our Struggle is Thought on the Ground Running“: http://libcom.org/library/short-history-shacks-shack-dwellers-struggles-durban, 30. März 2009.
52 (xlvi) Der Vorsitzende des ANC der Region eThekwini 2010 fand sich später selbst inmitten gewalttätiger politischer Auseinandersetzungen in seinem eigenen Garten wieder, als COPE-Mitglieder aus ihren Häusern im township Claremont vertrieben und die Häuser niedergebrannt wurden.
53 (xlvii) Der ANC-Bezirksrat wiederholte im selben Interview die staatlichen Darstellungen der Angriffe. Obwohl er seit 2005 nicht in der Siedlung gewesen war, sagte er auch: „Die Menschen sind absolut von ihnen [Abahlali] in Schrecken versetzt, und sie scheinen in Angst zu leben. In ständiger Angst vor ihnen.“
54 (xlviii) Die Halle selbst wird nun angeblich als Lager für Wellblech für Notunterkünfte seitens der Regierung verwendet. Diese Notunterkünfte werden typischerweise in kontrollierten Anlagen, sogenannten „Transitlagern“, verwendet, der letzten Technologie bei der „Slumsäuberung“. BewohnerInnen von KwaZulu-Natal bis zum Westkap, die sich gegen diese Anlagen zur Wehr setzen, haben sie als „Regierungsbaracken“ bezeichnet. Abahlali hat in einer Presseerklärung, die in Zusammenhang mit dem Fall des Slumgesetzes stand, gesagt, dass die Unterkünfte „würdelos“ sind. Seit den Angriffen vom September wurden mehrere Reihen von Notunterkünften in Kennedy Road installiert. Mindestens ein Mann wurde bei einer Auseinandersetzung um die Verteilung des Wellblechs getötet, sie folgte einem Slumfeuer im Juli 2010, das 3.000 obdachlos machte und mindestens zwei Menschenleben forderte.
55 (xlix) Siehe die Presseerklärung des Sicherheitsministers vom 13. Oktober 2009 und das Statement der Provinz-Legislative vom 15. Oktober 2009.
56 (l) Sogar TeilnehmerInnen regelmässiger Treffen schlussfolgerten, dass „Entwicklung“ letztendlich den Staat und seine Ressourcen einbeziehen müsse. Wenn EinwohnerInnen bei Massentreffen, die innerhalb demokratischer community-Strukturen verlaufen – das heißt außerhalb des Systems der Patronage von politischen Parteien oder NGOs – die letztendlichen Entscheidungsträger bleiben, hätten solche Projekte möglicherweise eine Zukunft.
57 (li) Transitlager, von der Regierung errichtete Notunterkünfte in kontrollierten Anlagen sind die letzte Technologie bei der Slumbereinigung. Gegenden mit Abahlali-Zweigen haben der Umsiedlung in Transitlager Widerstand entgegengesetzt.
58 (lii) EinE ZeugIn sagte, die Hundestaffel und zwei Beamte seien von Durban-Zentrum gewesen.
59 (liii) Polizei aus Durban-Zentrum, Sydenham und Inanda, sagten ZeugInnen, wurde später in der Nacht und früh am Morgen gesehen sowie an den darauffolgenden Tagen.
60 (liv) Zwei Mitglieder des Sicherheitskomitees begleiteten den/die italienischen JournalistIn gegen 23:45 Uhr zu einem Taxistandplatz. Gegen 1:00 Uhr wurde der Filmcrew vom KRDC erklärt, sie solle ihr privates Auto von der Straße in die Halle fahren, dort wäre es sicherer.
61 (lv) Mitglieder beschreiben das Mantra auf ihren Mitgliedskarten – „Abahlali baseMjondolo ist eine soziale Bewegung, keine Partei“ – zum Teil als Schutzvorschrift. Im August 2009 wurde ein Treffen in Tin Town, Eshowe angeblich von „warlords“ unterbrochen, bewaffneten Männern in einem schnellen Fahrzeug, die angeblich vom lokalen IFP-Bezirksrat geschickt worden waren, und die den Abahlali-Delegierten aus Durban die Waffe anhielten und sie beschuldigten, eine Front für den ANC zu sein. Siehe: http://www.abahlali.org/node/5646.
62 Kleine, informelle Geschäfte, meist von zu Hause aus betrieben, in der Dinge für den alltäglichen Bedarf angeboten werden. (wikipedia.org) - AdÜ
63 (lvi) Social Movements United war die Fahne von Zivilorganisationen und Bewegungen, die in Johannesburg gegen das Welt-Treffen über Nachhaltige Entwicklung protestierten, darunter die Sozialen Bewegungen Indaba (SMI), das Anti-Privatisierungs-Forum, das Elektrizitäts-Krisenkomitee Soweto und das Forum Besorgter BürgerInnen. Zu Hintergründen über das Auftauchen neuer sozialer Bewegungen in Südafrika siehe z.Bsp. die Seminararbeit von Ashwin Desai: Wir Sind Die Armen: Community-Kämpfe im Post-Apartheid-Südafrika. New York: Monthly Review Press (2002). Siehe Patrick Bond: „Südafrikas Wiedererwachenden Städtischen Sozialen Bewegungen“, Bericht 22 des Zentrums für Untersuchungen der Zivilgesellschaft: S. 1 – 34 (2004), und Links Sprechen, Rechts Gehen: Südafrikas Frustrierende Globalen Reformen. Durban: Universität von KwaZulu-Natal-Press (2004). Siehe Anti-Privatisierungs-Forum et al. „Nichts für Mandela“, Bericht 16 des Zentrums für Untersuchungen der Zivilgesellschaft: S. 1 – 30 (2004). Siehe Fiona Lumsden und Alex Loftus, „Inandas Kampf Durch Röhren und Tunnels: Untersuchung der Beziehungen Staat-Zivilgesellschaft in einer Informellen Siedlung in der Post-Apartheid“. Bericht 6 des Zentrums für Untersuchungen der Zivilgesellschaft: S. 1 – 35 (2003). Siehe weiters Richard Ballard, Adam Habib und Imraan Valodia: Lauter Protest: Soziale Bewegungen im Post-Apartheid-Südafrika. Scottsville: Universität von KwaZulu-Natal-Press (2006).