Info-Verteiler; Quellen: de.wikipedia.org/wiki/Elfenbeink%C3%BCste, e-Mails aus Côte d’Ivoire, ia.rkp-Flugblatt vom Februar 2011 etc.
Französische Wahl
Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) ist etwa viermal so groß wie Österreich (322.000 km2) und hat ca. 19 Millionen EinwohnerInnen. Die Hauptstadt ist Yamoussoukro, der Regierungssitz in Abidjan. Im Süden prägen Regenwald und Mangroven die Landschaft, im Norden Trockenwälder und Savannen. Seit der Kolonialzeit hat sich allerdings der Waldbestand drastisch verringert, teils durch Anlage von Plantagen, teils durch Abholzung.
Die Bevölkerungsanzahl ist in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen, was zu einem Gutteil der Migration geschuldet ist. Schätzungsweise 2 Millionen Menschen aus Burkina Faso leben in Côte d’Ivoire, insgesamt wird die Anzahl von MigrantInnen auf ein Viertel der Gesamtbevölkerung geschätzt. Andererseits leben ca. 1,5 Millionen IvorerInnen im Ausland (vor allem in EU-Ländern, den USA und Kanada) und tragen mit Überweisungen in die Heimat zum Bruttoinlandsprodukt bei. Einige von ihnen bringen den Imperialismus und Krieg in ihr Heimatland zurück, doch davon weiter unten. Rund 60 Volksgruppen leben in Côte d’Ivoire, wobei Eheschließungen zwischen Angehörigen unterschiedlicher Ethnien keine Seltenheit sind. Neben der Amtssprache französisch werden ca. 70 weitere Sprachen gesprochen.
Die Analphabetenrate liegt bei ca. 70%, rund 4 Millionen Jugendliche sind arbeitslos. Auch das Gesundheitssystem hat durch den Bürgerkrieg stark gelitten, Spitäler wurden geplündert, Personal musste fliehen. Ein Großteil der Erkrankungen kann auf verschmutztes Trinkwasser zurückgeführt werden, die HIV-Rate liegt bei 7%.
Côte d’Ivoire verfügt über die stärkste Wirtschaft der westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion und trägt 40% zu deren BIP bei. Dabei ist zu beachten, dass das Pro-Kopf-BIP immer noch unter dem gesamtafrikanischen liegt und mehr als 40% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben, d.h. in Côte d’Ivoire mit weniger als 250 Euro pro Jahr auskommen müssen. Gleichzeitig ist das Land weltgrößter Kakaoproduzent (40% der weltweiten Produktion) und verfügt über Erdölreserven, deren Ausfuhr inzwischen den Wert des exportierten Kakaos übertreffen. Weiters exportiert Côte d’Ivoire jährlich ca. 250.000 Tonnen Kaffee und ist damit siebtgrößter Kaffeeproduzent weltweit. Daneben werden Palmöl, Kokosnüsse, Baumwolle und Zuckerrohr exportiert. Der Holzexport (Côte d’Ivoire exportiert mehr Holz als Brasilien) wird exzessiv betrieben und es drohen dadurch große ökologische Probleme. Alle diese Zahlenangaben sind wegen des Bürgerkriegs allerdings mit Vorsicht zu genießen.
Unabhängigkeit –
welche Unabhängigkeit?
Seit dem 15. Jahrhundert trieben Portugiesen Handel mit Küstenstämmen, wurden aber seit dem 17. Jahrhundert von Franzosen verdrängt, die 1843 den Marinestützpunkt Grand-Bassam anlegten und das Gebiet zur französischen Kolonie Côte d’Ivoire erklärten. Sie waren rasch mit Aufständischen moslemischer Rebellen konfrontiert. 1895 wurde Côte d’Ivoire Teil von Französisch-Westafrika, 1956 erhielt es eine innere Selbstverwaltung, 1958 wurde es autonome Republik innerhalb der französischen Gemeinschaft.
Am 7. August 1960 wurde Côte d’Ivoire offiziell unabhängig. Tatsächlich setzte Frankreich aber Präsidenten und Regierungen nach eigenem Ermessen ein und ab, die Wirtschaft wird von französischen Monopolen beherrscht und die im Land stationierten französischen Truppen führen Militäroperationen nach eigenem Gutdünken durch. Aber sie müssen auch auf die Widersprüche im Land reagieren. So führte der seit der formalen Unabhängigkeit regierende Präsident Houphouët-Boigny 1990 wegen Unruhen ein Mehrparteiensystem ein, nachdem er 30 Jahre lang mit der Einheitspartei Parti Democrtique de Côte d’Ivoire(PDCI) regiert und das Land dem IWF-Diktat ausgeliefert hatte. Präsident Bédié erfand in den 90er Jahren das Konzept der „ivorité“, eine ethnisch bestimmte „ivorische Nation“. Sie richtete sich gegen die migrantische Bevölkerung, die ca. 25% der Gesamtbevölkerung ausmacht. Die meisten MigrantInnen kommen aus Burkina Faso und leben hier zum Teil bereits in dritter Generation. Als weiteres Spaltinstrument wurde die Religionszugehörigkeit (Islam im Norden, Christentum und andere Religionen im Süden) eingesetzt.
Nach Houphouët-Boignys Tod 1993 folgten mehrere, von Frankreich goutierte Präsidenten, bis ein unblutiger Putsch 1999 das Land in einen nördlichen („Rebellengebiet“) und südlichen Teil spaltete. Für die französischen Konzerne im Land bedeutete diese Situation eine schwere Beeinträchtigung ihrer Geschäfte, und so wurde 2000 Laurent Gbagbo als neuer Präsident, der ein Image als „Demokrat“ und „Sozialist“ pflegte, installiert: Der amtierende Präsident Guéi ließ die Stimmenauszählung unterbrechen und die Wahlkommission verhaften, als es danach aussah, dass Gbagbo die Wahl gewinnen könnte. Darauf verkündete Radio France International den Wahlsieg Gbagbos, ohne dass die Stimmen je zur Gänze ausgezählt worden wären. Ein ähnliches Szenario, allerdings unter umgekehrten Vorzeichen, führte schließlich zum Sturz Gbagbos.
Laurent Gbagbo
Gbagbo arbeitete erst als Lehrer und Historiker in Côte d’Ivoire, war 1969 und 1971-73 wegen gewerkschaftlicher Betätigung und politischer Opposition im Gefängnis und musste 1982 wegen Teilnahme an einem Hochschulstreik nach Frankreich emigrieren, wo er sich im Kreis der Sozialdemokratie bewegte. 1988 kehrte er nach Côte d’Ivoire zurück und gründete dort die Ivorische Volksfront, die erst 1990 legalisiert wurde. Unter Outtara wurde 1992 wiederum verhaftet und 2000 schließlich, wie oben beschrieben, Präsident.
Gbagbo setzte die Kolonialbeziehungen ebenso wie die Unterdrückung des Volkes fort, und die französischen Konzerne ihre Geschäfte. Bolloré (Energie, Logistik, Transport, Tabak etc.) gilt als Inbegriff des französischen Kolonialismus in Afrika, der Konzern erhielt u.a. den Auftrag für den Hafen Abidjan. Aber ab 2001 wird die französische Vorherrschaft in Côte d’Ivoire angegriffen, indem Gbagbo mit Widersprüchen zwischen den Imperialisten spielt und laut übelegt, andere Mächte, darunter China, ins Land zu lassen, die Anwesenheit französischen Militärs im Land verringern möchte sowie den afrikanischen Franc als Währung in Frage stellt.
Dagegen entfesselt Frankreich 2002 einen Bürgerkrieg. Erst marschiert General Guéi vom Exil in Burkina Faso ein, am 22. September stocken die Franzosen ihre Truppenstärke auf 4.500 Mann auf und im Februar 2004 werden zusätzlich UNO-Soldaten stationiert. Im November desselben Jahres kommt es zu Kämpfen zwischen der ivorischen Armee und den Rebellen in Norden, Französische Truppen greifen ein, vernichten die ivorische Luftwaffe (2 Flugzeuge, 5 Kampfhubschrauber), besetzen strategisch wichtige Punkte in Abidjan und eröffnen das Feuer auf DemonstrantInnen (mit über 50 Toten). Nach mehreren Waffenstillstandsvereinbarungen wird das Land 2007 faktisch in zwei Teile geteilt und es sollen Wahlen stattfinden, was allerdings weitere drei Jahre dauert. Outtara wird als Gegenkandidat zu Gbagbo aufgebaut.
Alassane Outtara
Er verbrachte fast sein gesamtes Leben im Ausland, studierte in den 60er Jahren in Philadelphia und arbeitete anschließend für den IWF. Danach saß er zehn Jahre land in Paris in der Führungsetage der Zentralbank der Westafrikanischen Staaten. Von 1984 bis 1990 war Outtara wiederum beim IWF, zuletzt im Vorstand tätig, bis er vom damaligen Staatspräsidenten Côte d’Ivoires zum Ministerpräsident ernannt wurde. Seine Aufgabe bestand in der „neoliberalen Modernisierung“, d.h. der Auslieferung des Landes an den IWF, wodurch er sich im ganzen Land rasch unbeliebt machte. 1993 kehrte Outtara in die USA zurück und arbeitete wiederum beim IWF. 1995 und 2000 wollte er bei den Präsidentschaftswahlen kandidieren, was ihm wegen seiner Abstammung verwehrt wurde. Outtara ging nach Burkina Faso und begleitete 2002 den Putsch von Guéi gegen Gbagbo, er musste von französischen Soldaten vor „Ausschreitungen“ gerettet werden. Es folgten einige Jahre in Gabun und Frankreich, bis er vor den Wahlen 2010 wieder im Land auftauchte.
Wahlen und Ergebnisse
Bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2010 erhielt kein Kandidat die Mehrheit der Stimmen und deshalb kam es am 28. November 2010 zu einer Stichwahl zwischen Laurent Gbagbo und Alassane Outtara. Die Stimmen waren noch gar nicht ausgezählt, da erklärte die „internationale Staatengemeinschaft“, d.h. die EU, USA, der UN-Sicherheitsrat, der IWF und der Internationale Strafgerichtshof Outtara bereits zum Wahlsieger. Während der französische Fernsehsender TV5 das Wahlergebnis bekannt gab, erklärte der Chef der Zentralen Wahlkommission, dass es noch gar kein Resultat gäbe. Am nächsten Tag wurde er von den Botschaftern der USA und Frankreichs in das Hôtel du Golf, das Hauptquartier Outtaras, eingeladen. Ein paar Stunden später verkündete er das dort gewünschte Ergebnis.
Der ivorische Verfassungsratwiederum erklärte, dass es im Norden des Landes in vier Regionen Unregelmäßigkeiten und Einschüchterungen gegeben hätte und daher die Stimmen aus diesem Gebiet nichtig seien. Somit habe Gbagbo die Wahl gewonnen. Nun forderte der französische Außenminister Kouchner (Sozialdemokrat) seinen „lieben Freund“ Gbagbo auf, freiwillig zurückzutreten, was dieser ablehnte. Beide Kandidaten legten einen Amtseid ab und das Land hatte zwei Präsidenten.
Intervention
Als der russische Außenminister am 1. Dezember 2010 kritisiert wurde, warum nicht auch Russland endlich Outtara anerkenne, antwortete er, die russische Diplomatie sei nicht so hellsichtig wie die westliche, dass sie das Wahlergebnis schon vor Auszählung der Stimmen wüsste.
Der Westen hatte rasch klargemacht, wer zukünftiger ivorischer Präsident sein sollte, und deshalb verlangte Laurent Gbagbo den Abzug der französischen und UNO-Truppen. Seine Regierung werde jedenfalls der Verlängerung des vom Sicherheitsrat beschlossenen UNO-Mandats über den 31.12.2010 hinaus nicht zustimmen. Ohne diese Zustimmung wäre aber die Präsenz der UNO-Truppen im Land illegal gewesen, und deshalb brauchte es – zumindest für die französischen Interessen – rasch einen Präsidentenwechsel. Das Muster, das folgte, wurde in ähnlicher Weise im Fall Libyen angewandt:
Outtara inszentiert in Abidjan einen „Aufstand“, der sofort niedergeschlagen wird. Parallel dazu wird die ivorische Botschaft in Paris von Outtara-Sympathisanten besetzt und der „neue Botschafter“ von Frankreich sofort anerkannt. Dazu kündigt Frankreich eine militärische Interverntion in Côte d’Ivoire an und bereitet sich auch sofort darauf vor, während der IWF mit der Nichtauszahlung eines bereits bewilligten Kredites droht. Weiters werden westafrikanische Staaten gesucht, die sich an einer Intervention in Côte d’Ivoire beteiligen könnten.
Mitte Dezember sind bereits französische Marineinfanteristen mit gepanzerten Verbänden und 8 Kampfhubschraubern im Land stationiert, in Gabun, Tschad und Senegal sind weitere 6.000 französische Soldaten jederzeit mobilisierbar, in Burkina Faso das „Kommando für Spezialoperationen“ (COS). Hinzu kommen weitere 10.000 UNO-Truppen, darunter 3.500 Soldaten aus Bangla Desh, 850 aus Jordanien, 750 aus Pakistan, sowie Soldaten aus Ghana, Benin, Niger, Togo, Senegal, Marokko, die de facto unter französischem Oberkommando stehen. Im Golf von Guinea kreuzen französische Kriegsschiffe, darunter ein Hubschrauberträger und ein holländisches Versorgungsschiff, das von einem „Anti-Piraten-Einsatz“ am Horn von Afrika kommt.
Am 20. Dezember wird ein Einsatz westafrikanischer Truppen (ECOMOG) mit 2.000 Mann „schnellen Eingreiftruppen“ aus Nigeria beschlossen, womit die Intervention unter dem Deckmantel „interafrikanischer Hilfe“ durchgeführt werden kann.
Hindernisse
Gbagbo hatte nicht nur die Armee hinter sich, sondern auch Teile der Bevölkerung im Süden. Dazu trug sein Gegner bei, dessen Ruf nach sofortiger imperialistischer Intervention ihn daheim nur unbeliebter machte. Deshalb musste er von 800 „Blauhelmen“ in seinem Hauptquartier, dem „Hôtel du Golf“, beschützt werden. Das Hotel selbst war von ivorischen Truppen umstellt.
Bald kam es zu Kämpfen in allen Landesteilen, vor allem im Norden, und weitere „Rebellen“ sickerten aus Burkina Faso ein. Nach wenigen Tagen waren bereits mehr als 25.000 Menschen in Nachbarländer geflüchtet. In der Stadt Adobo schossen UNO-Truppen auf Demonstranten, mehrere Menschen starben. Im Gegenzug wurde das UNO-Hauptquartier in Abidjan beschossen. Die Besatzer wurden in der Nacht von bewaffneten Jugendlichen besucht und gefragt, wann sie das Land zu verlassen gedächten, die Bevölkerung aufgerufen, den Besatzern nichts mehr zu verkaufen, ihre Fahrzeuge nicht zu betanken, sie in den Spitälern nicht zu behandeln. Der Bürgerkrieg hat begonnen, er dauert Monate an und wird auf beiden Seiten mit äußerster Brutalität geführt.
Ende Februar beginnen Gbagbo-treue Kräfte, die dicht besiedelte Umgebung von Abidjan, die unter Kontrolle von anti-Gbagbo-Elementen geriet, zu beschießen. Die Angriffe richten sich gegen Menschen, die als Moslems und/oder Rebellen eingeschätzt werden. Auf der Gegenseite die gleiche Brutalität. Am 29.3.2011 rücken Kräfte der FRCI (die Forces Républicaines de Côte d‘Ivoire wurden am 8.3.2011 von Alassane Outtara geschaffen) in Duékoué, ca. 500 km westlich von Abidjan, und benachbarten Dörfern ein und erschossen mindestens drei junge Männer. Nur einen Kilometer entfernt befinden sich 200 UNO-Soldaten (UNOCI), und die BewohnerInnen von Duékoué wenden sich mehrmals um Hilfe an sie, erfolglos.
Etwa eine Million Menschen flüchtet vor den Kämpfen und Massakern. Der Menschenrechtsexperte der UNOCI meint, dass „keine der beiden Seiten die Menschenrechte respektiert“. Das hindert den Westen jedoch nicht daran, sich auf die Seite Outtaras zu stellen. UNO- und französische Truppen greifen in die Kämpfe ein. Kampfhubschrauber unterstützen seine Truppen und fliegen Angriffe gegen die Residenz von Gbagbo, der schließlich am 14. April 2011 gefangen genommen wird.
Doch Angriffe gegen Dörfer, die von Menschen ethnischer Gruppen bewohnt werden, die als UnterstützerInnen von Laurent Gbagbo betrachtet werden, werden in den ersten Maiwochen fortgeführt. Zwischen dem 6. und dem 8. Mai werden mehrere Dörfer niedergebrannt und dutzende Menschen ermordet. Die FRCI rechtfertigt diese Akte, indem sie sagt, sie hätte nach Waffen und liberianischen Söldnern gesucht.
In der Nacht vom 19. auf den 20. Mai wurden die Dörfer von Aboisso von Outtara-Truppen geplündert und dem Erdboden gleichgemacht, die BewohnerInnen konnten flüchten und versteckten sich in den Wäldern. Der ehemalige Bürgermeister von Yamoussoukro wurde am gleichen Tag vor den Augen seiner Familie ermordet.
Einen Tag später meldete Radio Vatikan, dass sich immer noch 30.000 Flüchtlinge in der Missionsstation der Salesianer in Duékouébefänden, die nicht in ihre Häuser zurückkehren könnten.
Reporter ohne Grenzen berichten, dass Ende Mai Nina Bolou, die Direktorin der ivorischen Zeitung Le Temps, verhaftet und der Radio-Journalist Sylvain Gagnetaud ermordet wurde. Beide unterstützten Laurent Gbagbo.
Frankreich hat einmal mehr „seinen“ Präsidenten durchgesetzt, und die guten Beziehungen sind gesichert. Immerhin hat der damalige Bürgermeister von Neuilly, Nicolas Sarkozy, Outtara mit der französischen Fabrikantentochter Dominique Novion getraut. Und der gehören wiederum viele große Unternehmen in Côte d’Ivoire.
Französische Wahl
Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) ist etwa viermal so groß wie Österreich (322.000 km2) und hat ca. 19 Millionen EinwohnerInnen. Die Hauptstadt ist Yamoussoukro, der Regierungssitz in Abidjan. Im Süden prägen Regenwald und Mangroven die Landschaft, im Norden Trockenwälder und Savannen. Seit der Kolonialzeit hat sich allerdings der Waldbestand drastisch verringert, teils durch Anlage von Plantagen, teils durch Abholzung.
Die Bevölkerungsanzahl ist in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen, was zu einem Gutteil der Migration geschuldet ist. Schätzungsweise 2 Millionen Menschen aus Burkina Faso leben in Côte d’Ivoire, insgesamt wird die Anzahl von MigrantInnen auf ein Viertel der Gesamtbevölkerung geschätzt. Andererseits leben ca. 1,5 Millionen IvorerInnen im Ausland (vor allem in EU-Ländern, den USA und Kanada) und tragen mit Überweisungen in die Heimat zum Bruttoinlandsprodukt bei. Einige von ihnen bringen den Imperialismus und Krieg in ihr Heimatland zurück, doch davon weiter unten. Rund 60 Volksgruppen leben in Côte d’Ivoire, wobei Eheschließungen zwischen Angehörigen unterschiedlicher Ethnien keine Seltenheit sind. Neben der Amtssprache französisch werden ca. 70 weitere Sprachen gesprochen.
Die Analphabetenrate liegt bei ca. 70%, rund 4 Millionen Jugendliche sind arbeitslos. Auch das Gesundheitssystem hat durch den Bürgerkrieg stark gelitten, Spitäler wurden geplündert, Personal musste fliehen. Ein Großteil der Erkrankungen kann auf verschmutztes Trinkwasser zurückgeführt werden, die HIV-Rate liegt bei 7%.
Côte d’Ivoire verfügt über die stärkste Wirtschaft der westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion und trägt 40% zu deren BIP bei. Dabei ist zu beachten, dass das Pro-Kopf-BIP immer noch unter dem gesamtafrikanischen liegt und mehr als 40% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben, d.h. in Côte d’Ivoire mit weniger als 250 Euro pro Jahr auskommen müssen. Gleichzeitig ist das Land weltgrößter Kakaoproduzent (40% der weltweiten Produktion) und verfügt über Erdölreserven, deren Ausfuhr inzwischen den Wert des exportierten Kakaos übertreffen. Weiters exportiert Côte d’Ivoire jährlich ca. 250.000 Tonnen Kaffee und ist damit siebtgrößter Kaffeeproduzent weltweit. Daneben werden Palmöl, Kokosnüsse, Baumwolle und Zuckerrohr exportiert. Der Holzexport (Côte d’Ivoire exportiert mehr Holz als Brasilien) wird exzessiv betrieben und es drohen dadurch große ökologische Probleme. Alle diese Zahlenangaben sind wegen des Bürgerkriegs allerdings mit Vorsicht zu genießen.
Unabhängigkeit –
welche Unabhängigkeit?
Seit dem 15. Jahrhundert trieben Portugiesen Handel mit Küstenstämmen, wurden aber seit dem 17. Jahrhundert von Franzosen verdrängt, die 1843 den Marinestützpunkt Grand-Bassam anlegten und das Gebiet zur französischen Kolonie Côte d’Ivoire erklärten. Sie waren rasch mit Aufständischen moslemischer Rebellen konfrontiert. 1895 wurde Côte d’Ivoire Teil von Französisch-Westafrika, 1956 erhielt es eine innere Selbstverwaltung, 1958 wurde es autonome Republik innerhalb der französischen Gemeinschaft.
Am 7. August 1960 wurde Côte d’Ivoire offiziell unabhängig. Tatsächlich setzte Frankreich aber Präsidenten und Regierungen nach eigenem Ermessen ein und ab, die Wirtschaft wird von französischen Monopolen beherrscht und die im Land stationierten französischen Truppen führen Militäroperationen nach eigenem Gutdünken durch. Aber sie müssen auch auf die Widersprüche im Land reagieren. So führte der seit der formalen Unabhängigkeit regierende Präsident Houphouët-Boigny 1990 wegen Unruhen ein Mehrparteiensystem ein, nachdem er 30 Jahre lang mit der Einheitspartei Parti Democrtique de Côte d’Ivoire(PDCI) regiert und das Land dem IWF-Diktat ausgeliefert hatte. Präsident Bédié erfand in den 90er Jahren das Konzept der „ivorité“, eine ethnisch bestimmte „ivorische Nation“. Sie richtete sich gegen die migrantische Bevölkerung, die ca. 25% der Gesamtbevölkerung ausmacht. Die meisten MigrantInnen kommen aus Burkina Faso und leben hier zum Teil bereits in dritter Generation. Als weiteres Spaltinstrument wurde die Religionszugehörigkeit (Islam im Norden, Christentum und andere Religionen im Süden) eingesetzt.
Nach Houphouët-Boignys Tod 1993 folgten mehrere, von Frankreich goutierte Präsidenten, bis ein unblutiger Putsch 1999 das Land in einen nördlichen („Rebellengebiet“) und südlichen Teil spaltete. Für die französischen Konzerne im Land bedeutete diese Situation eine schwere Beeinträchtigung ihrer Geschäfte, und so wurde 2000 Laurent Gbagbo als neuer Präsident, der ein Image als „Demokrat“ und „Sozialist“ pflegte, installiert: Der amtierende Präsident Guéi ließ die Stimmenauszählung unterbrechen und die Wahlkommission verhaften, als es danach aussah, dass Gbagbo die Wahl gewinnen könnte. Darauf verkündete Radio France International den Wahlsieg Gbagbos, ohne dass die Stimmen je zur Gänze ausgezählt worden wären. Ein ähnliches Szenario, allerdings unter umgekehrten Vorzeichen, führte schließlich zum Sturz Gbagbos.
Laurent Gbagbo
Gbagbo arbeitete erst als Lehrer und Historiker in Côte d’Ivoire, war 1969 und 1971-73 wegen gewerkschaftlicher Betätigung und politischer Opposition im Gefängnis und musste 1982 wegen Teilnahme an einem Hochschulstreik nach Frankreich emigrieren, wo er sich im Kreis der Sozialdemokratie bewegte. 1988 kehrte er nach Côte d’Ivoire zurück und gründete dort die Ivorische Volksfront, die erst 1990 legalisiert wurde. Unter Outtara wurde 1992 wiederum verhaftet und 2000 schließlich, wie oben beschrieben, Präsident.
Gbagbo setzte die Kolonialbeziehungen ebenso wie die Unterdrückung des Volkes fort, und die französischen Konzerne ihre Geschäfte. Bolloré (Energie, Logistik, Transport, Tabak etc.) gilt als Inbegriff des französischen Kolonialismus in Afrika, der Konzern erhielt u.a. den Auftrag für den Hafen Abidjan. Aber ab 2001 wird die französische Vorherrschaft in Côte d’Ivoire angegriffen, indem Gbagbo mit Widersprüchen zwischen den Imperialisten spielt und laut übelegt, andere Mächte, darunter China, ins Land zu lassen, die Anwesenheit französischen Militärs im Land verringern möchte sowie den afrikanischen Franc als Währung in Frage stellt.
Dagegen entfesselt Frankreich 2002 einen Bürgerkrieg. Erst marschiert General Guéi vom Exil in Burkina Faso ein, am 22. September stocken die Franzosen ihre Truppenstärke auf 4.500 Mann auf und im Februar 2004 werden zusätzlich UNO-Soldaten stationiert. Im November desselben Jahres kommt es zu Kämpfen zwischen der ivorischen Armee und den Rebellen in Norden, Französische Truppen greifen ein, vernichten die ivorische Luftwaffe (2 Flugzeuge, 5 Kampfhubschrauber), besetzen strategisch wichtige Punkte in Abidjan und eröffnen das Feuer auf DemonstrantInnen (mit über 50 Toten). Nach mehreren Waffenstillstandsvereinbarungen wird das Land 2007 faktisch in zwei Teile geteilt und es sollen Wahlen stattfinden, was allerdings weitere drei Jahre dauert. Outtara wird als Gegenkandidat zu Gbagbo aufgebaut.
Alassane Outtara
Er verbrachte fast sein gesamtes Leben im Ausland, studierte in den 60er Jahren in Philadelphia und arbeitete anschließend für den IWF. Danach saß er zehn Jahre land in Paris in der Führungsetage der Zentralbank der Westafrikanischen Staaten. Von 1984 bis 1990 war Outtara wiederum beim IWF, zuletzt im Vorstand tätig, bis er vom damaligen Staatspräsidenten Côte d’Ivoires zum Ministerpräsident ernannt wurde. Seine Aufgabe bestand in der „neoliberalen Modernisierung“, d.h. der Auslieferung des Landes an den IWF, wodurch er sich im ganzen Land rasch unbeliebt machte. 1993 kehrte Outtara in die USA zurück und arbeitete wiederum beim IWF. 1995 und 2000 wollte er bei den Präsidentschaftswahlen kandidieren, was ihm wegen seiner Abstammung verwehrt wurde. Outtara ging nach Burkina Faso und begleitete 2002 den Putsch von Guéi gegen Gbagbo, er musste von französischen Soldaten vor „Ausschreitungen“ gerettet werden. Es folgten einige Jahre in Gabun und Frankreich, bis er vor den Wahlen 2010 wieder im Land auftauchte.
Wahlen und Ergebnisse
Bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2010 erhielt kein Kandidat die Mehrheit der Stimmen und deshalb kam es am 28. November 2010 zu einer Stichwahl zwischen Laurent Gbagbo und Alassane Outtara. Die Stimmen waren noch gar nicht ausgezählt, da erklärte die „internationale Staatengemeinschaft“, d.h. die EU, USA, der UN-Sicherheitsrat, der IWF und der Internationale Strafgerichtshof Outtara bereits zum Wahlsieger. Während der französische Fernsehsender TV5 das Wahlergebnis bekannt gab, erklärte der Chef der Zentralen Wahlkommission, dass es noch gar kein Resultat gäbe. Am nächsten Tag wurde er von den Botschaftern der USA und Frankreichs in das Hôtel du Golf, das Hauptquartier Outtaras, eingeladen. Ein paar Stunden später verkündete er das dort gewünschte Ergebnis.
Der ivorische Verfassungsratwiederum erklärte, dass es im Norden des Landes in vier Regionen Unregelmäßigkeiten und Einschüchterungen gegeben hätte und daher die Stimmen aus diesem Gebiet nichtig seien. Somit habe Gbagbo die Wahl gewonnen. Nun forderte der französische Außenminister Kouchner (Sozialdemokrat) seinen „lieben Freund“ Gbagbo auf, freiwillig zurückzutreten, was dieser ablehnte. Beide Kandidaten legten einen Amtseid ab und das Land hatte zwei Präsidenten.
Intervention
Als der russische Außenminister am 1. Dezember 2010 kritisiert wurde, warum nicht auch Russland endlich Outtara anerkenne, antwortete er, die russische Diplomatie sei nicht so hellsichtig wie die westliche, dass sie das Wahlergebnis schon vor Auszählung der Stimmen wüsste.
Der Westen hatte rasch klargemacht, wer zukünftiger ivorischer Präsident sein sollte, und deshalb verlangte Laurent Gbagbo den Abzug der französischen und UNO-Truppen. Seine Regierung werde jedenfalls der Verlängerung des vom Sicherheitsrat beschlossenen UNO-Mandats über den 31.12.2010 hinaus nicht zustimmen. Ohne diese Zustimmung wäre aber die Präsenz der UNO-Truppen im Land illegal gewesen, und deshalb brauchte es – zumindest für die französischen Interessen – rasch einen Präsidentenwechsel. Das Muster, das folgte, wurde in ähnlicher Weise im Fall Libyen angewandt:
Outtara inszentiert in Abidjan einen „Aufstand“, der sofort niedergeschlagen wird. Parallel dazu wird die ivorische Botschaft in Paris von Outtara-Sympathisanten besetzt und der „neue Botschafter“ von Frankreich sofort anerkannt. Dazu kündigt Frankreich eine militärische Interverntion in Côte d’Ivoire an und bereitet sich auch sofort darauf vor, während der IWF mit der Nichtauszahlung eines bereits bewilligten Kredites droht. Weiters werden westafrikanische Staaten gesucht, die sich an einer Intervention in Côte d’Ivoire beteiligen könnten.
Mitte Dezember sind bereits französische Marineinfanteristen mit gepanzerten Verbänden und 8 Kampfhubschraubern im Land stationiert, in Gabun, Tschad und Senegal sind weitere 6.000 französische Soldaten jederzeit mobilisierbar, in Burkina Faso das „Kommando für Spezialoperationen“ (COS). Hinzu kommen weitere 10.000 UNO-Truppen, darunter 3.500 Soldaten aus Bangla Desh, 850 aus Jordanien, 750 aus Pakistan, sowie Soldaten aus Ghana, Benin, Niger, Togo, Senegal, Marokko, die de facto unter französischem Oberkommando stehen. Im Golf von Guinea kreuzen französische Kriegsschiffe, darunter ein Hubschrauberträger und ein holländisches Versorgungsschiff, das von einem „Anti-Piraten-Einsatz“ am Horn von Afrika kommt.
Am 20. Dezember wird ein Einsatz westafrikanischer Truppen (ECOMOG) mit 2.000 Mann „schnellen Eingreiftruppen“ aus Nigeria beschlossen, womit die Intervention unter dem Deckmantel „interafrikanischer Hilfe“ durchgeführt werden kann.
Hindernisse
Gbagbo hatte nicht nur die Armee hinter sich, sondern auch Teile der Bevölkerung im Süden. Dazu trug sein Gegner bei, dessen Ruf nach sofortiger imperialistischer Intervention ihn daheim nur unbeliebter machte. Deshalb musste er von 800 „Blauhelmen“ in seinem Hauptquartier, dem „Hôtel du Golf“, beschützt werden. Das Hotel selbst war von ivorischen Truppen umstellt.
Bald kam es zu Kämpfen in allen Landesteilen, vor allem im Norden, und weitere „Rebellen“ sickerten aus Burkina Faso ein. Nach wenigen Tagen waren bereits mehr als 25.000 Menschen in Nachbarländer geflüchtet. In der Stadt Adobo schossen UNO-Truppen auf Demonstranten, mehrere Menschen starben. Im Gegenzug wurde das UNO-Hauptquartier in Abidjan beschossen. Die Besatzer wurden in der Nacht von bewaffneten Jugendlichen besucht und gefragt, wann sie das Land zu verlassen gedächten, die Bevölkerung aufgerufen, den Besatzern nichts mehr zu verkaufen, ihre Fahrzeuge nicht zu betanken, sie in den Spitälern nicht zu behandeln. Der Bürgerkrieg hat begonnen, er dauert Monate an und wird auf beiden Seiten mit äußerster Brutalität geführt.
Ende Februar beginnen Gbagbo-treue Kräfte, die dicht besiedelte Umgebung von Abidjan, die unter Kontrolle von anti-Gbagbo-Elementen geriet, zu beschießen. Die Angriffe richten sich gegen Menschen, die als Moslems und/oder Rebellen eingeschätzt werden. Auf der Gegenseite die gleiche Brutalität. Am 29.3.2011 rücken Kräfte der FRCI (die Forces Républicaines de Côte d‘Ivoire wurden am 8.3.2011 von Alassane Outtara geschaffen) in Duékoué, ca. 500 km westlich von Abidjan, und benachbarten Dörfern ein und erschossen mindestens drei junge Männer. Nur einen Kilometer entfernt befinden sich 200 UNO-Soldaten (UNOCI), und die BewohnerInnen von Duékoué wenden sich mehrmals um Hilfe an sie, erfolglos.
Etwa eine Million Menschen flüchtet vor den Kämpfen und Massakern. Der Menschenrechtsexperte der UNOCI meint, dass „keine der beiden Seiten die Menschenrechte respektiert“. Das hindert den Westen jedoch nicht daran, sich auf die Seite Outtaras zu stellen. UNO- und französische Truppen greifen in die Kämpfe ein. Kampfhubschrauber unterstützen seine Truppen und fliegen Angriffe gegen die Residenz von Gbagbo, der schließlich am 14. April 2011 gefangen genommen wird.
Doch Angriffe gegen Dörfer, die von Menschen ethnischer Gruppen bewohnt werden, die als UnterstützerInnen von Laurent Gbagbo betrachtet werden, werden in den ersten Maiwochen fortgeführt. Zwischen dem 6. und dem 8. Mai werden mehrere Dörfer niedergebrannt und dutzende Menschen ermordet. Die FRCI rechtfertigt diese Akte, indem sie sagt, sie hätte nach Waffen und liberianischen Söldnern gesucht.
In der Nacht vom 19. auf den 20. Mai wurden die Dörfer von Aboisso von Outtara-Truppen geplündert und dem Erdboden gleichgemacht, die BewohnerInnen konnten flüchten und versteckten sich in den Wäldern. Der ehemalige Bürgermeister von Yamoussoukro wurde am gleichen Tag vor den Augen seiner Familie ermordet.
Einen Tag später meldete Radio Vatikan, dass sich immer noch 30.000 Flüchtlinge in der Missionsstation der Salesianer in Duékouébefänden, die nicht in ihre Häuser zurückkehren könnten.
Reporter ohne Grenzen berichten, dass Ende Mai Nina Bolou, die Direktorin der ivorischen Zeitung Le Temps, verhaftet und der Radio-Journalist Sylvain Gagnetaud ermordet wurde. Beide unterstützten Laurent Gbagbo.
Frankreich hat einmal mehr „seinen“ Präsidenten durchgesetzt, und die guten Beziehungen sind gesichert. Immerhin hat der damalige Bürgermeister von Neuilly, Nicolas Sarkozy, Outtara mit der französischen Fabrikantentochter Dominique Novion getraut. Und der gehören wiederum viele große Unternehmen in Côte d’Ivoire.